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Es gibt sicher Leute im Land, die mit dem Namen Stefan Zauner nicht direkt etwas anfangen können. Das sollte sich in Anbetracht seiner tollen Arbeit als Komponist, Produzent und Sänger aber schnell ändern. Seine Kreativität und seine einzigartige Stimme hat er bis vor knapp drei Jahren noch in den Dienst der Gruppe MÜNCHENER FREIHEIT gestellt. Die wiederum dürfte vielen ein Begriff sein, feierte die Kapelle doch in den 80ern und 90ern große Erfolge auch im Ausland. Im zarten Alter von 60 Jahren startete (oder besser startete er erneut) eine Solokarriere und stellte mit "Zeitgefühl" im Jahre 2012 das erste Album nach der Münchener Freiheit in die Plattenläden. Keine zwei Jahre später steht mit "FABELhaft" schon das zweite Album in den Startlöchern. Dieses Album nahmen wir zum Anlass, Stefan für ein Interview zu uns einzuladen. Wir trafen auf einen aufgeräumten und sehr freundlichen Musiker, der die neu gewonnene Freiheit bei seiner Arbeit sichtlich und hörbar genießt, und mit dem wir uns nicht nur über die neue Platte unterhalten konnten ...
 

 

001 20140311 1512939339Hallo Stefan, am 21. März erscheint Dein neues Album "FABELhaft". Ich hatte bereits die Gelegenheit, hinein zu hören. Es ist drei Jahre nach Deinem Ausstieg bei der Münchener Freiheit bereits Dein zweites Soloalbum. Hast Du so viele neue und gute Ideen oder sind auch Stücke darunter, die vielleicht für die Freiheit gedacht waren, aber nie verwendet wurden?
Das ist eine gute Frage, da muss ich erst mal überlegen. Für das neue Album habe ich keine älteren Kompositionen verwendet. Bei dem letzten Soloalbum, "Zeitgefühl" im Jahre 2012, waren zwei oder drei Stücke dabei, die ich bereits während meiner Zeit bei der Münchener Freiheit gemacht habe. Da hatte ich aber noch kein Konzept für ein eigenes Album im Kopf. Diese Lieder habe ich damals einfach so komponiert und es darauf ankommen lassen, wie sie ankommen. Als ich dann ausgestiegen bin, hatte ich zuerst gar nicht den Gedanken, ein Soloalbum zu machen. Eigentlich wollte ich Lieder für andere Künstler schreiben oder produzieren. Ich bekam aber immer wieder die Antwort, dass meine Kompositionen sehr nach Münchener Freiheit klingen. Nach dem fünften oder sechsten Stück habe ich mir gedacht, "Jetzt habe ich genügend Songs zusammen, um mal wieder ein Soloalbum zu machen." So ist die Idee gewachsen, wieder etwas Eigenes zu machen. Ursprünglich war mein Austritt bei der Münchener Freiheit nicht damit verbunden, solo weiter zu machen.

Als musikalische Partnerin hast Du mit Petra Manuela Deine Lebenspartnerin - übrigens genau wie beim Album "Zeitgefühl" 2012 - wieder mit eingebunden. Wie hat sich das mit der gemeinsamen Sache zwischen Euch entwickelt? Hast Du sie zur Musik geführt oder war sie schon vorher als Sängerin aktiv?
Als Sängerin war sie nicht aktiv, nein. Sie hat sechs Jahre lang Akkordeon gelernt und eine tolle Stimme. Ich hab' das immer bemerkt, wenn wir im Auto unterwegs waren und sie bei einigen Liedern mitgesungen hat, dass sie relativ sicher ist und auch die Töne trifft. Ich hab' bei der Produktion der ersten Platte ganz spontan gesagt, "Komm, wir singen mal ein Stück gemeinsam." Daraufhin habe ich das Lied "Tick Tack" geschrieben und wir haben es aufgenommen. Allerdings nicht mit dem Ziel, dass es auch wirklich angenommen wird und auf das Album mit drauf kommt. Das wurde dann ja sogar als Single ausgewählt. Darüber waren wir beide sehr erstaunt. Vor allem Petra, die dann natürlich auch mit vor die Fernsehkamera und mit Interviews geben musste. Für sie war das ein Sprung ins kalte Wasser. Das hat uns beiden aber so viel Spaß gemacht, dass wir diese Idee wieder aufgegriffen haben und das für das neue Album sogar noch mehr forciert haben. Auf "FABELhaft" sind es sogar fünf Stücke geworden, und zwei davon singt sie sogar solo, nämlich "Die Zigarette danach" und "Gib mir den Traum zurück". Ich finde das als eine große Bereicherung. Gerade auch bei 18 Stücken, die auf dem Album enthalten sind, ist so eine Auflockerung ganz schön.

