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Interview vom 6. Januar 2022



"Lippi", wie Freunde und Fans den Sänger, Moderator und Entertainer Wolfgang Lippert nennen, hat gut zu tun. Neben seiner TV-Sendung "damals war's", die einmal im Monat beim MDR läuft, ist er auch in vielen anderen TV-Formaten zu sehen (im vergangenen Sommer z.B. als Mitglied des Rate-Teams in Eltons Sendung "Na siehste!" beim NDR). So ganz nebenbei macht er auch noch immer Musik, veröffentlichte mit "Glücklich" zuletzt sogar ein neues Album, das er mit Norbert Endlich (H&N) einspielte. Bei den Störtebeker-Festspielen steht er - wenn nicht gerade ein Virus alles lahm legt - seit vielen Jahren als Balladensänger auf der Bühne und arbeitet dafür mit keinem Geringeren als Rainer Oleak zusammen. Wenn man über "Lippi" spricht, gibt es vieles zu sagen. Wenn man aber mit "Lippi" spricht, hat dieser einem viel Interessantes zu erzählen. In diesen Genuss kam jetzt unser Kollege Chtistian, der bei dem Künstler einfach mal nachfragte, wie es bisher in seiner Karriere auf den Bühnen und im TV so gelaufen ist ...

 


 

Du warst im vergangenen Herbst in Griechenland. Weniger in Sachen Urlaub, sondern mehr zu einem besonderen Thema aktiv. Was hast Du da gemacht?
Ja, das war eine sehr schöne, aber gleichsam auch ernste Angelegenheit. Einige populäre Schauspieler - "TATORT" etc. - sowie meine Wenigkeit dazwischen. Wir folgten der Initiative "Pelorus Jack" von Hannes Jaenicke. "Pelorus Jack" ist eine Stiftung, die sich um den Schutz der Weltmeere kümmert. Wir alle haben kraft unserer Popularität und mit der Hilfe der TV Sendung "Brisant" bundesweit darauf aufmerksam gemacht, indem wir diesen Segeltörn zum Anlass nahmen, auf die Verschmutzung der Weltmeere hinzuweisen. Wir machten verschiedene Müllsammel-Aktionen, wir trafen Menschen, die sich ebenfalls um den Schutz vor dem Plastikmüll bemühen.001 20220107 1630318206 Dabei haben wir viele interessante Menschen kennengelernt, zum Beispiel Taucher, die in Hafenbecken den gesamten Plastikmüll an die Oberfläche befördern und ihn vor Ort "ausstellen". Sie katalogisieren den Plastikmüll, legen alles fein säuberlich nebeneinander, dass man sich eigentlich fragt, warum man sich mit Müll so viel Arbeit macht. Aber es ist der anschaulichste Hinweis darauf, wie viel Müll in den Hafenbecken liegt. Wenn man sich diese Zahlen vor Augen führt, ist es ungeheuerlich und eine schlimme Bilanz.

Du sagtest gerade, das TV-Magazin "Brisant" (ARD) hätte die Aktion medial begleitet. Gab es noch weitere Medien?
Diverse Zeitungen gab es noch, aber der wichtigste Medienpartner war "Brisant". Unterstützer sind auch Sponsoren, wie zum Beispiel "Marinepool" ein Yacht-Ausstatter für Sportswear, Segelbekleidung usw. Auch Peugeot und einige andere waren mit dabei. Das gibt es nun schon ein paar Jahre, ich bin im dritten Jahr dabei, weil mich dieses Thema einfach so gepackt hat und weil ich natürlich auch gerne segle. Und jetzt kommt's: Wir sind erneut Siegerboot geworden. Da bin ich natürlich stolz auf unsere tolle Mannschaft, dass wir es wieder geschafft haben.

Herzlichen Glückwunsch!
Ja, danke. Es ist ja die schöne Seite daran, dieses Segeln mit so großen Schiffen in dieser traumhaften Gegend. Wenn man dann jedoch im Umkehrschluss sieht, wie gefährdet diese Kleinode eigentlich alle sind, dann ist das sehr ernst.

Normalerweise stehst Du im Sommer ja auf einer Bühne, nämlich in Ralswiek bei den "Störtebeker-Festspielen". Die müssen nun schon zwei Jahre pausieren wegen dieser COVID-Geschichte. Wie sehr fehlt Dir dieser Job inzwischen?
Der fehlt uns allen, und uns fehlt ja generell unser Publikum. Neben der Tatsache, dass wir keine Veranstaltungen im klassischen Sinne haben und somit eben auch kein Geld verdienen. Insofern ist meiner Meinung nach unsere Branche besonders betroffen von dieser COVID-Sache. Bei den "Störtebeker-Festspielen" war alles fertig! Die Inszenierung, das Bühnenbild, das Stück. Die Schauspieler waren verpflichtet - schon vor zwei Jahren. Und dann kam das dazwischen. Das war für alle schlimm. Zum Glück moderiere ich zwei Fernsehserien beim MDR. "Ein Kessel Buntes" und "Damals war's" - die liefen beide weiter, weil sie ohne Publikum stattfinden und reine Studioproduktionen sind. Da saßen dann meine lieben Kollegen, Redakteure, Kameraleute, Beleuchter etc. - insgesamt ein Team von ca. 15 Leuten - alle unter Maske und der einzige, der keine aufsetzen musste, war ich, weil einer muss ja sprechen ... Daher war das für mich alles recht glimpflich, ich nahm auch keinerlei Hilfe in Anspruch.

Du hättest im Jahr 2020 dort auf der Bühne Dein zwanzigstes Dienstjubiläum begehen können. Das fiel ja nun leider aus. Wird das nachgeholt oder wurde es auf andere Art und Weise gefeiert?
Ich denke, wir werden es nachholen, denn man kann so etwas ja kaum anders feiern, als dort. Wir haben eine tolle Kulisse vor dem Jasmunder Bodden, dazu 35 Pferde, einen Adler, Falkner und ca. 8.900 Plätze, und so etwas kann man nicht nachstellen. Das ist nur im Original sexy. Und wir hoffen, dass wir 2022 genau an der Stelle weitermachen können, wo wir aufhören mussten. Wie schon gesagt es ist alles fertig, es muss nur noch mal geprobt werden.

Hast Du eigentlich mitgezählt, wie oft Du bei diesen Vorstellungen über all die Jahre in Deiner Rolle zu sehen und zu hören gewesen bist?
Na ja, ich habe jetzt keine Zahl im Kopf. Ich könnte nur sagen: 20 Jahre, jeweils rund 70 Vorstellungen, also so in etwa 1.400 Mal.

Das ist eine Menge ...
Das ist wirklich eine Menge und wenn man jetzt noch überlegt, wie viele Menschen das gesehen haben. Wir haben im Jahr ungefähr 350.000 Zuschauer pro Saison mit 68 Vorstellungen. Das ist eine ungeheure Zahl! Ich sprach mal mit Peter Maffay darüber und er sagte zu mir in seiner lockeren Art, "Weißt Du Wolfgang, ich glaube, Du singst vor mehr Leuten, als ich ..." (lacht ...) Ich sagte darauf, "Peter, das kann durchaus stimmen, selbst wenn Du große Konzerte machst ..." Wenn ich es mir überlege, sind knapp 400.000 Menschen in einer Saison irre. Die Resonanz darauf ist wirklich sehr groß, es gibt einen großen Fankreis und vor allen Dingen empfinde ich es als Geschenk, dass unsere Absicht, bei diesen Festspielen zu singen, möglich wurde. Das gab es vorher nämlich nicht. Das entstand erst, als ich dort auftauchte und ich brachte natürlich noch einen hervorragenden Komponisten mit, nämlich Rainer Oleak. Du bist Kenner der Szene, Du kennst ihn. Er hat ein sensationell schönes und auch wunderbar ausgestattetes Studio und dort sind alle Balladen über all die Jahre entstanden. Wir blieben uns gegenseitig treu und machten für jede Saison immer wieder neue Lieder. Ein paar blieben Evergreens, der "Albatros" zum Beispiel.

