Katrin Lindner

 

001 20130225 1147879536
In den 70er Jahren suchten viele Kapellen im Land nach einem Weg. Nach ihrem Weg! Es wurden Nischen, der sprichwörtliche "Rote Faden" oder Genres gesucht, in denen man sich und die eigene Band musikalisch verankern konnte. Eine spannende Zeit des Ausprobierens, Experimentierens und des Suchens und Findens eigener Wege. So ging es auch der Schubert-Formation. Von Sieghard Schubert im Jahre 1972 gegründet, versuchte man sich erst in Sachen Jazz. Trotzdem so große Stimmen wie die von Uschi Brüning und Christiane Ufholz den Weg der Schubert Formation am Anfang begleiteten, gelang der richtig große Wurf aber nicht. Die Suche nach dem Weg der Schubert Formation war noch lange nicht abgeschlossen. Man experimentierte und arbeitete mit einer weiteren großen Stimme, nämlich der von Holger Biege, und endlich gelang ein Hit. Vom Jazz abgekehrt und zum Deutschrock gewechselt, wurde mit "Sommer ade" ein erfolgreicher Titel platziert. Doch damit war der Umbruch längst nicht abgeschlossen. Erst als unser Stargast des Monats Dezember zur Band stieß, ging der Weg richtig steil bergauf. Trotz aller Widrigkeiten und Stolpersteine, die ihnen in den Weg gelegt wurden, konnte sich die Schubert Band mit ihrer Sängerin und Frontfrau Katrin Lindner behaupten und eine große und treue Fangemeinde um sich herum aufbauen. Bis Mitte der 80er Jahre war die Band mit ihrer Frontfrau aktiv. Danach zogen sich Bandgründer und Ehemann der Lindner, Sieghard Schubert, und seine Frau zurück und kümmerten sich fortan um die Produktion von Schallplatten anderer Künstler. Eine der großartigsten Stimmen der deutschen Rockgeschichte war verschwunden. Mitte der 90er gab es zwar ein Soloalbum von Katrin Lindner, nur hat davon kaum jemand etwas mitbekommen. Und als es sich herumgesprochen hatte, war diese CD längst vergriffen. Im Spätsommer 2009 hatte das sehnsüchtige Warten der Fans von Katrin Lindner ein Ende! Die Künstlerin stand erstmals seit vielen Jahren wieder auf einer Bühne. Sie hatte zu ihren selbst gemalten Bildern Musiken und Texte geschrieben und trug diese im Rahmen einer Vernissage vor. Was sind das für Lieder? Wird es sie auf CD und möglicherweise eine dazu passende Tournee geben? Mit wem spielt Katrin heute zusammen? Fragen über Fragen, die sich aus diesem "Comeback" ergeben. Der Kontakt zu Katrin stand schon etwas länger, und aus einem ursprünglich für die Rubrik "Rauchzeichen" geplanten Interview kann dieses nun aufgrund der Ereignisse im Spätsommer und der bevorstehenden freudigen Ereignisse für die Rubrik "Stargast" erfolgen. In einem sehr spannenden und interessanten Gespräch mit Katrin Lindner ging Christian vielen Fragen der Deutsche Mugge-Leser und denen der Redaktion nach. Eine der besten Sängerinnen, die unser Land je hervorgebracht hat, nahm sich die Zeit für ein sehr langes Gespräch, das Ihr an dieser Stelle jetzt nachlesen könnt...
 

 

Das Wichtigste vorweg: Du hast im September Dein Bühnencomeback gegeben. Wie kam es dazu und mit welchem Programm bist Du aufgetreten? Naja, "Comeback" ist vielleicht nicht das richtige Wort dafür, denn im Prinzip mache ich etwas völlig anderes. Das hatte andere Hintergründe. Eigentlich hatte ich mir schon vor einiger Zeit vorgenommen eine DVD zu produzieren, denn meine Malerei hat inzwischen einen hohen Stellenwert in meinem künstlerischen Schaffen bekommen. Ich habe also zum Teil Bilder vertont und betextet oder auch umgekehrt, anschließend Bilder gemalt und wollte dieses Gesamtwerk auf DVD präsentieren . In dieser Form hatte ich das auch gar nicht geplant. Dazu gibt es eine kleine Vorgeschichte. Wie Du weißt, habe ich auf dem Farmlandhof auch Gästezimmer, die ich vermiete. Ich führe hier ein kleines Hotel mit sechs Zimmern. Vor einiger Zeit hat sich ein Herr eingebucht, der sich aber zuerst nicht zu erkennen gegeben hat. Er hatte für ein Wochenende ein Zimmer bestellt. Es stellte sich dann aber heraus, dass er ein uralter Fan von mir war. Er hatte seine Autogrammkarten, unterschriebene Bierdeckel und viele andere Sachen mitgebracht und sagte, dass wir uns eigentlich schon kennen würden und uns vor vielen Jahren auch schon geduzt hätten. Das war schon komisch, denn das war 25 Jahre her und ich konnte mich nicht mehr erinnern. Es war aber gleich wieder ein Draht da, so dass wir uns sofort das Du erneut angeboten und ein wunderschönes Wochenende gemeinsam verbracht haben. Eigentlich kam er, um sich meine Bilder anzuschauen. Er hatte davon irgendwo im Internet gelesen. Das haben wir auch gemacht, und haben anschließend in einer Kneipe zusammen gesessen. Am späten Abend habe ich ihn dann mit in mein Studio genommen und habe ihm spontan ein paar Stücke vorgespielt, an denen ich in der letzten Zeit gearbeitet hatte. Er war davon total begeistert und fast schon zu Tränen gerührt. Das hat ihm unheimlich gut gefallen, und er hat eigentlich den Anstoß zu diesem Auftritt gegeben. Er hat gesagt: "Ich finde die Bilder und die Songs richtig gut. Ich habe einen guten Draht zu einem kleinen Theater in Wittenberg. Da organisiere ich Dir eine Vernissage, und am allerliebsten wäre es mir, wenn Du dort zu diesem Anlass ein Konzert geben könntest." Ich antwortete: "Eigentlich bin ich darauf gar nicht vorbereitet und habe ewig schon nicht mehr auf der Bühne gestanden." Die neue CD war zu diesem Zeitpunkt im Hinterkopf schon geplant, aber keine Auftritte. Es begann jedoch in mir zu arbeiten, und deshalb habe ich André Gensicke von den Zöllnern, mit dem ich gut befreundet bin, angerufen und gesagt: "Bei mir war jemand, der für mich eine Ausstellung organisieren will und möchte, dass ich dazu ein Konzert gebe. Kannst Du mir helfen?" Er sagte dann: "Ja, das machen wir schon." Bis dahin hatte ich nur etwa sieben Titel fertig, und deshalb habe ich "Scholle" (Dirk Zöllner) für die zweite Hälfte des Konzerts mit eingeplant, denn "Gensi" war ja ohnehin mit mir dort. Und so kam es, dass ich die erste Hälfte des Konzertes mit Gensi zusammen gespielt habe, und "Scholle" die Zweite. Das war ein Riesenerfolg, und deshalb denke ich nun darüber nach, nach Fertigstellung meiner CD ganz gezielt und zusammen mit der Malerei auf kleinen,002 20130225 1415542404 schönen Bühnen eine kleine, organisierte Tour zu machen. Vielleicht einmal im Jahr für 10 Tage. Eine kleine lustige Geschichte am Rande: Dieser Fan, der bei mir war, sagte mir an dem Wochenende irgendwann um Mitternacht, dass er Geburtstag hätte. Also hatte er sich bei mir eingebucht, um bei und mit mir seinen Geburtstag zu verbringen (lacht).
 
 

Na, das war dann aber auch ein schöner Geburtstag. Zusammen mit seinem Idol und dann so viele schöne Neuigkeiten...
Das kann man wohl sagen, ja! Diesen Geburtstag wird er wohl nie wieder vergessen (lacht). Das Geburtstagskind heißt übrigens Andreas Schnurpel und ich sollte mich bei ihm bedanken, dass er mich auf diese Weise wieder auf die Bühne gelockt hat.

 

Du hast mir in einem Gespräch vor ein paar Wochen schon erzählt, und gerade auch erwähnt, dass Du intensiv an einer neuen CD arbeitest. Wie weit bist Du mit den Arbeiten daran?
Fertig! Ja, nun ist die DVD endgültig vom Tisch, es wird eine CD und sie ist demomäßig fertig . Dafür ist ein Bildband in Planung, der neben meinen Bildern und Texten witzige kleine Geschichten - geschrieben von meiner Freundin Denise Naumann - und die CD enthalten wird. Das wird allerdings noch dauern und die CD soll so schnell wie möglich erscheinen!!!!! Auf dem neuen Album werden 12 Stücke drauf sein, und wir fangen am 29. November mit der Produktion an. Ganz sparsam, mit wenig Instrumenten...

 

Das wäre meine nächste Frage gewesen: Wie wird Katrin Lindner im neuen Jahrtausend klingen? Was wird den interessierten Hörer ihrer CD erwarten?
Es wird auf jeden Fall ganz anders klingen als vor 10 oder 15 Jahren. Die Stimme bleibt natürlich, aber es wird insofern anders sein, als dass alles aus meiner Feder stammt. Es hat also keiner drin "rumgerührt". Ich habe die Musik geschrieben, ich habe die Texte geschrieben und ich hatte dabei eine Vision. Ich habe inzwischen eine sehr große Lebenserfahrung mit einzubringen, ich habe also etwas zu sagen. Die Lieder habe ich auch für mich gemacht, weil es mir einfach Spaß macht und bin deshalb auch nicht unheimlich erfolgsgierig. Es ist für mich einfach eine ganz große und tiefe Befriedigung, jetzt noch mal etwas raus zu lassen, was einfach raus muss.

