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Wolfgang "Paule" Fuchs

 

Weiter, weiter, weiter...

 

 

01 20130303 1268860558Man nannte sie die "Tangerine Dream" des Ostens, was zwar nicht einer gewissen Grundlage entbehrt aber dennoch eine nicht korrekte Vereinfachung darstellt. Sicher, der Vergleich liegt durchaus nahe und es gibt wahrlich schlechtere Referenzen für eine Gruppe, die sich elektronische Instrumentalmusik auf die Fahnen geschrieben hat. Insofern drückt die Aussage Anerkennung und Respekt aus. Allerdings weiß jeder, der in der DDR aufgewachsen ist, daß solche Vergleiche in der Regel keineswegs als Kompliment gemeint waren, sondern eine Art "Vertreterrolle" bezeichneten, die das Fehlen eines eigenen Profils voraussetzten. Den Künstlern des eigenen Landes traute man das schlicht nicht zu, die Trends wurden grundsätzlich im Westen gemacht und der Osten kopierte sie dann. Natürlich waren Tangerine Dream die Vorreiter und Wegbereiter der elektronischen Musik ("Berliner Schule") gewesen, darüber gibt es keinen Zweifel. Aber es käme dennoch niemand auf die Idee, Jean-Michel Jarre als "Tangerine Dream Frankreichs" zu betiteln, oder? Der langen Rede kurzer Sinn: POND einfach auf die Vertreterrolle zu reduzieren wäre der Band und ihrem Mastermind Wolfgang Fuchs gegenüber unfair und entspräche auch nicht den Tatsachen. Der Sound der Berliner Elektroniker war schon sehr speziell und hatte Identität, wenn er sich auch über die Jahre mehrfach entwickelte und veränderte. Dreißig Jahre, um genau zu sein. Solange ist die Gründung von POND nämlich mittlerweile her. AMIGA gab zu diesem Anlaß in Zusammenarbeit mit Wolfgang Fuchs, der immer nur 'Paule' genannt wird, eine besondere Doppel-CD heraus, die wir zum Anlaß nahmen, den Protagonisten zum Gestern, Vorgestern, Heute und Morgen zu befragen.
 

 

Erst einmal: Herzlichen Glückwunsch zum Dreißigsten! Eigentlich kaum zu glauben, daß das schon wieder so lange her ist, oder?
Manchmal kommt es mir tatsächlich so vor, als sei alles erst gestern gewesen. Aber wenn ich dann darüber nachdenke, machen die drei Dekaden schon Sinn.
 
 

Hast du kräftig gefeiert oder ist in der Richtung noch etwas geplant?
Eigentlich feiere ich das ganze Jahr... (lacht) Man kann das im Grunde sowieso nicht auf ein bestimmtes Datum festlegen. Nimmt man nun den Tag der Idee, der ersten Probe oder der ersten Veranstaltung zum Anlaß? Darauf gibt es keine eindeutige Antwort. Wir haben uns Ende 1977 gegründet - Manne und ich - dann ein halbes Jahr geprobt und im April 1978 richtig angefangen. So ging das Jahr 1978 halt als Start von Pond in die Annalen der Musikgeschichte ein, ich habe aber trotzdem schon im letzten Jahr begonnen, die Trommel zu rühren und diverse Projekte ins Auge zu fassen. Richtig gefeiert habe ich jedoch nicht und geplant ist in dieser Richtung auch nichts weiter. Sicher, ich habe schonmal daran gedacht, alle ehemaligen POND-Mitglieder zusammenzubringen, aber das ist heutzutage einfach nicht mehr möglich. Der eine ist gerade unterwegs, dann kann der andere wieder nicht... und am Ende haut es sowieso nicht so hin, wie man es gerne gehabt hätte... Ich hatte ein schönes Highlight, als ich am ersten Juli vor 5000 Leuten in Eberswalde mit Tangerine Dream die neuen "Bilder einer Ausstellung" eröffnet habe. Das kann man, wenn man so will, als Geburtstagsfeier für mich werten.

 

Auf jeden Fall gibt es eine Geburtstags-CD, eine Doppel-CD, um genau zu sein. Dabei fällt als erstes auf, daß da als Label wieder AMIGA draufsteht. Wie kommt's?
Ich hatte ursprünglich geplant, die Platte über mein Label PONDerosa Records wieder selber zu veröffentlichen. Aber wie es manchmal so geht, kam ich mit AMIGA in Kontakt und die Bereitschaft zur Zusammenarbeit war sofort da, sie wollten es auch sehr gerne machen. Vielleicht eine Reminiszenz an frühere Zeiten, denn die beiden LP "Planetenwind" und "Auf der Seidenstraße" haben immerhin jeweils 100.000 Exemplare verkauft, was für damalige Verhältnisse schon eine Riesenzahl war. Jörg Stempel war jedenfalls gleich Feuer und Flamme und ich dachte mir: 'Wieso eigentlich nicht?' So kam es zur Zusammenarbeit.

 

Das bleibt aber eine einmalige Geschichte?
Man muß sehen, wie's läuft. Als nächstes kommt mit der Sitte-Geschichte ja ein ziemlich großes Projekt... Ich warte einfach mal ab, was so passiert.

 

Häufig sind auf derartigen Veröffentlichungen hauptsächlich alte Hits enthalten, schlimmstenfalls neu eingespielt. Das ist hier auch der Fall, erfreulicherweise allerdings auf eine recht spezielle Art. Was hat dich dazu bewogen, Mussorgskys klassisches Meisterwerk "Bilder einer Ausstellung", dem sich ja schon einige andere Bands angenommen haben, einer weiteren Pondschen Neubearbeitung zu unterziehen? Es gab ja vor fünf Jahren schon mal eine Miniversion mit fünf Titeln auf der CD "TransPONDer"...
Die "Bilder einer Ausstellung" beeindrucken mich schon seit über dreißig Jahren, seit Emerson, Lake & Palmer ihre Version auf Platte gebracht haben. Bereits mit der ersten Besetzung von POND - Manne Hennig, Organist Frank Gursch und ich am Schlagzeug - haben wir das gespielt. Es verfolgt mich genauso wie "Das Lied vom Tod". Zum 25jährigen Jubiläum habe ich das wieder ausgegraben, aber nur ein paar Stücke für die CD. Und dann kam ein Veranstalter auf mich zu und meinte, ich solle doch einfach das komplette Werk machen. Ich lehnte aber erstmal ab. "Nee, das ganze... das schaffe ich nicht, das klappt nicht." Aber die Idee hat mich dann doch gereizt und der Gedanke ließ mich nicht mehr los. Ich setzte mich also hin, dachte über die Sache nach, machte erste Pläne... und hatte Feuer gefangen! Ich schloß mich ein und los ging's. Im Nachhinein bin ich sehr froh, es getan zu haben und bin auch sehr stolz auf die Scheibe!