Du bist ja der Balladensänger Abbelin, das ist die Rolle. Da singst Du in Ralswiek verschiedene Lieder, wie z. B. auch den eben von Dir schon genannten "Albatros" von KARAT. War das Stück von Anfang an ein Teil Deiner Rolle, wurde es von den Produzenten vorgegeben oder hast Du es selbst ausgewählt, um es dort einzubauen?
Nein, das hat sich später ergeben. Im Jahr 2000 hat mich Intendant Peter Hick engagiert. Und es entstand meine Rolle "Abellin", ein singender und schauspielender Barde mit einer Laute. Zu dieser sang ich Bänkellieder, manchmal ganz leise einfache Songs, wie am Lagerfeuer. Das funktionierte bei den Zuschauern gut, sie fanden die Lieder toll und empfanden sie als "Ruhepausen" in diesem martialischen Stück, in dem gefochten, geliebt, gemordet usw. wird. Somit wurde die Musik eigentlich immer größer und irgendwann schrieb Rainer Oleak dann schon fast filmreife Songs und Arrangements. Im Laufe der Zeit blieb dann der Sänger übrig. Neben vielen Eigenkompositionen haben wir uns dann auch mit DDR-Hits befasst. Der erste war der "Albatros" und wirklich lustig war, dass die KARAT Jungs fast vollzählig anwesend waren, als ich diesen Titel zum ersten Mal gesungen habe.

Mit Herbert noch?
Nein, nicht mit Herbert, sondern mit Claudius. Ansonsten war die Band da und sie machten eine Art "Abnahme". Das war total irre. Rainer hatte ja ein etwas anderes Arrangement geschrieben. Und die Band wollte offensichtlich mal sehen, wie der Lippi das macht. Als ich fertig war mit dem Song, sprang Claudius von seinem Sitz auf, applaudierte und rief "Bravo! Bravo! Hast du toll gemacht!" (lacht ...) Und dieses Lied haben sich die Zuschauer immer wieder gewünscht. Wir ließen es in einer Saison mal weg und sofort schrieben die Zuschauer in Mengen, dass sie diesen Song unbedingt wieder haben wollen. Die anderen wären auch gut, aber der "Albatros" müsse einfach sein ...

Und für die Leute, die es nicht kennen, der Song ist auch auf Deinem Album "Lippi kommt" zu finden. Dort wurde es veröffentlicht.
Ja genau, auf dieser Platte kann man sich den Song anhören, richtig.

An dieser Inszenierung hängt ja eine ganze Menge dran. Da sind nicht nur die Schauspieler, die Regisseure, sondern auch Unternehmer, die abseits und um Ralswiek herum ihr Geld mit dem Festival verdienen. Wird diese Corona-Geschichte und diese lange Auszeit die Veranstaltung denn schadlos überstehen lassen oder gibt es da vielleicht Folgen für den Einen oder Anderen?
Das kann ich jetzt gar nicht überblicken. Aber Du hast natürlich recht, "Störtebeker" ist ein Wirtschaftsmotor für die Insel. Es gibt sogar eine Zahl, dass "Störtebeker" etwa 120 Millionen Euro Wirtschaftskraft auf die Insel bringt. Allein durch die Tatsache, dass Leute dort übernachten, essen gehen oder irgendetwas brauchen. Was Du jetzt aber meinst, ist das Umfeld, was Handwerker etc. betrifft, und dies ist ein wichtiger Punkt, zu dem ich Dir aber leider wenig sagen kann. Sicher haben viele auch andere Jobs, aber wie überall haben auch dort Leute Federn gelassen, ganz ohne Frage.



Du hattest in dieser Zeit ja auch die Möglichkeit, viel Freizeit auszufüllen. Du hattest nicht nur andere Jobs, sondern mit "Glücklich" auch ein neues Studioalbum veröffentlicht. Wie "glücklich" bist Du denn mit dem Ergebnis Deiner Arbeit?
Ich bin sehr glücklich mit dem Ergebnis der Arbeit, weil diese CD wirklich mit sehr viel Hingabe und Liebe entstanden ist und auch mit einem Wiedersehen zu tun hat, nämlich mit meinem alten Freund Norbert Endlich. Ihn schätzte ich schon immer, sowohl menschlich, als auch musikalisch. Egal, wo wir waren und uns trafen, ob bei den Weltfestspielen in Moskau oder ob wir auf Tourneen bzw. gemeinsam bei größeren Veranstaltungen waren, dauerte es nicht lange, bis wir an irgendeinem Flügel standen und uns gegenseitig vorspielten, was wir gerade Neues am Start hatten. Wir musizierten einfach gemeinsam. Norbert war mit seiner Frau Carmen Nebel im Jahr zuvor - als wir noch spielen durften - bei "Störtebeker" und meinte zu Carmen, "Ach Mensch, eigentlich müsste der Kerl mal wieder was singen ..." (lacht ...) Dann schlug er mir das auch vor und ich sagte, "Na ich singe doch bei 'Störtebeker' ..." Nein, er meinte es etwas anders: "Mal wieder ein wenig Pop, Schlager oder so. Ich lass' mir mal was einfallen." Dann kam er mit dem "Morgensong" um die Ecke, das war unser erster Streich. Dazu machten wir auch noch ein sehr witziges Video. Der Direktor des "Taschenbergpalais-Hotels" in Dresden ist ein guter Freund und ein sehr netter Mensch. Er war von dem Song und meiner Idee begeistert und ich sagte "Wir bräuchten ein tolles Hotelzimmer, am besten eine Suite, in dem ein großes Bett ist, wo man diesen Song zelebrieren kann. Vielleicht mit ein paar Zimmermädchen, die mich aus dem Bett prügeln wollen, weil ich zu lange gepennt habe oder so ..." Da meinte er: "Pass' auf, wenn Ihr das macht, stelle ich Euch unsere Präsidenten-Suite zur Verfügung." (lacht ...) In dieser Suite schliefen sowohl Obama, als auch Putin und diverse andere wichtige Menschen dieser Welt. Er meinte, es wäre doch ein schöner Reigen, wenn auch Lippi dort mal was machen würde ... Wir drehten den Clip dort und das war der Anfang, das war der Start. Nach und nach öffnete Norbert sein Schmuckkästchen und schrieb mir einige tolle Songs. Das gesamte Album ist eine Art "Beziehungsalbum", ich finde es persönlich sehr gelungen, weil es um eine erwachsene Beziehung geht, in der Menschen auch schon eine Weile zusammen sind. Es gibt sogar einen Song für meine Frau Gesine, er heißt "17 Jahre lieb' ich blonde Haare". "Glücklich" - ein ironischer Umgang mit Alltagsproblemen, was mir persönlich sehr gefällt, dass man etwas spielerisch mit dem Leben umgeht. Ein wenig philosophisch, aber auch nicht zu viel ... Ich denke, da sind einige gute Sachen dabei. "Du bist sexy und du weißt es", eines meiner Lieblingslieder, "Du lässt mich sein, wie ich bin" - das sind alles Zeilen, die irgendwie mit einer Beziehung zu tun haben, dass eine Frau ihren Mann so sein lässt, wie er im Großen und Ganzen ist und nicht so sehr an ihm herumbastelt,. Also genau das, was man in seinem Alltag nachvollziehen kann. Und leider konnten wir - eben auch durch Corona - diese Songs ganz selten mal ausprobieren. Außer bei meinem ersten "Wohnzimmerkonzert" im Großen Sendesaal 1 des Berliner Rundfunks im Berlin vor ca 200 Zuschauern. Es war ein großartiger Abend und die Songs kamen super an. 2022 wollen wir mit diesem Projekt "Wohnzimmerkonzert" auf Tour gehen, wo einerseits gesungen, andererseits aus meinem Buch "Wetten, dass Erna kommt?" gelesen wird. Das ist - glaube ich - ein guter Unterhaltungsmix.

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13 Lieder sind auf dem Album, zwei davon hast Du selbst betextet, die anderen schrieben Kollegen. Unter anderen der zweite Teil von H&N, nämlich Holger Flesch, aber auch ein gewisser "Neumi" Neumann lieferte Dir einen Song. Wurde dieser Song eigens für Dein Album geschrieben oder ist das ein älteres Werk von "Neumi"?
Das ist ein älteres Werk von "Neumi" und dieses "Das steht dir gut" ist ein hervorragender Text, aber ich bin noch nicht 100%ig mit der Musik einverstanden. Es ist wirklich sehr, sehr Schlager. Ich finde immer schön, wenn man etwas am Schlager vorbei surft. Schlager schon, aber irgendwie muss es - finde ich - auch etwas groovy sein und losgehen. Aber ich denke, das packen wir vielleicht sogar noch mal an. Aber live werden wir ausschließlich unplugged arbeiten. Das ist dann noch mal eine andere Qualität und auch etwas, was hervorragend beim Publikum ankommt. - wirklich "Musizieren". Die Backings hat übrigens Kati Karney - die nicht mit Jürgen Karney verwandt ist - gesungen. Sie war vor einigen Jahren mal für den ESC nominiert, spielt wunderbar Klavier und singt ganz toll. Ihr aktives Musikerleben gab sie auf und ist jetzt Geschäftsführerin eines großen Ladens. Wir nehmen sie mit auf Tour, weil sie dann auch gleich bei der Lesung etwas übernehmen kann, denn in dieser Biographie gibt es einen "Erna"-Part. Es gibt also zwischendurch stets Stellen, an denen sich "Erna" als imaginäre Person zu Wort meldet und diese Beiträge sind sehr, sehr lustig.

