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Interview vom 10. Dezember 2022



In den vergangenen Jahren beherrschte ein unschönes Thema die Medienlandschaft, hauptsächlich den Boulevard. Es gab Zank und Streit bei den PUHDYS, der schließlich vor Gericht landete. Dabei wurde fälschlicherweise immer wieder geschrieben, Maschine verklage seine ex-Kollegen. Das war eine irreführende Formulierung, die unter den Fans für reichlich Missmut sorgte. Maschine verklagte nämlich niemanden, sondern klagte seine Rechte ein. Das ist ein feiner, aber bedeutender Unterschied. Durch diese unschöne juristische Auseinandersetzung wäre fast untergegangen, dass einzelne PUHDYS auch weiterhin Musik machten, natürlich auch Maschine. So war er oft live zu erleben - bis der große Lock Down kam. Und selbst während der großen Zeit der allgemeinen Tatenlosigkeit war er fleißig. Er schrieb neue Lieder, nahm sie auf und wird sie am vorletzten Tag dieses Jahres auf CD und Doppel-Vinyl herausbringen. "Große Herzen" heißt sein nunmehr fünftes Studioalbum und es wird völlig zurecht in der Kategorie "DeutschROCK" einsortiert sein. Über dieses beeindruckende Album mussten wir einfach mit dem Künstler sprechen, weshalb wir ihn für ein Interview einluden. Und wenn man ihn schon mal neben sich sitzen hat, wird man ja wohl auch nochmal auf den Gerichtsprozess zu sprechen kommen dürfen, oder? Das hat unser Kollege Christian natürlich auch getan ...






Maschine, ein tolles Album ist Dir da gelungen ...
Es freut mich, dass Du es so empfindest. Wenn man so lange an einem Album arbeitet und dann positive Resonanz bekommt, freut einen das.


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Das neue Album "Große Herzen" gibt's als Doppel-CD und
Doppel-Vinyl in verschiedenen Farben. Rezension: HIER


Du sagst "lange gearbeitet" - wie lange hast Du denn daran gewerkelt?
Im April vergangenen Jahres wurde das Video "Bessere Tage" gedreht. Ich hatte den Text, den sah Steven Dornbusch von meiner Plattenfirma und meinte, dazu müssten wir eigentlich ein Video drehen. Zu der Zeit gab es allerdings noch gar keine Musik ... So entstand dann auch die Idee für ein neues Album. Dann machten wir - natürlich immer auch mit Abständen - weiter und so waren wir letztlich ein halbes Jahr vorher fertig. Es ist noch nie passiert, dass ich mit einem Album ein halbes Jahr vor dem Veröffentlichungstermin fertig war. Aber ich hatte ja auch eine Veröffentlichung auf Schallplatte im Hinterkopf und eine Vinyl-Produktion dauert heutzutage ein halbes Jahr. Trotz einiger Pausen lief mit Lukas Schaaf, dem Produzenten, alles recht reibungslos. Wir verständigten uns immer, so nach dem Motto: "Nächste Woche wäre gut, kannst Du Dienstag?" - "Nein, kann ich nicht, aber ich könnte am Mittwoch und am Donnerstag vielleicht noch." In der Zwischenzeit schrieb ich immer neue Songs, denn ich hatte nicht einen Song fertig, als es klar war mit der Platte. Steven Dornbusch hatte das vermittelt und Premium Records sagten zum Glück, dass es ihnen eine große Ehre wäre, wenn ich bei ihnen eine Platte machen würde. Ich war mir erst nicht so sicher, ob mir trotz dieser Corona-Sache noch etwas einfällt und es ist ja auch mit Arbeit und Stress verbunden. Du musst alles aus Dir herausholen und das muss für meine Verhältnisse das Beste sein, was ich derzeit anzubieten habe. Steven meinte dann: "Wenn ich Dein Manager wäre, würde ich Dir zuraten, es zu machen." Das war dann klar, ich machte und in diesem Jahr spielte sich gedanklich alles um die Platte ab. Ich machte ja auch alle Texte, obwohl ich dachte, mir fällt nichts mehr ein ... Man kann also sagen, von Februar 2021 bis Juni diesen Jahres wurde alles fertig. Wir arbeiteten also ein Jahr und vier Monate, aber auch nicht jeden Tag.

