Veronika Fischer

Interview vom 23. April 2007
 
 
Veronika Fischer wurde am 28. Juli 1951 in Wölfis, Thüringen, geboren. Schon als Kind mehr als nur musikalisch veranlagt, spielte sie bereits während ihres Studiums bei bekannten Bands wie Stern Combo Meißen und Panta Rhei mit. Im Jahre 1973 schloss sie das Musikstudium mit dem Staatsexamen als Solistin für Chanson und Musical ab. Ein Jahr später gründete sie zusammen mit Franz Bartzsch ihre eigene Band: Veronika Fischer & Band. Sie veröffentlichte vier Alben, die sich mehr als 1,5 Millionen mal verkauften. Veronika Fischer zählte zu den erfolgreichsten Solistinnen der DDR. Im Jahre 1981 kehrte sie nach einem Konzert im Westen nicht mehr in die DDR zurück. Noch im gleichen Jahr bekam sie einen Plattenvertrag bei der WEA und veröffentlichte ihr erstes Album mit dem Titel "Staunen" in der BRD. Auch im anderen Teil der Republik konnte sie sich schnell etablieren. Bis zur Wende erschienen fünf weitere Alben von ihr. Im vereinten Deutschland ist sie ebenfalls erfolgreich geblieben. Bis heute erschienen sieben weitere Studio-Alben und diverse Zusammenstellungen von ihr. Im vergangenen Jahr feierte sie ihr 35-jähriges Bühnenjubiläum und hat für dieses Jahr viele Pläne. Am 23. April 2007 trafen sich Christian und Veronika Fischer zu einem Gespräch über ihre Karriere, Zukunftspläne und viele andere Themen....
 

 
Hallo Veronika! Was machst Du im Moment?
Ja, Hallo… Ich sitze gerade im Büro und versuche meine Post zu erledigen.


Du hast 1997 eine CD mit dem Titel "Das Kind und der Kater" veröffentlicht. Aber erst 10 Jahre später - nämlich jetzt - bringst Du sie auf die Bühne. Kannst Du uns darüber etwas erzählen?
Damals, als wir die CD gemacht haben, war ich noch bei der Polydor. Unmittelbar nach der Veröffentlichung hat sich der damalige Chef verabschiedet und ist in Rente gegangen. Der E&A-Mann, Dieter Hegermann, starb leider kurz danach. Ich verlor dadurch meine Partner, die es möglich gemacht hätten, dieses Stück auf die Bühne zu bringen. Leider versank es dann so ein bisschen, obwohl es nach wie vor eine zeitlose Geschichte ist. Auch darum haben wir sie jetzt wieder ausgepackt und wollen sie auf die Bühne bringen. Ich hoffe, es gelingt uns.


Außerdem planst du eine große Weihnachts-Tour im November und Dezember. Im letzten Jahr warst Du Gast bei den Puhdys auf deren Weihnachts-Tour. War das der Auslöser für Deine eigene?
Nein, das war nicht der Auslöser. Noch bevor die Puhdys anfingen Weihnachts-Tourneen zu machen, hatte ich schon meine eigene Tour gemacht. Das waren sehr schöne Konzerte, z.B. war ich mit meinem Programm auch in Rostock. Das ist aber schon fünf oder sechs Jahre her. Wir hatten eigentlich schon längere Zeit vor, eine Weihnachts-CD zu machen. Dadurch, dass ich jetzt eine gemacht habe, bietet es sich natürlich an, damit auch auf die Bühne zu gehen, zumal uns das sehr viel Freude macht. Und das wird jetzt im November und Dezember geschehen, Mawi-Konzerte arbeitet schon schwer daran, die Tournee auf die Beine zu stellen.


