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Interview vom 12. Mai 2023



Es sind besondere Stimmen von Sängerinnen, die es mir immer wieder antun. In den 80ern fing das mit Kate Bush an, die ich gern "Die Göttin" nenne. Tamara Danz, Julia Neigel und Anne Haigis muss ich da unbedingt auch noch mit erwähnen. Sie alle kriechen mir mit ihrem Instrument immer wieder tief unter die Haut und landen da, wo jeder Mensch besonders empfindlich ist: Im Herzen. Vor einiger Zeit entdeckte ich eine junge Frau aus Bayern namens Johanna Krins. Sie gehörte zum Ensemble des Projekts BANNKREIS, in dem neben ihr auch ein paar Herren der Gruppe SUBWAY TO SALLY spielten. Das fand ich schon interessant, besonders fiel gerade sie mir da ins Auge bzw. Ohr. Aber so richtig in die Mangel hat mich Frau Krins mit dem Clip zum Song "I Breathe" des neuen Projekts ARCTIC RELIEF genommen, das ich unlängst in einem sozialen Netzwerk entdeckte. Aber wirklich schwer zu ertragen war sie dann mit ihrem Gesang im Clip zur Live-Version des DELVA-Songs "Winterkind", bei dem sie sich außerdem noch Gänsehaut erzeugend selbst am Klavier begleitet. Da kann man schon mal in die Knie gehen und das flashte mich dann auch extrem. Es war der Moment in dem klar war, dass wir diese junge Frau bei uns näher vorstellen müssen und Euch unbedingt zeigen müssen, was wir für großartige Künstlerinnen im Lande haben. Nur am Rande sei erwähnt, dass Johanna seit der Geburt an einer Augenkrankheit leidet, die zunehmend schlimmer wird. Sie gilt deshalb als sehbehindert, was aber in keinster Weise Einfluss auf ihr Talent zu Singen hat, wohl aber auf das, bestimmte Dinge feinsinnig zu beobachten und in Texte zu verpacken. Vor ein paar Tagen hatte Christian die Gelegenheit, mit dieser großartigen Sängerin, Texterin und Musikerin zu plaudern ...






Im ersten Satz Deiner Biografie ist zu lesen, dass Du in eine Musikerfamilie reingeboren wurdest. Erzähl doch bitte mal Näheres darüber. Reden wir über Hausmusik oder richtige Profimusiker in Deinem familiären Umfeld?
Wir reden tatsächlich über Profimusiker. Mein Vater ist Geiger und meine Schwester hat sich diesen Beruf ebenfalls ausgesucht. Das erstreckt sich über diverse Zweige meines Stammbaums, also über verschiedene Onkel, Tanten, Cousins und Cousinen. Die sogenannte "alte Musik" ist in meiner Familie sehr präsent. Damit meine ich vor allem Renaissance und Barock, teilweise aber auch das Mittelalter, was im Laufe meiner Biografie eine gewisse Rolle einnimmt. Einer meiner Onkel gibt unter anderem Kurse für alte Musik, in denen sich z.B. Laienmusiker fortbilden und eine schöne Zeit haben können. Dazu werden Profis eingeladen, die diese Workshops leiten. Auf diesem Wege habe ich für mich u.a. die aus dem arabischen Raum stammende Rahmentrommel kennengelernt, die von tollen Perkussionisten vorgestellt wurde. Die Rahmentrommel wird auch viel in der heutigen Umsetzung der Mittelaltermusik eingesetzt. Mich packt vor allem der unglaublich erdende Sound dieses Instruments.


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Foto: Alexander Schlesier (Skulls-n-gears.com)



Im gleichen Satz ist zu lesen, dass Du im Chiemgau aufgewachsen bist. Ich habe einen hauchzarten Bezug zur Gemeinde Grainbach am Samerberg. Wo genau kommst Du her?
Aus dem Landkreis Traunstein, was etwa eine halbe Stunde vom Chiemsee entfernt liegt. Das ist eine wunderschöne Gegend und ich bin sehr dankbar, dort aufgewachsen zu sein, weil mir das eine große Naturverbundenheit mitgegeben hat. Dadurch sind auch heute noch Wald und Wasser meine Orte der Wahl um abzuschalten.

Wie sahen denn Deine Kindheit und Jugend dort aus? Konntest Du der sogenannten Volksmusik damals erfolgreich aus dem Weg gehen oder gab es da auch die eine oder andere Kollision?
(lacht) Zunächst bekommt man natürlich den Musikgeschmack der Eltern aufs Auge gedrückt, bevor man das dann später hinterfragt. Aber meine Eltern wussten, dass es durchaus gute Volksmusik gibt. Zum Beispiel ist die echte Volksmusik aus den Bergen Bayerns wunderschön. Was allerdings heute daraus gemacht wird, hat mit deren Ursprung nichts mehr zu tun. Aber Du wolltest wissen, ob und wie ich dem aus dem Weg gehen konnte. Ja, es gab schon die eine oder andere Kapelle, die hinter unserem Gartenhaus immer dieselben Lieder geübt hat, und das seit gefühlten zwanzig Jahren, aber ich selber musste nie irgendwelche Volksmusik machen. Das war auch in der Schule zu keiner Zeit Pflichtprogramm oder so.

Wann hast Du denn angefangen Musik zu machen bzw. den Gesang für Dich als Ausdrucksform zu nutzen?
Meine Schwester behauptet, ich hätte schon immer gesungen. Eigentlich war es dann der klassische Weg mit Schulchor, Schulband und erstem Gesangsunterricht. Anfangs ging dieser Unterricht eher in Richtung Pop. Später schnupperte ich dann auch etwas in Jazz und Klassik hinein. Diese verschiedenen Unterrichtsformen waren für mich sehr lehr- und hilfreich und ich konnte daraus eine Menge mitnehmen. In der Schulband entdeckte ich vor allem die härtere Musik für mich, nicht zuletzt deshalb, weil die Jungs mir das näher brachten. Wir reden hier von RAMMSTEIN und solchen Sachen. Dadurch rutschte ich zwangsläufig in die härtere Musik und die schwarze Szene rein, diese Richtung berührte mich sehr.