 

Wer ist an der Produktion beteiligt, und welche Musiker hast Du mit ins Studio genommen?
Im Prinzip gar nicht viele. Hauptsächlich haben André Gensicke und ich das hier inszeniert. Er wird die CD hier bei mir produzieren, da in meinen Räumen ideale Bedingungen für unser Vorhaben vorhanden sind. Aber er ist nicht nur der Produzent, sondern Gensi wird am 100-jährigen Blüthner Flügel alle Songs einspielen, und wenn's gelingt haben wir vor, Klavier und Gesang zusammen aufzunehmen. Sonny Thet konnten wir als Cellisten gewinnen, worüber ich mich sehr freue. Man kennt ihn von "Bayon" und er hat unter anderem bei der Filmmusik zu dem mit dem Oskar preisgekrönten Film "Das Leben der Anderen" mitgewirkt . Eventuell kommt da noch ein bisschen Percussion dazu, die mein Sohn, Moritz Schubert, einspielen wird. Das weiß ich aber noch nicht genau, das wird sich während der Produktion ergeben. Wir wollen die Instrumentierung ganz sparsam halten und werden während der Produktion entscheiden, ob wir an der einen oder anderen Stelle noch etwas dazu haben wollen oder nicht. Es wird auch ein Akkordeon zu hören sein. Das spielt Gensi selbst. Außerdem haben wir eventuell noch eine Geige dabei, aber das war's auch schon.

 

Also werden die neuen Lieder eher mit klassischen Instrumenten gespielt...
Ja, richtig. Es wird z.B. auch keine Gitarren geben.

 

Wird das ein Eigenvertrieb, oder hast Du eine Plattenfirma gefunden, die das Album vertreiben wird?
Darum habe ich mich noch gar nicht gekümmert. Das hat mich alles so schnell eingeholt. Wir haben das plötzlich gemacht, ohne uns da vorher Gedanken drüber zu machen. Ich müsste versuchen, mir eine Firma zu suchen. Dirk Zöllner hat mir angeboten, dass er da mal mit in Frage kommenden Leuten sprechen wird. Sollten wir keine Firma finden, machen wir's im Eigenvertrieb. Es ist sicher nicht leicht, und ich habe mich auch gar nicht großartig um Sponsoren gekümmert. Sowas macht man ja heutzutage alles, weil's auch irgendwo sehr kostenintensiv ist. Alleine nachher schon, die CD im Presswerk herzustellen.

 

Man merkt's schon: Dir geht es wirklich nur um die Musik, und nicht um das Drumherum...
Stimmt. Darüber habe ich gar nicht nachgedacht. Gensi fragte mich neulich nach dem Layout, und auch darüber habe ich noch gar nicht richtig nachgedacht (lacht). Da muss ich sehen, ob ich noch einen Freund finde, der das vielleicht machen könnte. Das ist alles nicht so kommerziell angedacht, weil es mir einfach nur Spaß macht.

 

Gehen wir mal ein paar Jahre zurück: Zwischen 1964 und 1967 hast Du "Bildende Kunst" an der Hochschule "Burg Giebichenstein" in Halle studiert. Wolltest Du etwa gar nicht Musikerin werden?
Nein, eigentlich nicht. Aber ich komme aus einem musischen Elternhaus, und ich bekam schon recht früh Klavier- und Balett-Unterricht, später kam noch die Gitarre dazu. Das war von zu Hause aus schon ein bisschen angelegt. Mit 19 oder 20 Jahren habe ich den Musiker Sieghard kennen gelernt und später geheiratet. Er war damals bei Klaus Lenz und hat Jazz-Musik gemacht, womit ich nicht so furchtbar viel anfangen konnte und wollte. Irgendwann hat's mich dann aber doch gefesselt und ich habe dann auch gesagt: "Ich möchte Musik machen." Als Autodidakt habe ich Sieghard dann irgendwo auch beweisen wollen, dass ich ohne ihn einen musikalischen Weg gehen und eine Karriere aufzubauen kann. Das habe ich dann auch ganz zielstrebig verfolgt. Bei Klaus Lenz gab es einen Ansager, der hieß Werner Sellhorn. Ich weiß nicht, ist Dir das ein Begriff?

 

70erlive8 20130225 1005189784Ja, "Josh" Sellhorn, er war Lektor und Musikwissenschaftler und ist im Mai d.J. verstorben.
Genau. Den habe ich damals einfach mal angesprochen und gesagt: "Du, ich möchte auch ganz gerne Musik machen und singen und möchte amateurmäßig anfangen. Hast Du da eine Idee?", und er hat mich an eine kleine Berliner Amateurband namens "Baf" vermittelt. Bei der Band habe ich meine ersten musikalischen Schritte unternommen. Wir haben zwar nur ganz wenig gespielt, aber sehr viel geprobt und musikalisch war von allem etwas dabei, ein bisschen Jazz, ein bisschen Rock und auch ein bisschen Blues. Popmusik gab es zu der Zeit noch gar nicht. Im Verlauf bin ich dann immer weiter gewandert, von einer Band zur nächsten. Bei der College Formation war ich dann auch. Sagt Dir das was?

 

Ja, die kenne ich auch. Bist Du da mit Toni Krahl zusammen in der Band gewesen oder war das später?
Doch, da war Toni schon da. Auch die Kaufner Schwestern waren damals dabei. Bei der Gruppe war ich eine ganze Weile, ich glaube fast zwei Jahre. Wir hatten eine sehr schöne Zeit miteinander. Von dort bin ich zum Jürgen-Erbe-Chor gegangen, aber da war ich nicht lange, weil das nicht so mein Ding war. Aber es hat auf jeden Fall nicht geschadet, mal in einem Chor zu singen. Von dort bin ich zur Gruppe WIR gewechselt. Die Band von Wolfgang Ziegler, das wird Dir sicher auch was sagen.

..

Ja, der war schon Gast bei uns...
Dort spielte ich bis 1976. Schubi spielte mit seiner Band Jazz, u.a. zusammen mit Uschi Brüning und später mit Christiane Ufholz, aber die Situation war sehr schwierig, denn mit dem Jazz dümpelte er irgendwo herum und es ging nicht weiter. Ich hatte durch meinen Werdegang kommerziellere Dinge gemacht, war dadurch auch schon recht bekannt und schlug Schubi vor: "Lass uns doch was zusammen machen. Jetzt wird sich auch niemand mehr das Maul zerreißen, denn ich habe inzwischen die Voraussetzungen dafür." Er hat sich darauf eingelassen und ich bin bei ihm eingestiegen, als Holger Biege noch dabei war. Holger kam kurz nach Christiane Ufholz, und musikalisch gab es da schon einen kleinen musikalischen Wechsel in Richtung Rockmusik. Die Band hatte mit Holger dann auch einen Riesenhit, "Sommer ade". Der ging in den Wertesendungen und Hitparaden hoch und runter, und genau in der Zeit bin ich bei der Schubert-Formation eingestiegen.

 

Also ging die Initiative von Dir aus, dass es letztlich zu Deinem Einstieg bei der Schubert-Band kam?
Ja, das war meine Idee. Weil Schubi mein Mann war, habe ich mir gedacht: "Was müssen wir uns quälen. Der eine in der Band, der andere dort. Man sieht sich nie und familiär läuft es deshalb etwas schwierig", weshalb ich zum ihm sagte: "Lass uns doch zusammen Musik machen." Das war auch die ideale Lösung, aber Schubi wollte vorher nie. Er hatte immer Beklemmungen, dass die Leute vielleicht reden könnten. Es war aber die beste Entscheidung, die er damals getroffen hat, denn die Schubert-Band war mit mir dann sehr erfolgreich.

 

Du sagtest gerade, dass sich der musikalische Stil der Schubert-Band, die nach ihrer Gründung sehr Jazz-orientiert war, in Richtung Rock geändert hat. War dieser musikalische Umbruch mit Dir abgeschlossen, oder war der vorher schon komplett vollzogen?
Nein, das war vor meiner Zeit, aber ich habe auch die Phasen hautnah miterlebt, wo z.B. Uschi Brüning deutsche Texte geschrieben wurden und sie diese umgesetzt hat. Das war schrecklich und hat alles nicht gepasst. Ich fand das nicht gut. Wenn dieser Umbruch nicht signalisiert worden wäre, dass also musikalisch was anderes gemacht würde, hätte ich dort nicht mitmachen wollen. Ich brauchte schon die Rockmusik-Richtung, dieses Geradeaus. Das war schon entscheidend für mich. Als ich dazu kam, war der Richtungswechsel schon vollzogen.

 

Holger Biege und Du haben also gemeinsam in der Schubert-Band gearbeitet. Wie lang war die gemeinsame Zeit?
Das weiß ich nicht mehr ganz genau. Das war schon eine Weile, vielleicht ein halbes Jahr. Ich weiß noch, dass wir als Band an einem Interpreten-Wettbewerb teilgenommen haben, und dass wir beiden da als Sänger dabei waren. Holger wollte dann als Solist weitermachen. Nach Holger war dann Christian Schmidt noch für eine Zeit dabei, ehe er als Frontmann zur Modern Soul Band ging.