 

Du hast dich dabei erfreulich nah am Original orientiert und moderne Einflüsse weitgehend außen vor gelassen. Kann man das in gewisser Weise als "Wiedergeburt" des klassischen Pond-Sounds begreifen?
Naja, Parallelen sind natürlich da, das ist klar... Aber ich habe mich ganz bewußt an die Originalpartitur gehalten, was ganz schön kompliziert war. Im Ursprung sind die "Bilder einer Ausstellung" ja ein Klavierstück, das erst durch die Orchesterfassung von Maurice Ravel bekannt wurde. Ich mußte mich durch Dinge arbeiten, die ich vor Jahren mal gelernt hatte... Es ist schwer, wenn man so lange nichts mehr damit zu tun hatte. Das war eine Heidenarbeit. Doch ich bin daran wieder ein Stück gewachsen, hab die Sache allein durchgezogen und ich glaube, es ist auch ganz gut geworden...

 

Den "Bildern einer Ausstellung" sind zwei weitere kurze Instrumentals nachgestellt, eines von Greg Lake, eines von dir. Was hat es damit auf sich bzw. wie passen die ins Konzept?
"Die Sage" von Greg Lake hatten Emerson, Lake & Palmer in ihrem Bilder-Zyklus auch drin, das haben wir seinerzeit schon mit Gitarre bei Babylon gespielt... Das begleitet mich also seit noch längerer Zeit. Es ist einfach ein sehr schönes Stück, das sich perfekt in das Werk einfügt. "Ouversage" hingegen ist ein Titel, der aus meinem nächsten Projekt "Gemälde einer Vernissage" stammt und gewissermaßen als Bindeglied zwischen den beiden Sachen fungiert.

 

Auf dem Cover ist neben dir auch dein alter Mitstreiter Harald Wittkowski zu sehen. Reminiszenz an die Vergangenheit oder Variante für die Zukunft?
Das ist eine Reminiszenz an "30 Jahre POND", Harry war ein wichtiger Teil der Gruppe, der gerade mit den erfolgreichen AMIGA-Produktionen untrennbar verbunden ist, die viele Leute noch immer als unsere wichtigste Zeit betrachten. Da bot sich das an und ist auch passend. In Zukunft werde ich aber mehr oder weniger solo weitermachen, die Kompositionen sind eh alle von mir. Die "Bilder" hab ich alleine gemacht, das Sitte-Projekt werde ich alleine machen, das POND-Buch ist auf meinem Mist gewachsen... die ganze Entwicklung läuft darauf hinaus. Und daraus ziehe ich jetzt die Konsequenz, so ist es einfacher für mich. Vielleicht hole ich mir den Manne oder den Harry hin und wieder als Gäste hinzu, oder auch meine Jungs (gemeint sind Paules Zwillinge Frank und Sascha, die ebenfalls längere Zeit zum POND-Line up gehörten - Anm. d. Verf.)... aber im Prinzip möchte ich mit einer Mischung aus Lesung und Konzert unter dem Namen "Paule POND" weitermachen. Alles weitere wird man sehen.

 

Da das Album schon eine Weile auf dem Markt ist, kann man sicher schon etwas zum Erfolg sagen... Wie hat das Publikum die Sache bisher aufgenommen?
Bisher ist die Resonanz ganz toll, das Album wird sehr gelobt und auch der Sound als gelungen hervorgehoben. Es hat sich gelohnt, die Platte in meinem Studio aufzunehmen und zum Mastering nochmal woandershin zu gehen. Verkaufszahlen liegen mir noch nicht vor, dazu kann ich im Moment nichts sagen. Auf jeden Fall freut mich die gute Bewertung der Sache auch von eurer Seite her unheimlich. Ihr seid nicht die einzigen, die mir das so gar nicht zugetraut haben und dann positiv überrascht waren. Das baut natürlich auf.

 

Naja, wir hatten tatsächlich Bedenken, das stimmt schon... wir wollen ja eigentlich nicht als ewige Nörgler auftreten...
(lacht) Nee, das ist schon richtig so und ich war echt gerührt, wie toll ihr das beschrieben habt. Auch die Kritik an "Soundtracks" hat mich beeindruckt. Voll getroffen, aber nicht negativ, sondern ihr habt mich da einfach ertappt.

 

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Dein nächstes Projekt heißt "Gemälde einer Vernissage". Da kommen sicher auch weniger aufmerksame Leute auf den Gedanken, daß das mit den "Bildern einer Ausstellung" in einem gewissen Zusammenhang steht. Ist dem so und wenn ja, in welchem Verhältnis stehen die beiden Projekte zueinander?
Die Idee kam von einem langjährigen Freund, der früher unsere Dia-Show produziert hat. Peru John heißt der, kommt aus Halle und hatte Kontakt zu Willi Sitte. Er sagte eines Tages zu mir, daß ich, statt andere zu interpretieren, doch mal selbst Bilder vertonen solle. Er brachte mich mit Sitte zusammen, der die "Seidenstraße" und die "Bilder einer Ausstellung" in Teilen kannte und auch mochte und mir sagte, daß es schön wäre, wenn ich seine Bilder musikalisch bearbeiten würde. So haben wir uns dann zusammengesetzt - Sitte, seine Frau und die Stiftung - und haben die Sache beschlossen.

 

Erklär doch mal dem Unwissenden, wer Willi Sitte ist und welcher Grundgedanke hinter dem Konzept steht.
Willi Sitte ist ein international bekannter Maler aus Halle/Saale mit einem beachtlichen Oeuvre von über dreitausend Bildern. Nicht ganz unumstritten - es gab schon mal Querelen politischer Art. Er ist mittlerweile 86 Jahre alt und leider gesundheitlich gehandikapt, malt auch nicht mehr, ist aber geistig unheimlich rege und hat einen ganz trockenen Humor. Also, ich bewundere den Mann, ganz ehrlich! Er ist damals im Partisanenkrieg aus der Wehrmacht desertiert und nach Italien geflüchtet und hat dort wunderschöne Bilder gemalt, die ganz anders sind als die mit den dicken Zellulite-Frauen, die man sonst so von ihm kennt.

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Was hat der Hörer musikalisch zu erwarten?
Es wird auf jeden Fall typische Paule-Pond-Musik sein, ähnlich den "Bildern einer Ausstellung", deren Fortsetzung das Projekt im Grunde ist. Also dem entsprechen, wie ich schreibe: Mal rockig, mal orchestral, melodisch... Da ist alles drin, was man von POND kennt.

 

Wie weit ist das Projekt im Moment und wann ist mit einer Veröffentlichung zu rechnen?
Fünfzig Prozent des Materials sind fertig. Ich hatte im April auch schon eine Art kleiner Uraufführung vor Sponsoren und wichtigen Leuten, wo das gut angenommen wurde. Bis Dezember soll alles komplett fertig sein. Ich plane übrigens keine normale CD, sondern eine DVD, die im Merseburger Dom bebildert werden soll. Und als Clou wird es eine Bonus-CD geben, auf der die gleichen Titel nochmal drauf sind, aber von einem Sinfonieorchester gespielt! Ein absolutes Novum, denn sowas gibt es - auch international - meines Wissens nach noch nicht.

