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Interview vom 19. April 2022



1983 war für die Australier von der Gruppe REAL LIFE ein ganz besonderes Jahr. An diesem Punkt veränderte sich ihr Leben. Sie stürmten mit ihrer Single "Send Me An Angel" in Deutschland die Charts und kamen hierher auf Tour. Mit Deutschland verbindet Frontmann David Sterry ganz besondere Erlebnisse und Erinnerungen. Im Herbst kommt er mit seiner Kapelle wieder hierher auf Tour. Was wird er den Fans hierher mitbringen? Wie ist es ihm und den anderen Jungs in den Jahren davor ergangen und was verbindet er mit Deutschland? Wie sieht die Situation in Bezug auf Corona in seiner Heimat aus? "Deutsche Mugge goes International", denn unser Kollege Christian hat sich in der letzten Woche mit David für ein Interview verabredet. Das Ergebnis findet Ihr jetzt hier ...




001 20220423 1097144594Hallo David. Schön, dass es mit dem Interview geklappt hat. Eine Frage vorab: Wie ist die aktuelle Lage bezüglich Corona in Australien?
Endlich sind fast alle Masken- und Reisebeschränkungen aufgehoben. Die meisten Leute haben eine dritte Auffrischungsimpfung bekommen und es scheint bei vielen eher ein leichter Infekt zu sein. Wir hatten hier in Melboure insgesamt weniger als 7.000 Todesfälle, aber dafür auch zeitlich die längste Ausgangssperre der Welt.

Wie ist es Euch australischen Musikern in Corona-Zeiten ergangen? Gab es eine Art staatliche Hilfe zur Überbrückung der konzertlosen Zeit wie hier in Deutschland, oder hat man Euch mit all den Pandemie bedingten Problemen allein gelassen?
Nein, unsere Regierung hat nichts für uns getan. Das hat nicht nur uns Musiker betroffen. Es war auch sehr hart für die Crew, also Roadies, Techniker und Bühnenbauer, und alle anderen, die in unserer Branche tätig sind. Dass Live-Shows wieder uneingeschränkt stattfinden können, ist gerade erst seit ein paar Wochen wieder möglich, so dass wir jetzt zumindest wieder optimistisch in die Zukunft blicken können.

Wie bist Du persönlich durch die Pandemie gekommen? Wie sehr hat Dich Corona betroffen?
Ich hatte seit der Rückkehr von unserer letzten Deutschlandtournee nur zwei Auftritte im Jahr 2020. Wie bei vielen Menschen hat durch Corona auch meine geistige Gesundheit gelitten. Ich lebe seitdem ein eher isoliertes Leben und nach dem ersten Jahr im Lockdown hatte ich wegen fehlender Gesellschaft fast die Fähigkeit zu sprechen verloren. Mein einziges tägliches Gespräch, das ich hatte, war das beim Kaffee bestellen. Zum Glück ist das jetzt alles Vergangenheit und ich kann es kaum erwarten, wieder auf die Bühne zu gehen und live zu spielen.

Deine Band REAL LIFE hat in Deutschland immer noch einen wohlklingenden Namen. Die Leute erinnern sich an die Band und die Songs sind nach wie vor im Radio zu hören. Wie sieht es bei Dir aus? Gibt es für Dich besondere Momente von Deinem ersten Besuch hier in Deutschland in den 80ern, die Dir noch gut in Erinnerung sind?
Wir hatten bei Euch damals so eine fantastische Zeit. Wir waren vorher noch nie in Europa. Die deutschen Fans waren so freundlich und nett, und wir hatten mit Intercord aus Stuttgart damals eine fantastische Plattenfirma. Das waren die besten. Während wir mit "Send Me An Angel" Nummer 1 in den Charts waren, hatte ich bei denen eine große Geburtstagsparty, die ganze drei Tage dauerte. Außerdem erinnere ich mich noch daran, dass ich auf die Spitze des Kölner Doms geklettert bin. Das Foto, das dies beweist, habe ich noch. Wir mussten damals manchmal mit dem Zug reisen und es war toll, die Landschaft zu sehen. Ich fahre in Deutschland deshalb auch heute noch immer mit dem Zug, wann immer es mir möglich ist. Mein Lieblingsbahnhof ist übrigens Frankfurt, wo sie die allerbeste Currywurst haben.

002 20220423 1856330536Was waren damals denn Deine ersten Eindrücke von diesem Land?
Es gab z.B. in Berlin noch viele Narben vom Krieg, aber der Spirit der jungen Leute in dieser Stadt war sehr positiv. Die Berliner Mauer war ein unheimlicher Ort. Wir haben damals Aufnahmen im Hansa Studio, das direkt an der Mauer gelegen war, gemacht. Bei der letzten Tour vor zwei Jahren bin ich wieder dorthin zurückgekehrt. Das Ödland von damals hat sich inzwischen so sehr verändert. Einer meiner Lieblingsfilme ist übrigens Wim Wenders' "Wings of Desire" (der deutsche Titel ist "Der Himmel über Berlin", Anm. d. Red.).