Das klingt spannend ...
Früher machte ich das immer mit Schauspielerinnen, die die "Erna" dann übernahmen. Marianne Wünscher - die leider nicht mehr lebt - zum Beispiel. Es gab einige Schauspielerinnen, nun übernimmt Kati diesen Part. Und damit wollen wir auf Tour gehen und - wie gesagt - ist es uns wichtig, live und unplugged zu arbeiten. Das ist einfach geil.

Ich sagte ja schon, dass dieses Album im vergangenen Jahr erschien. Also in dem Jahr, in dem alles dicht war und kaum Konzerte stattfanden. War die Wahl des Termins zur Veröffentlichung und zum Promoten einer CD aus strategischer Sicht nicht etwas ungeschickt? Irgendwie scheint sie ja untergegangen zu sein oder täusche ich mich da?
Ja, das ist absolut richtig. Wir sind leider in diese Corona-Zeit gerutscht. Ich hatte einen ganz guten Aufschlag bei Carmen Nebel mit der ersten Single "Du lässt mich sein, wie ich bin", und danach war dann der Ofen erst mal aus. Das war wirklich sehr ungünstig für das Produkt. Aber das ging nicht nur mir so, Marianne Rosenberg und viele andere starteten zur selben Zeit und hatten die gleichen Probleme. Wir können jetzt nur versuchen, diese Lieder über die Live-Arbeit und irgendwann über die Medien - was mit deutschen Songs sehr schwer ist - an die Leute zu bringen. Ich bin zuversichtlich und wir müssen es einfach so hinnehmen, denn wir können es ja nicht ändern.

Ich habe noch eine Frage zu den angedachten Wohnzimmerkonzerten: Die wirst Du ja nicht allein mit Kati Karney machen, sondern auch mit einer Band, oder?
Also bis jetzt wird es so sein, dass Norbert, Kati und ich dabei sein werden und noch jemand mit uns musiziert, den wir noch finden müssen. Und vielleicht gibt es noch eine Moderation, aber eigentlich sind wir momentan noch dabei, das alles zu finalisieren. Eine klassische Band wird es nicht sein, eher ein "kleines Besteck", mit dem man also in kleinere Strukturen, wie zum Beispiel in Theatern mit 200 bis 300 Leuten, gehen kann.

Das werden wir dann entsprechend kommunizieren und die Leute darauf hinweisen, wenn es so weit ist ...
Also das wäre toll! Da würde ich mich wirklich sehr freuen ...

An dieser Stelle möchte ich eine kleine Zeitreise mit Dir machen, nämlich zurück zu Deinen Wurzeln. Du hast ja nicht gleich nach der Schule die Laufbahn des Sängers und Entertainers eingeschlagen, sondern hast als erstes Kfz-Mechaniker gelernt. War das zu der Zeit Dein Traumberuf oder wurde er Dir übergestülpt?
Nein, das war der absolute Traumberuf, wahrscheinlich fast aller Jungs, die so um mich herum waren. Ich wollte etwas Technisches machen, das hat mich fasziniert. Ich bin heute noch ein Auto-Fan, habe einen Oldtimer, um den ich mich kümmere. Während der Lehre stellte ich dann allerdings fest, dass die Sogwirkung der Musik, bedingt durch mein Elternhaus - mein Vater war Orchesterleiter und spielte Geige - sehr stark war. Dieses Orchester hieß Walter Lippert Tanzorchester. Das waren noch die Orchester, wo an den Notenpulten kleine Fähnchen hingen, auf denen "Walter Lippert Tanzorchester" stand. Meine Mama spielt auch mehrere Instrumente und war damals auch eine kurze Zeit in diesem Klangkörper, so lernten sich meine Eltern kennen. Insofern war Musik meine ganze Kindheit über und mein ganzes Leben bei mir. Aber es stimmt, der Lehrberuf Kfz-Mechaniker war damals mein Traumberuf.

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Du sagtest gerade, Du kannst einen Oldtimer Dein Eigen nennen. Was denn für einen?
Ein 250 SE als Coupé. Ein Sonntagsauto, wie man so schön sagt, mit dem die Leute tatsächlich nur am Wochenende fuhren. Als ich ihn als Hochzeitgeschenk von meiner Frau bekam, war er stark reparaturbedürftig, mittlerweile kann er sich aber wirklich sehen lassen. Und es ist so, die Tatsache, solch ein Ding zu erhalten, ist schon mal eine schöne Mission. Und zweitens sind alle Geschichten, die man in diesem Umfeld erlebt, herrlich. Also wenn man jemanden findet, der zum Beispiel polstern kann - so etwas gibt es kaum noch -, dann wird man dort vorstellig, man redet drumherum, über etwas völlig anderes, und dann sagt dir dein Gegenüber meistens, dass er viel zu viel zu tun hat, gar keine Zeit hat und du schon der hundertste bist, der gefragt hat und es täte ihm leid ... Aber oft war es eben so, dass mir meine Popularität zum Vorteil wurde. Gerade die Geschichte mit diesem Polsterer war herrlich: Nachdem er zunächst ganz muffelig war, sagte er "Ich kenne Sie doch", und ich dachte, na dann habe ich jetzt vielleicht Glück, dass er vielleicht meine Sendungen oder was anderes von mir mag. Ich sagte "Ja, ja, kann sein", wartete aber erst mal ab, wohin die Reise gehen wird. Na ja ... ich dachte, jetzt käme etwas zu den Sendungen, die ich so gemacht hatte - und plötzlich meinte er "Ich habe nämlich über Sie mal gelesen, dass Sie Kfz-Mechaniker sind." Ich antwortete ihm, dass es mein Lehrberuf war und plötzlich interessierte er sich dafür und ich bekam sogar einen Termin ... (lacht) Ich würde also sagen, dass ihm meine Popularität völlig wurscht war, für ihn war interessant, dass ich im weitesten Sinne ein Kollege bin. Das fand er gut und es war großes Glück für mich.

Als Fotograf sollst Du Dich ja auch versucht haben. Stimmt das?
Das war mein zweiter Traumberufswunsch. Schon als Kind interessierte ich mich für Fotografie und habe zum Leidwesen meiner Eltern damals im Badezimmer mit allen möglichen Entwicklungsflüssigkeiten rum hantiert und Fotos gemacht. Ich hatte diverse Kameras, darunter auch eine ganz alte. Ich setzte mich mit der Entwicklungsgeschichte auseinander, wie mit der Fotografie alles losging, das faszinierte mich. Dann hatte ich die Chance, in der Findungsphase in Richtung Musik noch bei drei großen Fotografen dieser Zeit im Osten arbeiten zu dürfen. Klaus-Peter Fischer, Arno Fischer, und der dritte war Ludwig Schirmer. Das waren damals in der DDR geachtete Leute, einer war Dozent in der Kunsthochschule, der andere war journalistisch unterwegs und machte Industriefotografie. Auch das war wahnsinnig interessant. Wir arbeiteten damals schon mit Mehrfachbelichtungen, mit hängendem Balg usw. Das war damals das High-End-Teil für hochprofessionelle Fotografie. Wenn man starke Vergrößerungen benötigt, muss man irgendwann mit Plattenkameras arbeiten. Dann wird das schon ein wenig "anders" ... (lacht) Heute kann ja beinahe jeder mit seinem Handy fotografieren, aber damals war das schon etwas Besonderes. Das war eine tolle Zeit und in dieser Zeit habe ich dann auch - man kann beinahe sagen haufenweise - Künstler kennengelernt, denn es kam damals auf, dass man Plakate von sich machte, und dass man dafür Portraits von sich machen ließ. Da waren wir eine gute Adresse und von Nina Hagen bis zu allen anderen möglichen Bands fotografierten wir alles. Da war ich aber noch unbekannt, hatte aber schon die Möglichkeit, in diese Branche hinein zu schnuppern.