002 20140311 1936181177Beim Albumtitel "FABELhaft" ist das Wort "Fabel" in Großbuchstaben, das "haft" klein geschrieben. Wieviel Fabel steckt denn in dem Album, bzw. was hat Dein Album mit Fabeln zu tun?
Die Idee zum Titel "FABELhaft" kam auch von Petra. Zwischen dem Anfang der Platte, wo sich eine Tür öffnet, und dem Ende des letzten Stücks, wo die Tür wieder zu geht, ist man in einer Musikwelt, in der der Phantasie keine Grenzen gesetzt sind. Ich habe mir auch nie gesagt, dass ich für mein Album diesen oder jenen Stil brauche oder in eine bestimmte Richtung gehen will. Ich habe die Lieder einfach so komponiert, wie sie mir eingefallen sind. Es ist wie eine Fabelwelt, kann man sagen. Musik hat im entferntesten Sinne ja auch etwas mit Fabeln zu tun, weil man der Phantasie sehr viel Freiheit lassen kann. Wir haben für das Album-Cover und den Titel nach einem musikalischen Überbegriff gesucht und Petras Idee fand ich spontan sehr gut und passend für diese Musik. Zuerst dachte ich, Petra meint mich damit, aber sie meinte dann doch die Musik (lacht).

Du hast das gerade ja schon angesprochen: Wenn man die CD startet, hört man Schritte, jemand kommt an und öffnet eine Tür. Am Ende der CD wieder Schritte, jemand geht und schließt eine Tür. Das Album beginnt mit dem Song "Der Morgen" und endet mit "Der Abend". Das erweckt auf den ersten Blick den Eindruck, es könnte konzeptionell angelegt sein. Das Album selbst verfolgt aber keinen offensichtlichen roten Faden.
Das ist praktisch der Eintritt in die Fabelwelt und der Austritt aus der Fabelwelt. Das ist mit den Schritten und der Tür umgesetzt worden. Der Titel "FABELhaft" ist ja durchaus auch zweideutig zu sehen. Auf der einen Seite bedeutet er "toll" und andererseits steckt da der Begriff "Fabel" mit drin. Darum haben wir das auch mit dem Großgedruckten hervorgehoben. Die Lieder "Der Morgen" und "Der Abend" waren bereits komponiert, aber die Idee mit den Schritten und den Türen war noch nicht da. Das kam erst später, als der Begriff "FABELhaft" gefunden war. Es ist richtig, dass ich beim Komponieren kein Konzept hatte. Das war genau so, wie bei "Zeitgefühl", dem vorherigen Album. So ein Albumtitel entwickelt sich aus den Stücken, die man dafür geschrieben hat. Damals habe ich gemerkt, dass unheimlich viele Texte mit "Zeit" zu tun haben. Darum habe ich den Überbegriff "Zeitgefühl" gewählt. Es war also nicht so, dass ich mir vorgenommen hatte, ein Album zu machen, in dem es sehr viel um "Zeit" geht, sondern umgekehrt. Ich habe erst hinterher festgestellt, dass viele Songs damit zu tun haben. Und genauso ist es jetzt auch bei "FABELhaft" gewesen. Nachdem die Songs skizziert, einige in der Anfangsphase und manche sogar schon fertig waren, hat sich schnell herausgestellt, dass da sehr viel Freiheit drin steckt und auch kein Stil konsequent durchgezogen wurde, so wie z. B. beim Hardrock, wo jedes Stück in eine bestimmte Richtung gehen muss. Die Freiheiten, die ich mir genommen habe, gehen wirklich vom Klassischen, wie bei "Die Odyssee geht weiter", bis ins Rockige hinein. Dazwischen ist alles möglich. Von daher ist es tatsächlich kein Konzept-Album. Das Konzept ist scheinbar jetzt durch den Begriff "FABELhaft" und dieses Herein- und Heraustreten am Anfang und Ende entstanden.