 

Ganz allgemein: In welcher Verfassung befand sich die Gruppe, als Du dazu gestoßen bist? Welche Ziele gab es nach dem personellen Wechsel?
Erstmal brauchte die Band durch die Umbesetzung eine neue Einstufung mit mir als Solistin. Das heißt, es erfolgten in Zeitabständen immer mal wieder Vorspiele vor einer Jury vom Komitee für Unterhaltungskunst, die dann die Gagen für den künstlerischen Vortrag bzw. Wert festlegte. Man bekam das in einem Ausweis für Berufsmusiker festgeschrieben und es war gleichzeitig ein Gagenrichtwert für Veranstalter und die Genehmigung professionell auftreten zu dürfen. Wir wollten versuchen, beim Rundfunk Musik zu produzieren und irgendwann auch eine Platte zu veröffentlichen. Wir wollten mit unserer Musik bekannter werden, und nicht mehr nur noch in den Dorfsälen spielen. Ich persönlich wollte immer eigene Musik machen. Mein Ziel war es, eigene deutschsprachige Rockmusik zu machen und nur ganz wenig und höchstens ganz selten mal ein oder zwei Songs auf Englisch. Wir hatten z.B. von den Rolling Stones "Ruby Tuesday" im Programm, und das auch nur, weil es die Leute unbedingt hören wollten. Ich habe mich eigentlich immer mit Händen und Füßen dagegen gesträubt, denn ich wollte meine eigenen Sachen an den Mann bringen. Das ist mir dann ja auch sehr gut gelungen, bis in den 80ern die Diskozeit kam und die Leute mehr in die Diskos gegangen sind und weniger Bands hören wollten.

 

Wie hast Du die ersten Jahre als Frontfrau der Band erlebt? Welche angenehmen Erinnerungen gibt es an diese Zeit, welche weniger angenehmen?
Och, eigentlich habe ich nur angenehme Erinnerungen. Es war doch etwas ganz Besonderes, dass es eine Frau als Frontfrau in der Rockmusik geschafft hatte. Das war vor 30 Jahren schon etwas Spezielles. Ich war mehr dieser Kumpeltyp und weniger eine Diva. Ich hab', wenn es sein musste, auch die Boxen geschleppt, beim Aufbau der Anlage vor dem Auftritt geholfen und auch schon mal die Bühnengarderobe für uns alle genäht! Ich fühlte mich sehr integriert, sehr geborgen und sehr wohl. Ich war aber auch anstrengend. Wenn mir etwas nicht gefiel war ich sehr hartnäckig und bin das auch heute noch. Aber im Prinzip fühlte ich mich innerhalb dieser Rockband sehr sehr wohl. Schlechte Erinnerungen habe ich eigentlich keine. Allerdings gibt's da schon ein paar Episoden die erwähnenswert wären, aber die werden zum Teil im Bildband zum Besten gegeben oder spätesten beim nächsten Interview!

 

Bis zur Veröffentlichung der ersten LP "Heiße Tage" im Jahre 1981 gab es drei Singles und diverse Radioproduktionen. Was war der erste Song, den Du in einem Studio eingesungen hast?
Der allererste Song hieß "Montag". Den Text zu diesem Lied hatte ein Tonmeister, der damals beim Rundfunk angestellt war, bei sich in der Schublade. Das war ein sehr schöner Text und er hat uns gefragt, ob wir den nicht vertonen wollen. Daraufhin hat Schubi die Musik geschrieben und dieses Lied wurde das erste, das wir im Studio aufgenommen haben. Es gab damals immer so Zyklen, in denen wir bis zu drei Titeln gleichzeitig im Rundfunk aufnehmen durften. Das gab es nur ein oder zweimal im Jahr. Das war alles sehr schwierig. Wir haben nur im Rundfunk produziert, bei Amiga haben wir so gut wie gar nichts aufgenommen. Zur Amiga hatten wir einen ganz ganz schlechten Draht. Die Lieder auf der LP "Heiße Tage", von der Du gerade gesprochen hast, sind fast alles Übernahmen vom Rundfunk.

 

80ermelo 20130225 1324706994Wie kann man sich das Arbeiten innerhalb der Band damals vorstellen? Wie sind neue Songs entstanden und wer war dafür verantwortlich?
Die Musik hat fast ausschließlich Schubi geschrieben. Wir haben das immer so ein bisschen angedacht, wenn man etwas gemeinsam entwickelt hat. Ich habe dazu immer mit einem Quatschtext ein bisschen gesungen und das dann auf Band aufgenommen. Mit diesen Demos sind wir dann zu unserer Texterin, Ingeborg Branoner, gegangen. Wir haben über viele viele Jahre zusammen mit ihr gearbeitet und sind auch heute noch befreundet. Ich konnte dann auch immer sagen, dass das Lied inhaltlich in diese oder jene Richtung gehen sollte. Von mir kamen also Vorschläge und Ideen, was ich inhaltlich gerne gehabt hätte, und sie hat diese umgesetzt und in Textform gebracht. Man kann also sagen, dass dieses Trio, bestehend aus Ingeborg, Schubi und mir, hauptsächlich für die Entstehung neuer Songs verantwortlich war. Ein einziges mal hat ein heute recht bekannter Schauspieler, Michael Kind... sagt Dir der Name was?

 

Ja, den Namen habe ich schon mal gehört...
Der kommt auch aus Halle und hat uns vor 30 Jahren mal ein paar Texte von sich gegeben. Für mich heute noch einer der schönsten ist der Text zum Lied "Abendträume". Bei diesem Lied war praktisch zuerst der Text da. Von dem Text waren wir so hin und weg, dass darauf dann eine wunderschöne Melodie entstanden ist. Das ist - wie gesagt - heute noch eines meiner Lieblingslieder.

 

Du sprachst Ingeborg Branoner an: Sie war ja für viele Künstler und Bands als Texterin tätig. Was macht sie heute überhaupt?
Gar nichts mehr. Sie ist inzwischen auch schon eine ältere Dame. Wir sind ja alle irgendwo in die Jahre gekommen (lacht). Sie wohnt in Berlin und wir telefonieren immer mal. Ich versuche auch immer wieder, sie noch mal raus zu locken, aber es ist sehr schwer. Wenn in Berlin irgendwelche Jubiläen sind, taucht sie hin und wieder schon mal auf. Aber ansonsten macht sie kaum noch etwas. Leider, es ist schade. Und immer wenn wir uns mal wieder sprechen, sagen wir immer: "Wir müssten doch noch mal was zusammen machen." Ich nicht mehr, denn ich habe inzwischen für mich entschieden, meine Texte selbst zu schreiben.

 

Du bist 1980 mit dem Titel "Rocklady des Jahres" ausgezeichnet worden. Was bedeutete Dir diese Auszeichnung damals und was heute?
Mit dem Abstand der ganzen Jahre sage ich, dass diese Auszeichnung toll war. Auch heute bin ich noch sehr stolz darauf. Wenn ich es erwähnen kann, erwähne ich das natürlich auch (lacht). Das war schon eine sehr große Auszeichnung. Aber man darf dabei nicht außer Acht lassen, dass es zu der Zeit nicht allzu viele Rocksängerinnen gab. Es gab Veronika Fischer, vielleicht die "Lütte" Angelika Mann noch, aber spontan fallen mir gar keine anderen Sängerinnen mehr ein. Es waren damals drei oder vier Frauen im Osten, die bekannt waren, und von denen dann die erste zu sein und an die Spitze gewählt zu werden, war schon toll. Vielleicht hatte ich diese Auszeichnung wirklich verdient. Nicht jeder mag das, was ich mache, aber der, der es mag, sagt, dass ich irgendwas habe, das eben anders ist.

 

Eine englischsprachige Single gab es auch, auf der Coverversionen u.a. von Blondie drauf waren. Wie kam es zu dieser Platte? War das eine eigene Idee oder die der Plattenfirma Amiga?
Das sind z.B. zwei Titel, die wir mal nicht beim Rundfunk, sondern bei der Amiga produziert haben. Das hat Amiga damals gerne gemacht. Man machte mit verschiedenen Bands Coverversionen, damit man die Lizenzrechte für die Originalversionen nicht kaufen musste. Man musste durch unser Lied Blondie nicht einkaufen, um sie in der DDR vertreiben zu können, denn sie haben sich selbst eine "Blondie" gemacht, in dem sie mit mir originalgetreu die zwei Titel nachproduziert haben. Eigentlich sollte ich was von AC/DC singen, und dann auch noch "Highway To Hell" (lacht). Da habe ich starke Beklemmungen bekommen und gesagt: "Das bekommen wir doch nie so hin." Gott sei Dank hat die Amiga hinterher gesagt: "Na gut, wir nehmen mit Dir Songs von Blondie auf." Wir haben die beiden Titel "I've Never Been In Love" und "Call Me" produziert, und wenn Du da mal genau hinhörst, hören sich die beiden Lieder wirklich fast wie das Original an. Das sollte auch so sein. Jeder Seufzer und jedes Stöhnen musste orignalgetreu so gemacht werden. Man hat damit im Prinzip Geld gespart.