Wie ich gesehen habe, spielst Du auch einige Instrumente. Welche sind das?
Vor allem interessieren und bewegen mich die verschiedenen Percussions und die Whistles aus Irland. Was aber wohl kaum einer weiß: mein Lieblingsinstrument ist das Schlagzeug. Das spiele ich aber nicht aktiv in einer Band, sondern mehr für mich selber. Als kleines Mädchen habe ich für den Schlagzeugunterricht mein geliebtes Reiten aufgegeben. Ich hatte halt nicht unbegrenzt Zeit, weshalb ich mich für eine Sache entscheiden musste.





Mich hat vor allem ein Clip beeindruckt, wo Du Klavier spielst. Das ist scheinbar auch ein Instrument, welches Du gut beherrschst.
Na ja, ob es gut ist, liegt immer im Auge des Betrachters. Ich benutze das Klavier hauptsächlich für das Songwriting, aber auch als Klangfarbe für meine Projekte. Auch merke ich immer wieder, dass eine Stimme mit einem guten Text, untermalt durch einige Harmonien, vollkommen ausreicht. Ich will damit sagen, man braucht nicht immer das große Besteck, sondern ein paar Akkorde am Klavier, verbunden mit einem schönen und ehrlichen Gesang, tun es auch. Das berührt die Menschen. Viele Musiker haben ja auch so begonnen, dass sie nur mit Klavier oder Gitarre andere Bands supportet haben, ehe sie irgendwann dann eine eigene Band hatten.

Was waren denn die ersten großen Erlebnisse, die Du als Musikerin hattest? Vor Deinem ersten Preis beim Bundeswettbewerb "Jugend musiziert" soll es ja bereits einige Erlebnisse auf der Bühne und sogar im Studio gegeben haben.
Vor dem Bundeswettbewerb "Jugend musiziert" gibt es ja noch zwei andere Runden, wo man sich erst auf regionaler, dann auf Landesebene qualifizieren muss. Als ich jeweils eine Runde weiterkam, wurde natürlich auch in der Lokalpresse darüber berichtet. Dadurch wurden einige Leute auf mich aufmerksam. Das hat aber alles nicht viel gebracht, daraus ist keine Band entstanden. Es kristallisierte sich dann nach und nach heraus, dass ich gerne selber Lieder schreiben und mir etwas Eigenes aufbauen möchte.

Welche Bands und Künstler hast Du denn als Teenager gehört? Du hattest ja RAMMSTEIN schon kurz erwähnt. Gab es darunter auch Vorbilder, denen Du nacheifern wolltest?
Als die deutschsprachige Popmusik seinerzeit noch relativ rockig war, habe ich tatsächlich viel Pop gehört. Zum Beispiel SILBERMOND, die ja auch leicht melancholisch angehaucht waren. Ich fand damals auch TOKIO HOTEL gut, weil die sich in keine Schublade stecken ließen. Die machten ihr Ding, ich fand ihren Style gut. Das waren meine Anfänge, ehe ich dann so langsam auf härtere Musik umgestiegen bin. Ich rede hier nicht von Death Metal oder so was, aber irgendwann hielten die E-Gitarren bei mir verstärkt Einzug. In den frühen 2000er Jahren gab es dann diese Emo-Kultur, die mich sehr ansprach. Vielleicht, weil ich oft allein war und wegen meiner Behinderung sehr oft Außenseiter war. Das war meine Art der Rebellion und andererseits ein Unterstreichen meines Andersseins. Allerdings sollte das nicht lebensverneinend wirken, denn ich lebe sehr gerne. Später ging das über in die Gothic-Richtung, von der ich mich sehr stark abgeholt fühlte.

Ich erwähnte ja eben diese "Jugend musiziert"-Geschichte. Wie kamst Du dahin und hattest Du tief in Dir die Hoffnung, da vielleicht sogar gewinnen zu können?
Die Teilnahme an "Jugend musiziert" ist eine tolle Art, sich mit anderen zu messen, ohne dass es dabei einen Gewinner gibt. Es gibt nämlich nicht den einen ersten Platz, sondern jeder erhält für seine Leistung Punkte. Mein Vater schickt auch immer wieder junge Leute dorthin. Mal Kammermusik-Ensembles, mal einzelne Instrumentalisten. Irgendwann wurde auch die Pop-Sparte in dem Wettbewerb zugelassen und das gab für mich den Ausschlag, daran teilzunehmen. Ich stand damals schon gerne auf der Bühne und träumte sicher davon, das auch mal vor vielen Leuten zu machen. Ob ich mir da bereits vorstellte, das mal als Beruf zu machen, kann ich heute nicht mehr sagen.


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Foto: Jana Vollmer



Zwischen "Jugend musiziert" und dem gleich noch näher zu besprechenden Projekt DELVA lag noch eine ganze Weile. Wie ging es zunächst mit Dir weiter?
Ich glaube, ich habe mich erst einmal eine ganze Zeit lang in kleineren regionalen Projekten ausprobiert. Ich schrieb aber schon eigene Songs, habe viel gesungen, war aber auch viel auf Punk- und Rockkonzerten anderer Künstler. Leider hatte ich noch keine Leute um mich herum, mit denen ich meine selbstgeschriebenen Lieder umsetzen konnte. Das begann erst bei DELVA. Da konnte ich die Songs Stück für Stück ausarbeiten und auf die Bühne bringen. Während der Anfänge von DELVA habe ich an einer Hochschule auch mal für Jazz vorgesungen. Ich wollte nämlich Jazzgesang studieren, denn ich wusste nicht, dass man auch Rock-/Popgesang studieren konnte. Ich wurde jedenfalls nicht genommen, weil die gemerkt haben, dass ich nicht mit Haut und Haar dahinterstehe, und dass mein Herz nicht daran hängt. Als ich dann später für ein Studium in Popgesang vorgesungen habe, habe ich zwar alle Aufnahmeprüfungen bestanden, bekam aber an keiner der Hochschulen einen Studienplatz, also studierte ich kurzentschlossen Germanistik.

