Klaus Hoffmann



001 20130302 1449827751Klaus Hoffmann gehört wohl zu den bedeutendsten Liedermachern Deutschlands. Viele bezeichnen den Berliner auch als "Die Stimme Berlins". Bereits seit den 1960er Jahren ist er unterwegs auf den Bühnen nicht nur dieses Landes und machte sich auch als Schauspieler (z.B. in "Die neuen Leiden des jungen W.") sowie als Romanautor und Schriftsteller (z.B. mit dem Roman "Afghana") einen großen Namen. Insofern war es für uns sowohl eine Ehre als auch ein Vergnügen, uns am 30. September 2008 mit Klaus Hoffmann anlässlich des Starts seiner Herbst-Winter-Deutschland-Tournee in Form eines kleinen Interviews unterhalten zu dürfen. Vor dem Interview wollte Klaus Hoffmann wissen, woher seine Gäste, gesandt von "www.deutsche-mugge.de" stammten und als er feststellte, dass sie beide eine DDR-Biographie aufwiesen, war man schon mitten im Interview...
 

 

Na, ich spiel ja nicht so viel im Osten.

 

Fehlt die Gelegenheit dazu?
Nein. Es ist sicherlich profan, wenn Leute wie ich, die etwas etabliert sind, über Geld reden. Die Veranstalter kriegen manches aus Geldgründen einfach nicht hin, so dass wir - ob nun im Westen oder im Osten - zu wenig Geld bekommen würden, um den Aufwand auszugleichen. Das kommt im Osten öfter vor als im Westen. Dadurch gibt es auch so eine Art Ost-West-Gefälle in dieser Frage. Daran müsste man mal etwas ändern. Bloß wie? Also mache ich da lieber mit meinem Pianisten ein kleines Programm und trete damit dann auch in ostdeutschen Städten auf. Und dort bin ich dann auch sehr sehr gerne.

 

Kommen wir erst mal auf den 9. Oktober zu sprechen...
Meinst Du den Leipziger 9. Oktober oder den Pariser 9. Oktober?

 

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Na, erst mal würde ich gerne über den Pariser 9. Oktober reden. Was erwartest Du da... in Paris?
Ich bin sehr stolz darauf, am 9. Oktober dort zu sein. Ein Leben lang beschäftige ich mich mit Jacques Brel, der ja nun schon den 30. Todestag hat. Aber mittlerweile bin ich auch der Meinung, dass die Pariser davon vielleicht gar nicht so viel wissen, wie ich mir das mal vorgestellt habe. Wenn du jemanden sehr liebst und ihn lange mit dir herumträgst, denkst du natürlich, die anderen lieben ihn auch so und gehen genauso mit ihm um wie du selbst. Inzwischen gehe ich eher davon aus, dass die Hälfte der Pariser gar nicht weiß, wer Brel war. Also müsste ich theoretisch vielleicht als Deutschsprachiger, als Berliner, dahin gehen und den Parisern sagen, wer Jacques Brel ist. Das jedoch habe ich mir gleich mal abgeschminkt. Das will ich nicht und das kann ich nicht. Ich kann denen erzählen, wie ich zu Brel kam und wie ich ihn ehre. Daß er jetzt 30 Jahre tot ist, daran erinnere ich. Das wird also eher ein Erinnerungsabend. Auf Deutsch. Vor Studenten und Prominenten.

 

Ist das dasselbe Brel-Programm, welches Du schon mal gemacht hattest?
Ja und nein. Ich hab Brel wirklich schon sehr sehr oft gemacht. Da ich aber so ein Mensch bin, der sein Programm immerfort während der Arbeit verändert, werde ich sicherlich an diesem Abend auch etwas anderes machen, wovon ich allerdings jetzt noch nichts weiß. Davor habe ich auch ein wenig Angst, weil ich nicht weiß, wie ich da sein werde. Was daraus wird, muß ich sehen. Ich muß da auch etwas aufpassen, dass ich mich selbst dabei bewahre. Zum Beispiel, wenn die mir mit Französisch kommen. Es ist für mich eine spannende Begegnung.