 

Ein Redakteur der Zeitschrift "Melodie & Rhythmus" schrieb mal über Dich, dass Deine "expressive Stimme im DDR-Rock den Wert der Einmaligkeit" hätte. Wurdest Du ausschließlich mit solchen Superlativen überschüttet oder gab es auch mal kritische Stimmen?
Ich wurde schon überschüttet mit Komplimenten. Aber das ist natürlich auch eine Geschmackssache. Es gab auch die anderen, denen das überhaupt nicht gefiel. Kunst ist sowieso eine Geschmackssache. Darüber kann man nicht streiten. Und das ist bei jeder Art von Kunst so. Entweder es gefällt einem und man kann was damit anfangen, oder man sagt, es ist einem zu spröde oder zu abstrakt. So war das auch bei unserer Musik. Ich hätte mich aber nie verändern wollen, nur weil ein paar Hundert Leute sagen: "Was die da macht gefällt uns nicht, das müsste sie so oder so machen." Es ist halt meine Art zu singen und meine Art, sie präsentieren zu wollen, und das wird auch jetzt wieder ähnlich zu hören sein.

 

Das wäre auch meine nächste Frage gewesen, nämlich wieviel Du aus Lob und Kritik für Deine Arbeit mitnimmst, auch als Malerin. Nimmt man etwas davon mit oder nur zur Kenntnis und geht seinen eigenen Weg unbeirrt weiter?
Ich nehme ganz hinten unter Umständen Kritik zur Kenntnis. Aber letztendlich habe ich alles im Leben immer zuerst für mich selber getan. Ich finde auch, dass man unter Umständen so von seinem Weg abgebracht wird. Man wird unsicher, wenn man auf andere hört, und das habe ich eigentlich immer verdrängt. Ganz im Hinterkopf mag ich vielleicht das eine oder andere mitgenommen und umgesetzt haben, aber wenn, dann war es unbewusst. Eigentlich will ich das machen, was und wie ich es mir vorstelle. Das muss ich auch machen und ziehe es durch, selbst wenn's am Ende schief geht. Dann habe ich eben Pech gehabt.

 

Das ist auch ein guter Weg...
Es ist zumindest ein Weg, bei dem man immer hinter dem stehen kann, was man tut. Man hat sich praktisch nicht beeinflussen lassen. Und geht es in die Hose, ist man auch selbst dafür verantwortlich. Aber man tut genau das, was einem selbst Spaß macht und wie man es selbst haben will. Ich kann damit gut umgehen, wirke dadurch aber auf andere Menschen manchmal sehr schwierig. Wer mit mir was zusammen machen will, muss sich auch nach mir richten. Und das ist nicht immer einfach (lacht).

 

Ich habe mir die 3er CD-Box von der Amiga zugelegt, in der auch die CD von Katrin Lindner und der Schubert Band enthalten ist. Beim Studieren des Booklets fällt auf, dass nur ein Titel dabei ist, den Du betextet hast. Blieb es bei dem einen Song oder gab es mehrere Lieder, vielleicht im Live-Programm, die Du betextet hast, die aber den Weg auf Platte und/oder CD nicht geschafft haben?
Ich habe mehrere Sachen getextet, aber eher für andere Künstler. Solange ich in der Band war, war Ingeborg Branoner die Texterin, und irgendwo fehlte es mir da vielleicht auch an Selbstbewusstsein oder Lebenserfahrung. Vielleicht habe ich mich auch einfach nur nicht getraut, am Ende dafür geradezustehen. Die Zeit war damals nicht reif, um etwas für mich zu machen. Ich habe aber viele Texte für andere Künstler gemacht. Später haben wir hier in Quadenschönfeld ein Studio betrieben, und auch da habe ich für junge Künstler etliche Texte geschrieben.

 

Die LP lief recht erfolgreich. Welche Auflage hatte sie damals und wie viel wurden davon verkauft? Hat man davon etwas mitbekommen?
Das weiß ich gar nicht. Da bin ich überfragt.

 

Das war ja auch anders als heute, wo man von der Plattenfirma seine Verkaufszahlen mitgeteilt bekommt...
Das hat man damals gar nicht erfahren. Zumindest hab ich es nicht gewuss, und wenn die Platte ausverkauft war wurde nachgepresst.

 

70er1 20130225 1196605121Wieviel Einfluss auf die Platte hatten Du und die Bandkollegen in Bezug auf Titelauswahl, Artwork und Themeninhalte?
So gut wie gar keinen! Es war sehr schwierig, dass wir die Platte überhaupt machen konnten. Erst als Amiga gesagt hat: "Gut, wir machen also jetzt auch mit der Schubert-Band eine Langspielplatte." Um eine Platte veröffentlichen zu können, gab es Auflagen von der Amiga. Die Band hatte ja viele unterschiedliche Namen. Sie hieß mal "Schubert-Formation" oder "Schubert-Band", dann "Katrin Lindner & Schubert-Band", und zum Schluss auch "Katrin Lindner & Band". Letztendlich hat Amiga veranlasst, dass vor "Schubert-Band" mein Name gehört. Das war die erste Auflage. Es musste also "Katrin Lindner & Schubert-Band".heißen, sonst ging gar nichts. Dann haben sie die beim Rundfunk archivierten Titel angefordert und sich angehört. Daraus haben die sich Lieder ausgesucht, die sie auf der Platte haben wollten, und so wurde das gemacht. Wir hatten darauf überhaupt keinen Einfluss. Bis auf das Cover, denn das hat Hansi Parczyk, ein Freund von uns gestaltet.

 

Also ist auf der LP "Heiße Tage" kein Song drauf, der eigens dafür produziert worden ist?
Leider nicht, nein! Wir hätten am liebsten eine ganze Platte mit neuen Liedern gemacht, haben das aber nicht gedurft. Und trotz aller Erfolge und trotz "Rocklady des Jahres", wir hatten immer Schwierigkeiten mit Amiga.

 

Weiß man, warum das so war? Saß da einer, der Euch nicht leiden konnte?
Ja, wahrscheinlich. Das war halt so, wenn man da keinen kannte oder keine Lobby da war, die einen da reinlancierte. Dann hatte man es schwer. Es gab aber auch Bands, die ausschließlich bei Amiga ,und so gut wie nichts im Rundfunk produziert haben. Das ist Dir bestimmt auch schon untergekommen...

 

Ja, klar. Man hört ja einiges und liest auch manchmal was...
Das war alles auch irgendwo korrupt. Wir hatten jedenfalls einen ganz schlechten Draht zur Amiga, und deshalb ist die LP ein Sammelsurium von Liedern aus verschiedenen Jahren geworden. Ich glaube, die ersten Titel haben wir 1976 im Rundfunk produziert, und 1981 ist die Platte bei Amiga erschienen. Du kannst also sagen, dass es ein Sammelsurium aus vier Jahren Rundfunkproduktionen war.

 

Was bei der Schubert-Band auch auffallend ist, sind die vielen personellen Wechsel. Ich habe von einigen Kollegen gehört, dass sie damit zu kämpfen hatten, dass aus ihren Bands immer die besten Musiker für größere Bands abgeworben wurden. War das auch bei der Schubert-Band der Fall oder wie kann man sich die vielen Wechsel erklären?
Ach, die vielen Wechsel (seufzt). Ich glaube, das hatte auch sehr viel mit mir zu tun. Ich bin ein sehr kreativer Mensch, und ich brauche im Leben immer mal wieder Veränderungen, sonst wird's mir schnell langweilig. Und wenn ich wie die Puhdys fast in Originalbesetzung 40 oder 50 Jahre spielen müsste, wäre das für mich tödlich. Damit könnte ich überhaupt nichts anfangen. Manches hat sich dann einfach erschöpft. Andere Musiker, wie z.B. Hans Wintoch, haben gesagt: "Ich will jetzt alleine was machen und will Solist werden", und sind dann einfach gegangen, aber manche sind auch gegangen worden. Ich habe die Besetzung immer wieder verändert. Wir haben auch mal ein paar Jahre als Trio gespielt. Ich habe die Herausforderung unheimlich geliebt, weil sich natürlich durch die Umbesetzungen auch die Titel immer wieder verändert haben. Man konnte was dran machen und sie mussten nicht immer gleich klingen. Das wäre mir sonst alles zu langweilig geworden. Deshalb habe ich letztendlich nachher auch ganz aufgehört.

 

Nun ist die Musik auf der eben erwähnten LP eingängig und trotzdem qualitativ sehr gut. Eine Voraussetzung, doch auch im Ausland damit etwas zu erreichen, speziell in der BRD. Gab es in diese Richtung Unternehmungen oder war eine Konzertreise in die BRD oder gar eine Veröffentlichung der Musik im Westen unmöglich?
Die Veröffentlichung unserer Musik im Westen war nicht unmöglich! Ich habe hier eine Single, die ist bei der RCA in der BRD erschienen. Die A-Seite ist "Mensch, Du vergiss das nicht" und die B-Seite ist "Was soll ich werden", und sie ist 1982 in der BRD erschienen. Als die RCA die Single im Westen veröffentlicht hat, hatten wir die Hoffnung, dass sie uns als Band vielleicht mal für Konzert holen würden. Aber leider durften wir nie reisen, weil wir kein Reisekader waren. Wir duften also nicht ins kapitalistische Ausland fahren. Wir hatten aber auch zur Künstleragentur keinen guten Kontakt, und wenn haben wir uns um Anforderungen immer selbst bemüht. Wenn man irgendwo einen TV-Auftritt hatte und es waren z.B. die Holländer da, hatte man schon mit denen Kontakt aufgenommen und gesagt: "Mensch, ladet uns doch mal zu Euch ein. Versucht das doch bitte mal." Die haben sich an die Konzertagentur gewandt, haben gesagt: "Wir möchten Katrin Lindner & Band für ein Konzert hier und dort haben", und da hat die Konzertagentur immer gesagt: "Nein die können nicht, aber ihr könnt zum Beispiel Petra Zieger oder andere Alternativen haben ." Die haben dann immer als Ersatz Bands angeboten, die reisen durften. Wir duften leider nie raus.