Wann und auf welchem Weg bist Du denn dann zum Gerd Michaelis-Chor gekommen und für welche Funktion wurdest Du dort verpflichtet?
Es gab eine "Allstar-Band" in der DDR, in der u.a. Veronika Fischer, Manfred Krug, Armin Müller-Stahl und damals noch Herbert Dreilich waren. Diese Band wurde von jemandem gemanagt, der früher mal PUHDYS-Manager war. Der hat mich in einem Jazzclub angesprochen und meinte, "Du bist doch ein cleveres Kerlchen." Ich kannte die Szene ein wenig und die Leute kannten mich auch langsam und sagten, "Der Lippi ist immer lustig, mit dem kann man was anfangen." Er bot mir also etwas an: "Ich hätte einen geilen Job für Dich. Du könntest der Tour-Manager dieser Allstar-Band werden und wenn Du das machen willst, bekommst Du von mir morgen 20.000 Mark. Die gebe ich Dir, damit Du die Hotels buchen kannst und die Sache erst mal in Schwung kommt. Dann sage ich Dir, wer die zuständigen Techniker sind, Du bekommst einen Dienstwagen - einen Wartburg Tourist - und dann bist Du für diesen Laden zuständig. Traust Du Dir das zu?" Ich sagte: "Na klar." Und dann war ich das ... Das war eine tolle Zeit. Ich war immer der erste und der letzte vor Ort. Ich war also stets bei dieser Musik, zwischen diesen tollen Musikern. In abendlichen endlosen Gesprächen erfuhr ich so viel, lernte viel kennen und saugte alles von diesen tollen Leuten auf. Überleg' mal: Armin Müller Stahl, Manfred Krug - diese großen Schauspieler und auch Musiker. Günther Fischer, Veronika Fischer und und und ... Das ging eine gewisse Zeit und daraus resultierte mein Engagement beim Gerd Michaelis-Chor. Dort machte ich dann dasselbe. Ich war für die Organisation zuständig, zuständig für die Technik und auch zuständig dafür - das sage ich immer so zum Spaß -, Sängerinnen zu trösten. Das hört sich jetzt etwas komisch an, als ob ich immer mit ihnen in der Kiste war. Nein, es ging wirklich darum, dass unsere Sängerinnen fast immer unglücklich verliebt waren und sich dann bei mir ausheulten, wie schlecht doch die Männer so wären ... (lacht) Diese Zeit beim Gerd Michaelis-Chor war wirklich wahnsinnig interessant, weil wir ja die Nachempfindung der Les Humphries Singers waren. Es waren alles studierte Leute, die dort sangen und wirkliche Könner. Es gab ein eigenes Repertoire und es gab auch sehr viele Auslandseinsätze. Das war besonders spannend, auch wenn wir im sozialistischen Ausland waren. Wir waren in der damaligen Sowjetunion, wir waren in Bulgarien bei Festivals … der "Goldene Orpheus" war ein riesiges Festival, bei dem sich viele internationale Künstler die Klinke in die Hand gaben. Wir waren in Sopot. Ich konnte natürlich alle Lieder, weil ich sie ja allabendlich hörte, mitsingen. Der Gerd Michaelis Chor hatte nicht nur Live- oder Fernsehauftritte, sondern war auch immer sehr gefragt, wenn Stars ihre LPs machten. Dann war man glücklich, wenn man den Gerd Michaelis-Chor hatte, um seine Backings und Chorstimmen zu machen. Eines Tages standen wir im AMIGA-Studio in der Brunnenstraße in Berlin und der Tenor war krank. Er sagte also im letzten Moment ab und die Kollegen standen im Studio und meinten, "Mist, was machen wir denn nun? Müssen wir warten ..." Und da sagte plötzlich eine der Sängerinnen, "Na dann kann doch Lippi singen!" Ich meinte: "Häää ...???" Da sagte sie: "Ja, Du hast Dich nicht verhört! Ich finde, dass Du das singen kannst. Außerdem höre ich Dich ja immer mitsingen und finde, dass Du eine schöne Stimme hast. Also mach' doch mal!" Ich zierte mich, weil ich Hemmungen hatte und mich nicht wirklich traute. Dann meinten alle, "Also los jetzt, eiere hier nicht so lange rum, geh' jetzt da rein und sing' den Kram. Du kennst ja alles, Du kennst den Text, Du kennst die Stimme, also mach'!" Dann machte ich das und alle waren glücklich. Ich auch. Das war wirklich der erste Funke und ein paar Wochen später sagten sie dann: "Wir alle haben uns irgendwann mal für ein Musikstudium beworben, warum machst Du das nicht auch? Willst Du Dein ganzes Leben lang Techniker bleiben oder was?"

Also war das quasi der ausschlaggebende Punkt, dass Du von 1978 bis 1980 ein Klavier- und Gesangsstudium an der Musikschule Berlin Friedrichshain absolviertest?
Ja, ganz genau. Und zwar mit vielen Musikern, die man alle heute noch kennt. Von KARAT, SILLY, CITY ... Tamara Danz war sozusagen meine Banknachbarin und ich war immer ganz stolz, wenn ich ihr etwas vorsagen konnte … z.B. funktioneller Tonsatz oder den Quintenzirkel, das lag ihr nicht. Bevor das Studium begann, mussten wir alle ein phoniatrisches Gutachten vorweisen. Da wurden deine physischen Voraussetzungen untersucht, Stimmbänder, Kehlkopf etc., ob man in der Lage ist professionell zu singen. Und glücklicherweise hat mich meine Stimme nie verlassen - auch bei Wind und Wetter auf der "Störtebeker"-Bühne nicht. Und noch etwas: gleich nach der Bewerbung gab es die Frage "Warst Du schon bei der Armee?" Bei dieser Gelegenheit kam heraus, dass ich es noch nicht war, und dann musste ich eineinhalb Jahre dort antanzen. Darüber ärgerte ich mich sehr, denn es war vertane für mich Zeit.

Du spieltest in dieser Zeit auch in einer Rockband. Wie hieß die und wer spielte denn da mit?
Also die Rockband hieß PILOT und der Boss von PILOT war Hans-Peter Dohanetz, der Bruder von PANKOW-Schlagzeuger Stefan Dohanetz. Ein sehr sympathischer Kollege, Mitmensch und auch Musiker, der leider nicht mehr lebt. Und bei dieser Band war ich kurze Zeit als Sänger und das war echt Rock'n'Roll, muss ich sagen. Wir probten in Abrisshäusern in Magdeburg, manchmal bei Minus-Temperaturen. Also die Zeit war echt heavy. Diese Band habt Ihr ja auch mal auf Eurer Website unter die Lupe genommen und wie dort richtig dargestellt ist, spielten wir in der DDR-Rockgeschichte leider keine so große Rolle. Aber es war eine schräge Zeit, wir intonierten QUEEN und so etwas bei Minusgraden. Das war für mich als Sänger nicht so einfach. Leider war dieses Ensemble auch irgendwie glücklos. Wir sollten zu einem Ausscheid kommen, dann hatte der Techniker mit dem Auto einen Unfall und die komplette Anlage war zerstört. Das war ja immer irgendwelcher Westkrempel, das man sich ja wieder irgendwo her besorgen musste. Dann borgte sich Hans-Peter irgendwo Geld, damit wir wieder irgendwas hatten. Alle gaben etwas dazu, wir probten wieder in einem Abrisshaus und dann kamen eines Tages ein paar finstere Typen durch die Tür und fragten Hans-Peter, ob er das Geld schon hätte. Er stotterte dann ein bisschen rum, es würde noch etwas dauern und er könne jetzt nicht. Daraufhin zogen die einfach alle Klinken aus dem Mischpult, das wir vorher mühevoll eingerichtet hatten, und klemmten es sich unter den Arm. Sie sagten noch zu Hans-Peter, "Wenn du das Geld hast, bekommst du das Mischpult wieder." (lacht) Die waren auch so breit und so hoch, dass wir uns nicht auf eine körperliche Auseinandersetzung einlassen wollten. Man kann sagen, es war eine interessante Zeit.

Von wann bis wann warst Du denn dabei?
Das war eigentlich noch während des Studiums. Ich weiß es nicht mehr ganz genau, aber ich denke mal, so bis 1979 oder 1980. Das ganze löste sich dann irgendwie in Wohlgefallen auf ...