Du sagtest, es ging mit dem Videoclip zu "Bessere Tage" los. Das ist ja ein pandemisches Produkt, es geht um die Pandemie und die ganze dusselige Zeit, welche wir erlebten. So etwas scheint Dir aber recht locker aus der Hand geflossen zu sein ...
Na ja, wenn man so etwas selbst und auch in seinem Umfeld erlebt, kann man die Gefühlslage der Menschen ganz gut wahrnehmen. Wir informierten uns natürlich auch, sahen täglich Nachrichten, sahen täglich "Lanz" und alles Mögliche. Wir beschäftigten uns also damit und der Dreh des Videoclips war schon gespenstisch. Wir brauchten eine Sondergenehmigung, nachts auf dem Potsdamer Platz drehen zu dürfen, das muss man sich mal überlegen ... Auf dem Bahnhof war kein Mensch zu sehen, es war unheimlich gespenstisch.

Wurde der Clip tatsächlich während des Lockdowns gedreht?
Ja, das war im März 2021. Da war totale Ruhe und ich musste irgendwann mal auf Toilette gehen. Wir waren ja nur draußen und es war eiskalt und windig. Wir kamen dann zu einem Hotel in der Friedrichstraße und Steven fragte dort, ob ich die Toilette benutzen dürfte. Die kannten mich auch und so bekam ich von ihnen quasi die "Sondergenehmigung", mit Maske mal auf die Toilette gehen zu dürfen. Ich wollte auch nicht nachts an irgendeine Mauer pinkeln ... (lacht) Es war schon beängstigend und mystisch, aber irgendwie auch spannend, weil man so etwas hoffentlich nur einmal im Leben erlebt. Kein Mensch, ganz wenige Autos auf den Straßen usw. Der Text war fertig, nachdem die ganzen Einschränkungen schon ihre Gültigkeit hatten. Alles, was in dem Text drin ist, erlebte ich dann beim Videodreh selbst: Keine Nachtschwärmer - nichts, keine Bar offen - nichts, kein Restaurant offen - nichts. Nicht mal essen hätte ich gehen können. Das war schon der blanke Wahnsinn.


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Maschine und sein neues Album


Du bist ja nun auch schon zwei Wochen im Geschäft. Hättest Du Dir jemals erträumen lassen, dass Du so etwas erlebst, dass so etwas mal passiert?
Ich wusste gar nicht, dass es so etwas gibt. Das Wort "Pandemie" hatte ich sicher schon mal wahrgenommen, aber vorher hatte man das nie wirklich bewusst gehört. Im Gegensatz zur "Epidemie" war mir der Begriff "Pandemie" bis dahin ein unbekannter Begriff. Pandemie bedeutet ja "weltweit" und das war natürlich beängstigend. Als ich den Text schrieb, wusste man gar nicht, ist es in China schon vorbei oder auch nicht und dann natürlich die vielen Toten überall in allen Ländern. Es wurde einem Angst und Bange und man sah zu, nicht zu dicht an andere Menschen heranzukommen. Zum Glück ist es jetzt nicht mehr ganz so schlimm, aber dennoch gibt es Menschen, die schwer- oder sogar schwerstkrank werden und sogar sterben. Unser Tierarzt hier ist ein Hüne von Mann. Der ist so schwer krank und ihm ging es so dreckig, dass er immer noch total abgemagert ist und nicht mehr leben wollte. Ich kann immer nicht verstehen, warum es Leute gibt, die das alles abstreiten. Jeder soll seine Meinung haben und jeder soll selbst bestimmen, ob er sich impfen lässt oder nicht, aber zu verbreiten, das stimme alles nicht, dagegen muss ich mich wehren. Das beste Beispiel war nun auch Mecky (Janos Kóbor von OMEGA, Anm. d. Red.). Er war ein Impfgegner, akzeptierte aber auch die, die sich haben impfen lassen. Er war eben der Meinung, gesund zu sein und das nicht zu brauchen. Auch in mehreren Talkshows sagte er, zu denken, er sei und bleibe gesund. Dann die schreckliche Nachricht, die tatsächlich so bei mir ankam, wie es auch im Lied beschrieben ist: Ich war mit meinem Hund Gassi gehen und plötzlich kam der Anruf, dass Mecky gestorben ist. Ich war total schockiert.

