Mia Diekow

 

Eine hohe Musikalität, gepaart mit einem sympathischen Auftreten und einer erfrischenden Natürlichkeit... So könnte man Mia Diekow in einem kurzen Satz beschreiben. Sie ist neu in der Szene. Man könnte sagen,sie ist noch unverbraucht und unverdorben. Wer ihre neue CD hört wird sofort feststellen, dass da etwas ganz Eigenständiges entstanden ist. Kein Stück ist wie das andere, und die Geschichten sind vielschichtig und in hohem Maße interessant. Es ist keine Musik von der Stange, sondern das Ergebnis des In-sich-rein-Hören einer jungen Frau, die sich schon seit frühster Kindheit intensiv mit Musik beschäftigt. Am vergangenen Freitag veröffentlichte sie mit "Die Logik liegt am Boden" ihr Debüt-Album und hat sich mit diesem 14 Stücke umfassenden Werk selbst verwirklicht. Es sind ihre Ideen und ihre Phantasie, die dort in Liedform gegossen wurden. Bemerkenswert ist dabei auch, dass sie nicht nur alle Songs selbst geschrieben und betextet hat, sondern dass sie sogar bei der Produktion aktiv beteiligt war. Im Medien-Dschungel unseres Landes, wo fleißig in Schubladen gedacht wird und wo man an jeder Ecke irgendeinem musikalischen Trash begegnet, stellen Musiker wie Mia Diekow eine erfrischende Abwechslung dar. Sie lässt sich musikalisch nicht einfach zuordnen, und das ist gut so.001 20180416 1127768978 Man ist dankbar für diese Musik und die erfrischende Art, sich und seine Werke zu präsentieren. "Die Logik liegt am Boden" könnte der Startschuss für eine große Karriere sein - zu wünschen wäre es ihr auf jeden Fall. Um Euch die junge Musikerin und ihre Musikwelt einmal vorzustellen, haben wir sie zu einem Interview eingeladen...
 

 
Hallo Mia, zuerst einmal meinen Glückwunsch zu dieser äußerst gelungenen CD!
Danke sehr, das freut mich.

Du kommst aus einer sehr musikalischen Familie, wie ich gelesen habe. Dein Vater spielt Geige, die Mutter ist Sängerin - da kommt man ja als Spross gar nicht drum herum, sich ebenfalls mit Musik zu beschäftigen, oder?
Ja, das stimmt. Man fragt mich immer, wann mir die Musik begegnet ist. Ich glaube, bei mir war es eher umgekehrt, also ich bin der Musik begegnet. Ich konnte mich gar nicht dagegen wehren. Das empfand ich aber als sehr schön. Ich wurde nie dazu gezwungen, sondern ich habe ganz natürlich zur Musik gefunden. Meine Eltern haben unheimlich viel Musik gehört und gemacht. Meine Mutter ist zwar keine Sängerin, hat aber trotzdem immer viel gesungen, auch mit mir. Schon ganz früh hat sie damit angefangen. Das hat mich natürlich sehr stark beeinflusst.

Wann stand für Dich fest, dass Du in Sachen Musik weitermachen willst?
Ich habe für mich als Teenager niemals klar formuliert, dass ich das später mal machen werde. Trotzdem lag das irgendwie in der Luft. Bewusst entschieden habe ich mich dafür aber erst ein Jahr nach dem Abitur, da war ich neunzehn. Ich habe mir gedacht, Du studierst erstmal nichts, sondern probierst es einfach mal mit Musik, widmest Dich dieser Sache und guckst, was daraus wird. Aber es hat natürlich trotzdem gedauert, bis man sich dann immer mehr zutraut, und bis manche Sachen passieren, die einen in seiner Entscheidung bestätigen, damit weiterzumachen.

Gab es denn nach der Schule einen "bürgerlichen" Beruf, den Du gelernt und ausgeübt hast, oder war sofort die Musik da?
Ich habe bereits während meiner Schulzeit gearbeitet. Und zwar arbeitete ich schon als Kind als Synchronsprecherin, da war ich fünf. Also so gesehen auch kein richtig bürgerlicher Beruf. Der war schon da, und den habe ich einfach weiter gemacht, und ich mache es bis heute. Das ist sozusagen mein Brotjob. Natürlich hat mir das auch die Freiheit gegeben zu sagen, ich werde erstmal unabhängig von meinen Eltern, und genauso unabhängig von einer Ausbildung, einem Studium oder einem anderen Job. Das gibt einem dann auch enorme Freiheiten, sich solchen kreativen Projekten zuzuwenden, die zunächst überhaupt kein Geld einbringen, sondern eher Geld kosten.