Ihr habt mit dieser Band allerdings auch im Studio für andere Sänger produziert, ist das richtig?
Ja. Dieser Hans-Peter Dohanetz war wirklich ein Genius. Aber er war irgendwie größenwahnsinnig. Ich würde fast sagen, dass es ein Krankheitsbild war, das war manisch. Er hatte nie Geld, hat sich immer opulente Speisen bestellt, stellte sich immer groß dar und war ein mitreißender Musiker. Ein exzellenter Pianist und auch guter Komponist. Aber er passte irgendwie nicht ins System. Ich weiß auch gar nicht, woran er so jung verstorben ist. Ich weiß nicht, ob es Krebs oder irgendwas anderes war, aber es war wohl furchtbar. Dennoch war er außergewöhnlich gut. Leider kann ich Dir nicht mehr sagen, für wen wir damals noch produzierten. Ich weiß es nicht mehr.

Die instrumentale Studioarbeit für andere Künstler betraf ja auch nicht Dich direkt, denn Du warst ja Sänger ...
Richtig. Aber diese Band wurde in solchen Produktionskreisen immer als Hoffnungsträger gehandelt. Ich weiß noch: Helmar Federowski - übrigens der Bruder von Ina-Maria Federowski - hielt stets große Stücke auf diese Leute, denn es war ein hundsbegabter Haufen. Aber in ihrem Durcheinander und durch das komische Wesen von Hans-Peter kamen sie irgendwie nicht weiter. Die waren verschuldet, es war furchtbar und ganz schwierig ...



Nach der Zeit mit PILOT - wie ging es da weiter? Bei einem Gesangsauftritt in der TV-Kindersendung Sendung "He - Du!", ist Dir dann gleich auch die Moderation dieser Sendung angeboten worden, nicht wahr?
Das war 1983. "He Du!" war eine der wenigen Live-Sendungen im DDR Fernsehen, zu der Zeit von Arnold Fritzsch moderiert, der später dann auch für mich komponierte. Nach der Sendung kam die Regisseurin zu mir und fragte mich, ob ich mir nicht vorstellen könne, die Sendung zu moderieren. Sie hätte mich beobachtet, dass ich mit den Kindern so gut klar komme und sie mir alle hinterher rennen, weil sie mich lustig finden. Und darauf sagte ich zu ihr, "Ich weiß gar nicht, ob ich so viele zusammenhängende Sätze reden kann." Sie lachte und meinte, "Das kann man alles lernen." Dann übernahm ich 1984 "He - Du!" und machte das viele Jahre. Das war meine Lehrzeit in puncto TV. Ich habe allerdings schon damals während des Studiums auch bei "Außenseiter-Spitzenreiter" mitgearbeitet. "Außenseiter-Spitzenreiter" war eine der populärsten Fernsehsendungen im Osten, die es immer noch gibt. Da war ich Assistent für Ton, Licht etc. - also technischer Hintergrund. Und dann kam Horst Krüger als Komponist, der mich unter seine Fittiche nahm, wo auch Tamara Danz und Gerti Möller beim Chor UNTERNEHMEN MÜNCHEHOFE sangen. Dort lernte ich sehr viel: Vom Blatt singen, im Studio für andere Künstler arbeiten. Wir arbeiteten in den Studios fast ausschließlich nachts, weil die tagsüber von den fest Angestellten Musikern besetzt waren. Das war eine tolle Zeit. Dann begann Horst Krüger für mich zu komponieren und die Songs gab es auf der ersten "Kleeblatt"-Platte. "Kleeblatt" war etwas für die Einsteiger, die Newcomer und "Kleeblatt" einfach deshalb, weil sie Glück bringen sollte. Da war ich mit Eva-Maria Pieckert und weiteren Solisten, die später auch sehr bekannt wurden, vertreten. Das ganze ging weiter und als nächster Komponist kam Franz Bartzsch, der mir wundervolle Lieder komponierte. Er schrieb ja für Veronika Fischer und es war eine Ehre für mich, dass er auch für mich schrieb. Als junger Künstler mit einem Repertoire von diesem tollen Komponisten … ich war glücklich. Aber plötzlich blieb Franz Bartzsch im Westen. Er kam von einer Reise aus Westberlin nicht zurück und somit kamen alle meine Lieder, die er für mich geschrieben hatte, auf den Index und durften nicht mehr gespielt werden. Ich war quasi ein junger Künstler ohne Repertoire.

Vroni Fischer hatte ja das gleiche Problem ...
Ja. Das war wirklich bitter, denn ich hatte ja auch noch keinen großen Namen. Ich musste mich also anders orientieren, Horst Krüger schrieb noch etwas und irgendwann kam Arndt Bause. Nach dem Studium war ich beim Komitee für Unterhaltungskunst. Dieses Komitee war eine Institution, die junge und hoffnungsvolle Künstler unter ihre Fittiche nahm und ihnen zusätzliche Ausbildung spendierte. Also kostenlose Ausbildung in Gesang, Sprecherziehung, Psychologie, Schauspiel, Szenenstudium, Regie, Steptanz, Jazzdance ... Und das ging laufend, aber alle halben Jahre mussten die Künstler zeigen, ob sie etwas dazu gelernt hatten. Da gab es Veranstaltungen, vor denen wir immer sehr aufgeregt waren, denn diese Veranstaltungen waren für unsere weitere Teilnahme sehr wichtig. Diese Veranstaltungen hießen "Rechenschaftslegung". Das war ein wirklich doofer Name für eine Veranstaltung, aber sie hießen so. Und bei dieser Gelegenheit lernte ich Arndt Bause kennen. Und genau der sagte zu mir, "Du bist ein netter Kerl, aber Du hast die falschen Lieder, Du brauchst etwas anderes", und dann schrieb er für mich "Erna kommt".

Schrieb er das für Dich oder hatte er das schon in der Schublade?
Nein, das schrieb er für mich und den Text dafür schrieb Wolfgang Brandenstein, der leider im vergangenen Jahr verstorben ist.

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Stimmt es eigentlich, dass "Erna" in Anlehnung an Deine Großmutter entstand?
Nein, das war ein Zufall. Meine Großmutter hieß zwar Erna, aber es war tatsächlich lediglich ein schöner Zufall ...

Du gingst mit dieser Nummer quasi völlig durch die Decke, sie wurde ein Hit, man kann fast sagen, Dein größter Hit. Hast Du eine Ahnung, warum man Dich damit nicht auch in der BRD an den Start gehen ließ, stattdessen mit Hugo Egon Balder den Song dort erneut aufnahm?
Ja, ich weiß das genau. Zu diesem Zeitpunkt durfte ich nicht in den Westen reisen, weil meine damalige Freundin mit ihrem nächsten Freund nach Holland ausgereist war. Er kam aus dem Umfeld von Herman van Veen, und somit war ich kein Reisekader, weil man vermutete, wir könnten uns dort wiedertreffen. Das war für mich das "Aus" und Jack White wollte diesen Titel grundsätzlich mit mir im Westen auch noch mal aufnehmen. Dann fand er aber Hugo Egon Balder, der sang dann diesen Song und war damit auch einigermaßen erfolgreich. Einige Leute dachten auch immer, er wäre derjenige, der dieses Lied zuerst gesungen hat. Ich hätte es ihm gegönnt, aber es war nicht so. Es gab später - nach der Wende - sogar eine gemeinsame Fassung mit uns beiden ...

Nun ist so ein Hit für manchen Deiner Kollegen ja eher ein Fluch. Man wird ständig daran festgemacht, darauf angesprochen, dabei hat man doch noch so viel mehr tolle Songs im Repertoire. Ist das bei Dir auch so?
Ja, ich habe wirklich eine ganze Menge mehr in meinem Repertoire, aber ich bin diesem Lied auf ganz besondere Weise dankbar, denn es war der Schlüssel in die Branche, der Schlüssel ins Fernsehen, der Schlüssel ins Radio, der Schlüssel in die größere Öffentlichkeit.