 

Aber Du kannst doch Französisch?
Nee, ich lehne es ab, alles zu können. Aber um es mal ernst zu sagen: Ich wurde dabei unterstützt von unserem Außenministerium. Franz-Walter Steinmeyer selbst hat sich dafür eingesetzt, weil er mich mag. Also haben wir da schon eine kleine Lobby, um zu sagen, wir kommen nun mit einer Art deutschen Welle, die dort etwas den Brel streut. Ich bin einer von einhundertfünfzig auf der Welt, die so etwas machen. Aber wahrscheinlich bin ich auch so eigen, dass ich das vertreten kann. Denn immerhin wird alles, was du mit dem Material anderer machst, ob nun mit Dylan oder Brel oder Cohen, nur eine Adaption bleiben. Es ist immer ein Abklatsch. Aber nun habe ich das sehr früh schon gemacht und habe ihn mir in dieser Zeit gewissermaßen ein wenig angezogen. Trotzdem wirst Du nie Brel als Brel bei mir sehen. Es ist immer Hoffmann, der Brel wuppt. Diesen Zustand Brel, den er auf den Platten zeigt - ich habe ihn ja nie live erlebt - den reproduziere ich schon auf der Bühne.

 

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Du hast ja schon, wie Du selbst sagtest, sehr zeitig angefangen, Dich mit Brel zu beschäftigen.
Als ich anfing, Musik zu machen, war er für mich eine Art Lockvogel. Ich kam ja von Francois Villon und vielen anderen französischen Geschichten, ohne selbst ein Wort Französisch zu können, weil ich viel in einem Club spielte, dessen Besitzer Franzose war. Der hat mir dann die Texte übersetzt. Dann brauchte ich dafür Verstärkung. Ich wollte ja singen und wusste damals noch nicht, wie. Denn die politischen Liedermacher gingen mir furchtbar auf den Geist, weil sie immer so anarchistisch waren und nie wussten, wohin. Und die Hippie-Bewegung war mir irgendwann zu sehr auf Kohle konzentriert. Bei mir ging es natürlich auch um Kohle, aber ich habs nie gesagt. Ich war wahrscheinlich zu proletarisch. Dann habe ich mir also den Brel genommen und das erste Lied war "So sind hier die Leute". Ich habe mir dieses Lied richtiggehend angezogen und glaubhaft dem Publikum um die Ohren gehauen. Im Grunde war ich der Junge, bei dem, als ich 16 war, diese Rebellion, diese Befreiung aus dem Elternhaus, aus dem Kleinbürgertum durch Brel entfacht wurde. Brel war natürlich ganz anders als ich ihn damals sah. Und im Laufe der Jahre habe ich ihn auch, nachdem er dann gestorben war, ein wenig los gelassen. Doch dann fing ich an, in Berlin mein Brel-Musical zu machen. Das war erst einmal ein furchtbarer Skandal, auch weil man zu der Zeit den Produzenten des Stücks, Peter Schwenkow, irgendwie aus der Stadt hier heraus haben wollte. Für mich war Peter Schwenkow derjenige, der mir überhaupt die Chance gab, ausgerechnet im Schiller-Theater, welches damals geschlossen werden sollte, ein Stück zu machen, das kein Bonbon-Musical war wie solche, die man automatisch sofort mit dem Begriff Musical verbindet. Ich habe mir die Rechte vorher von Brels Witwe geholt, was ja auch schon recht seltsam war, denn bis dahin kamen mit so einer Anfrage nur Ikonen an wie zum Beispiel David Bowie. Auf einmal kam der kleine Hoffmann aus Berlin und sagte: Ich will Brel zeigen mit einem richtigen Orchester - Die letzte Vorstellung. Brel kommt darin auf die Bühne, ist schon sterbenskrank, erzählt von seinem Leben und singt 25 Chansons auf deutsch. Das war natürlich in Berlin vor 15 Jahren unglaublich provokant, weil nicht verstanden wurde, dass es noch etwas anderes geben kann als Lloyd Webber. Im Laufe der Zeit veränderte sich das aber und wir hatten großen Erfolg damit. Das kann auch daran gelegen haben, dass es ein etwas abgespecktes, ein One-Man-Musical war. Plötzlich kamen sogar Leute aus dem Ausland und wollten das zu sich rüberholen. Das war der Glanzpunkt meiner Brel-Liebe.