Habe ich das richtig verstanden, dass DELVA das erste richtige Bandprojekt war, wo Du mitgewirkt hast?
Das stimmt.

Du hast als Teenager begonnen, eigene Texte zu schreiben. Was hast du sonst zwischen den Wettbewerben und der Gründung von DELVA gemacht?
Vor allem habe ich mich auf meinen Schulabschluss konzentriert, der mich viel Kraft kostete. Ich war nicht an einer Schule, die speziell auf sehbehinderte Menschen ausgerichtet war, sondern ich ging auf eine "normale" Privatschule. Da musste ich mich ziemlich durchbeißen, vor allem auf sozialer Ebene.

Die Musik von DELVA ist im Mittelalter-Folk angesiedelt und die Texte sind oft in einer alten Sprachform verfasst. Wie kommt ein junger Mensch zu einer solchen Ausdrucksform in Text und Musik?
Ich würde diese Musik nicht unbedingt im Mittelalter verorten…

Das stimmt, ich meine ja auch eher, dass es Anleihen vom Mittelalter-Rock gibt.
Es ging damit los, dass ich vor DELVA sehr viele Konzerte als Zuschauer besucht habe und auf diesem Wege auch SUBWAY TO SALLY für mich entdeckt habe. Fasziniert hat mich daran vor allem dieser Mix aus "Alter Musik" und Metal. Als ich SUBWAY TO SALLY kennenlernte, habe ich Eric Fish, dem Sänger der Band, einige Aufnahmen geschickt, weil er mich, auch als Solokünstler, sehr berührte. Eric lud mich als Support für sein Soloprojekt ein. Nun hatte ich erwähnt, dass ich zwar eigene Songideen hatte, aber noch keine eigene Band dazu. Also gründete ich mit Schwester und Schwager DELVA, was uns so viel Spaß machte, dass wir DELVA immer weiter am Leben hielten. Zu Deiner Bemerkung in Richtung altertümlicher Sprache muss ich Dir etwas widersprechen, denn das stimmt so nicht ganz. Es ist sehr lyrisch und vielleicht ein bisschen hochgestochen, weil das eben meine Art ist zu schreiben, aber altertümlich würde ich das nicht nennen. Es ist sehr metaphorisch, was für mich eine Art letzter Filter, letzter Schutz ist, um ein bisschen die Privatsphäre zu schützen. Rapper zum Beispiel singen immer sehr direkt über ihre Beziehungen und ihr Leben. Und natürlich möchte ich auch, dass die Leute mir in die Seele schauen, sonst würde ich keine Musik machen. Aber die letzte kleine Tür möchte ich verschlossen halten, denn ich möchte auch, dass die Leute noch selber etwas in meine Geschichten hineininterpretieren können. Deshalb bevorzuge ich den Begriff metaphorisch gegenüber dem von Dir verwendeten Wort altertümlich.

Das war eigentlich auch das, was ich damit sagen wollte, denn es ist eine Sprache, die die jungen Leute so nicht mehr verwenden. Wenn Du gerade Rap ansprichst, so ist das ein ganz klares Beispiel dafür, dass die Rapper mittlerweile ihre ganz eigene Sprache pflegen.
Wobei die Sprache der Rapper keine schlechte ist. Ich finde einige Rapper ziemlich gut, aber ich könnte selber so nicht singen. Texte in diese Richtung schreiben, ja, das könnte ich. Aber selber singen - nein, das ist mir zu nah, zu persönlich.





Woher gewinnst Du denn die Ideen für die Inhalte Deiner Lieder? Zum Beispiel die Beschreibung eines Winters in "Winterkind", das dürfte jedem klar sein. Aber woher kommen die Inhalte in Liedern wie "Friedhof der Bücher", "Gelobtes Land" oder "Einen Sommer lang"?
Du hast ganz richtig gesagt, dass "Winterkind" eigentlich klar verständlich ist. Der Winter steht für mich für eine Art Reset, Dinge zu verarbeiten, loszulassen und dann neu zu beginnen. Der Winter ist bei mir auch immer eine Metapher für etwas Wertvolles, Unverstandenes. Die Leute pauschalieren gerne: Winter = kalt, aber in Wirklichkeit hat er für mich ganz viel Poesie und Romantik. "Friedhof der Bücher" ist die Behandlung eines ganz tollen Romans, und zwar geht es um "Der Schatten des Windes" von Carlos Ruiz Zafón. Das Buch ist wundervoll geschrieben und die Geschichte ist sehr geheimnisvoll. Die Aussage hinter meinem Text soll sein, dass man zwar seine eigene Geschichte zu Ende schreibt, aber man kann nicht so wirklich sagen, was nimmt worauf Einfluss, weil alles miteinander verwoben zu sein scheint. Die Inspiration zum Song "Gelobtes Land" habe ich ebenfalls über ein Buch gefunden. Ich habe eine Arbeitskollegin, die Buchautorin ist. Sie hat eine Trilogie geschrieben mit dem Namen "Gelobtes Land". Darin geht es um die Dystopie, dass die Polkappen ohne Vorwarnung abbrechen und somit der Klimawandel nicht ganz langsam, sondern urplötzlich eintritt. Das Ganze ist etwas kompliziert und ich will meine Gedanken dazu hier auch nicht so ausdehnen. Vielleicht nur zusammengefasst, dass alles, was gerade Schlimmes um uns herum passiert, so ein Karma-Ding sein könnte. Und vielleicht sollten wir uns nicht leichtfertig Fortschritt und alle möglichen Veränderungen wünschen, weil es gerade auf eine schlimme Art und Weise auf uns zurückfällt, was wir mit der Welt machen.