Stimmt, Du kanntest ihn ja persönlich …
Mecky war ein so lieber Mensch und er war ja auch fit. Zwar etwas älter als ich, aber fit und noch voller Pläne. Man dachte wirklich, man hat den Mecky von damals vor sich. Und er sah auch fast noch genauso aus. Es war so schön mit ihm, als wir 2017 mit ihm in Ungarn zum Jubiläumskonzert spielten. Das war das letzte Mal, dass wir gemeinsam auf der Bühne standen. Gesehen hatten wir uns noch bei der Beerdigung von Tibor Nagy, der OMEGA in Deutschland managte. Ich erinnere mich noch an die Begebenheit zum OMEGA-Jubiläumskonzert: Wir sollten morgens um 8.00 Uhr in Budapest landen, abholen wollte uns der Manager mit einem Fahrer und wer stand am Flughafen? Mecky! Wir kamen eine Stunde später an, er wartete auf uns - Uwe Hassbecker und Tibor waren noch dabei - und holte uns ab. Ich sagte zu ihm: "Mecky, das vergesse ich Dir nie. Wenn Du nach Deutschland kommst, egal wo, ich hole Dich ab." Nun flog er ja nicht, da er ja unter Flugangst litt, aber ich sagte: "Ich komme zu jeder Raststätte, an der ihr ankommt und wenn es nachts um vier ist ..." Das hätte ich mir nicht nehmen lassen, ihn persönlich zu begrüßen. So eine tolle Geste, wer macht so was schon?

Hattet Ihr beiden noch gemeinsame Pläne? Das Duett mit dem "Großen Magneten" hattet Ihr ja gemacht, gab es noch Ideen für die Zukunft?
Ja, na klar! Du hast bestimmt die Sendung "Unter Brüdern" am 29. November 2022 im RBB gesehen. In ihr gibt es einen Beitrag, in welchem Mecky und ich via Skype miteinander sprechen. Bei bester Gesundheit, ich bei Lukas im Studio und er bei sich im Studio. Wir unterhalten uns, ich gratulierte zum 60. Jubiläum und fragte noch, wer bei ihrem großen Konzert zu Gast sein wird. Er sagte: "Das wissen wir noch nicht, aber Du bist dabei!" Wenn man das heute so sieht, dann bekomme ich schon Gänsehaut. Allein, wenn ich darüber spreche. Wenn man einen Menschen verliert, der schwer krank ist, ist man mehr oder weniger etwas vorbereitet, obwohl es, wenn es dann soweit ist, trotzdem sehr schmerzhaft ist. Auch wenn jemand noch so alt ist, jeder Tod kommt zu früh. Wir riefen uns auch jedes Jahr zum Geburtstag an, es war eine liebevolle und freundschaftliche Beziehung.

Demnach war Dir "Legende aus Budapest" - welches sich auf Deiner Platte befindet - ein inneres Bedürfnis, dieses Lied zu machen ...
Ja, das war es wirklich. Ich lernte ihn im Grunde genommen erst während der Arbeit an meinem Album "Neubeginner" so richtig kennen. Er fragte zunächst an, ob ich nicht bei OMEGA als Gast mitspielen möchte. Ich sagte zu seinem Manager Tibor Nagy: "Na klar, das mache ich gerne. Schön wäre, wenn Mecky dann auch gleich auf meinem Album mitsingen würde." Wir hatten vorher nur eine lockere Beziehung, wie man sich eben als Musiker so kennt. Und man fragt nicht gleich jeden Musiker: "Willst Du nicht mal bei einem Lied von mir mitspielen?" Da muss es schon eine Beziehung geben. Ich freute mich jedenfalls riesig, dass OMEGA mich anfragte. Ich machte also mit Tibor einen Termin aus, zu dem OMEGA in Deutschland waren. Ich arbeitete gerade an meinem Album "Neubeginner" im Studio von Ingo Politz und dorthin kamen Mecky und Tibor. Wir kamen uns näher, hatten uns zwar schon länger gekannt, aber nie irgendwelche engere oder tiefergehenden Gespräche geführt. Wir sahen uns, umarmten uns, als ob wir schon ganz lange Freunde wären, obwohl wir lediglich Bekannte waren, die sich alle Jahre zufällig mal bei Fernsehsendungen oder ähnlichem gesehen hatten. OMEGA ist eine Riesen-Band und als die mich fragten, freute ich mich sehr. Das Wort "stolz" liegt mir nicht, aber dass meine Arbeit zur Kenntnis genommen und positiv bewertet wird, freut mich schon. Sonst hätten sie mich ja auch nicht gefragt ... Ich machte mehrere Konzerte mit, wir waren in Landsberg, in Rostock und in Budapest, wo ein ausverkauftes Stadion auf uns wartete. Das war riesig.