 

Am 9. Oktober stellst Du das also wieder dar?
Nein, anders. Es ist schon sehr schwer, so eine Revue-Arbeit zu machen, so ein One-Man-Musical über zwei drei Stunden. Das habe ich alles auch erst lernen müssen, ich war ja eigentlich Schauspieler. Irgendwann wünschte ich mir, das Ganze noch weiter herunter zu minimieren, nur für Klavier und Stimme. Und genau das machen wir in Paris. Und ich erzähle auch eine ganz andere Geschichte.

 

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Es ist also nicht mehr "Die letzte Vorstellung"?
Nein, es ist die Geschichte, die ich vorhin schon andeutete. Wie kommt ein 16jähriger zu Brel.

 

Also Deine eigene Geschichte?
Die eigene Geschichte, ja.

 

Etwas Autobiographisches oder Doppelbiographisches?
Na, nicht unbedingt, aber irgendwie schon. Ich hatte das heute zufällig schon mal thematisiert mit einem guten Freund: Was ist biographisch und was ist nicht biographisch? In gewisser Weise ist so eine Diskussion ziemlicher Quatsch, denn alles, was du auf der Bühne machst, ist irgendwie auf deinem eigenen Mist gewachsen. Selbst wenn du behauptest, Schauspieler spielen nur sich selbst. Oder im Gegensatz dazu, den Hamlet zu geben und damit zu meinen, auch ein anderer Mensch zu sein als der, der man ist. Ich habe Schauspieler immer so angenommen, dass ich davon ausging, mindestens in der Hälfte von dem, was Schauspieler zeigen, sie selber zu sehen.

 

Das hieße, in der Darstellung anderer ist die Selbstaufgabe dann nur eine scheinbare...?
In gewisser Weise sicherlich. Es nützt dir doch auch nichts, wenn du daherkommst und sagst, ich ziehe mir bewusst Jeans an, weil ich Anzüge auf der Bühne nicht mag. Ich habe mich selbst früher immer sehr gern versteckt hinter einem Anzug. Ich war einer der ersten, der diese Turnschuhmanie ablöste, obwohl ich sie selber mit einem Film geprägt habe. Aber alles, was mir in Richtung Uniform ging, war für mich dann nicht mehr so gut. Also zog ich mir meine eigene Uniform an, den Anzug eben. Ich kam ja auch mehr aus der Ecke von Erzählern und Balladensängern oder -männern vielmehr. Ich mochte Van Morrison sehr, diesen Iren, eigentlich alles von ihm. Ich stand auf Freddie Mercury. Auf Elvis viel zu spät, weil ich ihn nicht verstand. Und dann natürlich auf Dylan, den empfand ich als den Stärksten, sehr wortlastig. Im Deutschen gab es leider nur meine Freunde, die mich belehren wollten. Die waren ein paar Jahre älter als ich und sagten mir immer, wo es lang gehen sollte. Ich wollte aber etwas ganz anderes. Ich wollte immer ein ganz anderer sein. Ich wollte das Publikum nie so richtig schulbelehren. Ich wollte auch immer meine komischen Ansichten über die Welt erzählen, so wie ich sie sah. Möglichst diskret.