Wie weit sind die Planungen dafür und worauf können sich die Fans freuen?
Sie können sich zuerst einmal auf eine sehr schöne CD freuen. Die haben wir jetzt gerade fertig gestellt und sie wird am Donnerstag bei der Plattenfirma abgegeben. Wir sind alle sehr glücklich, weil sie uns wirklich sehr gelungen ist. Sie hat eine ganz eigene Handschrift, Andreas Bicking hat sie produziert, ich habe die Lieder ausgesucht und gesungen. Es ist ein Mix aus Liedern, die man kennt in ganz neuem Gewand, und ein paar ganz neuen Songs, die man bisher noch nicht kannte, geworden. Es ist auch eine Neuaufnahme von "Weihnachten wieder daheim" mit auf der CD drauf, das vor vielen Jahren, ungefähr 1976/1977, entstanden ist. Und diese CD bringen wir im Winter auf die Bühne, daran arbeiten wir gerade.


Arbeitest Du auch schon an neuen Songs für ein weiteres Pop-Album?
Ja, daran arbeite ich auch schon, suche die Lieder aus und bin mit Autoren im Gespräch. Aber das soll dann erst im nächsten Jahr erscheinen. In diesem Jahr gibt es erst noch die "Kind und Kater"-Aufführung, die natürlich auch ein sehr großes Projekt ist, und bei dem wir mit einem Regisseur und Schauspielern arbeiten. Dann bin ich auch bei dem Eastrock-Classic-Festival mit Auftritten dabei, bei dem viele Künstler der ehemaligen Ost-Szene vertreten sein werden, z.B. Puhdys, Silly, Karat, Ute Freudenberg, Dirk Michaelis, Werther Lohse und ich. Das wird eine große Geschichte mit Orchester, für das wir im Moment auch eine CD produzieren. Jeder der teilnehmenden Künstler wird darauf zwei oder drei Lieder singen, die gerade aufgenommen, und die bei dem Festival aufgeführt werden. Dann kommt auch schon die Weihnachts-Tournee und vorher werde ich hier und da noch Konzerte mit meiner Band geben.


Laß uns doch mal ein bisschen in der Zeit zurückreisen: Wann hat Dich der "Virus Musik" infiziert?
Eigentlich schon von klein auf. Das war für mich keine Übergangsform, an die ich mich zurückerinnern kann, sondern es war immer da. Das lag auch daran, dass meine Eltern gerne Musik machten, weil sie Musik sehr liebten - meine Mutter vor allem. Deswegen war das für mich eine lebenselementar-wichtige Geschichte, Musik zu hören und auch selbst zu machen. Ich stamme aus einer Familie mit vier Kindern, und wir haben alle Instrumente gelernt und Musik gespielt. Ich habe das von allen anderen dann am konsequentesten verfolgt und später auch Musik studiert. Auf der Bühne habe ich schon als junges Mädchen gestanden, und habe dort mit meinen Schwestern gesungen. Später habe ich mich auf der Gitarre selbst begleitet. Mein Leben war immer mit Musik verbunden.


...und wann stand für Dich fest, dass Du Profimusikerin werden möchtest?
Das war zu der Zeit, als ich noch zur Schule ging und mich entscheiden musste, was ich machen möchte. Mein Vater war Handwerker, und er hat immer gesagt: "Musik muss man genau wie ein Handwerk erlernen", womit er natürlich total Recht hatte. Ich habe mich an Hochschulen beworben, erst in Weimar, dann später in Dresden. Als ich in Weimar war, bin ich noch sehr jung gewesen - ich war damals 14 Jahre alt. Weil es die Grundlage war, um Musik studieren zu können, habe ich dann auch noch Klavier gelernt. Danach habe ich mich in Dresden beworben, und da hat es geklappt und ich habe 1968 dort mein Studium begonnen.


