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Interview vom 28. März 2023



Manfred Maurenbrecher ist einer dieser Menschen unter uns, die mit einen offenen Auge durch die Welt gehen. Natürlich auch in Zeiten wie diesen. Und immer dann, wenn die Zeit wieder reif ist, bringt er ein neues Album mit seinen zu Liedern gewordenen Beobachtungen heraus. Und das sind in knapp 40 Jahren schon so einige Platten und CDs geworden. "Menschen machen Fehler" heißt das neuste Werk des gebürtigen Berliners (Rezension siehe HIER), und auch dieses Album fühlt sich wieder nicht wie ein Fehler an. Darüber wollten wir mit ihm sprechen. Unsere Kollegin Antje tat dies kurz bevor die Platte am 31.3. in den Handel kam, das Ergebnis könnt Ihr jetzt hier nachlesen ... Das wird ein gutes Gespräch!




Ich durfte in Vorbereitung auf das Interview das Album ja schon hören und mir gefällt es sehr gut, muss ich sagen. Es ist ja nun schon Nummer 23.
Es freut mich, wenn es dir gefällt. Danke.

Magst du zu dem Album vielleicht selbst ein paar Worte erzählen, z.B. wie es entstanden ist?
Die Lieder sind für ein Projekt entstanden. Ich mache zusammen mit vier anderen immer einen Jahresrückblich (Stück in der Komödie am Kurfürstendamm mit Christoph Jungmann, Hannes Heesch, Horst Evers und Bov Bjerk, Anm. d. Red.). Dabei bin ich für die Lieder zuständig. Das erklärt, warum einige sehr politische Themen darauf sind. Für den Jahresrückblick ist das eine Form, die sehr passt. Manchmal, in früheren Jahren, haben mir diese Lieder nicht so gefallen, dass ich sie auf eine CD genommen hätte. Bei den Liedern jetzt finde ich sie auch über den Tag hinaus geschrieben. Insgesamt ist es eines meiner politischsten Alben.

Wer war sonst noch an dem Album beteiligt?
Nur bei einem Text war Bov Bjerk beteiligt, der ein richtig gestandener literarischer Autor ist und auch Romane schreibt. Wir haben zusammen dieses Lied über die iranischen Frauen getextet, das "Ab wann seid ihr frei?" heißt. Das Lied ist das jüngste von allen, es ist im November 2022 entstanden. Ansonsten arbeite ich immer ganz eng mit Andreas Albrecht zusammen, der die Platten von mir produziert und auch das Schlagzeug spielt, manchmal auch Orgel und sowas. Wir haben dieses Mal anders als bei den letzten drei Alben gearbeitet. Da haben wir mit der Band immer alle Stücke gleichzeitig eingespielt und danach nur noch ein bisschen gemischt. Dieses Mal haben wir die Grundlagen aufgenommen, und jeder hat dann für sich in einem kleinen Studio den Feinschliff vorgenommen. Das prägt, finde ich, auch den Charakter der Platte. Dadurch ist es etwas chansonhafter geworden.


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Foto: Max Maurenbrecher



Sehr schmunzeln musste ich übrigens bei dem Song über die Litfaßsäule. Wie kommt man auf die Idee, etwas so alltägliches zu thematisieren?
Das war auch für diesen Jahrsrückblick. In Berlin wurden vor drei Jahren alle Litfaßsäulen abgeräumt. Das hat man schon in der Stadt gemerkt. Bei mir im Viertel stand eine, die war auf einmal weg.

In "MoMiDo" thematisierst du ja das Arbeiten in Teilzeit. Beim ersten Hören klingt es nach harscher Kritik...
Ich finde das gut. Es ist ja auch eine Strophe in dem Lied, wo das sogar richtig gelobt wird. Wenn die Wirtschaft so viel hergibt, dass die Leute nur drei Tage in der Woche zu arbeiten brauchen, ist das prima. Ich finde, vieles im Arbeitsbereich ist schräg angeordnet oder hat sich schräg entwickelt. Einem Paketboten oder einer Reinigungskraft darf man mit so einem Lied wahrscheinlich nicht kommen.

In "Im Wahn" packst du ein sehr heißes Eisen an - verschiedene Meinungen. Wie gehst du persönlich damit um?
Naja ich bin ja jemand, der sich auch viel bei Facebook sowohl mit Kolleginnen und Kollegen rumschlägt, als auch Leuten, die sich da mit reinhängen. Ich streite mich manchmal gerne und manchmal frage ich mich, warum ich das mache. Lass sie doch denken was sie wollen, mache deine Arbeit und genieße den Tag. Wenn man sich einmal in so einen Streit hinein begibt, kommt man da ja so schnell nicht wieder raus. Da kommt dann eine Antwort, man reagiert wieder - und schon sind 10 Stunden rum. Dieses Lied basiert auf einem Gespräch, das ich in einer kleinen Stadt in Sachsen vor eineinhalb Jahren geführt habe. Mein Gesprächspartner hatte eben die Meinungen, wie sie in diesem Lied vorkommen. Wir waren uns trotz der verschiedenen Meinungen auf Anhieb sehr sympathisch. Also habe ich alles weggelassen, was ich dazu zu sagen gehabt hätte, und lass ihn mal reden. Daraus ist dann das Lied entstanden.