003 20140311 1441683977In dem Stück "Nur mit Dir" heißt es, "Schön mal wieder eins mit der Welt zu sein". Es ist ein Lied über neue Lebensfreude, die das Lied-Ich durch eine neue Liebe erfährt. "Nur mit Ihr geht die Sonne auf" - Ist dies ein autobiographisches Stück, denn auch Du hast ja eine ziemlich bewegte und bewegende Biographie?
Im Prinzip sind alle Gefühle nachvollziehbar und erlebt. Aber mit Sicherheit nicht in diesem kurzen Zeitraum zwischen der letzten Solo-Platte und dieser hier. Das wären zu viele Emotionen innerhalb eines Jahres. Aber innerhalb eines Lebens sind sie durchaus vorstellbar und schon einmal erlebt. Bei "Nur mit ihr geht die Sonne auf" ist natürlich logisch, was ich darin beziehungstechnisch singe. Insofern stimmt es und der Text ist auch autobiographisch. Man muss sich aber dazu vorstellen, wie sowas funktioniert. Ich gehe nicht an ein Stück heran und sage mir, "Jetzt schreibe ich irgendwas über Petra, was mit Sonne zu tun hat", sondern das Stück ist zuerst musikalisch da. Wenn ich dann bei der Musik sehr genau hinhöre, merke ich erst was für eine Art Text darauf passen würde. Die Zeile "Nur mit ihr geht die Sonne auf" war tatsächlich der erste Satz, der mir eingefallen ist, weil er phonetisch und musikalisch sehr gut zur Musik passt. Der restliche Text, und um was es in dem Lied gehen könnte, kommt dann immer so peu à peu dazu. Und dann ergibt das plötzlich alles einen Sinn. Es ist tatsächlich so, dass ich nie vorher einen Text konzipiert habe und mir sage, "Genau so muss die Story sein". Das ergibt sich immer erst, wenn die Musik da ist.

Hast Du das schon immer so beim Komponieren gemacht, dass Du erst die Musik geschrieben und dann den Text dazu gemacht hast?
Ja, das habe ich schon immer so gemacht. Zunächst fängt alles mit einer Melodie an, zu der ich später den Text mache. Ich habe das noch nie anders gemacht, bis auf das eine Stück auf dem neuen Album, "Kopf hoch". Dazu hatte Petra diese Textidee, "Kopf hoch - Augen zu" und dabei war zum ersten Mal für mich der Text vor der Komposition fertig.

Der Song "Dummes Ding" erinnert vom Arrangement her stark an die BEATLES. Waren die Pilzköpfe hier Inspiration für Dich?
Für das Arrangement auf jeden Fall. Das hat sich einfach angeboten, es mal ganz trocken und direkt und mit einem sehr reduzierten Playback zu machen. Aber der Text und der Großteil der Musik ist gar nicht von mir. Das stammt von einem Freund, der auch Textdichter ist, und den ich auf Ibiza kennengelernt habe. Der Freund heißt Joachim Horn. Joachim hat mich eines Morgens angerufen und gesagt, er hätte eine tolle Idee. Ich solle ins Studio gehen, er käme gleich vorbei. Er kam dann mit der Grundidee und ein paar Harmonien, die er mir am Klavier vorgespielt hat. "Dummes Ding" hieß die Komposition und aus seiner Idee haben wir dann dieses Lied gebastelt. Das ist dann aber erst mal zehn Jahre lang liegen geblieben. Ich hatte es sehr unglücklich arrangiert. Ich hatte da viel zu viel gemacht, mit großem Orchester und viel zu schön eigentlich. Wieder war es Petra, die eine entscheidende Rolle spielte. Sie hat sich an das Stück erinnert und meinte, ich solle die Idee noch mal aufgreifen. Das habe ich auch gemacht und mit diesem etwas Beatle'esken Playback noch einmal aufgenommen. Und da hat's dann plötzlich gepasst.

004 20140311 1536349999Die Songidee ist eine sehr gute. Die Kernaussage, "Geht es nicht in Deinen Kopf, dass ich Dich liebe", wird mit den Worten "Dummes Ding" unterstrichen. Nun leben wir ja in Zeiten, in denen sich mal schnell über jede Kleinigkeit empört wird. Hast Du keine Angst, dass sich hier jemand an der Textstelle mit dem "Dummen Ding" stoßen könnte?
(lacht) Nein, Bedenken habe ich da nicht. Aber es stimmt, solche Sachen passieren. Da bin ich aber schon ganz andere Sachen gewohnt. Es gibt einen Song von der Münchener Freiheit, der heißt "In Deinen Augen". In diesem Lied singe ich an einer Stelle "Komm her". Allein schon dieses "Komm her" hat so manche Feministin auf den Plan gerufen, die meinten, wie man einer Frau gegenüber nur in einem solchen Befehlston sprechen kann. Wenn das im Zusammenhang mit "Dummes Ding" passiert ... Solange man darüber spricht, kann mir nichts besseres passieren. Vielleicht löst "Dummes Ding" ja einen Skandal aus, das wäre für mich ganz gut (lacht).