Und ich hatte auch noch "Einen Sommer lang" erwähnt. Den Song singst Du übrigens mit Eric Fish zusammen.
Richtig, und das nicht ohne Grund. Mit den Federn für den Text kann ich mich hier leider nicht schmücken, denn den hat der wunderbare Asp geschrieben, den man ja eher unter dem Bandnamen ASP kennt. Er ist mittlerweile ein Freund und jemand, der mich wahnsinnig inspiriert und lyrisch wie auch musikalisch ein Vorbild für mich ist. Er hat mich öfter mental etwas auffangen können, als es musikalisch phasenweise schwierig war, weil er natürlich über enorm viel Erfahrung verfügt. Ich konnte ihm viele meiner Sorgen anvertrauen. Asp hörte sich das alles an und schrieb dann für DELVA den Text zu "Einen Sommer lang", wo es genau um diese Erfahrungen geht. Um einen Sommer, der in den Herzen der Beteiligten viel länger Bestand hat, der aber tatsächlich nur einen Sommer lang sein durfte. Der Song handelt also von solchen Zeiten, die man real nicht festhalten kann, aber die man sehr wohl im Herzen behalten kann, weil sie einem total viel bedeuten.

Das war ja praktisch eine Art Gegenbesuch, denn Du hast bereits 2016 auf dem Soloalbum "Mahlstrom" von Eric Fish mitgewirkt. Das entstand wahrscheinlich daraus, dass Du ihm Texte zugeschickt hattest, richtig?
Nein, ich habe ihm damals, als wir uns kennenlernten, eine Gesangsaufnahme von mir geschickt. Wir hielten den Kontakt in der Folge auch immer aufrecht. Und lange, bevor wir BANNKREIS gründeten, haben wir schon zusammen Musik gemacht. Wir haben ganz viele Ideen gesponnen und überlegt, was wir gemeinsam machen könnten, da unsere beiden Stimmen zwar ganz unterschiedlich sind, aber trotzdem super zusammenpassen und genau diese Magie erzeugen, die man aus dem Irish Folk kennt. Deshalb wollten wir unbedingt zusammenarbeiten, was dann unter anderem 2016 auf Erics Soloalbum auch passierte. Und später setzte sich das bei BANNKREIS fort.

Das Thema BANNKREIS ist wirklich ein sehr spannendes, denn da treffen zwei Welten aufeinander. Zum einen ist da diese Band SUBWAY TO SALLY, die ja für Dich ein großes Vorbild war und durch die Du erst in diese Szene reingerutscht bist. Und zum anderen Du als junge Künstlerin. Erzähl doch mal, wie kam es dazu, dass 2017 BANNKREIS entstand.
Wie ich eben schon erzählt habe, habe ich mit Eric viel zusammen gemacht, Lieder geschrieben und aufgenommen. Eric lief dann los und zeigte die Ergebnisse ein paar Leuten. Der jetzige Kultursenator von Berlin, Joe Chialo, ist der Managing Director von Airforce 1 Records gewesen, einem Sub-Label von Universal Music. Joe erkannte die Magie unserer beiden Stimmen und wollte mit uns gerne etwas aufziehen. Da stellten sich plötzlich einige Fragen, zum Beispiel, wer uns begleitet, wer unsere Liveband sein wird, wer am Songwriting beteiligt sein soll, usw. Wir entschieden uns dann kurzerhand, einige Leute von SUBWAY TO SALLY dazu zu holen, weil alle wussten, das ist ein eingespieltes und funktionierendes Konstrukt mit tollen, kreativen Köpfen. Ob SUBWAY TO SALLY nun unbedingt mein Vorbild waren… Ich würde sagen, sie haben mich mit ihrer ungewöhnlichen Musik einfach berührt.


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Foto: Alexander Schlesier (Skulls-n-gears.com)



Bei BANNKREIS standen schließlich ganz viele Köche am Herd. Ich will sagen, das Album wurde von vielen verschiedenen Leuten komponiert und getextet. Von Dir stammen zwei Texte, richtig?
Ja, ich habe an zwei Texten mitgeschrieben.

Wie kann man sich das Entstehen dieses Albums mit der Beteiligung einer solchen Vielzahl an Künstlern vorstellen? Wurden die Songs gemeinsam im Studio erarbeitet oder entstanden sie an verschiedenen Orten und zu verschiedenen Zeiten?
Beides. Es gab Situationen, wo ich z.B. zu Simon Michael gefahren bin und mit ihm zusammen eine Idee ausgearbeitet habe, welche dann von Ingo Hampf weiterverarbeitet und perfektioniert wurde. Es gab aber auch Songwriting-Camps zusammen mit Elephant Music. Das ist eine Produktionsfirma, in deren Studios schon viele Künstler aufgenommen haben und wo auch bereits einige sehr erfolgreiche Songs entstanden sind. Die arbeiten schon sehr lange mit Joe Chialo zusammen, woraus die Idee geboren wurde, sowohl ein paar Songs im erweiterten SUBWAY TO SALLY-Kosmos zu schreiben, als auch ein paar Nummern mit Elephant Music zu machen.