Du hast gerade Deine Arbeit als Synchronsprecherin erwähnt. Wem leihst Du denn da Deine Stimme?
Da gibt es eigentlich keinen bekannten, großen Schauspieler. Ich mache viele verschiedene Sachen, sehr viel für Kinder. Das, was im Moment am erfolgreichsten läuft, ist "Yakari". Yakari ist ein kleiner Indianer.

Bei den Recherchen für unser Interview habe ich Deinen Namen in einer Übersicht über Hörspiel- und Hörbuchsprecher entdeckt. Das bist also wirklich Du?
Ja genau, das bin ich (lacht). Es gibt so einiges, was ich da mache. Über Computerspiele und Hörspiele bis zu Filmsynchronisation ist alles dabei. Es gibt so wahnsinnig viel, aber es ist jetzt nichts dabei, von dem ich sagen würde, es ist sooo groß, dass man es wiedererkennen würde. Wirklich ganz viele Kinder gucken "Yakari", aber sie würden meine Stimme beim Singen nicht wiedererkennen, weil ich da halt in einer Charge spreche. Das bedeutet, ich verstelle meine Stimme, und die Querverbindung hört man nicht heraus.

002 20180416 1582837589Hat es bei Dir eine fundierte musikalische Ausbildung gegeben? Soll heißen, hast Du ein Instrument erlernt oder Gesangsunterricht bekommen?
Nein, das war alles andere als fundiert (lacht dabei wieder), aber es ist durchaus immer mal wieder etwas passiert. Ich war an einer sehr musikorientierten Schule, denn das Gymnasium, an dem ich war, hatte einen relativ großen Musikzweig. Ich hatte dort im Alter von zwölf, dreizehn so eine Art Gesangsunterricht. Das war zwar kein wirklich ernsthafter Gesangsunterricht; aber da ich mich damals schon sehr dafür interessiert hatte, wollte ich natürlich auch viel darüber wissen. Ich hatte ein wenig Klavierunterricht, aber auch nur für ein paar Jahre. Und ich bin diesem Klavierunterricht auch möglichst aus dem Weg gegangen. Eigentlich habe ich erst jetzt angefangen, mich ernsthaft mit Musikinstrumenten zu beschäftigen, aber ich bin weder virtuos noch irgendwo wirklich gut. Gar nicht bewandert bin ich zu meinem Leidwesen in Musiktheorie, obwohl ich manchmal auch ganz glücklich darüber bin. Ich arbeite nämlich ausschließlich über mein Gehör, und nicht über mein kognitives Wissen. Das bringt mich dann manchmal auf die Ideen, die mir gar nicht einfallen würden, wenn ich schon alles wüsste. Oder anders gesagt: würde ich immer nur machen, was ich machen soll, würde vieles nicht entstehen, was ich rein intuitiv mache. Das ist also alles andere als fundiert. Aber ich hatte eine große Lernphase. Ich habe viel geschrieben, habe auch angefangen zu produzieren, und dabei lernt man zwangsläufig. Man lernt praktisch jeden Tag.

Kommen wir mal zu Deiner eingangs schon erwähnten neuen CD "Die Logik liegt am Boden". Es fällt sehr stark auf, dass Du in Deinen Texten praktisch in einer Art eigener Welt wandelst und den Hörer auch dahin mitnehmen möchtest. Soll das auch durch den Albumtitel zum Ausdruck gebracht werden?
Ja, absolut. Das hast Du vollkommen richtig "erspürt". Ich weiß jetzt nicht, ob ich wirklich in einer anderen Welt lebe, aber ich drifte schon ganz gerne mal in meine Phantasiewelt ab. Oder ich sage mal so: ich kann die Phantasiewelt nicht trennen von der sogenannten Realität. Mein Realitätsbegriff ist ein sehr weiter, und dazu gehört auch meine Phantasie. Da gibt es Dinge, die liegen außerhalb der Logik. Ich freue mich zwar über die Mathematik und die Logik, denn die hilft mir jeden Tag. Aber genauso freue ich mich über die Dinge, die ich nicht erklären kann, über die ich nachdenken kann, die ich mir aufmalen kann. Aber all diese Dinge müssen auch nicht bis zum Ende erklärt werden, denn ich mag auch Rätsel.