 

Gibt es schon Pläne für die Live-Umsetzung?
Geplant ist es wie gerade beschrieben, ob das so klappt, weiß man natürlich noch nicht. Das Tolle daran ist, daß neben dem Merseburger Dom, wo ich meine Instrumente neben Altar und Orgel drapieren und spielen werde, gleich die Willi-Sitte-Stiftung ist, über die das Album dann vertrieben werden soll. Die Stiftung hat Dependants in der ganzen Welt, Paris, New York... das ist auch ein Grund, warum ich die Klassikvariante machen möchte. Darüber werden sich viele honorige Eigentümer von Sitte-Bildern sicherlich freuen.

 

Im Booklet der 2006er Pond-CD "Soundtracks" ist in einem Ausblick von vor allem orientalisch beeinflußter Musik die Rede. Was ist aus dieser Idee geworden? Aufgeschoben oder aufgehoben?
Na auf alle Fälle aufgehoben! Die Reise nach Dubai hat mich derartig beeindruckt...

 

Also doch eher aufgeschoben...
Äh... (kurze Pause) JAAA, natürlich, entschuldigt bitte... (lacht) AUFGESCHOBEN natürlich... Also, meine Frau und ich, wir machen nicht klassisch Urlaub, sondern Städtereisen. Wir sind da schon viel herumgekommen, haben New York gesehen und alle wichtigen Städte Europas, aber Dubai war der absolute Hammer! Das Flair und die Musik haben mich so fasziniert, daß ich mir auf der Stelle vorgenommen habe, unbedingt in der Richtung etwas zu machen. Natürlich sind da jetzt erstmal die "Bilder" und die "Gemälde" dazwischengekommen, die viel Zeit in Anspruch nehmen und alles andere verdrängen. Doch danach wird die Orientsache kommen, ich habe mir da schon Technik angeschafft, mit der ich die entsprechenden Klänge herstellen kann...

 

Zur Geschichte: Bevor du mit Manne Hennig Pond ins Leben gerufen hast, wart ihr beide bei der Formation Babylon aktiv. Ist das dieselbe Band, die Mitte der 80er Jahre eine AC/DC-Coverversion als eigene Komposition ausgegeben hat?
Hahaha, das ist mir jetzt neu. Ich weiß nur, daß Babylon Heavy Metal gemacht hat und ich kenne Dieter Wiesjahn, den Chef und Schreiber der Band. Aber was ihr hier sagt, hab ich noch nie gehört. Hat er das tatsächlich gemacht?

 

Unserer Meinung nach ja. Es gab mal eine Single, da war ein Titel drauf, der hieß "Wir rocken los" der klang schon sehr verdächtig nach "Let's Get It Up" von AC/DC...
Echt ja? Na das ist ja... auf alle Fälle ist das die Band, das andere hab ich nicht gewußt, hahaha...

 

Erzähl uns bitte etwas über die Babylon-Zeit. Was für Musik habt ihr gemacht, welchen Stellenwert hatte die Band, gab es eigene Titel und wurden die auch aufgenommen und veröffentlicht usw.
Babylon war eine Band, die damals sehr im Kommen war und im Berliner Raum bereits sehr bekannt. Im Gegensatz zu vielen anderen Gruppen, machten sie vorwiegend eigene Titel. Witzigerweise waren das alles Nachbarn von mir, wir wohnten alle in derselben Straße. Man kannte sich bereits vom "Guten Tag!"-sagen und hat sich dann bei der Mugge getroffen. Das war ganz kurios. Nachdem ich meinen Berufsausweis gemacht hatte, fragten sie mich, ob ich nicht einsteigen wolle. Ich war ein Hardrock-Drummer und sie wollten sich weiterentwickeln. Ich hab natürlich zugesagt, weil es eine einmalige Chance war. So ging das los, war auch eine tolle Zeit, hat aber leider nicht allzu lange gehalten. Rundfunkproduktionen gab es, aber nicht viele. Eine davon war die "Dshigiten Legende", die suche ich selber auch noch. Es gibt einen AMIGA-Sampler mit Heavy Metal, da ist das Stück drauf. Richtig los ging es bei Babylon aber erst, nachdem ich schon nicht mehr dabei war. Die haben dann auch bei AMIGA eine Platte gemacht...

 

Besagte Single...
Nee nee, da war auch eine LP, dachte ich... oder war das Formel 1...?

 

Von Formel 1 gab es allerdings eine LP, ja...
Oh, dann hab ich das jetzt durcheinandergebracht. (Nein, hatte er nicht. Es gab auch von Babylon eine LP, "Dynamit" von 1988. Geirrt hatten also WIR uns... Anm. d. Verf.) Ja, stimmt! Da hab ich ja auch gespielt vorher, also bei Joco-Dev.

 

Joco-Dev...!?
Ja klar, da wurde dann später Formel 1 draus. Kurioserweise spielte da auch der Organist Frank Gursch, den ich später zu POND holte. Da war ich lange dabei und habe auch eine harte Schule durchgemacht. Die Musik war damals eindeutig Rock bzw. Hardrock, das war zu der Zeit die härteste Band. Wir haben hauptsächlich Deep Purple gespielt und, mit Verlaub, auch wirklich gut. Wir steigerten uns da richtig rein. Oder auch große Songs von Jethro Tull wie "Thick As A Brick"... Joco-Dev war total angesagt und ich wollte von Anfang an da rein, hatte aber noch nicht die Voraussetzungen. Als ich dann soweit war und tatsächlich mitspielen durfte, war das eine harte Zeit. Sowohl menschlich als auch musikalisch, man wurde da ganz schön gedrillt. Aber dadurch habe ich mich auch weiterentwickelt und Fortschritte gemacht. Und bin dann zu Babylon gegangen.

 

Was gab den Ausschlag, Babylon den Rücken zu kehren und Pond zu gründen?
Ich hatte immer den Drang nach Weiterentwicklung, das zieht sich wie ein roter Faden durch meine Karriere. Immer weiter und weiter... Ohne Veränderung geht eben nichts. Bei Babylon war irgendwann die Luft raus, es kam zum Stillstand. In dieser Zeit habe ich SBB aus Polen gesehen, war gleich begeistert und wollte sowas auch machen. Natürlich nach meinem Sinn und meinen Fähigkeiten. Manne hat das mitbekommen und war derselben Meinung. Da hatte ich also gleich nicht nur den besten Kumpel, sondern auch den besten Musiker, mit dem ich das neue Kapitel angehen konnte. Nebenbei hatte er auch noch die nötigen Instrumente dazu... Also haben wir uns erstmal ein dreiviertel Jahr zurückgezogen und wie verrückt geprobt, um uns ein Repertoire draufzuschaffen. Das war keine leichte Zeit, denn Geld kann man mit Proben allein nicht verdienen...