Ab Mitte der 80er Jahre hast Du vermehrt als Moderator und Entertainer im TV gearbeitet und weniger als Sänger. Ließ dieser Erfolg dort den Job als Sänger mit eigenen Platten und Tourneen etwas in den Hintergrund treten? Blieb dafür keine Zeit mehr?
Ja, so kann man es wirklich sagen. Dafür war keine Zeit und die Zeit, in der man im Fernsehen Entertainer wie Peter Alexander oder Vico Torriani hatte, die alle moderierten und dazu auch noch sangen, war vorbei. Das war zu meiner Zeit gar nicht mehr so en vogue. Obwohl ich zum Beispiel bei meiner Samstagabendsendung "Glück muss man haben", die es sogar bis nach der Wende gab, immer diesen Einstiegssong gesungen habe. Aber diese Zweigleisigkeit war einfach schwierig. Es geht einigen Leuten so, weil sie singen und moderieren. Die Leute fragen sich dann, "Was ist er denn nun? Ist er Sänger oder ist er Moderator?" Man könnte ja sagen, "Na klar, er ist beides", aber das ist irgendwie etwas schwierig. Dafür gibt es mehrere Beispiele. Barbara Schöneberger machte eine superschöne Platte, aber sie ist Moderatorin. Karsten Speck machte tolle CDs, aber er war Moderator usw. Ich weiß nicht, ob es ein deutsches Phänomen ist, aber es ist so und das ist schade. Somit trat die Musik in den Hintergrund. Ich musizierte nebenher natürlich dennoch, wenn ich Auftritte hatte, Galas moderierte. Dann sang ich eben was aus dem Repertoire, denn es gab ja auch diverse neue Lieder. Aber Moderation bei Radio und Fernsehen war erst mal vordergründig.

Und das sehr erfolgreich, denn Du wurdest in der DDR ja Fernsehliebling des Jahres und das hat das Publikum bestimmt und nicht irgendeine Fachjury. Das ist ja doch etwas wertiger ...
Das wollte ich gerade sagen. Es ist wirklich ein Unterschied, wenn ein Publikum dich kürt. Darauf bin ich auch sehr stolz. Und zu dieser Zeit war ich wirklich sehr viel im Fernsehen ...

Du hast viele Sendungen gemacht und Du hast damit dann natürlich auch diese in der Wendezeit wenig "Abbruch" gehabt, denn Du warst immer präsent und Höhepunkt dieser Zeit war dann 1992, dass Du von Thomas Gottschalk die Sendung "Wetten, dass ...?" übernommen hast. Wie kam es dazu?
Es gab noch mal so ein verrücktes Ding, dass ich kurz vor der Maueröffnung bei Frank Elstner in der Sendung "Nase vorn" war. Dort war ich ohne Genehmigung. Ich hatte zwar einen Pass, ein Visum für Westberlin, aber keine Genehmigung - also eigentlich eher ein Verbot - in einer Fernsehsendung aufzutauchen. Ich machte es aber trotzdem, weil mich Frank fragte und ich riskierte es einfach. Ich riskierte den Ärger, den ich natürlich auch bekam, denn die Grenze war noch zu und niemand wusste, wohin die Reise gehen würde. Das war wirklich ein Knall, es erregte Aufsehen. Diese Sendung sahen 18 Millionen Menschen in Europa, in der mich Frank Elstner als Ostberliner Kollegen ankündigte und ich einen Auftritt bei ihm hatte. Das war grandios. Irgendwann resultierte daraus dann auch, dass ich der erste DDR-Moderator war, der - noch bei geschlossener Grenze, - eine eigene Sendung im Westen hatte. Und diese Sendung hieß "Stimmt's" ...

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Wie sah denn der angesprochene Ärger hinterher für Dich aus?
Na, ja, ich musste bei meinem Intendanten des Ostfernsehens antanzen und es stand etwas auf der Kippe, dass er mir meine Sendungen, die ich im Ostfernsehen hatte, streicht. Das waren die Kindersendung sowie die Samstagabendshow "Glück muss man haben". Das war gefährlich, auch politisch gefährlich. Wenn du heute bei Sat.1 rausfliegst, kannst du noch zu RTL oder zu PRO7 oder meinetwegen VOX gehen. Wenn du damals beim DDR-Fernsehen rausgeflogen wärst, wäre das einem Berufsverbot gleichgekommen, weil dich niemand mehr angepackt hätte. Also das war schon gefährlich, verlief aber gut. Ich bin nun deshalb kein Freiheitskämpfer, aber beruflich war es gefährlich für mich. Danach moderierte ich diverse Dinge für das ZDF, große Einzelstücke schon, und so war ich dort schon etwas bekannt. Irgendwann erzählte mir ein BILD-Zeitungs-Redakteur in Leipzig: "Du Lippi, der Gottschalk hat keine Lust mehr, "Wetten dass ...?" zu machen." Ich sagte, "Aha? Na ja, das weiß ich nicht, kann sein ..." Er sagte daraufhin, "Ja, der will zu RTL und sagte, es wäre langweilig, irgendwelche LKWs auf Bierkästen zu stellen. Man müsse jetzt mal irgendwas anderes machen." Ich meinte dann, "Na ja, wenn er meint ..." Darauf kam die Frage, "Und? Willst Du Dich nicht bewerben?" Ich dachte, die werden genügend andere Leute haben, die sich dafür interessieren. Ich war zu dieser Zeit zufällig in Mainz und kannte den Unterhaltungschef schon, der damals Jürgen Naumann hieß. Zu ihm fuhr ich in die "Unterhaltungsetage", klopfte an seinem Büro und sagte, "Wolfgang, ich habe gehört, 'Wetten, dass ...?' wird frei." Er meinte, "Moment, Beruhig' Dich mal ..." Ich sagte, "Nein, ich wollte gar nicht irgendwie aufdringlich sein, ich wollte Dir nur sagen für den Fall, dass Du niemanden findest, der es machen will, ich würde es machen." Ich drehe mich auf meinem Hacken um und verließ sein Büro wieder. Dann lachte er noch ein wenig und wünschte einen schönen Tag. 14 Tage später rief er bei mir zu Hause an und sagte, "Wir müssen uns treffen in Berlin, Dein Leben wird sich verändern." Mehr sagte er nicht. Dann fuhr ich in den "Schweizerhof" nach Berlin und er verkündete mir, "Ab September wirst Du der neue Moderator von 'Wetten, dass ...?' sein." Ich sagte, "Okay, prima. Machen wir ..." (lacht)

Du hast ja dann bei "Wetten, dass ...?" quasi auch viele große Stars kennen lernen dürfen. Eine besondere Geschichte gab es da mit Paul McCartney. Viele Deiner Kollegen wurden Musiker wegen der BEATLES und Du hast dann Paul McCartney sogar sehr nah sein dürfen, wenn man das so sagen kann ...
Ja, das kann man wohl sagen. Es gab ja einige Menschen, die mir bei "Wetten, dass ...?" begegneten. Das waren nicht immer nur die Promis, sondern auch manchmal die Kandidaten, die beeindruckend waren. In meiner ersten Sendung war ein blindes Mädchen, das mich ungeheuer beeindruckt hat mit ihrem Lebensmut, mit ihrem Tough-Sein und ihrer Fröhlichkeit. Aber eben auch Montserrat Caballé oder Phil Collins. Aber auf Paul McCartney freute ich mich natürlich ganz besonders, weil die BEATLES zu meiner Generation genau passten. Der Manager fragte mich kurz vor der Sendung, "Welche Fragen haben Sie an Paul?" Ich sagte, "Na ja, die und die und die und die ..." Er sagte darauf, "Tun Sie mir einen Gefallen und vergessen Sie die Fragen." Ich fragte, "Wieso, sind die schlecht?" Er darauf, "Nein, aber Paul hat sein Leben lang Fragen beantwortet. Versuchen Sie einfach, dass er sich wohlfühlt. Und wenn er sich wohlfühlt, dann wird es ein schöner Abend. Das können Sie." Gut, dann sang Paul gemeinsam mit Linda - die damals noch lebte - den Song "Hope Of Deliverence", wir saßen auf dem Sofa, flachsten herum und ich fragte ihn, ob sein Hund "Wau wau" oder "Yeah yeah" macht ... Die beiden hatten in dieser Zeit sehr viele Tiere und auch Landwirtschaft. Wir redeten über viele schöne Dinge und dann gab es noch einen Stein des Anstoßes, weil er nach seinem Auftritt ungeheuer schwitzte. Er saß auf meinem Sofa und er tat mir richtig leid, dass er so schwitzte. Er tupfte sich dann ein wenig selbst ab und ich hatte angenommen, dass ein Maskenbildner kommen und dem netten Menschen den Schweiß etwas abtupfen würde, wie man so was eigentlich macht. Es kam aber keiner und ich hatte ein Taschentuch in meiner Hosentasche. Damit tupfte ich ihn noch etwas an seiner Schläfe ab und war der Hoffnung, dass die Kameraleute einen Publikumsschnitt machen würden. Aber es war auf den Bildschirmen zu sehen, die Leute applaudierten und auch Paul beschwerte sich überhaupt nicht. Aber die BILD-Zeitung machte daraus eine Schlagzeile. Und dann teilten sich dann plötzlich die Meinungen: "Darf ein Moderator so etwas?" Paul schrieb uns danach noch einen Brief, dass er sich besonders wohlgefühlt habe und beschwerte sich über nichts. Ich muss auch sagen, dass ich diesen Schritt nicht bereue.