Ich hatte Dich ja um ein Interview gebeten, weil Du mit REAL LIFE im Herbst nach Deutschland zurückkommen wirst. Du sagtest es bereits: Deine letzte Tour hier war 2020. Was hast Du vor zwei Jahren hier erlebt und wie war die Reaktion der Leute, Dich und die Band nach all den Jahren wiederzusehen?
Für mich persönlich war es wirklich etwas, das mich mit Demut erfüllt hat. Zwischen der Band und dem Publikum gab es diese ganz besondere Stimmung, und ich glaube, jeder konnte es fühlen. Etwas ganz anderes als beim australischen oder amerikanischen Publikum. Es ist schwer zu beschreiben, aber die ganze Band hat die Stimmung gespürt und ich hoffe, dass sie im Oktober wieder da ist.

Wie viele Shows sind für die Deutschlandtournee im Oktober geplant und in welchen Städten werdet Ihr zu erleben sein?
Konzerte von REAL LIFE wird es nur in München, Frankfurt, Leipzig, Berlin, Hamburg und Bochum geben. Es gab im vergangenen Jahr auch eine gemeinsame Show mit OMD, Midge Ure und XPropaganda, die leider abgesagt werden musste. Ich glaube, dass dieses Konzert auch noch nachgeholt wird.

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Man erfährt im Netz nicht viel über REAL LIFE. Wikipedia weiß aber zu berichten, dass die Band seit 2005 und dem Ausstieg von George Pappas nur noch aus Dir besteht. Ist das richtig?
Ja, das stimmt. REAL LIFE besteht heute aus mir und denen, die gerade mit mir auf der Bühne stehen. Trotzdem klingt es wegen meiner Stimme und dem Stil der Songs immer noch nach REAL LIFE.

Und wer steht mit dir derzeit auf der Bühne, wenn du Live-Musik machst? Bitte stelle uns Deine Begleitmusiker doch mal vor.
Heutzutage ist das alles eine Kostenfrage. Darum hole ich mir meistens lokale Musiker dazu, wenn ich auf Tour bin. Ich habe ein paar Jungs in Amerika wenn ich dort spiele, eine andere Band in Australien und in Deutschland habe ich zwei besondere Jungs aus Köln. Ein Keyboard-Zauberer namens Xaver Fischer und einen fantastischen Schlagzeuger namens Niklas Schneider. Ich bringe außerdem den australischen Synthesizer-Spieler Dean Walliss mit nach Deutschland. Das wird im Oktober meine dritte Tour mit den Kölnern, und wir sind inzwischen richtig gute Freunde. Ich bin sehr glücklich, sie und ihre Fähigkeiten als Musiker in meiner Band zu haben. Außerdem haben wir mit Lars Berndt auch einen großartigen Agenten.

004 20220423 1850618899Die Musik von REAL LIFE ist im Laufe der Jahre ja immer elektronischer geworden. Benutzt du heute bei den Konzerten nach wie vor die Gitarre oder trittst du nur noch als Sänger mit Synth-Sounds im Hintergrund auf?
Ja, ich spiele während der ganzen Show Gitarre. Manchmal klingt es aber auch nur wie ein Synthesizer. Wir haben zwei Musiker mit diesem Instrument im Einsatz, weil die meisten unserer Bassparts von Synthesizern erzeugt werden. Übrigens wurde schon damals bei "Send Me An Angel" ein Synth-Bass eingesetzt.

Was hast du für die diesjährige Tour vorbereitet? Möchtest Du den Lesern vielleicht schon einen kleinen Einblick in Dein Programm geben?
Einige neue Arrangements und einige weitere Songs von "Sirens" habe ich vorbereitet. Wir haben von der "Sirens"-Platte bei der letzten Tour nur zwei Stücke gespielt, aber die kamen beim Publikum sehr gut an. Also habe ich keine Bedenken, weitere Lieder daraus in die Show einzubauen. Wir proben gerade im Moment für einige Konzerte hier in Australien und strecken uns dabei sehr. Wir möchten unser Publikum nämlich überraschen. Das möchte ich eigentlich immer, denn das schafft eben diese besondere persönliche Ebene, auf der Band und Publikum dann eng verbunden sind. Das liegt mir sehr am Herzen.

Dieses Jahr ist es 40 Jahre her, dass Ihr mit REAL LIFE den ersten Plattenvertrag bei Wheatley Records unterschrieben habt. Die haben dann 1983 das erfolgreiche Album "Heart Land" veröffentlicht. Ist das für Dich ein Grund zum Feiern?
Ich habe dabei viele gemischte Gefühle. Wheatley Records ist inzwischen ja bankrott gegangen und hinterließ uns ein riesiges Durcheinander. Es hat viele Jahre gedauert und viele Anwälte gebraucht, um das alles zu klären. Glenn Wheatley war nicht nur unser Verleger, sondern auch unser Manager, was uns in einen gewissen Interessenkonflikt brachte. Glenn starb vor ein paar Monaten an Covid. Traurig für seine Familie und Freunde.