 

Mit der späteren Gruppe Pond hatte das Projekt zunächst nicht viel zu tun oder? Beschreibe doch mal die Musik, die ihr auf die Bühne gebracht habt.
Also zunächst war POND erstmal eine reine Rockband mit Keyboards und Drums, später noch mit Hammond-Orgel. Wir spielten vorwiegend eigene Kompositionen und machten sogenannten "Sinfonischen Rock". Also kein Hardrock, aber auch kein Jazz, sondern elegisch aufgebaute Rockmusik. Wir hatten auch internationale Titel im Programm, etwa von Emerson, Lake & Palmer oder Procol Harum.

 

Wie kam das beim Publikum an?
Das kam grandios an! Nicht unbedingt, weil wir so grandios waren... vielleicht aber auch das (lacht)... doch es war vor allem ungewöhnlich. Zum einen hatte ich das landesweit größte Schlagzeug am Start. Genau genommen waren es ja zwei Schlagzeuge, eins von Gunther Wosylus, das andere selber gekauft, zwei Gongs und die Glocke. Manne hatte einen Poly-Moog, der erste polyphone Synthesizer, und einen Mini-Moog. Und Frank hatte die riesige Hammond-Orgel. Das war schon sehr unorthodox und die Leute waren davon erstmal geschockt, aber positiv. Und dann klang das Ganze ja auch völlig ungewohnt, so daß das Publikum richtig hingehört hat. Und wenn einmal richtig hingehört und sich reinversetzt wird, ist das für eine Band schon die halbe Miete. Ohne angeberisch klingen zu wollen kann ich heute sagen, wir hatten überall, wo wir aufgetreten sind, Erfolg. Wir haben mit allen großen Bands des Landes zusammengespielt, Puhdys, Karat, City, Silly... natürlich immer Vorprogramm, hatten aber nie Probleme mit der Akzeptanz des Publikums, daß man uns ausgepfiffen hätte oder so... im Gegenteil: Wir haben es so mancher Gruppe schon recht schwer gemacht.

 

Gibt es Aufnahmen aus dieser Zeit?
Ja. Es gibt einen Mitschnitt vom Rundfunk und einen privaten, auf dem die "Bilder einer Ausstellung" in der damaligen Fassung zu hören sind. Das ist sehr interessant, also ich muß sagen: Was wir da zusammen auf die Beine gestellt haben... (seufzt) Ich gerate da immer ins Schwärmen, vielleicht muß ich mich da mal ein bißchen bremsen... aber das war handwerklich echt vom Allerfeinsten! Wir haben uns solche Mühe gegeben und geklotzt ohne Ende. Jede einzelne Fliegendreck-Note mit Akribie eingefügt... Ich glaube, sowas könnte ich heute gar nicht mehr spielen und die anderen wohl auch nicht. Aber wir waren jung, ehrgeizig, voll im Saft, so daß das alles ganz toll rüberkam. Ich überlege, ob ich diese beiden Mitschnitte mal herausbringen werde...

 

Euer Bühnenbild war, wie schon erwähnt, nicht unerheblich durch dein Schlagzeug geprägt, besonders aber fielen die beiden Gongs auf und die Glocke, die auch heute noch eine Art Symbol für Pond ist. So eine Glocke konnte man doch sicher nicht in jedem Musikgeschäft kaufen...
Ja, die Glocke... sie hieß bei uns "Pondine" und stammte aus Apolda von der berühmten Firma "Schilling", der einzigen Glockengießerfamilie der DDR. Sie wurde nach meinen Vorstellungen angefertigt. Übrigens ist das schon die zweite. Die Techniker haben die erste mal vom LKW fallen lassen, danach war sie stumm. Das war sehr traurig... Sie hatten mich über das Malheur nicht informiert und als ich nichtsahnend während meines Solo draufhaute, machte sie nur "Klick". Im Saal war es totenstill vor Überraschung. Wenn eine Glocke nicht klingt, ist das wie ein Vogel der nicht singt, sage ich immer. Also das war schon wirklich sehr sehr traurig und ich war auch ziemlich sauer, daß man mir nichts gesagt hatte. Zum Glück war die Firma so freundlich, mir eine zweite Glocke anzufertigen. Erstmal eine ganz kleine als Übergang und dann die zweite "Pondine". Dafür war und bin ich sehr dankbar.

 

War die Glocke nur Schmuck oder hast du sie auch wirklich gespielt? Und woher rührte überhaupt die Idee?
Klar hab ich die gespielt! Mache ich heute auch noch. Als Höhepunkt meiner Schlagzeugsoli hab ich immer so eine Art "Mühle" gespielt. Mit der rechten Hand den großen Gong, mit der linken den kleinen und in der Mitte die Glocke. Für die hatte ich dann keinen Arm mehr frei und mußte den Glockenriemen mit dem Mund bedienen. Das fing immer langsam an und wurde schneller und schneller, was gar nicht so einfach war. Das war ein Höllenlärm, so als ob eine Eisenbahn durch den Saal fuhr. Und dann gibt es ja noch die Story, daß die Techniker beim Transportieren der Glocke nicht immer aufmerksam waren und der Riemen am Boden schleifte. Einmal in Glauchau durch eine Halle, die noch nicht sauber war. Da lag noch alles mögliche auf dem Fußboden, Bierlachen, Erbrochenes, Urin... und der Riemen dann schön getränkt. War nicht angenehm, das Ding im Mund zu haben... Aber das war eben purer Rock'n Roll! Hahaha... Die Idee hatte ich mir von Carl Palmer abgeguckt. Der hat bei einem Emerson, Lake & Palmer-Konzert eine Glocke gehabt und da war mir sofort klar, daß ich sowas auch haben möchte.

 

Der Übergang zum komplett elektronischen Instrumentarium - was waren die Gründe?
Das war halt die Zeit. Zum einen bin ich ja stets zwischen meinem Schlagzeug und dem kleinen Keyboard hin- und hergependelt. Der Soundcheck jedesmal nervte mich mehr und mehr. Die ganzen Mikrofone und Rückkopplungen... Und dann kamen die Drum-Maschinen auf, die Schlagzeug-Computer und überhaupt die Sequenzer und ich nutzte die Gunst der Stunde. Auch der Ausstieg von Manfred Hennig war ein Grund. Ich dachte: Wenn es nun so ist und ich wieder alleine und von vorn beginnen muß, mache ich eben jetzt alles elektronisch.