Ich habe unseren Lesern Dein Album ja schon ausführlich vorgestellt. Dabei habe ich ihnen aber ganz bewusst nichts über den Inhalt verraten. Inzwischen ist die CD ja auch erschienen. Erzähle doch bitte mal aus Deiner Sicht etwas über die CD.
Also mir würde es wahrscheinlich so gehen wie Dir. Ich würde auch erst einmal gar nicht so viel verraten oder erklären. Für mich ist das natürlich alles relativ klar, weil ich sie ja selber gemacht habe. Aber wenn man mich nach den Genres fragt, in die die CD passt, fällt es selbst mir unheimlich schwer dies in Worte zu fassen. Das Album hat nämlich ganz viele Einflüsse. Sobald man da eine Schublade aufmacht, fühle ich mich ganz schnell nicht mehr wohl darin. Nur zu sagen: "Das ist Pop!" würde dem nicht gerecht werden. Es ist aber auch kein klares Genre in irgendeine andere Richtung erkennbar. Es ist ein ziemlich bunter, verspielter, ja fast schon dunkler Mix. Auch bin ich kein Texter, von dem man sagen kann, es ist alles aus einem Guss. Ich lasse mich vielmehr von vielen Sachen inspirieren und gehe dabei sehr konzeptfrei und undogmatisch vor. Das ist eben meine Arbeitsweise. Ich lasse mich ungern beschränken und entdecke mich gerade noch. Ebenso wenig weiß ich, ob ich meine musikalische Identität überhaupt schon gefunden habe. Ich fange eigentlich gerade erst an, danach zu suchen. Ich würde das Album beschreiben als verspielt, frei und melodieverliebt. Aber ich achte dabei sehr auf die Texte. Ich möchte schöne Geschichten erzählen, etwas über mich zeigen, ohne jetzt alles zu verraten. Ich mag Widersprüche, und ich halte mich gerne zwischen den Stühlen auf.

Du singst und schriebst Deine Songs in Deutsch. Warum?
Damit habe ich mir ein Ei gelegt (lacht wieder). Ich finde das Texten auf Deutsch nämlich gar nicht so einfach. Deutsche Prosa oder Gedichte zu schreiben, finde ich gar nicht so schwer, aber deutsche Songtexte zu schreiben, das ist schon sehr kompliziert. Die deutsche Sprache lässt sich eben ganz schwer singen. Da muss man oft in die eine oder andere Richtung Kompromisse machen, was ich total blöd finde. Aber als ich anfing zu schreiben, habe ich gemerkt, dass die Reaktionen der wenigen Leute, denen ich meine deutschsprachigen Texte anfänglich gezeigt habe, sehr viel emotionaler und direkter waren. Ich habe einfach gespürt, dass die Leute viel offener reagieren, wenn sie die Texte auch sofort verstehen und nachvollziehen können. Sie zeigen eine viel schnellere Reaktion, und genau das hat mir gefallen und war der Grund dafür. Eigentlich höre ich sonst überhaupt keine deutschsprachige Musik, bis auf ganz wenige Sachen. Ich kenne mich auch gar nicht aus mit deutscher Musik. Das ist für mich ganz schwierig. Ich merke das auch erst jetzt, wo zum Beispiel jemand wie Du mit mir darüber spricht. Es kommen auch immer wieder Leute, die mir sagen, irgendwie hat mich das hieran und daran erinnert, oder hast du dieses und jenes aus Deutschland mal gehört? Da muss ich dann immer wieder klipp und klar sagen: "Nein." Weil ich nämlich gar nicht mit deutschsprachiger Musik sozialisiert bin, denn ich habe immer nur englischsprachige Musik bzw. Musik aus anderen Ländern gehört. Deswegen entdecke ich das alles gerade erst, finde das aber total spannend.