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Foto: Christian Biadacz



So einen Streit auf Facebook habe ich jetzt erst mitbekommen, nämlich zwischen Dirk Zöllner und dir... Wie gehst du damit um, wenn ihr euch persönlich trefft?
Ich glaube, zwischen Dirk und mir war das kein richtiger Streit. Es waren verschiedene Meinungen zum Thema Krieg in der Ukraine. Wir haben uns jetzt länger nicht gesehen, aber ich glaube, wenn dann würden wir uns freundschaftlich begegnen. Wir mögen uns.

Also differenzierst du zwischen Social Media und der persönlichen Begegnung?
Ja natürlich. Vor allem glaube ich, es gibt fanatische Leute, die sind in ihren Meinungen nicht umzubiegen. Dazu gehöre ich nicht und Dirk auch nicht. Wir können uns unterhalten und uns auch gegebenenfalls überzeugen. Aber es gibt andere, die ändern ihre Meinungen nicht mehr. Da wäre es schwieriger, da würde ich jetzt aber auch keine Namen nennen wollen.

Du warst ja in den 1980er Jahren in einer Friedensbewegung aktiv, die sich gegen die Wiederaufrüstung Deutschlands gestellt hat. Was macht da die aktuelle Situation um die Ukraine mit dir, wo wir ja fleißig über Waffenlieferungen oder eben auch nicht diskutieren?
Ich habe das ja ein bisschen angedeutet in dem Begleittext, in dem Vorwort zu der Platte. Meine Haltung hat sich da gewandelt. Ich finde auch, dass der Konflikt oder der Krieg ein anderer ist, als das was wir damals erlebt haben. Damals haben zwei Blöcke aufgerüstet. Die Gefahr war, dass da kein Ende der Aufrüstung mehr ist. Heute, im Ukraine-Krieg, finde ich, dass diese sogenannte neue Friedenbewegung etwas Verlogenes hat. Die USA und ihre Verbündeten haben den Irak überfallen gegen das Völkerrecht und gegen jede Warnung. Zudem noch mit falschen Behauptungen. Da haben wir mit Recht gefordert. Amis raus aus dem Irak. Das war die gültigste Forderung. Der Angreifer muss erstmal das Land verlassen, dann kann man über Verhandlungen reden. Hier ist es so, dass Russland ein unabhängiges Land überfallen hat. Zudem noch mit falschen Behauptungen, nämlich, dass es alles angeblich Faschisten sind. Das wird von dieser Friedensbewegung wie ein Tabu behandelt, darüber redet man nicht. Das sollte aber die erste Forderung sein. Und wenn dann Russland die Ukraine verlassen hat, dann kann man verhandeln.


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Foto: Christian Biadacz



Was macht diese Zeit ganz persönlich mit dir?
Naja, Verschiedenes. Ich bin ja fast Mitte 70 und damit vielleicht auch manchmal etwas abgespannter als früher. Deshalb habe ich mir vorgenommen, jeden Tag einen langen Spaziergang zu machen. So ein bisschen MoMiDo-mäßig, nur noch drei bis vier Tage in der Woche am Schreibtisch zu sitzen oder Konzerte zu spielen. Also ich freue mich über jedes Konzert, was ich machen darf, aber ich weiß auch, dass ich mich nicht übernehmen darf. Da spielen die ganzen politischen Aspekte natürlich mit rein. Ich hänge mich nicht mehr so aus dem Fenster wie vor 10 Jahren.

Das Album ist ja während der Pandemie entstanden. Spiegelt sich auch das Thema hier wider?
Naja klar. Ich habe ja im Mai 2020 ein langes Lied geschrieben mit dem Titel "Isso", und das habe ich ins Netz gestellt. Das hat ziemlich viele Reaktionen bekommen und wurde auch oft im Rundfunk gespielt. Das ist wie eine Litanei über das Thema Corona, was es mit uns und er Gesellschaft anrichtet. Gerade in Bezug auf die Isolation und den Abbruch allem Kulturellen. Dieses Lied ist da, das kann man im Netz anhören. Anfangs habe ich gedacht, das Lied kommt auf die neue Platte. Aber dann kamen später noch so viele Songs mehr dazu. Zudem würden diese neun Minuten, die das Stück lang ist, das Album viel ernster machen. Irgendwie wollte ich das nicht. Ich habe gedacht: das Lied ist ja da, man kann es sich im Netz anhören, das muss nicht unbedingt auf die CD.