 

Der Freundschaft zwischen dir uns Manne hat das aber nicht geschadet?
Nein gar nicht! Kurioserweise wohnt er mittlerweile fünf Minuten von mir entfernt, wir sehen uns öfter. Und wir planen auch gemeinsam. So oft spielt City ja nun auch nicht, schon gar nicht in den Wintermonaten. Da besuchen wir uns gegenseitig, friemeln im Studio ein bißchen herum und wollen vielleicht auch mal zusammen Konzerte spielen. Mal sehen.

 

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Hast du manchmal Sehnsucht nach dem Schlagzeug?
Naja, ich spiele ja nach wie vor Schlagzeug. Zwar nicht das akustische sondern ein elektronisches mit Pads, was nicht unbedingt miteinander zu vergleichen ist... Vielleicht mache ich in Merseburg noch mal was mit dem richtigen Schlagzeug, das muß man mal abwarten. Aber ich denke auch noch als Schlagzeuger, wenn ich komponiere. Das steckt drin. Ich fühle mich hauptsächlich als Komponist, der wie ein Drummer denkt. (lacht)

 

Wie schwer fiel dir die Trennung von Manfred Hennig und wieviel Einfluß hatte dieses Ereignis letztlich auf die neue Ausrichtung der Musik?
Sehr schwer und ich war kurz davor, ganz aufzugeben. Viele dachten ja, daß Manne der Macher ist und waren der Meinung, daß nun sowieso Schluß ist. Ich war ganz schön down, habe mich dann mit meiner Frau eingehend beraten. Es hätte ja die theoretische Möglichkeit gegeben, für Gunther Wosylus bei den Puhdys einzusteigen. Ich hatte früher mal mit Roland Magnussen bei Wegas gespielt und das war der Schwager von Harry Jeske. Von Roland hatte ich die Zweitanlage von den Puhdys übernommen, wir hatten teilweise die alten Kostüme von den Puhdys, haben die selben Titel gespielt, also nicht die Puhdys-Lieder sondern die Coverversionen von Deep Purple, Uriah Heep und so weiter. Ich hatte das Schlagzeug von Gunther Wosylus, hatte den Berufsausweis und war Hardrockdrummer. Ich denke, ich hätte gute Chancen gehabt, wenn ich mich beworben hätte. Aber ich hatte soviel Arbeit und Geld in POND investiert, und als Schlagzeuger nur den Rhythmus zu halten, wär' auch nicht mein Ding gewesen. Ich wollte doch lieber selber weiterkomponieren und bin bei POND geblieben. Und bin heute auch sehr froh, daß ich es so gemacht habe.

 

Mit "Planetenwind" habt ihr nicht nur landesweit ein erstes Ausrufezeichen gesetzt, sondern gleich euren größten Hit gelandet. Erzähl uns bitte mal ein bißchen über diesen Song und seine Geschichte.
Die Komposition ist mir im Halbschlaf eingefallen, das weiß ich noch genau. Ich habe so meine eigene Methode beim Komponieren. In meine Neubauwohnung paßt kein Klavier und wenn man gute Ideen hat, ist meistens auch nichts zum Aufschreiben da. Deshalb wiederhole ich gute Einfälle solange in Gedanken, bis ich sie im Kopf habe. Da sind noch eine Menge Melodien drin, die ich auch irgendwann mal rausholen muß... Und so ist es mir da auch ergangen. Zunächst war das Stück 18 Minuten lang, also so, wie später auf der LP. Mein Produzent meinte dann, er würde das Lied gerne machen, aber bei der Länge ginge das überhaupt nicht. "Mach mal 'ne Vier-Minuten-Fassung!" Tja, da stand ich da. Ein so langes Werk auf wenige Minuten zu reduzieren erschien mir erstmal unmöglich. Glücklicherweise hab ich es aber doch hinbekommen und "Planetenwind" kam sensationell an, lief dauernd im Radio und im Fernsehen. Es gab aber nicht nur positive Stimmen, mit Reinhard Lakomy habe ich mich deswegen mal während einer Radiosendung "gestritten". Nicht live, sondern hinter den Kulissen. Er meinte so: "Na, du mit deinem 'Planetenwind', drei Minuten, vier Töne dadidada dadidada..." Eigentlich bin ich ja nicht der Typ, der sich auf sowas einläßt, aber er hatte mich richtig angemacht und provoziert. Und so sagte ich: "Naja, gut und schön, aber der Titel läuft jeden Tag rauf und runter, ob zum Draufquatschen oder zum Ausblenden und sonstwas. Deine Sachen dagegen spielt man einmal um Mitternacht und dann war's das." Seitdem sind wir nicht unbedingt die besten Freunde... Aber es ist auch albern. Jeder soll halt das machen, was ihm am besten liegt und was er am besten kann - fertig.

 

Die dazugehörige LP erschien erst über zwei Jahre später. Woran lag das?
Ich bin ja froh, daß sie überhaupt gekommen ist... Es gab in der DDR nur eine einzige Plattenfirma und da eine Schallplatte machen zu dürfen, war der absolute Wahnsinn. Heute ist das alles nicht mehr so schwierig, jeder kann im Grunde ein Label gründen, ich hab ja auch eins, aber damals war das etwas Besonderes. Es gab nur AMIGA und die hatten wenig Kapazitäten. Viel wurde im Rundfunk produziert und was gut war, hat sich AMIGA dann einverleibt. Wir haben ja auch nur die lange Version von "Planetenwind" bei AMIGA eingespielt, der Rest sind Rundfunkproduktionen.

 

Auf der Neuveröffentlichung des Albums auf CD sind eine Menge mehr Stücke vertreten, als auf dem Original. Was sind das für Tracks? Und wieso wurde die Reihenfolge insgesamt verändert?
Die Firma, die sich dafür die Rechte gesichert hatte, nahm einfach die halbe "Seidenstraße" noch mit drauf. Warum auch immer... Wir hatten darauf keinen Einfluß. Das sind also quasi anderthalb LP.

 

Wie wirkte sich die neue Popularität der Gruppe auf die Konzerte aus?
Das war natürlich ein Schub. Wir haben mehr Konzerte spielen können und auch bessere Locations - wie man heute sagt - bekommen. Theater, Kinos und vor allem Planetarien, das war ja unser Nonplusultra. Gerade in Jena, die bekommen heute noch Emails, wo die Leute fragen, wann denn POND wieder mal spielt. Da wäre ich auch selber dran interessiert... aber es ist heutzutage, wo es nur ums Geld geht, sehr schwer geworden. Doch wenn sie mal wieder etwas in der Richtung machen wollen, wäre ich sofort dabei. Das war damals legendär! Innerhalb von vier, fünf Tagen waren die Karten weg, obwohl wir sogar zwei mal am Tag gespielt haben. Sechs Konzerte in drei Tagen und alle restlos ausverkauft.

 

Unter welchen Umständen seid ihr damals getourt?
Also wir hatten einen LKW und PKW. Vor allem brauchte man seinerzeit ein Reparaturnetz, denn das waren sogenannte "Schrippenautos" und die Straßen kannte man ja. Die Autos gingen andauernd kaputt und da war es gut, wenn man überall in der Republik "Stützpunkte" hatte, wo man mittels "ökonomischer Hebel" - sprich: Schmiergeld - stets kurzfristig reinkam.