In den ersten Jahren - während Deines Studiums - hast Du in zwei sehr bekannten Formationen mitgewirkt. Wie ist es dazu gekommen, dass Du bei der Stern Combo Meißen aktiv geworden bist?
Begonnen hat das eigentlich noch mit einer anderen Band, die nicht so in den Vordergrund trat. Das war die Fred Herfter Combo. Damit fing im Prinzip alles an. Als ich Musik studierte war ich von vielen anderen Kollegen, bzw. damals noch Studenten, umgeben. Und da war auch Ulrich Pexa, der später der erste Gitarrist bei KARAT war, und der mit mir zusammen im gleichen Wohnheim wohnte. Ich habe abends im Wohnheim auf Wunsch meiner damaligen Mitbewohnerinnen immer etwas vorgesungen. Dadurch kannte er mich, und bat mich irgendwann mal, mit zu einer Probe zu Fred Herfter zu kommen. Danach wollten die mich gleich haben, und ich habe bei dieser Band begonnen zum Tanz zu singen. Das hat aber nicht sehr lange gedauert. Das war - glaub ich - nur ein Dreivierteljahr, wenn überhaupt. Ich war mit dieser Gruppe damals aber schon auf großer Reise zusammen mit Leuten vom Film aus Babelsberg. Es war eine riesige Sowjetunion-Tournee, und wir waren die Band, die im Hintergrund etwas für Unterhaltung gesorgt hat. Dann hat mich irgendwann die Stern Combo Meißen gehört und abgeworben. Das war eigentlich die Grundlage, warum ich mich entschied in die Rockmusik zu gehen und populäre Musik zu machen.


Die gleiche Frage stelle ich Dir auch in Bezug auf Panta Rhei. Wie ist der Kontakt zu den Musikern zustande gekommen und wie kam es dazu, dass Du dort eingestiegen bist?
Im Prinzip ist das wie eine Kette gewesen. Das begann mit Ulrich Pexa, der mich hörte und mit zu Fred Herfter nahm. Dann eben Stern Combo Meißen, bei denen mich die Leute toll fanden und weshalb mich Panta Rhei dort abwarb. Der Posaunist, der mit mir bei Stern Combo Meißen war, sagte eines Tages zu mir, dass mich Panta Rhei haben wollte und dass ich dahin müsse, weil sie einfach besser waren. Wenn man es so will: Meine professionelle Arbeit als Musikerin auf der Bühne begann bei Panta Rhei. Damals war die Stern Combo noch am Anfang und Panta Rhei eben schon eine Nummer größer. Die haben mir den Beruf dann richtig nahe gebracht.


Panta Rhei war eine von den Kritikern in höchsten Tönen gelobte Formation. Kannst Du Dich an die Zeit bei der Band noch erinnern?
Ja, sehr gut sogar! Bei Panta Rhei waren viele tolle Musiker und ich war damals noch eine Anfängerin. Es war sehr hart und für mich nicht ganz leicht. Da musste ich mich schon durchbeißen. Mir wurden dort z.B. die Noten hingelegt und ich musste vom Blatt singen, was ja durchaus nicht falsch und auch sehr wichtig ist, dass man das auch kann.