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Es machte die ganze Sache menschlich und auch sympathisch, fand ich. Die Diskussion damals verstand ich auch nicht ...
Ja, aber da teilten sich wirklich die Geister. Die einen meinten "Das ist eine menschliche Geste. Es ist zwar ein Super-Super-Superstar, aber auch ein Mensch und der Lippert wollte einfach nicht, dass er da so sitzt und vor sich hin schwitzt ..." Ich sagte dann öfter mal, "Ja, da muss jeder seinen Weg finden. Es ist einfach meine Art und mein Wesen. Ich machte es und bereue es nicht." Und darüber hinaus sagte ich vor allen Dingen, "Wenn ich mal in finanzielle Nöte komme, dann habe ich ja ein Taschentuch mit dem Originalschweiß von Paul McCartney, das kann ich dann bei Ebay versteigern ..." (lacht)

Da muss man dann schon sagen, da hat Dein Vorgänger und auch gleichzeitig Nachfolger viel mehr Anlass gegeben, sich aufzuregen, wenn er den weiblichen Gästen stets ans Knie gefasst hat, fand ich das wesentlich übergriffiger als das, was Du da gemacht hast ...
Na ja, das finde ich auch. Ich finde, man muss immer sehr vorsichtig sein. Wir leben ja in einer einigermaßen prüden oder vorsichtigen Zeit. Wir machen uns manchmal selbst Angst und ich habe manchmal Sorge, dass wir uns gar nicht mehr vermehren, wenn wir so weitermachen. Wenn man dem anderen Geschlecht nicht mal mehr sagen darf, dass man es toll findet, ohne Gefahr zu laufen, dass man irgendwie sexistisch oder gar übergriffig wird. Das ist schon immer ein schmaler Grat gewesen und wird es auch bleiben. Meine persönliche Meinung ist ebenfalls, dass dieses "Knie-Anfassen" nicht schön ist. Berühren ist etwas anderes, aber das gefällt mir auch nicht ..

Da gibt es noch andere Sachen bei Herrn Gottschalk, die einem nicht gefallen. Aber er ist ja Everybodys Darling und darf ja alles.
Ja, der darf so alles. Er ist ein hervorragender Kollege, brachte damals Schwung in diese Sendung, aber es gibt eben auch ein paar Dinge, die man nicht mehr beurteilt. So wie Harald Juhnke ungestraft trinken durfte, erreichte er eben auch, dass man sich darüber nicht weiter auslässt. Und gerade Thomas schrieb ja in seinem Buch "Herbstblond", dass genau dies für ihn der Anlass war, sich wieder um "Wetten, dass ...?" kümmern zu müssen, und das ist natürlich Blödsinn.

Das wäre meine nächste Frage gewesen: Hast Du freiwillig wegen Gegenwind den Rückzug begangen oder wurde Dir der Stuhl vor die Tür gesetzt?
Also man muss sagen, dass mein Vertrag nicht verlängert wurde, was natürlich dasselbe ist. Und das ist so etwas, was ich als im Osten Geborener damals nicht in meiner Überlegung hatte. Ich hatte die Wahl zwischen zwei-, drei- und fünfjährigen Verträgen. Und ich sagte in meiner Leichtigkeit und vielleicht auch Naivität, "Ach, zwei Jahre sind doch gut. Wenn ich euch nicht gefalle, dann werdet ihr mich nach zwei Jahren sowieso entfernen. Wenn es aber funktioniert und die Quote stimmt, dann werde ich eben bleiben." Da war es natürlich schade, dass man nicht für sich selbst eine Art Sicherheit einbaute. So nach dem Motto, "Ich habe einen Vertrag über fünf Jahre und wenn ihr mich los sein wollt, dann zahlt mich eben aus." Dass man also hätte sagen können, "Ich leiste mir mal ein halbes oder ein Jahr Pause, organisiere mich neu, versuche, neuen Boden zu finden." Das war ein Fehler von mir. Aber das war die unerfahrene Seite derer, die aus dem Osten kamen. Alles in allem bin ich der Tatsache dankbar, dass ich diese Sendung zwei Jahre lang moderieren durfte. Ich habe ganz viel gelernt, ich lernte interessante Menschen kennen, ich sammelte Erfahrungen. Ich bin im Nachhinein auch nicht gram darüber, es ist okay.

Muss es ja auch nicht, denn Du hast immer wieder den Weg zum Publikum gefunden. Du machtest andere Sendungen, wir sprachen über die "Störtebeker"-Festspiele und vor einigen Jahren übernahmst Du von Muck wieder ein großes Format, nämlich "Damals war's". Was ist es für ein Gefühl, wenn man einmal im Monat auf eine Zeitreise gehen kann?
Das ist ein schönes Gefühl. Ich war ja nie jemand, der sich unbedingt immer die eigenen Sendungen ansah. Manchmal wollte ich das einfach nicht. Es ist eigentlich gar nicht so schlecht, man sollte sie sich schon ansehen, weil man dann auch Fehler sieht. Bei "Damals war's" ist es so, dass ich mir die Sendung tatsächlich ansehe. Diese Idee, anhand von gewissen Dingen wie Sport, Kultur, Mode und sehr viel Musik ein gewisses Jahr zu identifizieren, macht Laune. Dummerweise weiß ich natürlich - weil ich es ja moderiere und mitdenke -, welches Jahr gesucht wird. Es macht aber trotzdem Spaß, da zuzusehen und sich bei dieser Gelegenheit selbst an diese Zeit zu erinnern. Was hat man selbst in dieser Zeit gemacht, erlebt usw. Das ist der Zauber dieses Formats und als mich der MDR fragte, ob ich es - weil Muck sich zur Ruhe setzen möchte - übernehmen wolle, sagte ich sofort, dass ich das sehr gerne mache. Ich sagte auch, "ihr wollt ja immer unbedingt junge Leute, so ganz jung bin ich ja nicht mehr ..." Sie meinten aber, in diesem Fall wäre es von Vorteil, wenn jemand etwas gelebtes Leben hinter sich hat und solche Dinge erzählt.

Dieses Format gibt es ja nun schon fast ein viertel Jahrhundert. Ich weiß gar nicht, wie oft so verschiedene Jahre schon vorkamen. Wie lange kann man so etwas machen? Gibt es noch genügend Material für die kommenden 25 Jahre?
Im Laufe der Sendereihe haben sich auch schon verschiedene Jahre wiederholt. Wir haben die Ereignisse allerdings neu "gemixt" Ich denke die Erinnerungskultur ist gerade in der heutigen zu großen Teilen auch ungewissen Zeit wichtig. Und Erinnerungen können auch jüngeren Datums sein. 2022 spendiert der MDR sogar ein neues Bühnenbild, das ist ein gutes Zeichen in einer Zeit, in der sehr viel gespart wird. Und ich wünsche mir, dass wir auch ein wenig mehr ins Internet wandern. Im kommenden Jahr wollen wir mit einer Live-Sendung Neues ausprobieren z.B. Call-Ins von Zuschauern möglich machen, die sich mit ganz persönlichen Dingen (Video, Foto, Geschichte etc.) an ein bestimmtes Jahr erinnern. Wir denken auch darüber nach das Prinzip einfach mal umzudrehen. Wir benennen das Jahr aber die Beiträge werden über die gesamten Sendung zwei oder drei Fehler enthalten. Also Dinge, die nicht in diesem Jahr passierten. Nun bin ich gespannt, wie und ob das funktionieren wird. Das wollen wir 2022 auch noch testen.