Vielleicht können wir das ganze ja etwas forcieren ;-)
Ja, genau (lacht)

Mit "Das, was man am meisten will" bekommt man dann musikalisch das komplette Gegenteil zu dem, was man davor gehört hat. Ein toller Popsong mit starkem elektronischen Einfluss, zu dem man sehr gut tanzen kann. Ist diese musikalische Abwechslung das Markenzeichen des neuen Stefan Zauner?
Das ist nicht bewusst gemacht. Auch nicht, dass die Lieder so verschieden klingen. Dadurch, dass ich es immer in verschiedenen Zeiträumen komponiere oder arrangiere, kommt auch so eine Verschiedenheit zustande. Wenn ich ein außenstehender Arrangeur wäre, würde all diese Demos hören und müsste diese dann produzieren und arrangieren, würde es hinterher sicher sehr viel einheitlicher klingen. Ich schreibe an einem bestimmten Zeitpunkt immer ein Lied und arrangiere es dann auch gleich. Zwei Monate später mache ich noch ein Lied, dieses Mal mit einem ganz anderen Gefühl oder Einfluss und dementsprechend anders arrangiere ich es dann auch. Wenn ich das alles über einen kurzen Zeitraum gemacht hätte, statt über die 1 1/2 Jahre, die ich jetzt für all die neuen Lieder gebraucht habe, würde das alles einheitlicher klingen. Aber ich möchte auch gar nicht diesen roten Faden rein kriegen, dass alles irgendwie gleich klingt. Ich finde diese Vielfältigkeit viel schöner, gerade wenn man das Album durch hört. Ich merke das auch selbst, wenn ich das Ganze kritisch durchhöre. Ich finde ich es immer wieder schön, wenn jedes Lied anders ist. Jedes Stück hat eine eigene Charakteristik.

006 20140311 1981392366Ist das ein einfacheres Arbeiten als Komponist und Arrangeur, wenn man sich selbst keine Grenzen setzt? Bei der Münchener Freiheit musste man ja schon immer darauf achten, einen gewissen Rahmen nicht zu überschreiten ...
Einfacher vielleicht nicht, aber angenehmer. Es ist insofern auch eine Freiheit, weil ich jetzt allein entscheiden kann, was ich mache und was ich produziere und nicht mehr das Gremium einer Gruppe habe, das mit entscheidet. Das ist ein kleines bisschen Freiheit, die ich mir gönne und die ich auch genieße. Wahrscheinlich auch für die nächste, die Petra und ich wieder gemeinsam machen werden. Dazu haben wir noch kein Konzept und dafür werden wir wohl auch gar kein Konzept haben wollen. Vielleicht auch gar keine Plattenfirma. Vielleicht auch nur Petra solo. Das weiß ich jetzt aber noch nicht. Wir haben da keine Idee, lassen es auch offen und das ist ein schönes Stück Freiheit. Weil wir es ja auch nicht müssen. Wir müssen niemanden bedienen und wir machen das, was uns gefällt.

Das Stück "Bleibt wo Ihr seid" ist für meinen Geschmack der beste Song gegen "Rechts", den ich bisher gehört habe. War die NSU der Auslöser für das Stück oder ganz allgemein die wachsende Ausländerfeindlichkeit im Land?
Schon allgemein die Ausländerfeindlichkeit im Land. Aber generell kann sich jeder angesprochen fühlen, der nur mit Gewalt reagiert und nichts im Kopf hat. Das müssen jetzt nicht unbedingt nur die Rechtsradikalen sein, obwohl ich die schon gemeint habe ...

Ja, sowas gibt's ja auch in Fußballstadien ...
Genau! Es gibt auch außerhalb der rechtsradikalen Szene Gruppen, die einfach nur blöd sind und nur zuschlagen können. Sowas mag ich generell nicht und darum habe ich das mal in ein Lied verpackt.