Nach Deiner Zeit bei PR hast Du Deine eigene Band gegründet. Bitte erzähl uns etwas über die Entstehungsgeschichte von der "Veronika Fischer & Band".
Bei Panta Rhei durfte ich meine sechs bis acht Lieder am Abend singen, und die waren dann immer auf den ganzen Abend verteilt. Ich habe mal eins am Anfang gesungen, dann in der Mitte des Konzerts eins, und dann wieder am Schluss. Mein damaliger Freund sagte dann irgendwann: "Das musst Du doch nicht machen. Frag doch mal, ob Du nicht konzentrierter, also in geballter Form, vielleicht eine halbe Stunde am Stück Deine Songs vortragen kannst", auch um mich als Sängerin zu trainieren. Den Vorschlag habe ich dann auch gemacht, aber die Band fand das überhaupt nicht gut, sondern wollte es in ihrer Form weitermachen. Daraufhin habe ich dann gesagt, dass ich mich verändern möchte, weil ich mich als Sängerin eben auch sehr unterfordert fühlte. Ich bin dann bei Panta Rhei ausgestiegen, und kurze Zeit später zerfiel die Gruppe, und aus der Band entstanden KARAT und noch eine andere Jazz-Rock-Formation. Ich war dann noch kurz bei der Theo-Schumann-Combo und habe später Franz Bartzsch angesprochen, der damals schon bei Lift als Komponist sehr erfolgreich war, ob er nicht Lust hätte mit mir eine Band zu gründen. Er hatte Lust, und daraufhin begannen wir meine Band zu gründen. Mein Ex-Freund, und später -mann, hat sich um die organisatorischen Dinge, um die Technik und den Aufbau gekümmert. Franz und ich haben dann zusammen mit den Musikern, die dabei waren, ein halbes Jahr an unserer neuen Musik gebastelt. In dieser Zeit sind viele Lieder, wie z.B. "Guten Tag", "Daß ich eine Schneeflocke wär", "Auf der Wiese" und auch "Klavier im Fluß" entstanden. Das ist alles bereits 1974 geschehen.


In den frühen 80ern hast Du die DDR verlassen und hast Deine Zelte in der BRD aufgeschlagen. Was waren die Gründe für Deinen Weggang?
Ich bin damals aus familiären und beruflichen Gründen weggegangen. Franz Bartzsch ist ein halbes Jahr bevor ich ging, nach einem Konzert in West-Berlin geblieben. Danach waren die ganzen Lieder, die ich zusammen mit ihm aufgebaut hatte, hinfällig, denn in der DDR durfte man von "Geflüchteten" keine Musik aufführen. Ich wurde danach auch von den verschiedenen Bezirken gemieden. Ich verlor sozusagen langsam meine Arbeit. Das war von oben zwar nicht angeordnet, aber die Bezirke wussten damals nicht, wie sie sich verhalten sollten, und haben mich aus Vorsicht immer weniger eingeladen. Außerdem konnte ich die Musik vom Franz, die mein Repertoire ausmachten, zukünftig nicht mehr aufführen. Das war einer der Hauptgründe, warum ich mich entschied, wegzugehen.


Deine ehemaligen Kollegen haben dann unter dem Namen "4 PS",später als "Pankow", weitergemacht. Hast Du davon im Westen was mitbekommen und es verfolgen können?
Nein, verfolgt habe ich es nicht. Ich habe es gelegentlich mitbekommen. "4 PS" war ja meine Band, die spielte, als wir kurze Zeit getrennt waren. Wir spielten dann später wieder zusammen und ich brachte meinen Bassisten, Jäcki Reznicek, mit. Und daraus ist dann später Pankow entstanden. Ich war damals auch ein bisschen verärgert, denn ich konnte meine Technik nicht mitnehmen, als ich wegging. Meine Musiker haben die Technik dann einfach vereinnahmt und benutzt. Als ich später um eine Miete für meine Eltern bat, haben sie sich einfach geweigert das zu tun. Meine Anlage wurde dann verkauft und eine neue angeschafft, damit das nicht nachweisbar war. Es war also eine etwas unschöne Geschichte. Aber das ist inzwischen lange her, und es ist auch nicht mehr zu ändern. Ich habe mich darum auch nicht weiter gekümmert, denn ich wollte im Westen ja auch die Füsse auf den Boden bekommen. Das habe ich dann mit meinen Platten geschafft, denn ich hatte im Westen sofort einen Künstlervertrag bei Warner Brothers.