003 20180416 1949387546Texte und Musik sind also aus Deiner Feder. Woher nimmst Du die Ideen, und wie entsteht am Ende ein kompletter Song von Dir?
Die Ideen kommen mir tatsächlich oft in sehr unpassenden Situationen. Zum Beispiel beim Einschlafen, da rattert mein Hirn noch mal ordentlich. Dann aber auch, wenn ich unterwegs bin, oder gerade arbeite, oder irgendwo sitze und etwas beobachte. Es kommt sehr viel aus dem normalen Alltag. Manche Sätze schnappe ich irgendwo auf und finde die gut. Oder mir kommen Gedanken zu manchen Situationen, die halte ich dann fest. Ich habe immer ein Buch dabei, habe quasi meine eigene, kleine Bibliothek, wo ich solche Gedanken festhalte. Manchmal sind es auch nur Fragmente. Aber im richtigen Moment, nämlich dann, wenn ich eine Idee zu einem Song habe, krame ich diese Dinge wieder hervor und verbinde sie miteinander. Das ist ein Prozess, der ist sehr spannend, aber auch schwer zu beschreiben, weil da etwas passiert, was ich oft selber gar nicht mitkriege. Es ist zwar kein Rauschzustand, aber doch schon ein Zustand von Aufregung, Freude und Schaffenslust. Scheinbar passiert das alles zufällig, aber in Wirklichkeit ist es so, dass in meinem Hirn und in meinem Körper etwas gespeichert ist, was ich dann abrufen kann. So geht es mir bei den Texten, und die dazu gehörigen Melodien entstehen manchmal über den Text. Manchmal habe ich auch erst die Melodie im Kopf. Eigentlich habe ich immer einen Beat oder eine Melodie vorrätig, und manchmal ergibt sich dann daraus was, es springt praktisch ein Funke über.

Man könnte also sagen, Du fühlst und denkst musikalisch?
Ja genau. Allein schon durch meinen Job als Synchronsprecherin bin ich unheimlich fixiert auf Geräusche, auf Sounds, auf Musik. Ich nehme diesbezüglich unglaublich viel wahr, das kann halt jederzeit zuschlagen. Manchmal ist das richtig toll, ein anderes Mal kann das aber auch sehr anstrengend sein, denn ich höre tatsächlich sehr, sehr laut. Das bedeutet, ich habe ein sehr gutes Gehör, und deshalb können mich kleinste Geräusche total irritieren. Es hat also sowohl seine positiven als auch seine negativen Seiten. Wie das alles zusammenkommt, ist sehr unterschiedlich. Es gibt Texte und Songs, die entstehen gleichzeitig, und dann gibt es wieder Texte, die für sich entstehen, und es gibt auch Melodien, die für sich entstehen, und beides findet erst später zusammen. Ich bin eben nicht so ein kompletter Schreiber. Ich setze mich also nicht hin und sage: So, jetzt will ich einen Song schreiben, was fällt mir dazu ein? Sondern ich merke, jetzt habe ich eine Idee im Kopf, die muss ich festhalten. Das ist eher der Moment, in dem ein Song entsteht.

Beim Blick in Dein Booklet habe ich festgestellt, dass Du wohl jeden greifbaren Musiker mit ins Studio genommen hast. Du hast nicht nur eine Band, sondern ein komplettes Orchester aufgereiht. Wolltest Du damit vermeiden, dass ein Song klingt wie der nächste, oder was hast Du Dir dabei gedacht?
Das war eigentlich Glück im Unglück. Auf keinen Fall jedoch war es eine Notlösung, denn das würde zu negativ klingen. Es war so, dass ich viele Songs schon zu Hause ganz alleine vorproduziert hatte. Damit bin ich dann ins Studio zu Philipp Schwär, meinem Produzenten, gegangen und dort haben wir die Songs dann fertig gemacht. Wir haben im Home-Studio aufgenommen, was ein sehr schönes, großes Studio ist, aber eigentlich hatten wir kein Geld, um da aufzunehmen. In dem Raum, den Philipp damals besetzt hatte, konnten wir ein bisschen arbeiten, und ab und zu ein paar laute Sachen auch im großen Studio machen. Wir waren aber zeitlich immer sehr limitiert und wollten in der Kürze der Zeit bestimmte Sachen auch umsetzen. Natürlich hatten wir nicht die Kohle um zu sagen, wir stellen uns jetzt 2 Monate lang jeden Tag ins Studio, buchen eine Band oder suchen uns unsere Musiker zusammen. Und so sind all die Musiker, die mitgespielt haben, überwiegend Freunde und Bekannte von mir. Oder manchmal sind es auch nur lustige Glücksgriffe oder Gestalten, die zufällig gerade in dem Studio waren, vielleicht gerade an anderen Sachen gearbeitet hatten. Wir saßen eben da, haben an unseren Songs gebastelt und gesagt: Guck mal da, der Gitarrist von der anderen Band, der ist doch total nett, wir fragen den einfach mal, ob er schnell mal eine Gitarre für uns einspielen kann. Dann haben wir den also gefragt, und genau deshalb sind so viele Leute dabei. Das ist eine tolle Sache gewesen, weil die eben alle einfach so und ohne Gagen mitgemacht haben.