Das Album "Sakrament" war fünf Wochen in den Albumcharts und schaffte es immerhin bis auf Platz 20. Wart Ihr damit zufrieden und gab es Feedback von den Fans?
Man muss sagen, dass diese Platzierung für eine Newcomer-Band sehr gut war. Wir sind auch nicht, wie später von ein paar Klugscheißern behauptet wurde, als Band gescheitert, weil diese Musik niemanden interessiert hätte. Aber es zündete tatsächlich nicht so schnell, wie wir uns das teilweise erhofft hatten. Unser Wunschdenken ging dahin, dass der Mix aus Fernsehshows und der SUBWAY TO SALLY-Fanbase dazu führen würde, dass wir schnell erfolgreich sein werden. Beides hat sich auf jeden Fall ein bisschen erfüllt, denn wir konnten durchaus SUBWAY TO SALLY-Fans abholen. Bestimmt horchten auch einige Fernsehzuschauer auf, die solche Musik bis dahin überhaupt nicht kannten. Aber es reichte einfach nicht, um schnell große Säle zu füllen. Dadurch ist das Ganze leider auseinandergebrochen. Es lag übrigens nicht am Label, die uns fallengelassen hätten. Im Gegenteil, Joe hätte mit uns weitergearbeitet. Vielmehr waren wir als Band - jeder für sich - einfach an zu unterschiedlichen Punkten im Leben, sodass wir uns nicht einigen konnten, wie wir als Band diesen etwas holprigen Start ausgleichen könnten. Man muss eben doch etwas mehr Zeit in so ein Projekt investieren, auch wenn man große Partner am Start hat, man dank der Bekanntheit von SUBWAY TO SALLY in Wacken oder auf dem Summer Breeze Open Air gespielt hat, und man dank des Labels in Fernsehshows untergekommen ist. Trotz all dieser Hilfen muss man sich genügend Zeit nehmen, so etwas aufzubauen und vielleicht erstmal ein paar Jahre durch die Lande fahren und Erfahrungen sammeln. Genau das war der Knackpunkt, da die Jungs von SUBWAY TO SALLY das alles schon mal durchgemacht hatten und jetzt nicht den Atem hatten, das erneut mitzumachen. Ich hätte es gerne durchgezogen, weil ich noch jünger bin, aber ich hatte dafür vor anderen Dingen Angst. Zum Beispiel fürchtete ich mich davor, als Musikerin mit Behinderung verheizt zu werden bzw. die Kontrolle zu verlieren. Heute würde ich mit vielem vielleicht entspannter umgehen. Du siehst, es lag am Ende an vielen verschiedenen Dingen, dass BANNKREIS aufgegeben wurde, was sehr schade war und ist, denn wir hatten tolle Songs und kamen auch an bei den Leuten.

Bleiben wir kurz bei der Musik. Würdest Du mich mit Einrichtungsgegenständen bewerfen, wenn ich sage, die Musik, die Ihr mit BANNKREIS gemacht habt, war massentauglicher Folk-Rock, um auch beim Mainstream anzukommen, so wie das beispielsweise SANTIANO machen?
(lacht) Nein, warum sollte ich Dich dafür mit Gegenständen bewerfen? "Massentauglich" ist ja kein Schimpfwort, sondern das ist alles Geschmackssache. Die schwarze Szene nimmt sich immer das Recht heraus, jemanden zu beschimpfen, wenn er mainstreamig erfolgreich ist. Die Jungs von LORD OF THE LOST, die durch den ESC gerade mächtig im Rampenlicht stehen, haben dafür eine gute Erklärung abgegeben: kommerziell Erfolg zu haben bedeutet nichts anderes, als dass man mit seiner Musik, also mit dem was man liebt, auch Geld verdienen kann. Zumal man auch erst dann wirklich professionell arbeiten kann, denn das alles kostet nicht nur viel Zeit, sondern auch unglaublich viel Geld. Deshalb ist das in meinen Augen auch überhaupt nicht verwerflich.





Das ist natürlich richtig. Aber wir nehmen mal das Beispiel UNHEILIG. In seiner Anfangszeit hat der Graf ja richtig gute Musik gemacht, nach hinten heraus ging er dann aber dazu über, Musik nach dem Massengeschmack zu machen. Das war nicht mehr die Musik von früher, die er aus Überzeugung gemacht hat, sondern es war Musik von der Stange. Und genau in diese Gefahr begibt man sich als Musiker, wenn man versucht, irgendwo den Fuß in die Tür zu kriegen, um die Masse zu erreichen. Damit verwässert man in der Regel seine eigene Idee von Musik, die man mal hatte. Stimmst Du mir zu?
Ja, die Gefahr besteht, aber das kommt letztlich immer auf den Künstler selbst an. Und wer entscheidet, was "richtig gute Musik" ist? Es gibt ja genügend Musiker, die massentaugliche Musik am Fließband machen, die dann aber auch vollkommen dazu stehen und dann funktioniert das auch. Versuchst Du aber, die Massen abzugreifen und verwässerst aber damit die Musik, die du eigentlich machen möchtest, um bei Deinen Worten zu bleiben, dann geht das schief. Du kannst nicht einfach sagen: So, ab jetzt drücke ich diesen und jenen Knopf und dann funktioniert das schon irgendwie. Kann sein, dass Du dadurch plötzlich einen Song, der viele Klicks generiert, schreibst, aber der wird trotzdem niemals in die Musikgeschichte eingehen. Zu Zeiten der BEATLES war es in gewisser Weise noch einfacher, besondere Songs zu schreiben, denn damals gab es noch nicht so viele Bands und die BEATLES waren Pioniere. Und trotzdem konnten auch vor fünfzig, sechzig Jahren die Bands nicht einfach Songs nach Schema F schreiben, sondern sie mussten hinter dem stehen, was sie abliefern. Bei BANNKREIS war es so, dass es durchaus beabsichtigt war, diese dunkle, mit Mittelalter-Elementen durchzogene Musik mit Pop zu verknüpfen. Wir haben uns damit also nicht verraten und haben auch keine Musik gemacht, die wir selber nicht gut fanden, nur um damit groß herauszukommen, sondern es war ein gewollter Stil und wir haben zu dieser Art Musik gestanden.

Ihr habt mit BANNKREIS auch Konzerte gespielt. Wie seid Ihr denn live beim Publikum angekommen, was habt Ihr erlebt? Und wie habt Ihr den Sound auf der Bühne umgesetzt?
Die Musik selber kam gut an bei den Menschen, auf Tour waren wir damit aber leider nicht. Wie gesagt, hatten wir im Vorfeld große Hallen gebucht, die wir aber in der Kürze der Zeit leider nicht vollkriegen konnten, weil wir unseren Bekanntheitsgrad einfach nicht schnell genug steigern konnten. Immerhin waren wir aber auf Festivals unterwegs und kamen da immer großartig an, denn die Stimmen von Eric und mir im Einklang waren eben was Besonderes. Dazu kamen unsere tollen Begleitmusiker und die Gäste, die wir bei unseren Auftritten auf die Bühnen holten, wodurch sich die Livepräsentationen der Songs nochmals von den Studioaufnahmen unterschieden. So hatten wir z.B. einen großartigen Cellisten dabei, der auch noch trommelte, oder einen herausragenden Drehleierspieler. Vor allem schafften wir es dadurch, die magische Zahl "7" auf die Bühne zu kriegen. Es war ein sehr feiner und abwechslungsreicher Klangteppich. Ich hatte jedenfalls sehr viel Spaß in dieser Zeit. Deshalb kann ich immer nur wiederholen, dass BANNKREIS nicht an mangelnder Resonanz gescheitert ist, sondern dass wir einfach noch etwas mehr Zeit gebraucht hätten.