Du bist damals in der DDR eine musikalische Größe gewesen, die nach ihrem Weggang eine sehr große und kaum zu schließende Lücke hinterlassen hat. Wie leicht oder wie schwer ist es Dir gefallen, im Westen Fuss zu fassen?
Es war sehr schwierig. Natürlich hat dort auf mich keiner gewartet. Daher dass mich die Fachleute aber kannten, war es etwas leichter für mich. Deswegen bekam ich auch sehr schnell meinen Plattenvertrag. Ich habe bei Warner, bzw. WEA, sofort mit hoch qualifizierten Leuten zusammen gearbeitet und sechs Alben produziert. Das kann man nur machen, wenn man auch gute Verkaufszahlen hat. Die Industrie will ja nicht nur investieren, sondern auch was verdienen. Zu dieser Zeit war es nicht ohne, denn es war gerade die Neue Deutsche Welle "in", und da waren Sänger überhaupt nicht gefragt. Da hat mir selbst die WEA gesagt, ich müsse mich gedulden, denn es ging damals in dieser Phase mehr um Anti-Gesang als um Gesang. Die zweite Platte war dann schon ein erster Erfolg, und auch die dritte ("Sehnsucht nach Wärme") verkaufte sich gut. Der Komponist und Produzent, Achim Oppermann, hat mir damals erzählt, dass wir davon 100 000 Platten verkauft hatten. Das war ein guter Verkauf und daraufhin konnte ich natürlich auch gut arbeiten. Danach hatte ich auch meinen Stellenwert im Westen und habe noch weitere schöne Alben machen können. Die Live-Musik war im Westen immer etwas schwieriger als im Osten. Im Westen konnte man mit Veröffentlichung einer Platte Promotion machen dann auch live spielen. Ich hatte zwei Bands, mit denen ich gespielt habe. Eine Live-Band, und später habe ich dann mit Joe Albrecht und Gustl Lütjens im Trio gespielt, also mit Kabarettisten in der Kleinkunst gearbeitet, z.B. Diether Hüsch. Das hat auch sehr viel Spass gemacht.


Die LP mit dem Titel "Staunen" war Dein erstes Album im Westen, und erschien 1981 bei der WEA. Wo lagen für Dich die Unterschiede zwischen der Arbeit als Musiker im Osten und im Westen?
Da gab es schon ganz gravierende Unterschiede. Damals war die Industrie noch gesünder als heute. Es wurde sehr viel Wert auf die Produktion gelegt, und es war eine andere Arbeitsweise als im Osten. Dort war es so, dass man viel live gespielt hat und durch das Live-Spielen auch produziert hat. Im Westen war es umgekehrt. Zuerst war die Produktion wichtig, und erst dann wurde live gespielt. Es ging dann immer um Promotion und Medien-Arbeit, um damit die Leute auch in Verbindung zu bringen. Das war im Osten eben nicht üblich. Der Markt war kleiner und man fiel schneller auf. Das war eine nationale Form, und im Westen halt eine internationale Form. Im Westen war es schwieriger, nationale Musik zu präsentieren. Die nationalen Künstler spielten dort immer ein bisschen die zweite Geige, die Hauptrolle spielten die Künstler, die international eingekauft wurden. Wobei man ja sagen muss, dass das auch Leute waren, die erstmal nationalen Erfolg haben mussten. Manche dieser Künstler hatten national gar keine Erfolge sondern nur hier in Deutschland. Wir wurden schon ein bisschen zweitrangig behandelt.


Dann kam die Wende und es wurde für deutsche Künstler sehr schwer, sich auf dem gesamtdeutschen Markt zwischen all den internationalen Künstlern und damals neu aufgekommenen Musikrichtungen zu behaupten. Wie hast Du die Zeit Anfang der 90er erlebt?
Für mich war es nicht so schwer, ganz im Gegenteil. Die Wandlung zum gemeinsamen Deutschland war für mich besser, denn für mich erschloss sich der Osten wieder. Ich konnte ihn wieder betreten und mein altes Publikum wieder erobern, und neues dazu gewinnen. Für mich war das im Grunde genommen eine Verbesserung.