Und es sind keine Unbekannten. Immerhin war ein FRANZ PLASA dabei, das ist ja nicht der Schlechteste.
Genau, dem Franz gehört ja das Studio. Der hatte mir angeboten, dass ich erstmal dort arbeiten kann, so gut es geht. Wir konnten also teilweise seine Räumlichkeiten nutzen, und er hat zunächst auch kein Geld verlangt, sondern erst dann, als auch Geld floss für die Produktion, wollte er was haben. Das war für mich natürlich eine ganz tolle Möglichkeit zu arbeiten. Das ist absolut außergewöhnlich. Franz hat auch mal eine schöne Gitarre eingespielt, auch mal mitgesungen. Für mich war das alles ein persönliches Fest, diese ganzen Leute an Bord zu haben.

diekowlogik 20180416 1528830328Das Cover zu Deiner CD ist kunterbunt, insbesondere was die Einrichtungsgegenstände der dort abgelichteten Räumlichkeiten betrifft. Spiegelt das Cover Dein Leben wieder, oder was hat es damit auf sich?
Also ich glaube: ja. Vor allem mag ich daran, dass es dunkel ist, aber gleichzeitig ganz viele Sachen leuchten und funkeln. Das stellt wohl schon ein bisschen mein Leben dar. Ich habe jetzt nicht versucht, mein Leben zu inszenieren, aber ich wollte etwas machen, was sowohl die hellen als auch die dunklen Seiten zeigt. Außerdem sollte es ein bisschen den Titel mit aufgreifen und die Phantasiewelt mit in einen eigentlich normalen Raum bringen. Ich hoffe, das ist mir gelungen. Mir gefällt es auf jeden Fall.

Mia, wo möchtest Du mit Deinem Album hin? Mal abgesehen vom kommerziellen Erfolg, was und wen willst Du mit der CD erreichen?
Zuallererst natürlich Menschen, die Lust haben auf meine Texte, die sich darauf einlassen, die vielleicht persönliche Sachen darin wiederfinden, die Lust haben, vielleicht auch mal live dabei zu sein. Ich kann nur sagen, es gibt keine spezielle Zielgruppe. Ich weiß zum Beispiel nicht, wie alt die Leute sind, die meine Musik jetzt gut finden. Ich kann mir vorstellen, dass es vierzehnjährige gibt, die das total berührt. Aber genauso glaube ich, dass fünfzigjährige gibt, die etwas damit anfangen können. Darüber habe ich überhaupt nicht nachgedacht, für wen genau ist das nun, sondern ich habe in erster Linie die Musik gemacht, die mir selber gefallen hat, und die mich selber auch begeistern könnte. Genau das ist ja auch das Ziel, nämlich wenn man das jetzt im Radio hören würde, und dann sagt: Mensch toll, das könnte mir gefallen und mich weiter interessieren. Im Grunde genommen ist es also für Leute, die was entdecken möchten. Die möchte ich mit meinen Liedern ansprechen.

Interessant finde ich, dass Dein Album nicht irgendwo, sondern bei Sony, also einem großen Label erscheint. Wie hast Du Deinen Plattenvertrag bekommen? Bist Du noch ganz klassisch entdeckt worden, oder hast Du selber Plattenfirmen mit Demos angeschrieben?
Ich habe nicht den klassischen Weg genommen, bin also nicht entdeckt worden. Ich weiß auch gar nicht, ob sowas heutzutage überhaupt noch passiert. Ich habe mich tatsächlich bei Labels vorgestellt mit meinem Zeug. Sony war dann das Label, welches gesagt hat: Okay, das würden wir gerne machen, und wir lassen Dir auch Deine Freiheit. Genau das war für mich der Grund, mich mit Sony zu verbinden. Es gab schon noch Interesse von anderen Leuten, aber Sony hat nicht nur Lust und Interesse gezeigt, sondern die konnten mir auch ein bisschen Geld zur Verfügung stellen, um auch mal Videos zu machen, ein bisschen Werbung aufzubauen und all solche Dinge.