Wenn man Dir beim Reden zuhört, merkt man, Du bist mit dem Herzen immer noch voll dabei. Welche Erlebnisse hattest Du denn in dieser Zeit mit den Kollegen und der Band? Gibt es sogar welche, die unvergessen bleiben?
Ein schönes Erlebnis war zum Beispiel, als wir uns gegründet haben und das auch offiziell besiegelten. Dafür suchten wir uns den 7.7.2017 aus, also ein magisches Datum. Dafür liehen wir uns ein Boot aus und sind mit Joe Chialo auf den Berliner Wasserstraßen umhergefahren. Das Ganze war zugegebenermaßen echt kitschig; wir sind bei richtig romantischem Mondschein auf dem Wasser gewesen, aber das passte wirklich perfekt zu uns und war ein toller Anlass, unser Projekt einzuläuten. Unvergessen bleiben auch die großen Festivals, auf denen wir spielen durften, denn da kommt man als Newcomer normalerweise nicht so schnell hin. Auch die Fernsehshows, in die wir eingeladen wurden, bleiben im Gedächtnis. Nicht bei allen habe ich mich wohlgefühlt, aber ein paar waren dann doch sehr schön. Das "Osterfeuer" vom MDR war zum Beispiel eine solche Sendung. Dort durften wir komplett live spielen, anstatt Playback. Und natürlich darf man unsere Studiosessions nicht unerwähnt lassen, das waren jedes Mal besondere Momente. Selbst heute kriege ich noch Gänsehaut, wenn ich an manche Dinge aus dieser Zeit zurückdenke, denn BANNKREIS war ein Herzensprojekt und ist ein Teil von mir.


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Foto: Alexander Schlesier (Skulls-n-gears.com)



Nun erinnere ich mich an Euern Auftritt im "ZDF-Fernsehgarten". Ich muss ehrlich sagen, auf mich wirkte das, als gehörte das da nicht hin…
Es kann sein, dass ich mich jetzt in die Nesseln setze, aber teilweise fanden wir das durchaus gut, denn wir stachen ja aus dem restlichen Programm deutlich heraus. Wir waren die "abgehobenen Schwarzen", die auf dieser blauen Bühne standen und da irgendwie fehl am Platze waren. Vielleicht hätte man das Ganze völlig anders inszenieren müssen. Aber das ist immer ein sehr schmaler Grat und vielleicht trauten wir uns nicht, uns weiter aus dem Fenster zu lehnen. Im Nachhinein schwer zu sagen, warum sich nicht genügend Menschen dadurch angesprochen gefühlt haben.

Es lag auf keinen Fall an Euch. Ihr hattet ein super Outfit, saht gut aus, vor allem Eric mit seiner Weste, Ihr hattet Eure tollen Instrumente dabei. Und dann steht Ihr da in diesem Bubblegum- und Zuckerwatte-Ambiente dieser Sendung… Aua, aua…
Wenn man sich dafür entscheidet, an einer solchen Show teilzunehmen, sollte zumindest die Anmoderation passen. Wir wurden leider öfter nicht wirklich ernsthaft anmoderiert, sondern unser Stil wurde eher etwas ins Lächerliche gezogen. Dass aber wiederum für Menschen aus der Subkultur dieses "Zuckerwattevölkchen" das seltsamere ist, auf den Gedanken kommt dabei keiner. Es sollten einfach beide Seiten gleichwertig dargestellt werden. Mittlerweile kommen ja auch immer mehr Rock- und sogar Metalbands in den "Fernsehgarten", es wird also inzwischen ziemlich bunt vom Angebot her und es nähert sich alles immer mehr an, aber leider werden solche Acts immer noch nicht gleichwertig und mit der gebotenen Ernsthaftigkeit angekündigt. Stattdessen wird man als eine Art Exot dargestellt. Manch einer mag das genießen, aber für die, die das nicht so mögen, ist es schwer, vom Publikum ernstgenommen zu werden und langfristig neue Zuhörer zu generieren.

Du hast gerade klar gemacht, dass die Geschichte mit BANNKREIS beendet ist.
So ist es. Das wird es auch nicht wieder geben. Aber ich bin mit einigen Leuten in Kontakt geblieben, bei denen ich das Gefühl habe, dass man auf Augenhöhe miteinander umgeht. Ich mache immer mal wieder mit Eric Musik. Und, das darf ich an dieser Stelle schon mal ankündigen, Ingo Hampf (Anm. der Redaktion: Gitarrist bei SUBWAY TO SALLY und Komponist von BANNKREIS) wird der Produzent der Songs meines neuen Metal-Projekts sein, darüber freue ich mich besonders. Es ist nämlich so, dass bei all meinen bisherigen Projekten die E-Gitarre immer ein bisschen zu kurz kam. Ich liebe diese Energie von Rockmusik auf der Bühne und habe mir deshalb vorgenommen: wenn die eine Tür zugeht, geht dafür eine andere Tür auf. Und so nehme ich mir jetzt die Zeit für mein neues Projekt, welches demzufolge deutlich gitarrenlastiger wird. Noch sind wir dabei, unseren Sound zu finden, aber wir sind auf einem guten Weg. Das Projekt trägt den Arbeitstitel ARCTIC RELIEF. Aber weil ich weiß, dass ich mich mit deutschen Songtexten irgendwie unmaskierter fühle, muss ich noch sehen, ob es bei einem englischen Titel bleibt.