Du produzierst in unregelmäßigen Abständen immer wieder neue Alben. Wenn Du speziell auf die 90er blickst: Welche Arbeit hältst Du persönlich für Deine beste?
Meine beste CD, die ich je gemacht habe, ist nach meinem Geschmack das Album "Dünnes Eis". Das liegt aber auch daran, dass sich mein Geschmack etwas verändert hat. Aber diese Platte ist nicht aus den 90ern. Was die 90er betrifft, muss ich sagen, dass "Träumer" schon eines der schönsten Arbeiten war. Aber es kommt noch eine CD hinzu, nämlich "Veronika Fischer" von 1989, die Henry Staroste produziert hat. Das war meine vorletzte CD bei der WEA. Daraus entstand dann 1991 die CD "Gefühle", wobei der größte Teil von meiner CD "Veronika Fischer" übernommen wurde. Das ist meiner Meinung nach meine beste Arbeit, die noch im Westteil entstand, aber erst 1991 erschienen ist. Darauf waren z.B. "Hey Du", "Süden", "Manchmal fällt man tief" und noch viele andere schöne Titel. Für eine Konzept-CD ist sie sehr rund und toll produziert. Darauf haben Curt Cress und einige andere tolle Musiker gespielt. Dieses Album und "Träumer", das sind meine beiden Lieblings-CDs aus den 90ern.


Es hat auch einige Duette von Dir mit anderen Künstlern gegeben, z.B. mit Holger Biege, Edo Zanki und Harald Juhnke. Wie kam es zu diesen gemeinsamen Projekten und mit wem würdest Du gerne noch mal eins machen?
Das Duett mit Harald Juhnke fiel mir mehr oder weniger so von heute auf morgen in den Schoss, weil mich der Produzent gut kannte und Harald Juhnke dringend eine Partnerin für sein Lied brauchte. Dann ging es sehr schnell und ich saß im Studio und habe mit Harald Juhnke dieses Lied gesungen. Mit Edo Zanki habe ich öfters zusammen gearbeitet, weil die WEA mit ihm sehr gut konnte und ich schon Anfang der 80er mit ihm zu tun hatte. Später haben wir bei "Gefühle" noch mal zusammen produziert und zwei Duette gesungen, u.a. "Nicht zu retten". Beide Duette haben mir viel Spass gemacht, doch am meisten hat es mir gefallen mit Holger Biege zu arbeiten, auch deshalb, weil ich ihn schon sehr lange kenne. Ich schätze Holger als Sänger sehr, denn für mich ist er der Begabteste überhaupt in Deutschland. Wenn Holger Biege singt, dann berührt mich das sehr und ich bedaure es, dass er es jetzt so schwer hat in diesem Land. Aber das liegt auch an seiner Kompliziertheit. Was das Singen angeht, ist er einer der Besten, und ich würde mit ihm immer wieder Duette zusammen machen. Ich würde aber auch gerne mit Sting zusammen singen, so ist das ja nicht… (lacht).


Vor kurzer Zeit sind Deine Original-Alben aus der Amiga-Zeit neu veröffentlicht, und mit reichlich Bonus-Material versehen worden. Speziell die fünfte CD beinhaltet eine ganze Menge rares Material. Bist Du an der Entstehung dieser Box beteiligt gewesen?
Ja, natürlich. Erstens habe ich die Lieder alle selbst gesungen, also war ich schon mal dabei (lacht). Ich habe mit Jörg Stempel sehr oft darüber geredet und die Zusammenstellung der fünften CD dann auch selbst vorgenommen. Das war gar nicht so einfach, denn ich hatte sehr viel Material, das nicht alles auf eine einzige CD passte. Da mussten wir uns dann irgendwann entscheiden. Es gibt natürlich meinen Fankreis, der dieses oder jenes noch gerne mit auf der CD gehabt hätte. Aber ich habe mich dann doch für die Lieder entschieden, bei denen ich der Meinung war, dass sie mir besser gefallen und die auch besser klingen. So ist diese Box entstanden.