 

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Es ist auch tatsächlich so, selbst dann, wenn du wie in "Brett vorm Kopp" oder in "Freches Kind" über "Scheiße" singst, immer etwas Sanftes darin liegt, etwas Weiches. Wie sieht denn die dunkle Seite von Klaus Hoffmann aus?
Naja, du klinkst dich jetzt zehn Platten später ein. Am Anfang war alles tatsächlich ein wenig traurig oder melancholisch. Ich war ja vermutlich einer der ersten, der die Leute auch zum Weinen brachte, was ich bewusst nicht ausließ. Aber ich versteckte mich auch nicht hinter Adorno, den ich fünfzehnmal neu gelesen hatte. Das interessierte mich nicht. Ich habe dann schon eher Suchbilder erzählt. Auch über Gesellschaftsformen. Und die Scheiße, die ich empfand, habe ich auch als solche benannt. Das muß ich jetzt nicht aufrollen. Im Laufe der Zeit änderte sich dann etwas in mir. Je tiefer ich in solch ein Lied eindrang, meinetwegen auch in der psychologischen Struktur, umso dringender musste ich eine Sprache finden, die ich selber aushalten kann. Was für Deutschland ja auch immer noch furchtbar fremd war. Da waren die ganzen Angloamerikaner selbst in ihren Pop-Texten schon sehr viel weiter. Wenn Joni Mitchell etwas erzählte, dann war es eine Art Tagebuch oder wenn Leonard Cohen etwas sang. Da ich aber nun keinen Agitprop machte und das auch gar nicht so mochte, weil es auch wieder eine Art Uniform war, musste ich eben meine ganz eigene Sprache finden. Lass uns mal zum Beispiel über Nicaragua-Kaffee reden und über die Uniformierung der Gruppen wie Marxisten und Leninisten, was ich ja alles sehr verstanden habe, aber das war eben alles auch sehr uniform. Und meine Kumpels sprangen, sobald sie etwas etabliert waren, sofort von diesem Zug ab und machten die Karriere, die sie mir dann im Laufe der Zeit immer vorwarfen. Ich war da vielleicht ein bisschen moralischer. Ich würde es nicht als zu nett bezeichnen, es war aber eben sehr weich manchmal. Solange es gut ist, finde ich es so auch völlig in Ordnung. Wenn ich wiederum mit solchen schweren Themen komme wie "Um zu werden, was du bist", wirkt das dann schon fast wie eine Puccini-Oper auf die Ohren. Ich würd mich aber auch gern mal wieder ganz anders sehen, da geh ich schon mit Deiner Frage mit ... Lassen wir uns einfach überraschen.

 