Noch eine kleine Rückfrage zu DELVA. Ihr habt 2019 ein Album gemacht, also ein Jahr nach dem BANNKREIS-Album. Konntet Ihr das DELVA-Produkt erst mit dem Rückenwind von BANNKREIS herausbringen oder hatte die Plattenfirma schon vorher Interesse, mit DELVA etwas zu machen?
Nein, das hatte mit BANNKREIS wenig zu tun. Natürlich hatte die Plattenfirma BANNKREIS auf dem Schirm und vielleicht auch die Hoffnung, dass das DELVA helfen könnte. Das Album möglich gemacht hat aber unsere tolle Fan-Community, die das Crowdfunding für die Platte gestemmt hat. Das finde ich gerade auch wieder so toll bei LORD OF THE LOST, dass sie ihre immer größer werdende Bekanntheit dazu nutzen, wieder und wieder zu betonen, dass Musiker ohne ihre Fans nichts wären. Das klingt immer extrem kitschig, es ist aber so.





Wir kommen jetzt zu ARCTIC RELIEF, was Du ja gerade schon angesprochen hast. Ich neige in Interviews immer gerne dazu, solche in dieser Zeit stattfindenden Bandgründungen als Pandemie-Produkt zu bezeichnen. Aber in Eurem Fall vermute ich mal, dass Ihr Euch schon längere Zeit Gedanken darüber gemacht habt, Deinen Wunsch nach einer härteren Gangart in die Tat umzusetzen. Wie kam es letztlich dazu, dass Du gerade jetzt Deinen Traum erfüllst, mit ARCTIC RELIEF auch mal gegen die Lärmschutzordnung zu verstoßen?
(lacht) Vielleicht ist es einfach notwendig, dass man mehrere Versuche starten muss, ehe man endlich seinen eigenen Sound findet. Das bedeutet jetzt natürlich nicht, dass ich BANNKREIS oder DELVA nicht mehr als meinen Sound empfinde. Ganz im Gegenteil, ich liebe vor allem das, was wir mit DELVA machen. Zumal ich auch eine eher klare Stimme habe, die gut zu sensibleren Klängen passt. Aber ich möchte mal raus aus der Balladenschublade und das Image ablegen, dass ich nur leise singen kann. Das hat sich in den letzten Jahren so ergeben, aber mich interessiert eben noch mehr und das will ich jetzt mal probieren. Wie gesagt, wenn eine Tür zugeht, muss eine neue Tür aufgehen, sonst versinkt man irgendwann in Selbstzweifeln. Während der Pandemie hatte ich plötzlich Zeit zum Nachdenken, was einerseits vielleicht diese Selbstzweifel noch verstärkte, andererseits aber auch die Möglichkeit bot, neue Ideen auszuarbeiten und Klarheit zu bekommen, was man will. Und so etwas wie ARCTIC RELIEF schwebte mir schon ganz lange vor, von daher ist das beileibe keine Pandemie-Geburt gewesen, aber die Pandemie bot mir die Gelegenheit, das Ganze nicht nur endlich in Angriff zu nehmen, sondern es vor allem auch durchzuziehen.

Ich finde es gut, dass Du Dich nicht scheust, auch mal eine andere Richtung einzuschlagen. Es gibt zwei Clips von Dir, da hast Du mich mit Deiner tollen Stimme regelrecht gepackt und eingefangen und ich kann es mir absolut vorstellen, dass Du auch in der Lage bist, härtere Songs zu singen.
Dankeschön. Allerdings will ich mich nicht gleich wieder selber in eine Schublade stecken, indem ich sage, ich mache jetzt eine bestimmte Art Metal oder Rock oder Gothic, zumal da eventuell auch noch bestimmte Ethno- oder Folkeinflüsse reinrutschen. Ich behalte mir die Freiheit vor, das zu gegebener Zeit zu entscheiden.

Wenn das Wort Pandemie schon gefallen ist … Wie hast denn Du diesen langen Winterschlaf für die Künstler erlebt? Was hast Du in dieser Zeit gemacht?
Ich habe das Glück, nicht von der Musik leben zu müssen, denn ich habe einen Beruf, der mir ganz viel Spaß macht. Und zwar bin ich Hörfilmautorin, das bedeutet, ich erstelle barrierefreie Filmfassungen für blinde und sehbehinderte Menschen. Natürlich mache ich das zusammen mit sehenden Kollegen, sonst ginge das ja nicht. Da konnte ich während der Corona-Zeit über das Internet viel arbeiten, zumeist im Home Office. Aber ich habe auch für mich selber viel getan. So habe ich unter anderem den Schritt gewagt, nach Berlin zu gehen. Überhaupt habe ich mir vorgenommen, mich selbst herauszufordern und meine Grenzen auszuloten, um zu sehen, was traue ich mir zu, was kann ich schaffen und was nicht. Deshalb denke ich, dass ich die Corona-Pause kreativ für mich genutzt habe. Das hat viel Positives in mir bewirkt, hat mein Selbstbewusstsein gestärkt, ich habe mir viel Neues angeeignet, habe meine neue Wohnung in Berlin eingerichtet und habe gelernt, mich in der Stadt zurechtzufinden. Natürlich habe ich trotzdem noch einen Koffer in Bayern, allein schon wegen meiner Bandprojekte, aber auch wegen der Familie.

Beim Stöbern auf Deiner Seite entdeckte ich noch zwei sehr interessante Details. Es gab unter anderem ein Mitwirken von Dir bei MONO INC. Ist das richtig?
Das stimmt. Das war noch zu Zeiten von BANNKREIS. Es war nichts Großes, ich habe eine Low Whistle eingespielt und bei einem Song die Backing Vocals eingesungen.


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Foto: Alexander Schlesier (Skulls-n-gears.com)



Na gut, die Szene-Familie ist relativ klein, aber gestatte mir dennoch die Frage, wie es dazu kam?
Das war purer Zufall. Die wollten Eric für einen Song haben und ich war gerade bei ihm wegen BANNKREIS. Ich glaube, Eric sollte sogar die Flöte einspielen, aber aus irgendeinem Grund hat das nicht geklappt. Da ich aber ohnehin gerade mit den Flöten recht routiniert war, habe ich den Part dann übernommen und anschließend eben noch ein paar Backing Vocals gesungen.