 

Apropos Tour: Wir hatten vor kurzem eine interessante Diskussion im Forum und da du ja POND auch gemanagt hast, kannst du uns vielleicht Auskunft geben. Wie war das zu DDR-Zeiten mit dem, was man heute "Merchandise" nennt? Gab es sowas und welchen Bedingungen unterlag das?
Also, Merchandising im üblichen Sinne gab es kaum. Was jede Band benötigte, waren Plakate. Dafür brauchte man ein Papierkontingent, das man beim Kulturministerium beantragen mußte und das unheimlich schwer zu kriegen war, denn die Ressourcen waren knapp. Überdies war das Papier auch nicht von allerbester Qualität... Also, selbst Poster machen zu lassen, war schon ganz schwer.

 

Ihr habt also bei Konzerten nichts verkauft?
Nein. Von T-Shirts weiß ich gar nichts, das kann höchstens in den späten 80ern hie und da mal passiert sein. Autogrammkarten hatten wir natürlich auch, aber die haben wir verschenkt, wenn uns jemand anschrieb. Plakate haben wir auch nicht verkauft, vielleicht, daß mal eines für drei Mark den Besitzer wechselte... aber meistens wurden auch die verschenkt. Besonders auf der Autobahn... Wir sind ja immer auf der linken Spur gefahren, weil es da besser vorwärtsging und die Polizisten haben das öfter beobachtet und uns angehalten. Die haben dann immer sehr schnell gemerkt, daß wir eine Band waren und uns weiterfahren lassen. Zum Dank schenkten wir ihnen Poster...

 

Zurück zur Geschichte: Das Album "Auf der Seidenstraße" folgte relativ zügig. Erzähl uns bitte etwas zur Entstehung der Lieder und der LP.
Da hatte mich ein Redakteur eines Tages angerufen und wollte Musik zu einer "Seidnstrose" haben. (lacht) Das war ein Sachse. Ich mag ja die Sachsen, wir haben die meiste Zeit in Sachsen gespielt und das waren die besten Kumpels. Aber ich hab das als Berliner nicht gleich verstanden. Ich dachte immer: 'Was für 'ne Seitenstraße?' Bis er dann fragte, ob ich denn die Serie nicht kennen würde? Da kam ich erstmal drauf, daß es um "Seidenstraße" ging. Die DDR wollte auch so eine Serie machen, hatte aber die Tantiemen nicht und so wurde er beauftragt, jemanden zu suchen. Und weil ich einer derjenigen war, die einen Synthesizer hatten und die POND-Musik auch schon so einen Fernseh-Touch hatte, fragte er mich und ich hab es dann gemacht. Das war sehr viel Streß und sehr viel Arbeit, an der ich wiederum sehr gewachsen bin.

 

Die Platte klang noch lange nach. Das läßt auf eine große Aufmerksamkeit schließen, oder?
Ja, die war sehr erfolgreich und populär. Die Serie lief ja immer nach Karl-Eduard, da haben viele geguckt. Die Kritiken waren sehr gut und so bekamen wir dann auch unsere zweite LP, die sich fast genausogut verkaufte, wie die erste.

 

Erst um die Wendezeit kam Pond wieder mit einer neuen Produktion, die jedoch weitgehend unbemerkt blieb. Wie waren die Umstände, unter denen "Maschinenmensch" entstand und warum blieb ihm die Aufmerksamkeit verwehrt?
Naja, alle wollten erstmal Joghurt und Bananen essen, Westautos haben und die Westkünstler sehen, wofür ich volles Verständnis habe. Ist ja klar: Was man lange entbehren mußte, da stürzt man sich erstmal drauf und das Eigene fällt hinten runter. "Maschinenmensch" fiel in diese Zeit und ging dadurch völlig unter. Eingespielt haben wir die bei Christoph Franke von Tangerine Dream in Westberlin.

 

Wie hast du persönlich die Wende erlebt und was hältst du von allem, das daraus wurde?
Am 4.11.1989 fand auf dem Berliner Alexanderplatz die große Demonstration statt. Da waren wir gerade im "Ausland" für ein Konzert. "Ausland" meint Westberlin, das nannte man damals so. Ein paar Tage später sind die Leute dann über die Mauer gehüpft und ich wußte sofort: Das war's dann erstmal. Die Ostkünstler waren auf einen Schlag weg vom Fenster und nicht mehr gefragt. Erst zwei, drei Jahre später, als die Freiheit ihre negativen Seiten wie Arbeitslosigkeit und das Gefühl, nicht mehr gebraucht zu werden, enthüllt hatte, erinnerte man sich wieder, daß doch nicht alles schlecht war und daß nicht alles so gewollt war, wie es gekommen ist. Wir haben damals während der Wendeereignisse ja auch eine Resolution verfaßt. Toni Krahl war dabei, Tamara Danz... Darin hieß es, daß es so nicht weitergehen kann, daß wir uns artikulieren und unseren eigenen Weg gehen wollen. Dabei haben wir aber sicher nicht beabsichtigt, gleich alles zu opfern und am Ende gar nicht mehr gefragt zu sein. Die Ereignisse haben uns da überholt und viele Künstler sind richtig abgestürzt und nie wieder hochgekommen. Von der Musik leben kann heute vielleicht noch eine Handvoll Bands... Aber nun ist es einmal so und man muß sich der Sache stellen, da hilft alles nichts.

 

Die Band hatte sich unterdessen auch verändert. Wie, warum und mit welchen Konsequenzen?
Harald Wittkowski stieg aus, dafür kamen meine Zwillinge Frank und Sascha in die Band und das war auch wieder ein Schritt nach vorn. Die Schiene war zu dem Zeitpunkt etwas eingefahren und durch den jugendlichen Elan meiner Söhne kam wieder frischer Wind herein. Das war gut so, nahm vielleicht etwas Überhand bei den Techno-Titeln, aber das mußte man machen, wenn man überleben wollte. Die Ostmusik war nicht mehr gefragt und wir haben uns der neuen Zeit gestellt und alles "vertechnot" was ging. Haribo bis hin zu Abflußfrei wollte ich machen (lacht). Das wurde nicht genehmigt, weil man wohl Angst hatte, daß die Kinder das dann trinken oder so... war vielleicht auch ganz gut. Aber auf jeden Fall war Techno das große Ding und hat POND eine Frischzellenkur verpaßt.