005 20220423 1572358629Feiern oder ein Jubiläumskonzert zum 40-jährigen Bestehen der Band im vergangenen Jahr fielen wegen den von Corona verursachten Umständen ja wohl aus. Wird dies möglicherweise zu einem anderen Zeitpunkt nachgeholt?
Für eine Party ist es nie zu spät….

Wir haben gerade über das aktuelle Lineup von REAL LIFE gesprochen. Was machen denn Deine ehemaligen Kollegen Schlagzeuger Danny Simcic, Bassist Allan Johnson und die Keyboarder George Pappas und Richard Zatorski heute?
Richard habe ich seit ungefähr 30 Jahren nicht mehr gesehen oder mit ihm gesprochen. Allan, der Bassist, lebt glücklicher denn je in einem Wald zusammen mit ein paar Zwergen. Danny kämpfte gegen Dickdarmkrebs, hat ihn aber überlebt, und George verlor im ersten Corona-Jahr auf tragische Weise seine Frau an Krebs. Je älter wir werden, desto mehr häufen sich die schlechten Nachrichten. So ist das Leben.

REAL LIFE hatte bekanntlich mehrere Singles und neben "Send Me An Angel" auch einige andere Hits. "Send Me An Angel" war allerdings Euer Größter und erreichte Gold-Status. Erinnerst du Dich, wie das Lied entstanden ist? Fiel es Dir damals leicht, es zu schreiben, oder hat es lange gedauert, bis du es Anfang der 80er fertig hattest?
Richard hatte ein brillantes Stück Musik mit diesem klassischen Synth-Riff aufgenommen. Ich hörte es mir auf dem Rücksitz seines Autos auf dem Weg zu einem Auftritt über die Kopfhörer meines Walkmans an. Da fiel mit die Idee zu diesem Song ein. Am nächsten Tag schrieb ich den Rest zu diesem Lied in etwa 20 Minuten.



Die LP "Heart Land" erreichte Platz 12 der deutschen Albumcharts, "Send Me An Angel" erreichte Platz 1 der Singlecharts. Wie überrascht wart Ihr vom internationalen Erfolg Eurer Musik und vor allem von den hohen Chart-Platzierungen in Deutschland?
Wir waren alle total begeistert. Wir hätten nie gedacht, dass uns das passieren könnte. Diese Platte hat uns allen ein Leben beschert, von dem wir nie zu träumen gewagt hätten. Mir hatten meine Lehrer gesagt, dass ich es im Leben wegen meiner mangelnden akademischen Fähigkeiten zu nichts bringen würde. Wer zuletzt lacht, lacht am besten, und ich hatte das letzte Lachen.

Das Album "Heart Land" ist seit vielen Jahren ausverkauft und speziell als CD heute ein begehrtes Sammlerstück. Hast du Einfluss auf eine Neuveröffentlichung dieses Albums?
Ich hoffe, dass wir ein paar CDs von "Heart Land" im Gepäck haben werden, wenn wir für unsere Konzerte nach Deutschland kommen.

Zwischen 2005 und 2015 war es um Dich und Deine Band herum etwas ruhiger geworden. Was hast Du in dieser Zeit gemacht?
Ich musste mich um familiäre Dinge, z.B. viele Jahre um meine alten Eltern kümmern. Außerdem gab es auch viele rechtliche Probleme, die es zu lösen galt, u.a. verursacht durch die Pleite von Wheatley Records. Ich habe Zeit mit vielen, vielen Anwälte verbracht …



Die letzte Platte, die du gemacht hast, war "Sirens" im Jahr 2020 und sie ist inzwischen ebenso vergriffen wie "Heart Land". Besteht die Möglichkeit, irgendwo noch eine Kopie davon zu bekommen? Bringst du vielleicht auch davon noch eine Neuauflage mit, wenn Du im Oktober nach Deutschland kommst?
Das Album ist digital auf allen bekannten Plattformen verfügbar und wie "Heart Land" hoffe ich im Herbst zur Tour ein paar Vinyl- und CD-Kopien dabei zu haben.

Wird es nach "Sirens" noch ein weiteres Album von REAL LIFE mit neuen Songs geben?
Sag niemals nie zu einem neuen Album, aber im Moment gibt es diesbezüglich keine Pläne.

Vielen Dank für deine Zeit und die Antworten! Hast Du noch ein paar abschließende Worte für die Fans in Deutschland auf dem Herzen?
Zu unseren deutschen Fans sage ich immer: "Versteckt die Currywurst und sperrt eure Gummibärchen ein!"



Interview: Christian Reder
Übersetzung: Christian Reder
Fotos: Pressematerial Band, Curb Records/Intercord, BRAVO





   
   
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