Die zweite Geschichte, die mir auffiel, war Dein Name in Zusammenhang mit ASP. Kam Eure Zusammenarbeit auf Grund Eurer Freundschaft zustande?
Ich habe ASP beim "Feuertal-Festival" kennengelernt, da haben wir damals mit DELVA den Opener-Slot spielen dürfen. Wir blieben in Kontakt, Asp hat mich immer wieder mit Rat und Tat begleitet und jetzt auch einen Text für uns geschrieben. Dann ergab es sich, dass wir für sein Album zwei Bonustracks beisteuern durften. Einer war eine Coverversion eines Songs, den ich selber sehr liebe, nämlich "Wanderer".

Nun haben wir in wenigen Minuten viele Stationen Deines bisherigen Lebens besucht. Wenn Dich jemand noch nicht kennt, wie würdest Du Dich in ein, zwei Sätzen selbst beschreiben, sowohl als Mensch als auch als Künstlerin?
Ach ich kann sowas nicht, ich bin so furchtbar unspontan! Das sollen lieber andere Leute machen. Na gut, ich versuche es mal. Also ich bin ungeduldig, aber zielstrebig und fokussiert. Ich bin sensibel, aber das sagt wahrscheinlich jeder über sich. Auch trage ich manchmal eine gewisse Schwere und Melancholie mit mir rum, man kann aber dennoch viel Spaß mit mir haben. Der Spruch "ich hasse Menschen" ist ja allseits beliebt, weil Menschen so furchtbare Dinge veranstalten, aber ich kann für mich behaupten, ich umgebe mich gerne mit Menschen, die Wert auf respektvollen Umgang miteinander und eine emphatische Sprache legen, denn damit beginnt alles. Durch Sprache kann man wegweisende Stimmungen erzeugen.

Vorhin hatte ich Dich nach Musikern und Bands gefragt, die Du als junges Mädchen gerne gehört hast. Was steht denn heute in Deinem Plattenschrank?
Da muss ich noch ergänzen, dass ich in jungen Jahren nicht nur Deutschpop sondern auch schon härtere Sachen gehört habe. Zum Beispiel sehr gerne SCORPIONS oder METALLICA, damals erschien das "Death Magnetic"-Album, was ich auch heute noch mag. Ich inhalierte auch DIE ÄRZTE, NIRVANA oder BLOOD RED SHOES. In der heutigen Zeit will ich mich gar nicht so festlegen. Ich liebe Weltmusik, aber auch Klassik. Und ich würde mir auch heutzutage immer noch neue METALLICA-Scheiben in den Schrank stellen. Natürlich steht auch ASP bei mir im Regal. Ansonsten hat die Digitalisierung den Vorteil, dass man sich nicht mehr jede CD physisch kaufen muss, wenngleich ich das auch schade finde, denn es ist ein ganz anderes Wertigkeitsgefühl, eine echte CD oder Schallplatte in den Händen zu halten, das Booklet zu studieren, usw. Man muss sagen, dass es mit meiner fortschreitenden Sehbehinderung sehr umständlich ist, immer erst mit Hilfe des Handys die Titelliste oder den Inhalt des Booklets vorlesen zu lassen. Deswegen bevorzuge ich die Möglichkeiten der Digitalisierung, versuche aber immer, die Musik nicht in der Spotify App, sondern in guter Qualität auf einer guten Anlage zu hören. Es macht nämlich einen großen Unterschied, ob man einen Song in guter Qualität hört oder ihn in einer madigen Qualität streamt. Der Musiker gibt so viel Geld für eine tolle Produktion und das Mastering aus, und dann wird das im Stream dermaßen runtergeregelt … das ist einfach schlimm. Und für 9,99 Euro im Monat kannst Du so viel geistiges Eigentum anderer Leute konsumieren, wie Du möchtest. Das ist eben die andere, negative Seite der Digitalisierung.


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Foto: Alexander Schlesier (Skulls-n-gears.com)



Du hast gesagt, Ihr seid fleißig am Arbeiten. Gibt es denn außer ARCTIC RELIEF noch andere Sachen, an denen Du gerade arbeitest und auf die wir uns zeitnah freuen können?
Zum Beispiel feiern wir dieses Jahr 10 Jahre DELVA. Da wird es am 28. Oktober in München ein Jubiläumskonzert geben, zu dem wir auch einige Gastmusiker einladen werden. Dann beschäftigt mich eben die Arbeit mit ARCTIC RELIEF oder wie immer es am Ende heißen wird. Wir haben jetzt einige Songs geschrieben. Um unseren eigenen Tunnel vorsichtig zu verlassen, sind wir gerade dabei, Produzenten für diese Lieder zu finden und haben wie gesagt Ingo gefunden. Wir sind gespannt, wie sich der Sound entwickelt, können aber jetzt schon sagen, dass Ingo tolle Ideen hat und frischen Wind in die Sache bringt. Und wir hoffen, dass die Songs noch in diesem Jahr unter die Leute kommen können. Anhand dieser Songs werden wir dann sehen, ob es Sinn macht, in dieser Richtung weiterzuarbeiten, ob wir uns neue Partner suchen, ob wir vielleicht an eine Plattenfirma herantreten. Wobei Letzteres heutzutage sicherlich gar nicht mehr das Entscheidende ist, sondern man braucht in erster Linie Leute, die sich mit Promo und Social Media auskennen. Aber das wird die Zukunft alles zeigen.

Ich drücke Dir für alle Deine Projekte die Daumen.
Vielen Dank. Es hat mir großen Spaß gemacht, mit Dir zu reden und ich habe große Lust, hart weiterzuarbeiten, damit das in mir glimmende Feuer, das durch Corona und andere Schwierigkeiten lange eingedämmt wurde, endlich entfachen darf.



Interview: Christian Reder
Übertragung: Torsten Meyer
Fotos: Johanna Krins PR/privat, Jana Vollmer, Alexander Schlesier (Skulls-n-gears.com)




   
   
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