 

Euer nächstes Projekt war das Touren durch diverse Planetarien, was auch den Anstoß für eine weitere Pond-LP ("SpaceWalks") gab. Wie entstand die Idee, wie wurde sie umgesetzt und auf welche Weise führte sie zu der neuen Platte?
Die Idee kam vom Direktor des Zeiss-Planetariums, der sich an unsere erfolgreiche Zeit erinnerte und uns fragte, ob wir da nicht mal eine Platte machen wollen. Ich habe sofort zugesagt und innerhalb von drei Monaten war "Space Walks" fertig. Die wurde in allen Planetarien der Welt, wo Zeiss vertreten war, verkauft. Eine sehr interessante Geschichte, speziell für Planetarien komponiert. Mit dieser Musik kann man leicht in die Welt der Planeten und Gestirne eintauchen und abheben und davonschweben. Die Kritiken waren sehr gut und mir gefällt die Platte auch heute noch.

 

War es nicht relativ kompliziert, mit Familienmitgliedern zu arbeiten? Man ist doch da nicht so frei...
Richtig und deshalb ist es letztlich auch auseinandergegangen. Ich war ja gewissermaßen der "dritte Zwilling" und wurde auch so behandelt. Da mußte ich schon hin und wieder auf den Tisch hauen... Im Studio war ich der Chef. Ich habe das zwar nicht herausgekehrt, aber es war halt so. Einer muß das Sagen haben und da ich nun der Ältere war und die Erfahrung hatte, war ich das logischerweise. Und oben am Eßtisch war ich wieder der Papa... Das ließ sich nicht immer gut miteinander vereinbaren, es kam zu Reibereien. Die Jungs hatten dann ihr Projekt Double Fox mit der Sängerin und dem Rapper und da hab ich dann gesagt: Lassen wir es gut sein, macht ihr mal euer Ding und ich mach meins und da kann jeder seine Wege gehen. Aber es war dennoch eine schöne Erfahrung.

 

"Space Walks" sollte für eine sehr lange Zeit das letzte reguläre Pond-Album bleiben. Erst zehn Jahre später kam mit dem Jubiläumsalbum "TransPONDer" wieder eine "richtige" Produktion heraus. Warum hat das solange gedauert und was ist in der Zwischenzeit passiert?
Viel ist passiert, sehr viel. Das kann man jetzt gar nicht so ausbreiten... Ich mußte mich wieder neu orientieren. Frank und Sascha waren weg und ich stand erneut bei Null. Ich richtete mir mein Studio neu ein, gründete mein Label... das nahm alles viel Zeit in Anspruch. Aber als das durch war, kamen die Ideen wieder und wie man merkt, geht es jetzt schön weiter.

 

Folgende Schlagworte haben mittel- und unmittelbar mit Pond zu tun. Bitte kommentiere sie:

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  • Rock'n Roll Schuhe:
    War der erste Titel mit Frank und Sascha. Damit waren sie auch im "Kessel Buntes", was damals eine Sensation war. Ich hatte schon immer viele Ideen, die für POND nicht taugten, weil sie zu kommerziell oder nicht typisch genug waren. In diesem Fall hatte ich halt überlegt, mir jemanden zu suchen, der das singt. Und meine Jungs kannten ja alles, was ich machte und haben beim Mittagessen immer so aus Spaß ein bißchen mitgesungen. Und da fiel es mir wie Schuppen aus den Haaren! Ich fragte sie: "Wolln wir das nicht mal probiern?", und sie meinten: "Klar Papa..." Wie es halt so ist. Sie haben es dann also gesungen und ich fand es ganz toll, nur der Musikredakteur nicht. Walter Cikan, mein Produzent, sagte: "Nee, paß auf du, laß uns lieber ein paar andere Kinder suchen..." Da war ich recht stinkig und stellte ihn vor die Wahl: "Entweder meine Kinder oder die Sache findet nicht statt." Er lenkte ein und dann sind wir zu Hugo Jahn, dem Leiter des Omnibus-Kinderchores, gegangen. Der hat zwei Monate mit den Jungs geübt und siehe da: Es war gut. Jan Witte hat den Text gemacht, wir haben es aufgenommen und das war's. Und dann kamen die beiden gleich in den "Kessel" rein, das war Wahnsinn. Richard Clayderman war auch dabei, aber im "Neuen Deutschland" waren Frank und Sascha abgebildet! Wir haben dann noch einen zweiten Titel gemacht, den ich eigentlich noch viel schöner fand. "Hey Weihnachtsmann" hieß der. Der war nach Frank Schöbel Platz Zwei im Radio, war aber ein bißchen heikel, denn da kamen "Schmidt" und "Kohl" drin vor. "Onkel Schmidt, was erzählst du für einen Kohl..." Das ging gar nicht, Schmidt und Kohl wollte man nicht in einem Weihnachtslied haben und schon war es gestorben. Ist zwar schade drum, aber was soll's... damit war die kurze Erfolgskarriere für meine Zwillinge wieder vorbei, zumal sie dann auch in den Stimmbruch kamen.

  • Frohe Weihnacht:
    War die erste LP, die wir nach der Wende gemacht haben und auch die erste, die mit Frank und Sascha als neuen POND-Mitgliedern entstand. Die schönsten klassischen Weihnachtslieder im elektronischen Soundgewand, aber ohne Schnörkel und Zirpen.

  • PONDerosa Records:
    Mein eigenes Label, auf dem es alle POND-Alben gibt. Das wollte ich damit auch erreichen, denn ich wollte nach meinen Vorstellungen arbeiten und nicht bei Buschfunk für'n Appel und ein Ei.

  • Henry Maske:
    Für den haben wir eine Hymne geschrieben, aber er hat sie leider nicht gekriegt. Ich habe zwar mit Michael Buffer, dem Ringsprecher, auch telefoniert, doch es hat letztendlich nicht sollen sein. So haben wir den Song als Single bei "Deutsche Schallplatten" herausgebracht.

  • Double Fox:
    Ist das Projekt von Frank und Sascha, das gewissermaßen neben POND lief. Da war ein Rapper mit dabei und eine türkische Sängerin. War sehr erfolgreich, sie haben z.B. mit Captain Hollywood zusammen gespielt und der hat ganz schön ein Auge gekriegt. Und bei Radio Energy haben sie den ersten Platz gemacht. Aber wie es so ist, hielt das nicht lange. Man verstand sich untereinander nicht mehr so und dann brach das wieder auseinander.

  • Formbox:
    Meine patentrechtlich abgesicherte Erfindung. Eine CD-Hülle in einer speziellen Form. Hat viel Geld und viel Arbeit gekostet. Es gibt sie in drei Varianten: Stern, Gummibär und rund.