Du sagtest vorhin, das Album war bereits komplett vorproduziert, als Du Dich damit bei den Labels vorgestellt hast. Glaubst Du, dass das ein Vorteil war? Normalerweise geben die Plattenfirmen ja heutzutage kein Geld mehr aus für so etwas.
Nö, das stimmt nicht. Ich glaube, es gibt da zwei verschiedene Fälle. Es gibt ja im Grunde auch nur zwei verschiedene Arten von Verträgen, die man mit Plattenfirmen macht. Der eine ist ein Künstlerexklusiv-Vertrag, da wirst Du als Künstler geformt und bekommst Geld und alles Mögliche an Infrastruktur, um Dein Album zu machen. Oder es gibt, wie in meinem Fall, ein Produkt, das sie mögen, und einen Künstler, den sie mögen, und dann kaufen Sie das Produkt. Für mich war der zweite Weg der Allerbeste. Zumindest glaube ich das, weil ich so die Freiheit hatte, auch weiterhin das zu machen, was mir gefällt, ohne dass jetzt von außen Menschen mit irgendwelchen Verkaufsstrategien auf mich zukommen. Sicher hätte ich auch mit einem Künstlerexklusiv-Vertrag ein schönes Album machen können, aber da fängt es schon damit an, dass Du ja doch verschiedene Kompromisse machen musst. Vertraglich bist Du mehr oder weniger gefangen. Dann sitzt Du da drin und musst schon alle Seiten mithören und zufriedenstellen. Dieser andere Weg war für mich der bessere, auch wenn es ein wenig länger gedauert hat, weil wir eben kein Geld und kein Budget hatten. Aber ich konnte mir die Zeit nehmen zu gucken, was will ich eigentlich machen. Ich glaube, hätte ich mich zu einem früheren Zeitpunkt sofort mit einer Plattenfirma verbunden, wer weiß… Das ist natürlich alles nur Spekulation. Vielleicht wäre es alles noch viel besser geworden, aber eigentlich glaube ich, dass für mich nur alles schwerer zu tragen wäre. Man muss ja dann auch zu dem Zeug stehen, mit dem Zeug auf die Bühne wollen. Den Luxus habe ich jetzt eben, und das finde ich echt toll!

007 20180416 1699552048Stichpunkt "live". Wird es zum Album eine Tour geben?
Noch in diesem Jahr haben wir einzelne Dates. Es gibt auch eine ganz kleine Tour, und zwar im Oktober. Vom 10. bis zum 13.Oktober spielen wir in Köln, Berlin und Hamburg. Das nächste Jahr ist noch in Planung, aber wir werden sicher dann auch noch ein paar mehr Städte ansteuern. Nicht nur die großen Städte, sondern auch kleinere. Da macht es sicher noch viel mehr Spaß, denn die Kleinstädte sind noch nicht so überladen mit Musik, und da freut man sich noch richtig, wenn dort mal ein richtig schönes Konzert zu sehen ist. Da habe ich tierischen Bock drauf. In diesem Jahr ließ sich das leider nicht mehr organisieren, weil das terminlich alles unheimlich schwierig war, aber da wird mit Sicherheit noch einiges kommen.

Wir haben ja gerade über die vielen Musiker im Studio gesprochen. Hast Du eine feste Live-Band? Wenn ja, wer spielt da mit?
Es gibt so eine Art feste Live-Band, sozusagen meine Lieblingsbesetzung. Aber es gibt auch Leute, die substituieren, also die einspringen, wenn mal jemand nicht kann. Das ist ein Pool von Leuten, mit denen ich gut bekannt bin. Überwiegend sind das Freunde von mir. Im Moment spielt in meiner Besetzung an der Gitarre Olaf Niebuhr, an den Drums Marco Möller, am Bass Claudius Thölke. Der Keyboarder steht noch nicht ganz fest, da spielen wir zurzeit mit ein paar mehr Leuten. Ich habe auch noch eine Cellistin dabei, die ich große Klasse finde, und die heißt Nia Grant.

Die CD ist ja Dein Debütalbum, aber Du warst vorher auch nicht untätig. Nun habe ich von einer EP gelesen, die ich aber nirgendwo gefunden habe, und einige Konzerte soll es in den letzten Jahren ja auch schon gegeben haben. Wann hat das mit Mia Diekow und ihrer Musik eigentlich angefangen?
Oh, schwer zu sagen. Die Frage ist, wo fängt man da an zu zählen? Eigentlich ja mit dem, ersten Song, den ich produziert habe. Das wäre "Neben Dir" gewesen. Der ist jetzt nicht mit auf dem Album, sondern wurde schon auf der Single veröffentlicht. Übrigens auch ein sehr schöner Titel. Im Grunde genommen könnte man sagen, das war so die Geburtsstunde. Aber wenn man so an die Sache rangeht, hätte man ja immer wieder irgendwelche Geburtsstunden. Das nächste Mal wäre dann gewesen, als ich mit meinem Zeug auf die Bühne ging.