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Mecky wurde plötzlich krank und starb daran, er war nicht der einzige in den vergangenen Jahren, der von uns ging und den Du auch kanntest. "Halte durch" ist ein Titel, der jetzt als Single heraus kam. An wen richtet der sich denn? Er hat letztlich eine positive Botschaft, denn es geht um jemanden, der wieder gesund wird ...
Genau. Ich kannte viele, die krank wurden und auch bis heute noch Symptome haben. Ansonsten ist es aber eine fiktive Geschichte, sie bezieht sich also nicht auf einen bestimmten Menschen. Es gibt drei Songs auf dem Album, die autobiographisch sind, nämlich das Lied für Mecky, das Lied "Mein Freund aus alten Zeiten" sowie "Meine erste Liebe". Alles andere ist mehr oder weniger frei erfunden. Immer wenn ich jemanden treffe und wir uns verabschieden, sage ich "Halte durch" und viele meinten: Mach' doch mal ein Lied über "Halte durch"! So entstand dieses Lied, also, ohne eine besondere Person zu meinen.

Biographisch gesehen ist "Mein Freund aus alten Zeiten" also tatsächlich ein Lied mit einem Thema, das aus Deiner Vergangenheit stammt. Wer ist denn dieser Freund?
Mit diesem Freund verbrachte ich quasi meine Kindheit und Jugend. Er war kein Musiker und er ist auch schon lange tot. Wir waren jeden Tag zusammen, wurden gemeinsam reifer. Er kam zu mir, ich kam zu ihm, es war einfach selbstverständlich, wie es unter jugendlichen Freunden eben ist. Wir unternahmen gemeinsam die ersten Rauchversuche und Knutschversuche mit Mädels. Genauso, wie ich es im Lied auch beschreibe. Das Besondere war, dass wir jeden Sonntag gemeinsam zum Bahnhof Zoo fuhren. Sein Vater war Jude und mein Freund musste für ihn, als die Grenzen noch offen waren, dort die hebräische Zeitung kaufen. Da fuhr ich oftmals mit, das war immer schön. Man hatte was zu tun und war mit seinem Freund zusammen. Wir liefen viel durch die Straßen in Ost- und Westberlin, wie man es als Jugendlicher eben so macht. Und das mit unseren ausgewaschenen Jeans, die wir damals mit Chlor wuschen und uns hinterher in die Badewanne setzten, damit sie noch enger wurden. Das war einfach ganz wichtig und eines Tages war er nicht mehr da. Er haute mit seinen Eltern ab und schrieb mir, wo er jetzt wohnt. Telefone gab es ja kaum, auch meine Eltern hatten kein Telefon. Wir verabredeten uns per Brief, er holte mich und einen weiteren Kumpel am Bahnhof ab und dort gab es einen Currywurststand. Und ich schwöre dir, dort habe ich zum ersten Mal in meinem Leben mit 14 oder 15 eine Currywurst gegessen. Es war auf jeden Fall vor dem 13. August 1961, die Grenzen waren noch offen. Die schmeckte mir so gut, dass ich völlig fertig war, denn so etwas hatte ich noch nie gegessen ... (lacht) Dann waren wir bei ihm zu Hause und als es wieder nach Hause ging, stellte ich mich noch mal an den Stand und fragte den Betreiber, ob er mir nicht noch eine Currywurst verkaufen würde, ich hätte aber nur Ostgeld. Westgeld hatten wir nicht, ich überredete ihn und er verkaufte mir tatsächlich eine Currywurst für Ostgeld. Das ist etwas fürs Leben - ich komme noch heute an keinem Currywurststand vorbei - und probierte sogar zu Hause, Currywürste selbst zu machen. Somit wollte ich natürlich auch Currysoße kaufen und rannte im Osten von Laden zu Laden und alle sagten mir, dass es Currysoße nicht gibt. Das verstand ich nicht, denn ich hatte doch welche gegessen ... Irgendwann stellte ich dann fest, dass die Soße Tomatenketchup und dass Curry ein Gewürzpulver ist. Man muss es also zusammenmischen und nach dem Kauf von Tomatenketchup machte ich mir dann meine eigenen Currywürste. Das war so mein Erlebnis und irgendwann später gab es diese Würste dann auch bei "Konnopke" in der Schönhauser Allee. Wäre mein Freund also nicht abgehauen, hätte ich die Currywurst erst viel später entdeckt ... (lacht)