"Fang an" ist die erste Single aus dem Album. Produziert wurde er von Armand Volker, der in den 80ern und 90ern auch für die Münchener Freiheit tätig war. Wie kam es dazu, dass er für Dein Album, bzw. für dieses Lied seine Künste beisteuerte?
Da muss ich etwas klar stellen, denn das stimmt nicht ganz. Armand ist da zwar erwähnt, produziert habe ich es letztlich aber selbst. Ein Produzent ist ja einer, der von vornherein ein Stück mit arrangiert, plant, den Sound mitgestaltet und mit einem zusammen im Aufnahmestudio ist, um das Lied aufzunehmen. Schon allein aus Gründen der Entfernung konnten wir das gar nicht zusammen machen. Wir haben uns über das Lied nur am Telefon unterhalten und ich habe ihm das Stück einfach zugeschickt.005 20140311 1668590523 Er fand das gut und hat von sich aus Vorschläge gemacht, wie er das Lied machen würde, z. B. dass es etwas härter und rhythmischer sein sollte. Seine Ratschläge habe ich zum Teil auch angenommen. Aber aufgrund der Entfernung und der Möglichkeiten, die wir hatten, wurde daraus kein richtiges Produzieren. Das Stück hat vor dem Telefonat mit Armand auch schon so geklungen. Ich habe aber ein paar Ideen von ihm übernommen und diese dann in gewisser Weise noch mit in das Lied hinein gezogen.

Also keine direkte Zusammenarbeit im Studio, sondern eine Mitarbeit aus der Ferne ...
Genau, das ging ja schon allein aus Gründen der Entfernung nicht. Armand wohnt ja in der Schweiz.

Musikalisch, ich hatte es ja schon angesprochen, lässt sich das Album nicht auf ein Genre festlegen. Ebenso abwechslungsreich sind die Inhalte der Lieder. Man hat das Gefühl, dass einige persönliche Erlebnisse in Lieder verarbeitet werden. Ist die Musik Dein Ventil, um Erlebnisse zu verarbeiten?
(überlegt kurz) Das ist eine gute Frage. Im Prinzip ist das schon so, ja. Allerdings ist das Ventil musikalisch viel größer, als über die Texte, denn die Musik ist ja immer zuerst da und erst dann kommt der Text. Das ist dann immer mit sehr viel mehr Arbeit verbunden, wenn man genau auf die Musik und die Melodie hört und sich überlegt, was genau könnte darin liegen und was könnte man daraus machen. Manchmal dauert das sehr lange und ist ein sehr beschwerlicher Prozess. Dann sitze ich den ganzen Tag vor einem weißen Blatt Papier und mir fällt nichts ein, an anderen Tagen geht das wesentlich schneller. Es ist immer ein Prozess in dem ich genau hinhöre, was mir die Melodie erzählt. Manchmal erzählt sie mir sehr schnell etwas, was ich auch in Worte fassen kann, und manchmal dauert es eben länger. Aber generell sollten die Texte schon so sein, dass ich die Inhalte auch so erlebt habe und das Erlebte irgendwo auch nachvollziehbar ist.

In so manchem Lied beschreibst Du Dein Anliegen bzw. erzählst die Geschichte nicht direkt, sondern malst mit Deinen Worten Bilder in die Köpfe Deiner Hörer, schweifst sogar ins Poetische ab. Wie entscheidest Du, in welcher Form Du eine Geschichte erzählen willst?
Rein intuitiv. Das sind keine Sachen, die ich mir bewusst vornehme. Reden wir mal über die Texte, weil ich sie ja mehr oder weniger alleine mache. Da bin ich jetzt mehr gefordert, weil ich keine Gruppe mehr habe, in der ich mich verstecken und sagen kann, "Das war die Münchener Freiheit. Dann war der Text eben nicht so gut." Ich muss jetzt zu jedem Text stehen, weil ich allein dafür verantwortlich bin. Insofern gebe ich mir da die größte Mühe und wenn mir was nicht gefällt, dann arbeite ich so lange daran, bis es mir gefällt. Da bin ich etwas kritischer geworden. Aber wie welcher Song betextet wird, entsteht rein intuitiv.

007 20140311 1564143439Wirst Du mit Deinem Album auf Tour gehen?
Das würde ich sehr gerne, aber da muss ich noch ein bisschen abwarten. Live würde ich sehr gerne da weitermachen, wo ich aufgehört habe. Ich möchte also nicht noch einmal von vorne anfangen. Dafür brauche ich aber eine gewisse Resonanz, eine gewisse Bestätigung. Man kann mit dem Aufwand, mit dem man auf die Bühne geht, und das ist ein ziemlich großer, nicht einfach auf gut Glück losmachen und in kleinen Clubs noch einmal anfangen. Das habe ich einmal gemacht, und ich möchte es in meinem Leben auch nicht missen, aber ich möchte es eben nicht noch ein zweites Mal machen. Wenn, dann möchte ich auf den Bühnen weitermachen, auf denen ich aufgehört habe. Und dazu muss ich einfach noch die Resonanz auf mein neues Album abwarten.