  • Die Gummibären:
    Eine Kinder-CD in der Formbox, bei Arcade erschienen. Da sind Kinderlieder drauf, die so wie die Schlümpfe gemacht sind. Aber im Techno-Gewand. Damit haben wir einen Riesendeal gemacht, mit dem ich meine Schulden tilgen konnte, die durch die Formbox entstanden waren. Leider ist Arcade aber Pleite gegangen, ich hoffe, nicht durch meine Schuld...(lacht)

  • Das Pond-Buch:
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    Geschichten, Alltag und Werdegang eines Rockmusikers in der DDR. Ein Stück Musikgeschichte und eine Abhandlung meiner Karriere. Ich habe sehr gute Reaktionen damit erzielt, was mich natürlich freut. Die Leute finden es locker geschrieben und auch lustig und authentisch. Genauso wollte ich es haben. Vielleicht schreibe ich noch ein zweites Buch über den "DDR-Bürger Wolfgang Fuchs"..
    .
Gibt es etwas in deiner Karriere, auf das du besonders stolz bist? Und was würdest du aus heutiger Sicht vielleicht anders machen?
Stolz bin ich vor allem darauf, daß ich durchgehalten und nie aufgegeben habe. Das Sprichwort sagt: Wenn du aufgibst, hast du sowieso verloren... Also immer dranbleiben und machen, machen, machen. Klar, Fehler habe ich auch gemacht, aber da fällt mir jetzt spontan keiner ein, den speziell ich heute anders machen würde. Das gehört schließlich auch dazu und man lernt dabei.
 
 

Dein schönstes und dein schrägstes Tourerlebnis?
Die Planetarien-Konzerte waren toll, daran denke ich immer gerne. Und das schrägste? Einmal ist uns mitten im Winter die Frontscheibe rausgeflogen. Das war zu der Zeit, als der Schnee zwanzig Zentimeter hoch lag und es wirklich saukalt war. Ich mußte an die Leute denken, die im Zweiten Weltkrieg vor Stalingrad lagen, denen mußte es ähnlich ergangen sein, wie uns. Es war regelrecht unmenschlich, die 70 Kilometer bis Dresden zu fahren. Dort angekommen, haben wir uns fast um die Duschen geprügelt. Ich habe zwar mit Rausschmiß gedroht, wenn sie mich nicht vorlassen, aber das hat irgendwie nicht funktioniert...(lacht)

 

Was fällt dir zu folgenden Namen ein...

  • Tangerine Dream?
    Die Wegbereiter der elektronischen Musik. Und daß wir bei Christoph die Platte gemacht haben und ich mit Edgar (Froese) im Juli auf der Bühne stand.
  • Klaus Schulze?
    Bei ihm war ich schon eingeladen, habe mit meiner Frau da übernachtet. Gespielt haben wir auch schon zusammen, vor 6000 Leuten im August 89 in Dresden. Ein unvergeßliches Erlebnis. Er ist ein guter Kumpel.
  • Jean-Michel Jarre?
    Ein Vorbild. Sein "Equinoxe" haben wir früher selber nachempfunden und gespielt. Ich hab ihn neulich erst im Konzert erlebt... ein Gott!
  • Thomas Kurzhals?
    Bäcker, ja... ein guter, ein sehr sehr guter Handwerker. Persönlich kennen wir uns aber nicht so gut, nur so, wie man sich unter Kollegen halt kennt. Wie ich auch bei euch gelesen habe, ist er jetzt wieder bei der Stern-Combo. Auf jeden Fall ein Mordsmusiker, da gibt es überhaupt nichts.
  • Reinhard Lakomy?
    Ja, wie gesagt... nicht so mein Fall, hahaha... aber jetzt nicht wegen der Sache damals, das ist ja dreißig Jahre her und ich würde da nicht drauf herumreiten. Mit der Musik, die er so im Laufe der Zeit gemacht hat, bin ich einfach nie so recht warm geworden. Das ist nicht böse gemeint, sondern lediglich eine Geschmacksfrage.
  • Vangelis?
    Mein Gott. Da geht nichts drüber. Ich hab neulich erst wieder eine DVD gesehen, wo er in Athen spielt... einfach Wahnsinn. Er ist... er ist einfach... ja, er ist einfach mein Gott. Kann man nicht anders sagen.
  • John Carpenter?
    Ja, ähem... das ist ja das, wo ich euch auf dem falschen Fuß erwischt habe mit meiner Techno-Version (lacht). Ich kenne von ihm eigentlich nur "The Fog" und das ist klasse.

Bei uns läuft im Moment eine Abstimmung über die Lieblingstitel unserer Besucher. Die Songs müssen entweder in deutscher Sprache gesungen sein oder von deutschen Interpreten stammen. Wie sähen deine Top-Ten aus?
Oh je, ich würde gar keine zehn zusammenkriegen. Was ich gut finde und zeitlos, ist "Als ich fortging". Ich mag Dirk Michaelis generell ganz gerne, wir haben uns letztens bei Jarre getroffen. Für ihn ist "Als ich fortging" sein "Yesterday". Ansonsten fällt mir da nichts ein. Natürlich gibt es eine Menge guter Titel, aber ich könnte jetzt keine speziellen heraussuchen.
 
 

Hat man nach dreißig Jahren erfolgreicher Musikerkarriere eigentlich noch Träume und welche?
Ja, auf alle Fälle gesund bleiben, das ist das A und O. Und weiterarbeiten können. Das ist alles.

 

Gibt es eine Interviewfrage, die dir in all den Jahren noch nie gestellt wurde, die du aber unbedingt schon immer mal beantworten wolltest?
Nein. Es wurde eigentlich immer alles gesagt und wenn doch, dann habe ich das so gelenkt, daß ich sagen konnte, was ich wollte... (lacht)

 

Noch ein paar Worte an unsere Leser?
Sich Zeit zu nehmen und auch mal Musik zu hören, die abseits des Mainstreams stattfindet. Und weiterhin "Deutsche-Mugge" zu unterstützen. Solche Kollegen, wie ihr es seid, müßte es viel öfter geben. Ich meine das vollkommen ernst und kann das auch beurteilen, weil ich schon in vielen Sendern rein- und wieder rausgeworfen wurde. Ich finde es toll, daß ihr eine so große Bandbreite abdeckt und euch auch Musik widmet, die nicht so im Vordergrund steht. Ihr leistet da wirklich eine tolle Arbeit, seid Sprachrohr für alle Genres... davon könnten sich die Rundfunk- und TV-Bosse gerne eine Scheibe abschneiden. Das ist keine Lobhudelei, sondern ist einfach fakt und das dürft ihr ruhig mal so schreiben, wie ich es gesagt habe.

 

Machen wir doch glatt, denn sowas hört man natürlich gerne. Allerdings wäre es aus unserer Sicht gar nicht so gut, wenn unser Beispiel Schule machte, denn dann wären wir ja nichts Besonderes mehr, hihihi...
Da habt ihr jetzt wieder Recht (lacht), aber insgesamt wäre es schon besser...

 

Wir bedanken uns für das Gespräch!
Ich habe zu danken! Viele Grüße an alle!

 
 
 
Interview: Knechtel Family
Vorbereitung: cr, kf & Paule Pond
Fotos: Pressematerial PONDerosa Records, Privatarchiv Wolfgang Fuchs
 
 
 
 

   
   
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