Also die Frage danach, wie lange man so etwas betreiben kann, kann man nicht beantworten, aber Euch fallen immer noch neue Dinge ein. Das ist schön ...
Ich würde sagen: Erstens geht die Zeit weiter und zweitens hat die Erinnerungskultur meiner Meinung nach Konjunktur. Weil die Menschen sich grundsätzlich gern erinnern, um ein bisschen Ordnung in ihr Leben zu bringen, um zu rekapitulieren und weil die Zeit, in der wir leben, ja doch einigermaßen bewegt und nicht unbedingt die stabilste ist. Das geht fast jedem so und ich glaube, dass dies zuträglich für eine Erinnerungskultur ist. Eben einfach, dass man festen Boden unter seine Lebensläufe bekommt. Das man sagt, "Na klar, da war ich damals, diese Hose hatte ich auch, geil, ach toll ... Na klar, diesen Song haben wir damals als Band nachgespielt ..." Das möchte ich gerne mehr kultivieren. Du sagtest vorhin einen schönen Satz, dass ich immer wieder den Weg zum Publikum fand, darüber freute ich mich sehr. Weil es so ist. Es ist mein Ansinnen und dann ist es wurscht, ob du eine große oder eine kleine Sendung machst. Es gibt nur gut oder schlecht. Und das wäre auch noch ein Weg, dass ich in diese Sendung besondere persönliche Erlebnisse integrieren möchte. Von mir aus von Prominenten, aber auch von normalen Leuten. Daran bastle ich jetzt in meinem Kopf und mit meinem Team und ich denke, dass dies auch redaktionell interessant sein könnte.

Du bist seit den 70er Jahren aktiv und hast entsprechend auch schon ganz viele Interviews gegeben. Was ist die Frage, die Du am meisten gestellt bekommen hast, was will man immer wieder von Dir wissen?
Eine gute Frage (denkt nach) Diese "Erna-Frage" kommt natürlich oft. Was mir mehr Spaß macht - Fernsehen oder Musik machen. Es kam ja noch eine dritte Ebene hinzu, nämlich die Schauspielerei. Ich habe mich immer dafür interessiert und hatte auch eine Schauspielausbildung. Ich spielte mal zwei Spielzeiten beim "Jedermann" mit, habe mit meinem Freund, dem berühmten Herbert Köfer - der nun leider mit 100 Jahren verstorben ist - Tourneen gemacht. Dieser Herbert Köfer, wirklich mein väterlicher Freund, wollte immer unbedingt, dass ich Schauspieler werde. Er sagte immer, "Wolfgang, Du bist eigentlich Schauspieler. Das mit dem Moderieren ist alles schön, Singen alles prima, aber eigentlich musst Du Schauspieler werden." Ich sagte allerdings, "Nein Herbert, ich glaube, ich bin da sehr glücklich mit alldem." Und ich bin neugierig, mich auszuprobieren und dabei die Leute nicht nur miterleben zu lassen, wie ich mich ausprobiere, sondern es muss natürlich auch etwas Professionelles dabei rauskommen. Und mich fragen die Leute auch, wie man so viele Jahre mit allen Höhen und Tiefen übersteht. Ich glaube, bei mir ist es wirklich der Spaß an der Sache und dieser wirklich schöne Satz, den Weg zum Publikum zu finden. Das ist ein Satz, den werde ich mir wirklich merken. Ein ganz einfacher eigentlich, aber er gefällt mir gut, weil das unser Ansinnen sein sollte ... Wir müssen natürlich viele andere Dinge machen. Wir müssen clever sein, wir müssen die Chefs kennenlernen, die uns besetzen. Wir müssen uns gut darstellen können. Aber der eigentliche Punkt ist, dass man seinen Weg zum Publikum finden sollte ... (lacht)

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Da mache ich noch die Gegenfrage, ich hatte Dich jetzt gefragt, welche Frage Dir am häufigsten gestellt wurde. Jetzt frage ich nach einer, die Du noch nie gestellt bekommen hast, die Du aber gerne mal beantworten möchtest ...
Das weiß ich jetzt nicht so richtig. Es gab schon sehr viele Interviews ... Ich bin zwar immer noch im Geschäft, aber nicht in der ersten Reihe, so wie Barbara Schöneberger oder Günter Jauch oder was weiß ich wer. Aber das ist okay, ich bin nicht gram und wenn du so ganz vorne bist, dann bist du ständig irgendwie verfügbar, ständig will jemand etwas von dir wissen, ständig sollst du dich zu etwas äußern. Deshalb legte ich immer Wert darauf, wenn nach einer großen Sendung eine Reihe von Journalisten um mich herum standen, wartete ich oft auf die, die ganz hinten standen. Das waren Schülerreporter usw. und von denen kamen oftmals die interessantesten und ungewöhnlichsten Fragen.

Eine wichtige Frage habe ich noch. Im kommenden Februar feierst Du einen runden Geburtstag, ich glaube, Du wirst 50 ...
Ja, genau! (lacht) … so ungefähr

Wird es dazu eine große Party geben und wird Dein Haus- und Heimatsender MDR Dir möglicherweise sogar eine eigene Show widmen?
Das weiß ich bis jetzt noch nicht. Verlangen würde ich es nicht und bis jetzt bin ich eigentlich noch unschlüssig, noch mal groß alle genau darauf hinzuweisen. Ich würde lieber flockig weitermachen, im leichten Jogging-Tempo durch den Beruf eilen, denn ich habe noch viel vor. Gerade ist noch Radio mit meinem alten Kollegen Jürgen Karney dazugekommen. Im Frühjahr z.B. eine Tournee mit Inka. Ich würde lieber andere Menschen unterhalten, als mich in den Mittelpunkt zu stellen. Bei uns, die eigentlich für die Unterhaltung anderer zuständig sind, ist es wie beim Schuster mit den schlechtesten Schuhen. Diese Selbstinszenierung klappt immer irgendwie nicht so richtig ... (lacht)

Man könnte es natürlich auch so formulieren, dass Du für den Preis für das Lebenswerk eigentlich noch zu jung bist ...
Danke! Mein Freund Frank Elstner bekam nun schon einige Male den Preis für sein Lebenswerk, und irgendwie beschleicht ihn immer ein komisches Gefühl in der Art, "Meint ihr jetzt, das war's?" Es ist natürlich eine Ehrung für seine lange Berufstätigkeit. Aber irgendwie hat es auch eine gewisse abschließende Komponente, einen Preis für sein Lebenswerk zu erhalten. Ich bin ja sowieso nicht so der Preistyp.

Außer "Fernsehliebling des Jahres" ...
Ja, das ist wunderbar, das war toll. Als mir der Chefredakteur der damals zuständigen "FF Dabei" diese Trophäe in der Live-Sendung übergab, erlaubte ich mir übrigens die freche Bemerkung, "Das sieht ja fast aus, wie eine Nachttischlampe" ... (lacht) Die Zuschauer lachten glücklicherweise alle mit.

Wie bist Du ins neue Jahr gekommen , und was wünschst Du Dir für 2022?
Wir waren auf unserer geliebten Insel Rügen und haben das Jahr mit unseren Freunden begrüßt. Für 2022 wünsche ich mir, dass wir uns alle wieder etwas näher kommen dürfen, möglichst bald in ein normales Alltagsleben, mit Begegnungen, Veranstaltungen, Konzerten kommen. Das wir Künstler, den Weg zum Publikum finden und das Publikum den Weg zu uns zurück.

Den Wunsch teile ich mit Dir ... Möchtest Du an dieser Stelle noch ein abschließendes Wort für unsere Leser loswerden?
Ja, ich finde Deine Arbeit toll. Dass Du einerseits wie ein Archivar, anderseits aber auch mit Stimmung/Haltung - wie es sich für UnterHALTUNG gehört - arbeitest. Also nicht nur Fakten über Menschen, Musiker und Institutionen. Das gefällt mir und ist für die Leser ganz sicher interessant, ansonsten wäre es ein Duden oder ein Heimatabend. Es ist ein Abbild der Zeit, und worüber ich mich besonders freue, dass es in den Osten hineinreicht, in dem wirklich sehr viele Künstlerpersönlichkeiten entstanden sind und dass sie dadurch ein Podium haben. Auch die, die vielleicht nicht mehr aktiv oder erfolgreich sind. Mir gefällt gut, dass jemand ein Bild von ihnen zeichnet und man weiß, wen und was es alles gab.

Oh, vielen Dank dafür und auch für dieses Gespräch!



Interview: Christian Reder
Übertragung: Mike Brettschneider
Fotos: Pressematerial Telamo/Wolfgang Lippert, Benjamin Weinkauf




   
   
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