Weißt Du noch, wann und wo das war?
Ja, ich habe den Pop-Kurs in Hamburg gemacht, und da war MICHY REINCKE auf dem Abschlusskonzert. Der Michy hat eine Konzertreihe, die heißt "Lausch-Lounge", da spiele ich jetzt auch am 30. September wieder mit. Er hatte zwar nur einen Song von mir gesehen, aber er kam trotzdem zu mir und meinte: "Mia, ich finde Dich irgendwie Klasse. Wenn Du Lust hast, komm rum, in zwei Wochen haben wir ein Konzert in Hamburg. Sei ein Teil der Veranstaltung, wenn Du magst." Ich dachte mir: Okay, ich habe zwar erst drei eigene Songs, muss aber sechs Titel spielen, doch egal, ich mach es! Also habe ich innerhalb der nächsten Wochen noch fünf weitere Songs geschrieben. Ich bin dann irgendwie Hals über Kopf auf die Bühne gepurzelt, aber es war eine tolle Erfahrung. Wenn ich mir den Auftritt jetzt nochmal anschauen würde, würde ich wahrscheinlich vor Scham im Boden versinken, aber für den damaligen Moment war es phantastisch. Ich konnte zum ersten Mal sagen: Okay, ich stelle mir eine Band zusammen und schreibe ein paar Songs. Das war eine unglaubliche Motivation für mich. Von da an ging es eigentlich weiter. Dieser Auftritt hat wieder etwas anderes ergeben, und das ging dann so schneeballmäßig weiter. Zwar nicht sehr schnell, sondern eher Schritt für Schritt, aber am Anfang ist jedes Ding, was Du machst, eine kleine Geburt. Und mit dem Erscheinen des Albums wird die ganze Sache natürlich nochmals ans Licht gebracht.

Das finde ich übrigens sehr interessant, was Du da von der "Lausch-Lounge" erzählst. Darüber haben wir nämlich im letzten Jahr auch Anna Depenbusch für uns entdeckt. Man kann dort immer wieder ganz tolle Musiker finden, die Michy Reincke sich da auf die Bühne holt. Erstaunlich.
Ja, der Michy hat einfach einen guten Geschmack und das richtige Gespür dafür, Leute zu entdecken und zu finden, die gut in seine Veranstaltung passen. Er ist sehr aktiv, was die deutschsprachige Musikszene betrifft. Er ist halt ein Förderer, er hat Spaß daran, Leute zu unterstützen und zu präsentieren.004 20180416 1601795085 Ich finde, das machen die beiden Jungs, also er und HASKO WITTE, sein Partner, einfach Klasse, weil jungen Künstlern wie mir die Chance gegeben wird, sich mal auszuprobieren. Außerdem ist das noch eine kleinere Veranstaltung, da bist Du nicht sofort vor Hunderten von Leuten und musst Dich sofort beweisen, sondern Du darfst erst mal neugierig sein auf Dich selber und das, was Du machst. Das ist große Klasse.

Es gibt von Dir übrigens eine ganz phantastische Version von ULLA MEINEKEs "Die Tänzerin" als Liveversion. Nur mit Gitarre und Kontrabass. Das habe ich auf youtube entdeckt. Warum fehlt die Nummer auf der CD, die hätte doch eigentlich mit rauf gemusst.
Das war auch wieder so eine Sache, die sich eher zufällig ergeben hat. Da lud mich ein Freund ein, in seine Veranstaltung zu kommen. Die Auflage für mich war, ein Cover-Stück zu spielen. Da stand ich also nun mit meinen drei Songs auf Deutsch, die ich kenne. Ich habe überlegt, was kann ich nun machen, und da hat mir FRANZ PLASA vorgeschlagen: "Mensch, ich glaube, es gibt da einen Titel für Dich, der ist richtig Klasse. Der stammt von ULLA MEINEKE, hör Dir den mal an." Das tat ich auch, und ich sagte hinterher: "Ja, das ist es, der Song passt wie die Faust auf's Auge." Ich fand das Thema und den ganzen Song überhaupt richtig gut, und so haben wir ihn dann gespielt. Wir haben ihn jetzt aber nicht für das Album verwendet. Es gibt sogar noch ein weiteres Cover, nämlich eine Coverversion eines KEIMZEIT-Liedes. Das ist "Etwas höher nur der Mond". Der hat es leider auch nicht auf das Album geschafft. Vielleicht tauchen diese Nummern nochmal als B-Seite auf, oder sie werden anderswo ihren Platz finden.