Der eine oder andere Leser wird es möglicherweise nicht wissen, aber "FABELhaft" ist nicht Dein erstes, auch nicht Dein zweites, sondern schon Dein fünftes (!) Soloalbum, wenn man die LP Deines Projekts "S.O.L." mit dazu rechnet. Wo siehst Du die größten Unterschiede zwischen dem Sänger Stefan Zauner 1976 mit seinem Album "Narziss" und Stefan Zauner 2014 mit seinem Album "FABELhaft"?
(lacht) Ohh, wie soll ich das sagen ...?! Die Art zu denken und die Art, an Musik heran zu gehen, ist im Vergleich zu früher eine völlig andere. Schon allein deshalb, weil ich damals andere Einflüsse hatte. Da war ich von YES, GENESIS oder GENTLE GIANT begeistert und beeinflusst, die für heutige Ohren völlig konzeptlose Musik gemacht haben, also vom Hundertstel ins Tausendstel gegangen sind. Je mehr Töne man innerhalb einer Sekunde unterbringen konnte, desto besser war die Musik für mich. Und so bin ich damals an die Musik herangegangen. Völlig unwissend, was eigentlich ein Refrain und eine Hookline ist oder wie man einen Refrain macht. Also völlig autodidaktisch und völlig blauäugig bin ich an die Sache ran gegangen. Auch durch die Zusammenarbeit mit Armand Volker habe ich eine Ahnung von dem bekommen, wo es lang gehen und was man bei einer Produktion beachten muss. Von meiner musikalischen Grundeinstellung hat sich bis heute nicht sehr viel verändert. Ich habe meine Wurzeln immer noch dort und auch in den 60er Jahren. Aber die Umsetzung ist heute eine völlig andere und auch, dass man ein Stück als solches auch erkennt. Das war früher nicht unbedingt der Fall (lacht).

Du hast Deine ersten musikalischen Erfahrungen zusammen mit dem heutigen Filmmusik-Komponisten Harold Faltermeyer gesammelt. Von welchem Jahr sprechen wir da und über welche Musik?
Da muss ich kurz rechnen ... Ich war damals 15 Jahre alt, das muss also 1967 und 1968 gewesen sein. Musikalisch war es so, dass wir die Top 40 nachgespielt haben. Meine erste Komposition stammt auch aus dieser Zeit und ist für diese Band entstanden. Gott sei Dank hatten mich meine Eltern damals mit 15 schon bei der GEMA angemeldet, darum bin ich jetzt auch schon ganz viele Jahre dabei und das ist auch ganz gut, denn dort werden Punkte nach der Zugehörigkeit verteilt und das ist für mich dann sehr lukrativ. Wie gesagt, ich habe damals mein erstes Stück geschrieben ... Sagt Dir Joy Fleming was?

Ja, klar ... "Ein Lied kann eine Brücke sein" - Grand Prix 1975
Genau. Joy Fleming hat diese Komposition mit ihrer Gruppe JOY AND THE HITKIDS 1969 als Single veröffentlicht. Das Lied heißt "Feelin'". Daran kann ich mich noch gut erinnern.

009 20140311 1441415840Wie hieß Eure Band denn damals?
MELODIC SOUNDS haben wir uns genannt.

Dann hast Du etwas gemacht, das so gar nicht zu dem passen will, was Du seit den 80ern machst, denn Du hast in einer so genannten Krautrockband gespielt, nämlich Amon Düül II. Wie bist Du zu dieser Band gekommen und in wie weit ist diese Art Musik Teil von Dir?
Gar nicht! Sie ist noch nie ein Teil von mir gewesen. Ich bin dazu gekommen, weil mich deren Manager damals gefragt hat. Die brauchten einen Keyboarder und er fragte mich, ob ich auch Orgel spielen kann. Ich meinte, "Ja klar, wenn ich Klavier spielen kann, kann ich auch Orgel spielen. Das sind die gleichen Tasten." Ich hatte damals einen Synthesizer, bin die Band dann damit besuchen gegangen und habe zu ihrer Musik ein bisschen dazu gedudelt. Danach meinten die, das sei ja ganz gut und würde auch gut passen und am nächsten Tag hatten wir schon einen Auftritt (lacht). Das Ganze lief auf rein improvisatorischer Basis. Wir haben insgesamt drei LPs zusammen gemacht und ich habe immer wieder versucht, ihnen meinen Musikstil aufzudrücken. Auf diese Weise war das ein ganz merkwürdiges Kauderwelsch an Stilrichtungen, das dabei auf den drei LPs heraus kam. Letzten Endes - so glaube ich - haben die nicht sonderlich viel von mir profitiert und ich nicht von ihnen. Das war aber auch so eine Zeit, wo es eh wurscht war.