So eine Box wünschen sich manche Fans auch mit Deinen Alben, die bei der WEA entstanden sind. Einige davon sind seit Jahren nicht mehr auf CD erhältlich, z.B. "Staunen" und "Spiegelbilder". Wie groß ist die Wahrscheinlichkeit, dass so eine Box erscheinen wird?
Ich glaube sehr gering, weil sich die WEA dabei gar nichts ausrechnet. Wenn sie diese Platten noch mal raus bringen, kostet es Geld und sie versprechen sich davon keinen großen Absatz. Ich glaube nicht, dass das noch mal geschieht, es sei denn, ich sterbe, dann könnte das gut sein.


Womit Du Dir aber bitte noch etwas Zeit lässt, ja?
Vorläufig hatte ich das auch noch nicht vor, da muss man sich noch ein bisschen gedulden (lacht). "Staunen" und "Mehr in Sicht"? Ich glaube das wird nichts. Dafür ist "Unendlich weit" noch mal raus gekommen. Das habe ich aufgrund des Drucks der Umwelt hinbekommen, die WEA davon zu überzeugen, dieses Album noch mal neu aufzulegen. Ich glaube aber nicht, dass das mit den anderen Alben auch gelingen wird.


Was hat man Dich in einem Interview bisher noch nie gefragt, worauf Du aber gerne mal antworten möchtest?
Vielleicht, wie es mit der Musik im Moment aussieht...


Bitte, auf die Antwort sind wir gespannt...
Was ich etwas schade finde und was betrüblich für dieses Land ist… wir haben einen großen Nachholbedarf, dass die Musik für erwachsene Menschen auch wieder eine größere Lobby bekommt. Also, nicht nur die Hochkultur und die Musik der einfachen Form, wie z.B. volkstümlich-primitive Musik. Die Unterstützung in der Hinsicht ist ja grandios, und dazwischen findet eben nicht mehr viel statt. Ich finde, Rockmusik müsste wieder mehr ein offenes Ohr finden und ein Plateau bekommen. Genauso erwachsene Musik, Musik die ernst zu nehmen ist, und nicht nur "Kindermusik".


Ich nenne Dir jetzt ein paar Begriffe. Bitte antworte kurz und spontan in einem Satz, was Dir dazu einfällt:

Wölfis:

Das ist mein Heimatdorf.

Ostrock:
Ich würde es nicht so einschließen auf "Rock". Es war schon eher eine spezielle Musik des "Ostens".

Das Plattencover zu Deiner ersten LP von 1975:
Da hatte die Amiga nur die Farbe "blau", und deswegen sehe ich da eben ein bisschen wie eine Wasserleiche aus (lacht).

Klimawandel:
Es ist sehr aufregend und auch sehr traurig. Ich denke, wir müssen es gemeinsam anfassen, sonst fällt es auf uns zurück. Spätestens wenn wir keine Luft mehr bekommen.

Zukunft:
Im Prinzip kann man da anschließen… Sie beginnt damit, dass wir umweltbewusster werden, und dass wir uns wieder auf die Beziehung zwischen den Menschen konzentrieren. Die Musik ist da schon ein großes Stück an Kommunikation, was das möglich macht: Menschlichkeit und Umwelt.

Freunde / Kollegen:
Sie spielen eine große Rolle. Freunde sind sehr wichtig und rar. Sie soll man pflegen. Kollegen sind auch sehr wichtig, genauso wie eine gute Kollegialität.


Ich danke Dir für dieses Gespräch. Hast Du noch etwas auf dem Herzen, das Du den Lesern noch mitteilen möchtest?
Ich grüße alle Leser des Ostrockforums ganz herzlich. Helft bitte, dass Musik in Deutschland wieder spannender und vielfältiger wird, und ich würde mich freuen, wenn wir uns bei irgendeinem musikalischen Event begegnen würden.


Interview: Christian Reder
 
 
 

   
   
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