Video "Die Tänzerin"


Ja, dringend! Gibt es denn Vorbilder oder Künstler, die Du sehr schätzt?
Es gibt tatsächlich Künstler, die ich sehr schätze, es sind sogar unfassbar viele (lacht). Ich habe halt einen sehr breiten Musikgeschmack. Ich war schon als Kind richtiger Musikfan, und die ersten Sachen, die mich begeistert haben... (überlegt) ...ich war zum Beispiel ein riesiger Fan von QUINCY JONES, von allem was er gemacht hat. Und natürlich Michael Jackson. Als Kind gab es dann noch eine weitere Jones für mich, nämlich RICKY LEE JONES. Die fand ich auch richtig cool. Über die Jahre habe ich dann immer mehr entdeckt. Da war auch noch PORTISHEAD, die waren für mich ungeheuer wichtig. Mit zehn Jahren hörte ich zum ersten Mal PORTISHEAD und bin aus allen Wolken gefallen. Das hat irgendwas in mir verändert, das war ein ganz besonderer Moment. Ich war verzaubert. Es war ja auch sehr düstere Musik, fast schon Filmmusik.010 20180416 1828950109 Als anfangspubertärer Teenie habe ich dann JONI MITCHELL für mich entdeckt und war von ihrer Musik wahnsinnig berührt, was übrigens bis heute anhält. Und aktuell gibt es natürlich auch Leute, die ich Klasse finde. Zum Beispiel bin ich ein großer Fan von FEIST, oder ich mag auch sehr, was FLORENCE & THE MACHINE machen. Das ist Popmusik, aber immer mit ganz viel Liebe zum Detail und zum Sound. Es gibt also über die Jahrzehnte hinweg so viel, was ich toll finde. Ich kann jetzt nicht sagen, dass ich ein Vorbild habe, dem ich nacheifere. Dazu gibt es einfach zu viele Dinge, die mich inspirieren, von A bis Z, von Pop bis…. Da gibt es beispielsweise eine Nummer aus dem Pop-Bereich, die ich total Klasse finde. Das Ding heißt "Clouds across the moon" von der RAH BAND. Das war so ein One Hit Wonder aus den Achtzigern. Das ist zwar unglaublicher Trash, aber der Song ist so genial… Auch das Video dazu ist echt trashig. Es ist ein total schöner Song über eine Frau, die ihren Mann auf dem Mars zu erreichen versucht. Sie spricht mit einem Operator, der auf so einem Mars-Cruiser unterwegs ist. Und sie ist schon seit Jahren allein zuhause und kann einfach nicht mehr. Sie sendet ihm Botschaften in den "Out of space"… es ist einfach ein richtig toller Song. Du siehst, ich höre nicht nur Songwriterkram, sondern es ist von A bis Z wirklich alles dabei.

Ja, dann empfehle ich Dir hiermit ausdrücklich, einen tieferen Blick in unser Musikmagazin zu werfen. Es ist fast ausschließlich deutsche Musik ...
Ja, das ist für mich genau das Richtige (lacht dabei).

Mia, ich bedanke mich ganz herzlich für das Gespräch. Möchtest Du abschließend noch ein paar Worte an unsere Leser richten?
Ich freue mich, dass Ihr ein so tolles Musikportal habt. Macht weiter so! Ich finde es super, wie Ihr Euch für diese Musik interessiert und was Ihr daraus macht. Und natürlich finde ich es Klasse, dass Du nicht erst versucht hast, fünfzig Begriffe für meine Musik zu finden, sondern erst mal geschaut hast, welchen Eindruck die Musik auf Dich macht. Das finde ich einen ganz tollen Ansatz, dem man selten begegnet, da die Leute doch viel lieber Schubladen verwenden.
 
 
Interview: Christian Reder
Übertragung: Torsten Meyer
Bearbeitung: cr, tormey
Fotos: Pressematerial SONY/BMG, Mia Diekow privat
 
 
 

   
   
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