Es gibt ja auch das Gerücht, dass gerade diese Musik gerne mal im Rausch vorgetragen wurde. Kannst Du dieses Gerücht bestätigen?
Das kann ich bestätigen, ja. Zumindest, was das Publikum betrifft (lacht). Ne, im Ernst ... das weiß ich nicht so genau. Von meiner Seite jedenfalls weniger. Ich kann mich noch an ein Konzert erinnern, da haben wir bei "Onkel Pö" in Hamburg gespielt und da war keiner mehr so richtig nüchtern. Aber generell kann man so was auf der Bühne nicht bringen. Man kann nicht vernünftig spielen, wenn doppelt so viele Tasten zu sehen sind, wie eigentlich da sind.

Es folgten zwei Solo-Alben, dann hast Du zusammen mit Aron Strobel die Gruppe MÜNCHENER FREIHEIT gegründet. Welche Idee hattet Ihr damals im Kopf, als Ihr die Band gegründet habt und wie kam es zum Bandnamen?
Die Idee, eine Gruppe zu gründen, war noch gar nicht vorhanden, da kam Aron eher zufällig im Studio vorbei. So lernten wir uns kennen. Er hatte eine Kassette von sich dabei. Damals gab es ja noch Musikkassetten. Wir haben uns das angehört, etwas verglichen und dann zusammen gespielt und ausprobiert. Zu dem Zeitpunkt war die erste Münchener Freiheit-Platte schon so gut wie fertig. Aron hat dann noch ein Instrumental-Stück dazu gemacht und sie war dann vollständig. Wir haben uns angefreundet und festgestellt, dass wir auch super zusammen komponieren konnten.
Die Idee zum Bandnamen kam von unserem Bassisten, der aber schon relativ schnell nicht mehr dabei war. Es gab ein Café, in dem wir uns sehr oft getroffen haben und das hieß "Münchener Freiheit". So kam die Idee zustande. Damals war alles erlaubt, was Deutsch war.

008 20140311 1884390471Mit der Münchener Freiheit hast Du zusammen mit Deinen Kollegen große Erfolge gefeiert. Ihr seid eine der Bands gewesen, die die 80er in Deutschland maßgeblich mit geprägt haben. Wie hast Du den Weg der Band von der Gründung bis Ende der 80er selbst erlebt? Bewusst, oder ist das wie ein Rausch an Dir vorbei gezogen?
Das habe ich schon bewusst wahrgenommen. Der Erfolg war ja auch keine Sache, die von heute auf morgen passiert ist. Wir haben ganz klein angefangen, in kleinen Clubs gespielt und dabei noch selbst die Verstärker aus dem VW-Bus geholt und auf der Bühne aufgebaut. Wenn dann 20 oder 30 Leute kamen ... 100 Leute in irgendwelchen Land-Diskotheken waren damals schon sehr viel. Dann kam es, dass erste Lieder von uns im Radio liefen und wir mit dem Lied "Oh, Baby" einen ersten Achtungserfolg mit Platz 25 in den Single-Charts hatten. Und da war auch schon das Fernsehen mit involviert, so dass wir relativ schnell auch bekannt wurden. Der große Durchbruch kam dann mit "Ohne Dich". Insofern war das ein langwieriger Prozess, der insgesamt über sechs Jahre ging und durch den man auch davor bewahrt wurde, einen Höhenflug zu kriegen. Man wusste, woher man kommt und was dazu alles nötig ist, um dahin zu kommen, wo wir waren. Wenn man aber sofort von 0 auf 100 dahin gehoben wird, kann es schon mal vorkommen, dass man leicht überschnappt oder größenwahnsinnig wird. Das war bei uns nicht der Fall, denn wir haben uns das von der Pieke auf selbst erarbeitet.