 

Ihr habt aber schon mitbekommen, dass im Westen eine Single bei der RCA veröffentlicht wurde, darüber seid Ihr informiert gewesen?
Ja, aber wie wir das rausbekommen haben, weiß ich gar nicht mehr. Uns hat man vorher auch nicht gefragt. Das hat die Plattenfirma mit dem Rundfunk ausgehandelt. Es müssen aber musikinteressierte Leute in Hamburg (damaliger Sitz der RCA, das Label gehört heute zur SONY in München, Anm. d. Verf.) gewesen sein, die sich mit dem Ostmetier beschäftigt haben, und die müssen gesagt haben: "Das wollen wir haben, das möchten wir übernehmen." Wir hatten letztendlich davon gar nichts und wurden auch nicht gefragt. Es war einfach da, aber wir waren darüber sehr froh, dass es da war.

 

Thema Konzertreisen. Welche Länder hat die Schubert-Band bereist und bespielt, und welche Konzertreise ist dabei besonders angenehm in Erinnerung geblieben?
Wir sind gar nicht viel ins Ausland gekommen, eigentlich kaum. Wir hatten in Polen einzelne Auftritte und ich selber bin in den späten 80er-Jahren mal als Vertretung der DDR nach Sopot zum Liederfestival entsandt worden. Dort bin ich aber als Solistin aufgetreten. Und als Band gab es noch eine Auslandsreise… dazu gibt es noch eine kleine Vorgeschichte: Wir haben lange mit der Managerin Veronika Jarzombek zusammen gearbeitet. Der Name wird Dir sicher auch etwas sagen...

 

Ja, das ist auch die ehemalige Managerin von Yvonne Catterfeld.
Sie war ganz lange unsere Managerin und eigentlich auch unser größter Fan. Sie war 1976 gleich von Anfang an mit dabei und wir hatten eine wunderschöne und tolle Zeit. Aber auch Veronika schaffte es leider nicht, dass wir aus diesem Schmortopf hier mal raus gekommen sind. Irgendwann waren wir uns einig, dass wir uns trennen sollten. Danach ist Christian Bartmann, der bis dahin bei Karat Manager war und der mit der Gruppe schon die Bundesrepublik bereist hatte, bei uns eingestiegen. Wir dachten uns, dass er Beziehungen hatte und dass es mit ihm vielleicht klappen könnte. Aber auch er hat es nicht geschafft. Wir durften definitiv nicht raus aus der DDR. Und weil das mit dem Aufritt im Westen nicht klappte, wollte er versuchen, uns eine Tournee durch die Sowjetunion zu verschaffen.

 

Ich wollte es gerade schon fragen, denn die "Trasse" war ja eigentlich für jede Band irgendwann mal "Pflicht", oder?
Nein, an der "Trasse" sind wir nie gewesen. Das hat mir nicht gefallen und das hätte ich auch nie gemacht. Das war so eine Zwangsverordnung...

 

Genau, darum dachte ich, Euch hätte es auch getroffen.
Nein, das haben wir nicht gemacht. Wir haben was anderes gemacht (lacht). Wir wollten eine richtige Konzert-Tournee durch den europäischen Teil der Sowjetunion haben. Deshalb ist Christian Bartmann extra nach Moskau gereist, weil er die Leute von "GOS-Konzert" durch seine Arbeit mit Karat sehr gut kannte, und hat an der Künstleragentur in Berlin vorbei die Leute eingeladen und gesagt, sie können sich das live anschauen, was wir machen, und uns als Band praktisch für eine Tournee vorgeschlagen. Er hatte es tatsächlich geschafft, dass drei Leute von "GOS-Konzert" aus Moskau nach Berlin flogen. Christian hat sie dann zu uns hier hoch gekarrt, damals wohnten wir schon hier in Quadenschönfeld, und wir haben für die hier ein Riesenbuffet mit Wodka und allem Drum und Dran aufgebaut und ihnen als Trio in unserem Studio unser Programm vorgestellt. Davon waren die so begeistert, dass die uns nach ihrer Rückkehr nach Moskau eine traumhafte vierteljährige Tournee organisiert haben. Die haben zur Künstleragentur gesagt: "Wir wollen Katrin Lindner & Band haben, und sonst keine. Die haben wir gehört, die wollen wir haben." Wir haben dann wirklich in traumhaften Orten gespielt, in denen wir wunderschöne Auftritte hatten. Da hat wirklich alles gestimmt. Mit dieser Tournee habe ich praktisch meine Live-Auftritte beendet. Als wir wieder in der DDR waren, habe ich gesagt: "Jetzt kann ich nicht wieder zurück in irgendwelche Räuberhöhlen." Da waren mitunter verräucherte, schreckliche Auftrittsorte dabei, manchmal sogar ohne Klo. Nachdem, was wir in Russland erlebt hatten, wollte ich mir das nicht mehr antun. Ich wollte etwas anderes machen.

 

In der Fachpresse (Melodie & Rhythmus) wurde eine 2. LP vollmundig angekündigt. Erschienen ist diese aber nie. Angeblich war die LP schon fast fertig, stimmt das?
Ja! Wir hatten unheimlich viel Material, denn wir haben später auch hier im Studio weiter produziert. Wir haben uns nach dem Umzug nach Quadenschönfeld und der Einrichtung unseres eigenen Studios selbst produziert und waren auf niemanden mehr angewiesen. Da hätte es eine zweite LP geben können, sogar Material für eine dritte LP war vorhanden.

 

Ich vermute mal, dass die Amiga da kein Interesse hatte, denn sonst wäre die ja wohl erschienen...
Ja, so ist es! Ich hatte es ja schon gesagt: Amiga hatte an uns nie ein richtiges Interesse. Das war sehr schade. Der Rundfunk konnte eine weitere Veröffentlichung letztlich auch nicht durchsetzen. Von den Titeln, die wir später hier produziert haben, hat der Rundfunk auch nicht mehr alles übernommen, und die haben praktisch auch nur noch das gesendet, was sie übernommen haben. Es wurde einfach immer schwieriger für uns. Der Name Luise Mirsch wird Dir sicher auch was sagen, oder?

 

Ja, sie war Produzentin beim Rundfunk.
Genau. Ganz zu Anfang war Ingeborg Branoner auch beim Runfunk. Sie hatte da aber auch große Schwierigkeiten und ist dann ziemlich schnell aus der dortigen Jury, bzw. diesem Gremium ausgeschieden. Und als Produzentin war dann immer Luise Mirsch für uns zuständig. Wir waren auch mit ihr sehr gut befreundet, aber sie konnte ebenfalls nicht viel für uns tun. Bei uns hat es immer irgendwelche Hindernisse gegeben, die sich nicht aus dem Weg räumen ließen. Ich kann auch nicht sagen, warum das so war. Ich habe es bis heute noch nicht herausgefunden.

 

Im Verlauf war die Schubert Band nur noch ein Trio. Ist man auch als solches aufgetreten oder nahm man bei Live-Konzerten Gastmusiker mit?
Nein, wir sind als Trio aufgetreten, u.a. auch mit einem Riesenauftritt bei "Rock für den Frieden". Da sind wir nach einem totalen Umbruch wieder auferstanden. Vorher war es eine Weile sehr ruhig um uns. Wir sind dann als Trio wiedergekommen und haben dort ein ganz tolles Konzert gespielt. Das war ein Festival, bei dem ganz viele Bands mitgespielt haben. Man musste dort vier oder fünf Titel spielen, und für uns war das als Trio unheimlich erfolgreich. Die Leute waren total davon begeistert, was man mit so einer winzigen Besetzung im Hauptsaal des Palasts der Republik leisten kann, und was da von der Bühne runter kam. Das war ein ganz ganz tolles Erlebnis und eine dieser Herausforderungen, die ich vorhin schon erwähnt habe. Ich habe es immer geliebt, wenn nach solchen Umbrüchen mal wieder etwas ganz Neues entstanden ist. Durch jeden anderen Musiker war eine neue Herausforderung da und es hat wieder Spaß gemacht. Das ist wahrscheinlich wie bei einem Schauspieler im Theater, der auch gerne mal mit anderen Darstellern Stücke spielt. Mal so, mal so… es verändert sich dadurch eben.

 

Ab 1985 wurde es still um die Schubert-Band. Es gab weder neue Songs noch Konzerte. Einige der Gründe hast Du ja schon aufgezählt. Was waren denn z.B. für Sieghard die Gründe, dass auch er sich komplett zurückgezogen hat?
Wir haben 1980 hier oben in Mecklenburg einen großen Hof gekauft, um eigentlich hier in Ruhe zu proben. Das hat sich aber sofort umgekehrt, und ich wollte aus der großen Stadt raus und auf dem Lande leben, weil mir das liegt und es mir sehr gut gefällt. Eigentlich bin ich auch so ein bisschen ein Einsiedler-Typ. Das haben wir dann auch gemacht und haben gleich angefangen, den Hof umzubauen, z.B. der Schweinestall wurde zum Proberaum umgebaut. Im Jahre 1982 haben wir dann hier oben ein Studio eröffnet. Ein produzierendes Studio, das andere Bands hier für ihre Produktionen nutzen konnten. Wir haben hier Produktionen für den Rundfunk, für Amiga und für's Fernsehen gemacht, quasi für alle Institutionen, die auch alle immer die Geldgeber waren. Schubi war der Produzent hier, denn im Prinzip war es sein Studio und er hat die Technik beherrscht. Für ihn war das eine wunderbare Aufgabe und eine Riesenherausforderung. Da das unheimlich gut anlief, hatten wir keine Veranlassung, irgendwas zu ändern, und Schubi hat die Musik eigentlich gar nicht gefehlt. Wenn jemand ein bisschen darunter gelitten hat, dann war ich es. Ich habe mich zwar auch mit eingebracht, aber sich dazu noch eine Band zu halten, war nicht möglich. Wenn man nur noch so wenig aktiv sein will, kann man die Musiker nicht bei der Stange halten.