Worauf ich hinaus wollte: Ich stelle immer wieder fest, dass die Menschen sich verändern, wenn sie etwas älter werden. Manche werden sensibler, manche werden härter und unbedingter in gewisser Weise. Nicht im Sinne von böse, sondern eher im Sinne von entschlossener...
Ich weiß, worauf Du hinaus wolltest. Gut... Ich wollte vor ungefähr drei Jahren aufhören. Wieder mal. Aber ich lebe von meiner Arbeit, nicht nur finanziell, sondern ich bin auch besoffen von meiner Arbeit, ich investiere deshalb auch in meine eigene Firma. Das alles will ich jetzt aber gar nicht weiter erklären. Ich lebe dafür. Ja, ich lebe dafür. Und ich mache deswegen auch meine Fehler. Müdigkeiten zeige ich sicher, denn ich bin einfach ab und zu mal ausgepowert, eben weil ich sehr viel arbeite. Aber dass ich aus Müdigkeitsgründen mal nicht mehr will, das wäre Quatsch. Mir fehlen in solchen Momenten einfach nur die Worte. Und da Du ja so zwischen weich und hart wägst: DAS geht mir am Arsch vorbei. Ich kann auch mit Schnulzen leben. Damit habe ich überhaupt kein Problem. Es muß nur gut sein. Es muß mich packen können. Es muß mich erreichen. So erreichen, wie ich beim Hören der Musik von guten Leuten in meinem eigenen Kämmerlein seit eh und je selbst betroffen war. Das Publikum entscheidet. Das ist unser Motor schlechthin. Meine Nachbarin, die ist etwas älter als ich und 006 20130302 2026211359vielleicht ist sie... was weiß ich denn... spießig... die pflegt ihre Tomaten und muß ihrem Mann aus dem Bett helfen und plötzlich hört sie "Sex Pistols" oder so etwas und ich frag sie: "Ja, was haben Sie denn davon?" "Ja, ich und mein Sohn, wir hören uns manchmal gemeinsam ´Clash´ an und danach können wir uns sehr gut miteinander unterhalten." --- Was ich damit meine ist: Jeder hat irgendein ganz privates Ding zu laufen, wenn er Musik hört. Ich war eben gerade bei einer Beerdigung und da wurde Händel gespielt. Und es hat mich richtig gepackt. Ist doch irre, wie Musik ohne Worte mir so an den Arsch greifen kann. So, und wenn Du wie ich an das genauso glaubst, wie ich es jetzt gemeint habe, dann muß ein Sänger genau all das mitbringen. Egal, ob er es leise macht oder laut. Hauptsache, er erzählt mir eine Geschichte, die mich betrifft. Ich versteh Dich schon mit Deiner Einlassung, man wird härter, wenn man älter wird. Da muß man aber aufpassen. Wenn man älter wird, da ist man eben gereifter und dann müsste man erst recht schwimmen gegen den Jugendwahn. Aber mir ist aufgefallen, dass sich manche eher umgekehrt dem Jugendwahn opfern. Die Franzosen machen das leider manchmal auch sehr gern. Auch die Frauen. Die fangen plötzlich an, schwarze Netzstrümpfe zu tragen und wollen alle aussehen wie Marianne Faithfull. Das hat schon etwas von Jugendwahn. Bei Männern ist es natürlich genauso. Mick Jagger kann ich nur noch halb ertragen, finde aber, was er macht und wie er es macht als sportliche Leistung natürlich wiederum auch faszinierend. Andererseits gab es da einige Künstler, die einfach und sehr gut alt wurden. Aus Frankreich habe ich ein paar solcher alternden Männer noch kennengelernt, zum Beispiel Aznavour. Das ist schon etwas ganz Tolles, wenn ein Sänger alt werden darf. Brel hat immer gesagt, er möchte nicht alt werden. Aber er hatte Lungenkrebs, da sagt sich so etwas schnell. Anknüpfend daran, dass ich sagte, ich wollte mal aufhören: Ich möchte alt werden. Alles andere sind immer mal so Sprünge, die man hat oder macht. Wenn du davor stehst, aufzuhören, dann geht es schon weiter. Dir geht nur gerade der Arsch auf Grundeis. Weil du nicht weißt, wohin es geht.

 

Kommt da so ein Gefühl auf, dass man doch noch das eine oder andere sagen möchte?
Wenn man aufhören will?

 

Wenn man aufhören will, in diesem Moment oder an solchen Tagen ... Und hat man das Gefühl, dass da etwas verloren geht, wenn man aufhört?
Ich setz mal so an. In meinem privaten, also in meinem persönlichen Bereich, hatte ich schon sehr viele Verluste. Meine Frau war sehr lange sehr krank. Ich war plötzlich in der Rolle des Versorgers und drohte dadurch müde zu werden. Das hat sicherlich auch mein Publikum bemerkt. Noch habe ich Glück, mein Publikum scheint mich zu mögen, auch wenn ich Schlenker mache. Die entsprechende Platte lief auch sehr gut. Aber ich stand doch eines Tages vor meinem Freund Jim Rakete - ein Freund, weil wir uns immer ergänzen und begleiten und der auch nicht immer alles an mir gut findet, mich aber trotzdem liebt - und fragte ihn: "Was mache ich denn jetzt?" Das Weggehen, das kenne ich ja schon, aber das Aufhören ... Und der sagte dann einfach zu mir: "Ja, das musst du eben durchhalten." Das klingt jetzt sehr romantisch, aber durch diesen Leidensdruck bin ich wieder zu mir gekommen und stellte fest: Du hast ja nur dich. Und daraus entwickelte sich wieder der Wunsch zu singen, so wie früher. Und dann machte ich mein Album "Spirit".