Diese Geschichte hat ja kein schönes Ende, wann hast Du denn erfahren, dass er nicht mehr lebt und auf welchem Weg?
Wir spielten etwa Ende der 70er ein Konzert in Steglitz (Westberlin) und während eines Schlagzeugsolos, bei denen ich immer die Bühne auf eine Zigarette verließ, stand plötzlich seine Mutter da. Sie kam an: "Mensch, kennst Du mich noch?", ich erkannte sie natürlich und freute mich, dass sie da war. Ich fragte, wie es Klaus ginge und da sagte sie "Klaus ist schon lange tot." Er war so alt wie ich, vielleicht ein Jahr jünger … ich war sprachlos. In diesem Moment musste ich allerdings wieder auf die Bühne, und deshalb erfuhr ich nicht mehr, woran und warum er gestorben ist. Das ging alles so schnell. Nach dem Konzert war seine Mutter leider weg. Ich dachte oft an ihn und ich habe hier noch ein schönes Bild, welches ich in Ehren halte. Auf ihm sind wir beide drauf, beide so 14 oder 15 Jahre alt, noch mit kurzen Hosen. Ab 16 trug man keine kurzen Hosen mehr, jedenfalls war es damals so. Mit dabei war sein Schäferhund und wir beide umarmen ihn auf diesem Foto. In meiner Fanbox des neuen Albums ist ein Diabetrachter, darin kann man dieses Foto dann sehen und somit ist mein "Freund aus alten Zeiten" auch dabei.


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Maschine (rechts), sein "Freund aus alten Tagen" Klaus und dessen Hund


Du sagst, der zweite biographische Titel ist "Meine erste Liebe". Die hast Du dann auch wieder hervor gekramt und Deine Erfahrungen, die Du mit ihr machtest ...
Ja, wir hatten wirklich das ganze Leben über miteinander Kontakt. Ich war damals 16 und hatte schwer gelitten, als sie mit mir Schluss gemacht hatte. Wenn man so etwas mit 16 erlebt, denkt man, solch einen Menschen nie wieder zu finden. Natürlich hatte ich auch vorher Freundinnen, viel mehr als Knutschen war da aber auch nicht. Das war aber etwas ganz anderes, so etwas kannte ich nicht. Sie war 18 und irgendwann machte sie ganz liebevoll und verständnisvoll Schluss mit mir. Sie schob mich also nicht ab, das war so anständig, aber das machte mich noch trauriger. Ich dachte, wenn sie so lieb zu mir ist, kann sie doch auch bei mir bleiben. Es war dann so, dass ich ihr schrieb, nicht mehr leben zu wollen, wenn sie nicht mehr da ist. Darauf antwortete sie mir: "Mein lieber Dieter, Du bist noch so jung ..." Ich wurde also nicht blöd abgewimmelt und das fand ich sehr herzlich. Als ich dann viele Jahre später mit meiner ersten Frau in Scheidung lag, fuhr ich irgendwann in Pankow in der Florastraße vorbei. Sie hatte in der Flora-Drogerie gelernt und gearbeitet. Ich dachte, rufe doch einfach mal spaßeshalber an. Ich ging also in eine Telefonzelle, suchte die Nummer raus und am anderen Ende ging ein Mann ran. Es war ihre Ehemann, wie sich später heraus stellte. Ich fragte: "Kann ich mal Gisela sprechen?" Er sagte "Ja, kleinen Moment." Ich dachte, ich höre nicht richtig, schon war sie dran und sagte: "Dieter, bist Du das?" Ich sagte: "Ja." Damit hätte ich nie gerechnet, sie hatten mittlerweile den Laden gekauft und sie war verheiratet. Sie fragte mich, wo ich denn sei. Als ich sagte, ich stehe in der Florastraße, meinte sie "Na dann komm' doch vorbei!" Ich fuhr hin und beide empfingen mich mit einer Flasche Sekt und wir quatschten über alte Zeiten.