 

Du hättest ja auch als Solistin weitermachen können...
Das war kein Gedanke. So mit Halbplayback durch die Lande ziehen? Nein, das war alles gar nicht mein Ding. Es muss handgemacht sein. Außerdem ist man dann auch ganz schnell im Schlagerlager angekommen. Das wollte ich alles nicht. Ich brauchte diese Jahre, um dahin zu finden, wo ich heute bin.

 

Schubert und Du haben dann andere Bands im eigenen Studio produziert. Ich stelle mir das unter den gegebenen Umständen in der DDR nicht so einfach vor, ein eigenes Studio aufzubauen und dort in einer Art Selbstständigkeit zu arbeiten. Wie war das bei Euch?
Wir waren als Band vorher ja auch immer selbstständig. Wie man in der DDR an Musikinstrumente kam, das hast Du sicher von ganz vielen anderen Musikern sicher schon gehört.

 

Ja, über Umwege und nur sehr schwer...
Richtig, und genauso war's mit der Studiotechnik auch. Es wurde Geld getauscht. Meine Eltern lebten in der BRD, die waren auch mit in die Beschaffung der Technik einbezogen, es wurde dann dieses und dann jenes eingeführt… das war alles schon sehr schwierig. Wir haben uns jedenfalls dieses Studio hier eingerichtet, und Luise Mirsch, die wir über viele Jahre kannten und mit der wir auch befreundet waren, hat das alles mit verfolgt und beobachtet. Wir haben hier unsere ersten eigenen Sachen gemacht, und als sie die gehört hat, hat sie gesagt: "Die sind ja besser, als wenn sie im Rundfunk produziert worden wären", und hat dann veranlasst, dass vom Rundfunk Bands zur Produktion hierher geschickt wurden. Auch deshalb, weil der Rundfunk immer überfordert war. Sie hatten gar nicht soviele Kapazitäten, wie sie eigentlich hätten produzieren können, wollen und müssen. Es wurden im Laufe der Jahre auch immer mehr Bands. Und neben der populären Musik gab es ja auch noch andere Sachen, die im Rundfunk produziert werden mussten. Das Studio ist praktisch über Luise Mirsch an den Start gekommen. Auch Amiga hat uns dann als produzierendes Studio entdeckt. Da haben sie uns plötzlich auch wahrgenommen. So ist z.B. die Platte "Aufruhr in den Augen" von Pankow hier entstanden. Auch das erste Solo-Album von André Herzberg und Rockhaus' "I.L.D."-Scheibe sind hier entstanden.

 

Welche Bands und Interpreten haben bei Euch denn noch Platten produziert? Von Pankow hast Du gerade berichtet. Von Hans die Geige und Chicoree weiß ich aus anderen Quellen. Wen gab es da noch?
Berluc, No55, Amor und die Kids, Martin Jones, P 16, Barakowski und viele andere. Hans hat hier gar nicht produziert! Er war zwar viele Jahre in unserer Band, hat aber in unserem Studio nicht produziert.

 

farmland 20130225 1735666895
 
 

Das wundert mich etwas, denn er hat in einem Interview erzählt, dass er bei Euch produziert, Euer Sohn Moritz auf seiner Platte getrommelt und auch Uwe Hassbecker daran mitgewirkt hat. Und das soll bei Euch passiert sein. Vielleicht war das auch nur ein einzelner Song...
Hassbecker hat hier eingespielt, das stimmt. Vielleicht habe ich das auch einfach nur nicht mitbekommen. Wenn, dann waren das nur ein oder zwei Songs, denn wir haben ja überwiegend ganze Alben produziert. Hassbecker war oft hier...

 

Also gehe ich davon aus, dass auch SILLY zu Euren "Kunden" gezählt haben...
Ja, die haben aber hier nicht produzieren dürfen. Das wurde ihnen verboten. Wir waren mit Silly sehr gut befreundet und die waren auch sehr oft privat auf unserem Hof, z.B. zum Pilzesuchen. Silly war ab einem bestimmten Zeitpunkt sehr erfolgreich und konnte sich die Studios aussuchen, wo sie produzieren wollten. Ost oder West war da egal. Jedenfalls wollten sie eine Platte hier aufnehmen, und entweder der Zentralrat oder andere Leute haben gesagt: "Da geht das nicht." Das ist aber öfter passiert, vielleicht hatten die Angst, die Kontrolle zu verlieren. Wir hätten ja auch staatsfeindliche Sachen produzieren und außer Landes schaffen können. Wir hatten hier ja alle Möglichkeiten. Und Silly war denen wohl zu erfolgreich und es wurde gesagt: "Silly darf da nicht produzieren." Da hätte man zu viele Leute mitschicken müssen, um bei den Aufnahmen aufzupassen. Es gab eigentlich immer mal wieder Stress. Pankow war dann aber eine der wenigen Bands, die zur Amiga, die die Platte ja aufgelegt hat, gesagt haben: "Wir bestehen darauf, dass bei der Platte hinten draufsteht: ‚Produziert im Studio Quadenschönfeld von Sieghard Schubert'." Das war ja schließlich auch so, wurde von der Amiga aber fast immer unterschlagen. Das stand nur ganz selten drauf, wenn eine Platte hier produziert worden ist. Bei einer Jazzproduktion von Fiedler-Eitner-Schlott war das auch so, denn auch sie haben drauf bestanden, dass es bei ihrer bei Amiga erschienenen LP draufgeschrieben wird. Für uns war so eine Angabe auf dem Cover auch ganz wichtig. Aber es sind unendlich viele Platten, die hier entstanden sind, auf denen das nicht vermerkt wurde. Da kaufst Du Dir eine Berluc-Scheibe, und da steht eben drauf: "Produziert von Amiga", und eigentlich ist sie hier entstanden. Und wenn man es ganz genau haben will: Es wurde auf der Rechnung immer ganz komisch abgerechnet. Da stand nie "Studio Quadenschönfeld" auf den Rechnungen, sondern es wurde mit uns Konzertgagen-mäßig abgerechnet, als hätten wir selbst beim Rundfunk ein Konzert gegeben. Ganz kuriose Wege wurden da gegangen. Ich habe die Belege zum Teil behalten, und da ist eine Plattenproduktion so abgerechnet worden, als hätten wir für 1600 oder 2000 Mark ein Konzert gespielt. Wir bekamen immer eine Gage, und es wurde nie wie mit einem gewerbsmäßigen Studio abgerechnet. Dieses Phänomen gab's auch bei den anderen privaten Studiobesitzern. Das war alles ein bisschen schwierig, denn so was wie ein privates Studio durfte es eigentlich nicht geben. Aber irgendwie hat es der Rundfunk und die, die einem gut gesonnen waren, hinbekommen, dass es funktioniert hat. Und gegen eine Gage für einen Auftritt konnte ja niemand etwas haben.

 

Dann kam ja auch fast schon die Wende. In diesen Tagen jährt sich zum 20. Mal der Fall der Mauer. Wie hast Du die Grenzöffnung und die Tage kurz davor und danach damals erlebt?
Dass irgendwas passieren würde, hat man gewusst bzw. gespürt. Die ganze Zeit davor war schon recht gruselig, weil es hier immer weniger Leute wurden. Auch die Freunde wurden immer weniger. Man selber hat auch überlegt: "Was soll man denn jetzt machen?", man bleibt am Ende hier als einziger übrig. Der Gedanke war, ob man hier bleibt oder auch die Fronten wechseln sollte. Außerdem hatte ich meine Familie in der BRD. Es war eine ganz schwierige Zeit, aber dass die Mauer komplett fällt, hat sich niemand vorstellen können. Ich weiß noch, dass wir zu Hause waren und draußen ganz schönes Wetter war. Ein paar Berliner Musiker-Freunde waren hier, die uns regelmäßig in den Herbstferien besucht haben, um zum Pilzesuchen zu gehen. Das haben wir an dem Tag auch gemacht. Schubi war gar nicht hier, der war irgendwo unterwegs. Wir haben abends Radio gehört und da sagte der Sprecher plötzlich, dass die Mauer aufgegangen sei. Man konnte es nicht fassen. Das war's auch schon. Am nächsten Tag sind die Freunde losgefahren, um zu gucken, was da passiert ist. An dem Tag kam auch Schubi wieder nach Hause, denn wir hatten einen privaten Termin, denn unseren Sohn Moritz hatten sie gerade zur Armee eingezogen, und er hatte gleich am Tag nach der Wende eine Vereidigung, zu der wir hingefahren sind. Anschließend durfte er für ein paar Stunden die Kaserne verlassen. Nach der Vereidigung haben wir ihn mitgenommen und sind zusammen mit ihm und der Schwiegertochter, damals noch seine Freundin, mit dem Auto zum Berliner Stadtrand gefahren, näher kam man nicht ran, und von dort sind wir mit Bussen und S-Bahnen weitergereist und haben uns so in die Stadt reingequält. Es war alles voller Menschen. Irgendwann sind wir dann auf dem Ku-Damm angekommen. Das haben wir alles auf uns genommen, weil man es nicht glauben konnte und gedacht hat: "Wer weiß, vielleicht wird die Grenze gleich wieder zu gemacht. Da müssen wir unserem Sohn wenigstens noch zeigen, wie die andere Seite aussieht." Das war ein ganz komisches Gefühl. Wir sind dann praktisch zwischen Unmengen von Menschen zwei Stunden durch Berlin geschoben worden. Außerdem waren die S-Bahnen überfüllt, und wir hatten nur den Gedanken im Kopf, von dort wieder schnell zurück nach Hause zu kommen, denn Moritz musste um 20:00 Uhr wieder in der Kaserne sein. Aus Westberlin wieder raus zu kommen, war sehr schwierig. Wir haben es aber doch irgendwie geschafft und waren zwei Stunden später zurück an der Kaserne. Wir mussten uns deshalb zwar noch tausend Entschuldigungen ausdenken, aber das hatte sich mit der Wende auch alles irgendwie erledigt. Das sind meine Erinnerungen an die Wende. Man hat es damals eigentlich gar nicht richtig begriffen und gedacht, dass das wieder vorbei geht und man wieder eingeschlossen wird.