 

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Der Titel ist irgendwie untypisch für Klaus Hoffmann.
Ja, ein eigenartiger Titel. Ich würde jetzt auch lieber einen anderen haben wollen. Aber ich wollte einfach mal, wie Sting es gesungen hat, so eine Art "Message in the bottle" aufgeben. Auch wollte ich wohl ein bisschen provizieren, nur nicht so laut. Das Album finde ich wirklich sehr gut, vielleicht nicht für jeden. Aber mein Publikum ist einfach wunderbar. Diese Menschen kaufen das Album und gehen auch in meine Konzerte. Manchmal wissen sie über die Hintergründe sogar mehr als ich. Und sie wissen auch ganz genau, dass ich nicht aufhören werde. Für mein Publikum war das gar keine Frage. Deshalb: Wenn du jetzt von einer anderen Zeitung wärst, von irgendeinem bunten Blatt, würde ich dir das auch gar nicht erzählen. Da käme gleich eine riesige Schlagzeile "Hoffmann wollte mal aufhören" oder etwas in dieser Art. Darüber denkt jeder Sänger irgendwann nach. Und ich mach das schon seit dreißig Jahren, Sänger sein.

 

Hattest Du vielleicht gerade keine Lust mehr, Dich auf diese Art mitzuteilen, als Sänger?
Nein, das ist es nicht. Man kriegt auch so immer eine Platte hin, wenn man will. Doch du musst, wie bei einem Roman, darauf achten, ob der Text trägt und ob du ihn dir wirklich von der Seele schreibst. Sonst laberst du einfach nur so herum. Und das würde ich nicht wollen. Aber seitdem sehe ich es so, dass ich da jetzt auch mal durchgegangen bin und nun werde gespannt weiter gehen.

 

Das klingt doch mal sehr schön. Da setz ich gleich mal an. Du machst ja jetzt eine Deutschland-Tournee. Was erwartest Du selber von dieser Tournee?
Das ist ja im Grunde die zweite in diesem Jahr. Wir haben es ein wenig anlaufen lassen im Sommer, und jetzt kommt die eigentliche Herbst-Winter-Tour, die wird nun richtig knallen.

 

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Diese Tour machst Du ja jedes Jahr...
Nein, nur alle zwei Jahre. Ansonsten tingel ich immer alleine mit meinem Pianisten. Ich muß im Jahr immer so zwischen fünfzig und sechzig Mal auf der Bühne stehen. Du hast gefragt, was ich selbst erwarte?

 