Du hast die Band im Jahre 2011 verlassen. Die Münchener Freiheit ist mehr als 30 Jahre ein Teil Deines Lebens gewesen. Du hast Dir die Entscheidung sicher nicht leicht gemacht. Wie sieht es heute, drei Jahre später, bei Dir aus? Vermisst Du die Band oder hast Du inzwischen Abstand gefunden?
Mit dem Kapitel habe ich komplett abgeschlossen. Das war eine Zeit, die super war, die mir sehr viel geholfen hat und in der ich sehr viel gelernt habe. Aber 30 Jahre waren dann auch irgendwie genug. Ich habe irgendwann gemerkt, dass sich das alles irgendwie wiederholt. Wenn ich meinen Manager frage, "Kann es sein, dass wir letztes Jahr schon an diesem Ort gespielt haben?" und er dann sagt, "Das ist aber schon fünf Jahre her", dann stellt sich Dir die Frage, wo die anderen vier Jahre geblieben sind. Und bevor das für mich immer das Gleiche und zur Gewohnheit wird, springe ich lieber noch einmal in das kalte Wasser und mache lieber noch einmal etwas ganz anderes. Ganz anders ist es ja nicht geworden, aber es steht einfach auf eigenen Füßen.

Wie es der Zufall so will, haben wir parallel zu diesem Interview auch eins mit der Münchener Freiheit gemacht. Grund dafür war ihre derzeitige Tour. Dabei habe ich auch das aktuelle Studioalbum in die Hände bekommen und musste mit Schrecken feststellen, dass diese Musik nichts mehr mit der Band zu tun hat, die ich seit den 80ern so gern gehört habe. Dem Album fehlt die Seele und es ist unüberhörbar, dass Du diese Seele warst, die da jetzt schmerzlich vermisst wird. Kennst Du das Album und kannst Du mein Empfinden nachvollziehen?
Ja sicher. Das ist aber auch klar, weil ich einen großen Teil der Lieder komponiert habe und es war ja auch meine Stimme. Das habe ich jetzt alles mit zu mir mit rüber genommen. Für die Band ist das aber vielleicht auch ganz gut so, denn sie müssen ja mit etwas Neuem kommen. Mit einem neuen Sänger hätte ich der Band sowieso geraten, etwas völlig Neues zu machen, was man von der Münchener Freiheit vielleicht auch nicht erwarten würde, und dass es auch seine Berechtigung hat, dass ein neuer Sänger auch einen neuen Stil mitbringt. Es ist schon logisch, dass die neuen Songs nicht mehr so klingen.

Mir stellt sich die Frage, ob man ein Album wie "FABELhaft" nicht auch mit der Münchener Freiheit zusammen hätte machen können. Die Frage stelle ich Dir jetzt einfach mal ...
Von den Liedern her mit Sicherheit. Natürlich bis auf die, die ich mit Petra zusammen singe. Ansonsten: Warum nicht? Der Herstellungsprozess dieser Stücke ist nicht anders, als früher auch. Insofern würde kein Mensch merken, dass es nicht mehr die Münchener Freiheit ist, stünde auf der Platte nicht Stefan Zauner drauf.

Du hast vorhin erzählt, Du bist oder warst mit Aron Strobel befreundet. Ihr habt mit Deuces Wild ja auch schon abseits der Münchener Freiheit Musik gemacht. Wird es da vielleicht noch mal ein gemeinsames Projekt geben?
In absehbarer Zeit nicht. Nein.

Wie wird es mit Stefan Zauner weitergehen? Gibt es schon Pläne über das Jahr 2014 hinaus?
Nein, ganz bewusst nicht. Wir konzentrieren uns erst mal auf die Promotion, die jetzt für das neue Album zu tun ist. Erst dann werden wir irgendwann wieder anfangen, neue Stücke zu schreiben. Aber völlig konzeptfrei und völlig frei von irgendwelchem Denken, ob das, was wir machen, für eine Plattenfirma gut genug ist, ob die Lieder im Radio gespielt werden können oder ob man überhaupt damit irgendwo Anklang findet. Einfach mal völlig frei von diesen Dingen und auch völlig frei von Zeitdruck Musik zu machen, ist auch eine sehr schöne Erfahrung. Mal gucken, was dabei raus kommt. Es gibt kein Konzept für die Zukunft außer das, dass es kein Konzept gibt (lacht).

Möchtest Du abschließend noch ein paar Worte an unsere Leser richten?
Na klar: Rennt in die Geschäfte und kauft die Platte! (lacht) Nein, ernsthaft: Ich freue mich über jede Resonanz. Schaut bitte auch auf meiner Facebook-Seite vorbei. Dort kann man immer die neuesten Nachrichten über mich, Fotos und auch Videos finden.

Pflegen Du oder Petra die Seite selbst?
Das machen wir zusammen.

Danke für das Interview und viel Erfolg mit der Platte "FABELhaft".
Danke!


Interview: Christian Reder
Bearbeitung: mb, cr
Fotos: Pressematerial Plattenfirma (DA Music), Archiv Stefan Zauner, Deutsche-Mugge

 

 


   
   
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