 

Wie ging es danach für Dich persönlich privat und beruflich weiter?
Wir haben damals schon überlegt, was wir mit der Freiheit, die wir gewonnen hatten, machen sollten. Der erste Gedanke war, dass wir unser Studio vergrößern und verschönern würden. Wir hatten auch schon angefangen, hier anzubauen und haben das dann alles intensiviert, und das Studio um etwa 80 oder 100 Quadratmeter vergrößert. Außerdem haben wir eine komplett neue Technik angeschafft und die Scheune vom Wohnhaus ausgebaut und dort sechs Gästezimmer entstehen lassen. Diese Gästezimmer waren ursprünglich für die Musiker gedacht, die hier produzieren sollten. Es sollte für sie etwas komfortabler werden, wenn sie hier zum Arbeiten herkamen. Früher haben die Musiker alle gemeinsam in einem großen Dachraum mit einem kleinen Bad, einer kleinen Küche und einem großen Billardtisch in der Mitte gewohnt und bei uns übernachtet. Da war das auch noch sehr unkompliziert, aber nach der Wende waren die Ansprüche andere, zumal man sich oft wochenlang im Studio aufhielt. Natürlich hatten hiesige Bands so gut wie kein Geld und die alten Geldgeber wie Fernsehen, Rundfunk, und Amiga waren weggebrochen. Andererseits war unser Studio in den alten Bundesländern, woher wir Zulauf erhofften, nicht bekannt. Außerdem waren noch vor der Studioneueröffnung 1993 die komfortablen Gästezimmer bezugsfertig und es standen auch sofort die Leute auf der Matte, die ein Zimmer suchten, weil es im Osten keine Hotelzimmer gab. Wir dachten uns, dass es erstmal ziemlich Wurscht sei, was wir machen. Also haben wir uns auf die Zimmervermietung konzentriert, und uns bis etwa 1994 damit über Wasser gehalten. Dann war das auch schon wieder erledigt, weil die - ich sage immer - "Aufbauhelfer", wie z.B. Mitarbeiter von Versicherungen, Banker, Mitarbeiter der Treuhand usw. ihre Arbeit hier praktisch erledigt hatten und wieder Richtung Heimat aufbrachen. Die, die hier blieben, haben sich dann Häuser gekauft. Man kann ja nicht sein Leben lang im Hotel wohnen. Die waren dann auch weg, und praktisch waren damit fast alle weg. Zu der Zeit haben wir mühsam versucht, Produktionen für das Studio zu bekommen, aber es war schwer, weil z.B. die alt-bundesdeutschen Plattenfirmen für ihre Künstler über Jahrzehnte ihre festen Studios hatten. Es gab immer mal wieder Kontakte, aber letztendlich ist es oft am Geld gescheitert. Die haben wohl gedacht: "Dann gehen wir ins Oststudio, da kostet das nichts", aber das ging auch nicht. Wir hatten nun mal auch unseren Preis. Wir hatten uns ein Riesen-SSL-Pult angeschafft, und deshalb musste man auch was für eine Produktion bezahlen. Ohne Jammern zu wollen: Es war eine große Herausforderung! Wir haben uns im Prinzip Träume verwirklicht, indem wir dieses Riesenstudio hatten, und es gab natürlich ein paar wunderbare CD Produktionen z.B. mit Karat, Zöllner, Pothead, Katja Werker, Achim Reichel, Der Wilder Garten, um nur einige zu nennen.

 

Wie ging es mit dem Studio dann weiter? Ist das überhaupt noch existent?
Nein! Irgendwann später ist die private Katastrophe über uns hereingebrochen: Schubi und ich haben uns getrennt. Ich wollte nach der Trennung auf dem Hof hier bleiben. Ich habe hier soviel Herzblut reingesteckt, dass ich einfach hier bleiben musste. Mein Mann ist dann ausgezogen und hat das Inventar des Studios mitgenommen. Inzwischen bin ich seit 12 Jahren hier alleine, habe aber die ganzen Kontakte zu den Bands noch. Darum kommt auch immer mal wieder irgendeiner von denen, um hier zu proben oder Aufnahmen zu machen. Die Technik hat sich inzwischen ja auch so rasant entwickelt, dass man für eine Plattenproduktion keine große Technik mehr benötigt. Die Künstler bringen heute ihre Computer mit und nehmen auf, und so entsteht hier auch heute noch das eine oder andere. Zuletzt hatte ich eine große Zigeuner-Band hier. Die Musiker kamen aus der ganzen Welt und haben hier ihre Tournee vorbereitet. Die Manager sitzen in Berlin und die haben die Musiker hier hoch gebracht und hinterher auch mit einem großen Reisebus wieder abgeholt. Von hier ging's nahtlos zum Flughafen, und von dort sind sie nach England geflogen. Ich habe also immer wieder mal Leute hier auf dem Hof, mit denen es spannend ist, und wo man eben auch Kraft schöpft. Es ist nie langweilig und immer irgendwie kreativ.

 

Im Jahre 1996 gab es Dein erstes Solo-Album. Es trägt den Titel "Zugvögel" und ist leider nicht mehr erhältlich. Stimmt es, dass die Platte schon in den 80ern entstanden ist?
Nein, das stimmt nicht. Die Platte ist 1996 entstanden. Die ist durch einen kuriosen Umstand entstanden: Es gab hier einen Fremdenverkehrsverein Neubrandenburg, und der hat damals ein Stadtvideo in Auftrag gegeben. Mit dem Filmemacher waren wir befreundet, und er erzählte uns, dass er auf diesem Stadtvideo gerne ein Neubrandenburglied haben wollte. Mit dem Texter dieses Liedes waren wir auch befreundet, und sowohl er als auch der Filmemacher wollten, dass ich dieses Lied singe. Es wurde dieses Stadtvideo gedreht und unter den Film wurde das Neubrandenburglied gelegt. Der Chef des Fremdenverkehrsvereins war ein früherer Fan von mir und hat gesagt: "Das eine Lied ist etwas wenig. Wir sponsern Euch eine komplette CD und wir übernehmen alle Kosten. Die könnt Ihr bei Euch im Studio machen." Daraufhin haben wir von März bis Juni 1996 die CD "Zugvögel" produziert, und da sind neben dem Neubrandenburglied noch sieben neue Lieder und ein altes, nämlich die "Abendträume", drauf. Die "Abendträume" wollte ich unbedingt mit auf der neuen CD haben, weil ich die so unheimlich liebe.

 

Ist die Urfassung der "Abendträume" auf der CD oder eine neu produzierte Fassung?
Das Lied ist neu arrangiert worden. Auf der CD sind mein Sohn Moritz am Schlagzeug, Henning Protzmann am Bass, Andy Schmidt als Bläser, Frank Brennecke, Gisbert Piatkowski, Tom Cunningham am Keyboard und Rene Decker am Saxophon zu hören

.

Da hattest Du aber eine tolle Band beisammen...
Ja, das war eine tolle Band. Die CD ist - wie ich gerade sagte - 1996 entstanden, und vom Fremdenverkehrsverein herausgegeben und vertrieben worden. Dadurch ist die CD leider nie über den normalen Handel erhältlich gewesen. Ich selbst habe auch nur noch ein Exemplar davon hier.

 

Außer als Sängerin bist Du auch auf einem anderen künstlerischen Gebiet zu Hause: Du malst. Hast Du das über all die Jahre schon getan, oder bist Du erst seit einem bestimmten Zeitpunkt wieder als Malerin aktiv geworden?
Nein, das habe ich nicht über all die Jahre gemacht. Ich habe irgendwann, als die Musik in den Hintergrund gerückt ist, wieder angefangen zu malen. Man kann sagen, dass ich das seit 1998 wieder intensiv betreibe. Seit dieser Zeit habe ich mich um Ausstellungen bemüht und meine Bilder verkauft. Man muss schließlich zusehen, dass man von irgendwas lebt. Die Malerei ist eins meiner Standbeine. Aber egal was ich gemacht habe, ich habe nie die Musik aus dem Blick verloren. Der Gedanke, alles irgendwann mal miteinander zu verbinden, war immer da.