Ja.
Ich erwarte, dass es wieder eine ganz eigene, eine ganz besondere Form wird. Besonders auch bei den Geschichten, die ich zwischen den Liedern erzähle. Damit will ich es gern schaffen, das Publikum zu faszinieren. Ja, und musikalisch? Das wird auf jeden Fall sehr gut. Ich spiele sehr sehr gern mit meinen Jungs. Wir machen auch ganz verschiedene Musiken, angejazzte Klassik zum Beispiel. Ich nenn es mal Klassik. Ich weiß nicht, ob das wirklich Klassik ist, aber ich glaube, es ist zumindest fast klassische Musik. Die Bühne war für mich auch früher schon sehr leicht zu begehen, obwohl ich andererseits auch immer eine Riesenangst davor hatte, die Bühne zu betreten. Um das mal etwas zu verdeutlichen eine kleine Geschichte: Ich habe ja früher auch Theater gespielt. Zum Beispiel "Romeo und Julia". Und da war so eine furchtbare Inszenierung, obwohl sie von meinem leider inzwischen verstorbenen Freund Kurt Hübner gemacht wurde. Und ich habe vor jeder Aufführung gebetet. Nicht aus Kokettiere, sondern weil ich jedes Mal dachte, ich sterbe. Und ich habe es dadurch geschafft, durch meine eigene Scheu hindurchzugehen, in Strumpfhosen, und durch diese Inszenierung als Romeo, als überaus prädestinierter Liebhaber mit schönen roten Haaren, ganz schlank und wunderbar, der Narziß schlechthin. Wenn ich dann im Stück starb, musste meine Partnerin, welche die Julia spielte, immer auch sterbend auf mich drauf fallen. Und einmal fiel sie doch mit ihren Knien in meine Weichteile. Und ich als Leiche fuhr rasend schnell wieder hoch und war wohl auch nicht schweigsam dabei. Solche Missgeschicke haben mir dann wiederum auch wieder sehr viel Freude gemacht, manchmal viel mehr als die vorgeschriebene Kür und dadurch habe ich das Theater auch anders verstehen gelernt. Irgendwann bin ich mit diesen gemachten Erfahrungen vom Theater weg gegangen. Aber nur scheinbar. Scheinbar deshalb, weil ich vom Theater weg in mein eigenes Theater ging. Ich hab es also so gesehen immer noch mit Theaterarbeit zu tun. Und genau das erwarte ich von mir selbst auf der Bühne. Ich kenne mich ja auf der Bühne jetzt noch viel besser aus als damals. Da gibt es einen Anfang, da gibt es einen Mittelteil, die Pause, und es gibt ein Ende. Da ist das Leben sehr übersichtlich. Da gibt es kein "Ich möchte jetzt aber mal pinkeln gehen", obwohl - das fände ich auch gut. Wenn man das mal einfach so sagt und macht, dann bricht plötzlich das Leben in das Theater ein. Bei Peter Zadek habe ich so was mal in der Biographie gelesen. Und diese komödiantischen, theatralischen und pathetischen Grundgesetze findest du nur auf der Bühne. Oder im Film. Und deswegen freue ich mich sehr auf diese Tour.

 

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Auf Deiner Homepage ist vermerkt, die CD "Sänger" gibt es über EMI nicht mehr. Wo kann man diese nun erhalten, wenn man sie noch möchte?
Das Ganze finde ich ziemlich schade. Durch diese globalisierte Situation findest du von uns allen nur noch zwei oder drei Platten in den Läden. Und die ganz alten kriegst du nur noch über uns direkt. Aber diese Art Vertrieb wird wohl immer mehr werden.

 

Also eher Direktvertrieb als Handel?
Naja, bis jetzt komme ich ja irgendwie noch vor im Handel. Ich bin auch ab und an mal in den Charts, wenn einem das etwas bedeutet. Ich bin dann immer so besoffen von dem Geschäft, das glaubst du nicht: Man ist in den Charts auf Platz 29 oder so, das muß man sich mal vorstellen, als deutschsprachiger Sänger. Deswegen war ja auch Udo Lindenberg so erfreut, dass er mal auf Platz 1 kam. Oder Reinhard Mey. Aber da musst du auch sein. Wir verkaufen ja alle nicht mehr so viel. Und wenn du dort in den Charts nicht mehr vorkommst, ist das schon hart. Wir machen das ja vor allem, wir Sängerinnen und Sänger - das ist ja bei den Politikerinnen und Politikern mittlerweile ein zusammengefasstes Wort wie GrünInnen, weil wir GEHÖRT werden wollen, werte Herrinnen und Herren...

 

Lieber Herr Hoffmann, wir bedanken uns sehr herzlich bei Dir für dieses Gespräch.

 

 
Interview: Andreas Hähle, Patti Heidrich

Bearbeitung: cr, kf
Fotos: Pressematerial und Privatarchiv Klaus Hoffmann, Patricia Heidrich