Eines interessiert mich noch, da du ja schon lange im Musikgeschäft bist: wie hat sich die Musikindustrie nach deiner Meinung in den letzten Jahrzehnten verändert?
Ein bisschen beschäftigt sich ja das Lied "Musik" damit. Ich finde es schon schlimm und gefährlich, wie Musik runtergepreist worden ist. Ich erlebe das selbst in meiner Generation. Leute, die früher LPs und dann CDs gekauft haben, hören sich die Musik auch erstmal im Stream an und entscheiden dann, ob sie noch einen physischen Tonträger kaufen. Zum Teil haben sie sich das durch Corona angewöhnt. Das ist normal geworden. Bei den Jüngeren ist das noch viel extremer. Mein Sohn zum Beispiel - er ist Mitte 30 - hat gar keinen CD-Player mehr. Du bist ja auch noch eine ganze Ecke jünger als ich, bei dir wird das sicher nicht viel anders sein. Wenn aber Musik von den Konsumenten nur noch über diese Streaming-Dienste gehört wird, verdienen wir Musiker und die Autoren fast nichts mehr. Das ist eine üble Entwicklung, finde ich. Da muss auch eine Veränderung sein. Wovon wollen denn sonst Leute, die noch richtig jung sind und Musiker werden wollen, später leben?


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Foto: Christian Biadacz



Ich persönlich kaufe tatsächlich wieder mehr CDs, eben weil ich weiß, dass sonst bei euch Künstlern so gut wie nichts ankommt.
Das finde ich toll. Wahrscheinlich bist du da aber in der Minderheit. Gerade für Leute, die selbst wenig Geld haben, ist es naheliegend sich die Musik nur anzuhören. Das ist ´ne schlimme Entwicklung, finde ich.

Mittlerweile gefallen mir auch ehrlich gesagt die Sachen von Liedermachern wie dir und generell kleinere Konzerte besser als die gehypter großer Stars, wo man sich als Normalsterblicher kaum noch die Konzertkarten leisten kann.
Ich habe da allerdings ein ganz gutes Gefühl, dass es immer mehr Menschen so geht. Erst waren nach Corona lauter Schreckensmeldungen wie die, dass Leute nicht kommen und Karten nicht verkauft werden. Mittlerweile treffe ich immer mehr Musikerinnen und Musiker die sagen, dass ihre Konzerte ausverkauft waren und es ganz gut läuft. Ich hoffe natürlich sehr, dass es bei mir auch so ist, wenn ich ab April wieder auf Tour gehe. Ich habe aber ein ganz gutes Gefühl, dass die Leute doch gerade kleinere Konzerte und die direkte Nähe zu den Künstlern suchen.

Letztes Jahr ist ja eine CD-Box erschienen. Veröffentlicht wurden Alben, die bislang nur auf Platte erschienen sind. Daran hat ja unter anderem Herwig Mittergger mitgearbeitet. Wie kam es dazu?
Herwig hat meine ersten drei Platten produziert. Den Versuch, die Alben auf CD zu veröffentlichen, gab es vor 10 Jahren schon einmal. Damals wollte die CBS Records, heute SONY, dafür irre viel Geld haben. Denen gehören ja die Aufnahmen. Jetzt hat sich eine Hannoveraner Firma rangemacht und nochmal bei SONY nachgefragt. Da hieß es dann: "Hier, das könnt ihr haben, interessiert doch eh keinen mehr." Dann haben sie das genommen und wollten es allerdings sehr billig herstellen, also zwei Alben auf eine CD pressen und in einem billigen Plasteschuber rausbringen. Das wollte ich nicht. Ich habe gedacht, dass wenn wir das schon machen, es auch etwas edler aussehen sollte. Ich habe das dann mit dem Labelchef von Reptiphon, Heiko Werning, besprochen und wir haben das dann gemeinsam finanziert. Wenn 500 Stück verkauft werden, haben wir das Geld auch fast schon wieder drin (lacht).


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Foto: Christian Reder



Hast du sonst noch mit Herwig Mitteregger zusammengearbeitet oder kannst du es dir vorstellen?
Früher mal, heute nicht mehr. Wir haben seit knapp 20 Jahren keinen Kontakt mehr. Er hat sich sehr zurückgezogen und lebt heute in Hamburg.

Magst du zu deiner anstehenden Tour noch etwas erzählen?
Also die richtige Tourpremiere wird in Berlin am 27. April im Mehringhoftheater sein. Da spielen wir alle, die an der Platte mitgearbeitet haben. So ähnlich wird es auch noch einen Tag später in Hamburg sein, in einem Club namens Centralkomitee. Ansonsten geht es dann solo quer durch Deutschland. Unter anderem bin ich auch noch bei einem Festival in Brandenburg, in Neuhardenberg. Da tritt übrigens auch Katja Ebstein mit ihren fast 80 Jahren noch auf.

Da sind wir auch tatsächlich schon am Ende des Interviews angekommen. Möchtest du unseren Lesern noch etwas mit auf den Weg geben?
Man soll sich nicht verrückt machen lassen von diesen ganzen aufgeheizten Diskussionen, sondern lieber schöne Musik hören. Die sollte man sich auch mit nach Hause nehmen in einer Form, die man anfassen kann.

Das ist doch ein schönes Schlusswort. Vielen Dank nochmal für deine Zeit.
Ja gerne. Bis bald!



Interview: Antje Nebel
Bearbeitung: Christian Reder
Fotos: 28IF Musikproduktion (Max Maurenbrecher, Christian Biadacz), Sandy Reichel, Christian Reder








   
   
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