 

Du hast Dein recht großes Anwesen in Quadenschönfeld schon angesprochen. Da fällt ja sicher auch viel Arbeit an. Wie sieht heute Dein Tagesablauf aus?
Als ich damals noch als Musikerin live unterwegs war, war alles ganz anders organisiert. Jetzt bin ich völlig frei, und weil ich auch alleine lebe, kann ich ganz spontan entscheiden, was ich mache. Wenn ich keine Termine habe, so wie unser Interview heute, kann ich mich von einer zur anderen Minute umentscheiden, was ich machen will. Manchmal nehme ich mir vor: "Heute gehst Du malen", dann habe ich keine Lust dazu und verzettle mich und bleibe z.B. am Flügel hängen oder gehe raus und kümmere mich um mein Pferd. Ganz wie mir ist, oder auch wie das Wetter ist. Scheint die Sonne, verschiebt man das, was man sich vorgenommen hat, auch mal, um im Wald spazieren zu gehen und dabei den Kopf frei zu bekommen. Du siehst, ich entscheide mich immer mal wieder kurzfristig um. Je nach äußeren Umständen. Und wenn ich dann, wie z.B. bei dem Konzert in Wittenberg, unterwegs bin, ist es gar nicht so einfach, das alles zu organisieren. Durch die Vernissage war ich drei oder vier Tage vorher schon weg, und da musste ich sehen, dass ich zuvor alles irgendwie organisiert bekomme. Ich fühle mich sehr wohl und habe mich so daran gewöhnt, dass es schwierig ist, mich überhaupt irgendwie anzupassen. Natürlich habe ich hin und wieder auch noch mal Hotelgäste, nach denen ich mich insofern richten muss, als dass ich mich um sie kümmere und das Frühstück zubereite. Und wenn dann einer um 6:00 Uhr frühstücken möchte, dann muss ich früh aufstehen und es machen. Aber das hält sich alles in Grenzen, weil ich inzwischen auch nur noch ganz bestimmte Leute hier haben möchte. Ich suche mir meine Gäste schon aus, so gut es eben geht. Ich bin schon ein Lebens- und wohl auch Überlebenskünstler und versuche mir von einem Tag zum nächsten mein Leben so authentisch wie möglich zu gestalten, dass es mir irgendwie gut dabei geht.

 

Gibt es eigentlich noch Kontakt zu ehemaligen Musikerkollegen aus der Schubert-Band?
Zu ein paar Musikern schon noch, z.B. zu unserem Waldemar Janicki. Das ist ein Pole und toller Schlagzeuger. Der ist unheimlich anhänglich und wir telefonieren mindestens einmal im Jahr zu unseren Geburtstagen miteinander. Er lebt inzwischen schon seit vielen Jahren in den alten Bundesländern und hat sich dort eine kleine Schlagzeugschule aufgebaut. Auch zu Hans Wintoch gibt's noch Kontakt. Der hatte im letzten Jahr sein Jubiläum, da bin ich dort gewesen. Von Michael Lehrmann und Udo Weidemüller höre ich, zumindest über Dritte, auch immer mal wieder was.

 

Wir suchen z.B. schon seit Jahren Conny Burkert. Weißt Du, was aus ihm geworden ist und wo er heute steckt?
Ich bin mir gar nicht sicher, ob dem nicht irgendwann mal was zugestoßen ist. Das habe ich mal gehört. Ich glaube, der ist schon tot. Ich meine mich zu erinnern, dass ich aus der Dresdner Ecke erfahren habe, dass Conny nicht mehr lebt.

 

Dein Sohn Moritz hat in den 80ern bei der Gruppe Chicoree mitgespielt und Du hast im Verlauf unseres Gesprächs schon einiges von ihm erzählt. Was macht er heute?
Moritz hat kurz vor der Wende hier bei mir um die Ecke einen alten Mecklenburger Bahnhof gekauft. Da gab es keinen Zugverkehr mehr, denn die Strecke ist schon lange abgebaut, aber das Gebäude gab es noch. Das hat er saniert und aufgebaut und hat sich da eine ganz gemütliche kleine Kneipe eingerichtet, die er inzwischen seit 20 Jahren betreibt. Außerdem macht er, so wie es seine Zeit erlaubt, nebenbei immer wieder noch Musik. Jetzt gerade habe ich noch mit ihm gesprochen und er hat mir erzählt, dass er am ersten Dezember-Wochenende bei Bell Book & Candle spielen wird. Er war eine zeitlang Mitglied bei dieser Band. Danach hat der Sohn von der Sängerin Jana den Posten am Schlagzeug übernommen. Der hat jetzt aber wohl eigene Projekte, so dass Moritz wieder dort einsteigen wird. An dem ersten Wochenende im Dezember hat er wohl seinen ersten Einsatz. Und wie vorhin erwähnt, wird er vielleicht bei meiner Produktion mitwirken. Es kommt darauf an, ob ich ein bisschen Percussion bei den Songs brauche. Da muss ich mich aber spontan entscheiden.

 

Der gute Kontakt zu Dirk Zöllner kommt wahrscheinlich über den eigenen Sohn, oder?
Naja, kennengelernt habe ich "Scholle" natürlich über die Band Chicoree, in der Moritz auch spielte. Die Band hat vor über 20 Jahren ihre ersten drei Titel auch bei uns produziert. Daraus hat sich eine Freundschaft entwickelt, so dass Scholle zu mir inzwischen einen engeren Kontakt hat, als er den vielleicht zu Moritz hat. Das liegt aber auch daran, dass wir uns öfter sehen und uns sehr mögen. Ich finde er ist ein großartiger kreativer und anstrengender Mensch und Künstler und deshalb liebe ich ihn...

 

Wer zählt zu Deinen persönlichen Lieblingsmusikern? Was hörst Du privat gerne?
Oh, das ist schwer zu beantworten. Eine richtig schwere Frage, denn ich höre fast alles. Ob Klassik, Blues oder ganz moderne Sachen, ich bin da nicht festgelegt. Ich sortiere aus allen Richtungen aus, was mir gefällt und was mir nicht gefällt. Zum Teil kann ich mir die Namen auch alle gar nicht merken, weil ununterbrochen was anderes am Markt ist. Ich bin richtungsmäßig aber überhaupt nicht festgelegt.

 

003 20130225 2016038934Was wünschst Du Dir für die nahe und die weitere Zukunft?
Ich wünsche mir natürlich, dass ich gesund bleibe, denn ohne Gesundheit geht gar nichts. Außerdem, dass die paar guten Freunde, die an meiner Seite sind, auch an meiner Seite bleiben werden. Ich wünsche mir auch, dass ich mit der Musik und meiner Malerei nicht nur mir, sondern vielleicht auch noch ein paar anderen Menschen, vielleicht auch ein paar alten Fans, Freude bereiten kann. Das würde mich sehr freuen. Das reicht eigentlich auch...

 

Das wünschen wir Dir übrigens auch!
Das ist sehr schön. Vielen herzlichen Dank!

 

Eine Frage habe ich hier noch auf dem Zettel… Du und die Band sind den Musikfreunden noch immer in Erinnerung, sicher - aber nicht nur - auch Dank der auf die heutige Zeit übertragbaren Songtexte. Wäre ein Comeback der kompletten Formation mit Dir denkbar?
Nein! Ein Comeback mit all den Musikern, die je in der Schubert Band gespielt haben, würde mir gefallen. Da wäre die Bühne voll. Aber ein Comeback mit den alten Liedern ist nicht denkbar. Ich kann mich mit den alten Liedern nicht mehr identifizieren, das geht nicht mehr. Es ist einfach eine andere Zeit gewesen, und ich will das nicht. Ich kann mich nicht wie andere nationale und internationale Künstler auf die Bühne stellen und ein und die selben Lieder über Jahre vortragen. Wenn man einen Hit hatte und muss den zig Jahre singen… das wäre für mich die größte Strafe. Ich kann mir ein Comeback mit den alten, bekannten Sachen nicht vorstellen, bis auf ganz wenige Ausnahmen, wie eben mein Lieblingslied "Abendträume", aber da hört es dann auch schon ganz schnell auf. Lieber würde ich mit all den Musikern das machen wollen, was ich eben jetzt mache. Das würde mir gefallen...

 

Damit sind wir am Ende. Möchtest Du unseren Lesern abschließend noch etwas mit auf den Weg geben?
Ich wünsche mir, dass sich die Leser mit dem, was ich tue, auseinandersetzen und vielleicht mal sehen, ob sie in meine CD reinhören und diese vielleicht erwerben wollen. Ich würde mich über ein Feedback dazu sehr freuen.

 

 

Interview: Christian Reder
Bearbeitung: kf, cr
Fotos: Katrin Lindner privat, AMIGA/Sony, Redaktion
 
 
 
 
 

   
   
© Deutsche Mugge (2007 - 2023)

Wir nutzen Cookies auf unserer Website. Einige von ihnen sind essenziell für den Betrieb der Seite, während andere uns helfen, diese Website und die Nutzererfahrung zu verbessern (Tracking Cookies). Sie können selbst entscheiden, ob Sie die Cookies zulassen möchten. Bitte beachten Sie, dass bei einer Ablehnung womöglich nicht mehr alle Funktionalitäten der Seite zur Verfügung stehen.