Sie hatte Dich also nicht vergessen …
Im Gegenteil. In ihrem Büro hatte sie eine Schreibtischunterlage und in einer der Ecken hatte sie sogar noch ein Passfoto von mir, auf welches ich "Für meine Gisela" geschrieben hatte. Sie erzählte mir, dass sie auch alles, was die PUHDYS betraf, verfolgt hatte. Die ganz große Verliebtheit war natürlich abgeklungen, ich erzählte ihr, was in dieser Zeit los war, wir gingen gemeinsam essen und damit war das Kapitel auch erledigt. Es war ein schöner Nachmittag. Jahre später hatten wir in der Nähe von Berlin eine Autogrammstunde und dort stand eine Frau - wie auch wir etwas älter geworden - und zeigte mir ein Foto aus meiner Jugendzeit, welches ich ihr mal geschenkt hatte. Ich gucke hoch und das war wieder Gisela. Wir umarmten uns, ich gab ihr meine Nummer. Sie rief dann auch an, dass sie und auch ihr Sohn mal zu einem Konzert wollten. Es gab also immer eine Verbindung. Das schärfste war dann, als ihr Sohn anrief und mich fragte, ob ich seine Mutter nicht zu ihrem 70. Geburtstag überraschen könnte. Ich dachte - etwas Besseres fiel mir nicht ein - daran, ihr vielleicht einen schönen Blumenstrauß per Boten zu schicken. Meine jetzige Frau Sylvia meinte jedoch: "Da musst Du schon selber hinfahren." Sie kannte ja die ganze Geschichte und ich verabredete mich mit ihrem Sohn. Er wollte seiner Mutter dann sagen, dass der Bürgermeister zu Besuch käme ... Sie feierten an diesem Tag offensichtlich nicht und ihr Sohn wollte vielleicht nicht, dass sie ausgerechnet in der Kittelschürze öffnet, weil sie gerade in Geburtstagsvorbereitungen steckt. Jedenfalls fuhr ich dann vor, der Sohn bat seine Mutter heraus, der Bürgermeister wäre da. In den kleinen Orten ist es ja noch so, dass der Bürgermeister bei bestimmten Geburtstagen vorbeikommt, um zu gratulieren. Sie freute sich natürlich riesig, wir umarmten uns und gingen rein zum Kaffeetrinken. Sie zeigte mir ihre Sammlung mit vielen Zeitungsausschnitten, Büchern und erzählte von Konzerten, bei denen sie dabei war. Es war lustig, dass wir mal irgendwo spielten, wo der Platz völlig matschig war. Sie hatte sich extra etwas aufgemotzt, kam mit hochhackigen Schuhen und versank dort natürlich völlig im Matsch. Wir konnten herzlich lachen. Sie rief dann auch mal an und fragte, ob sie zu einer Talkshow kommen könne. Traurig war, dass dann vor einigen Jahren ihr Mann verstarb. Sie fragte mich damals, ob ich ihr nicht ein Lied für seine Beisetzung empfehlen könnte. Ich empfahl ihr "Wenn ein Mensch" vom Album "Es war schön". Das besorgte sie sich dann. Man kann also sagen, dass wir das gesamte Leben über immer wieder Kontakt hatten.


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Was Gott sei Dank in Deinem Falle kein biographisches Lied ist, ist die Geschichte der "Sternenkinder". Eine traurige Geschichte, die Du da vertontest. Ich hörte, Du sahst eine Fernsehdokumentation und daraufhin sind Dir diese "Sternenkinder" eingefallen ...
Genau, aber erst viele Jahre später. Diese Dokumentation hatte mich unheimlich berührt und ich wusste bis dahin gar nicht, was "Sternenkinder" überhaupt sind. Ich kannte den Ausdruck nicht. Es berührte mich, weil es auch irgendetwas Magisches hatte. Es gibt ja wohl sogar Clubs, in denen sich Eltern mit demselben Schicksal treffen. Ich dachte immer daran, wie furchtbar es sein muss, wenn sich ein Pärchen auf ein Kind freut und dann ist das Kind plötzlich tot. Noch schlimmer ist es bestimmt, wenn das Kind erst lebt und dann auf einmal stirbt, auch das passiert ja. Ich dachte mir, vielleicht kann ich darüber ein Lied machen.

Es ist Dir erstaunlich gut gelungen, Dich in diese Situation hinein zu versetzen. Dieses Lied gibt ja genau diese Situation hervorragend wieder, man könnte glauben, dass es Dir passiert sei ...
Ja, ich erzählte es auch ein wenig wie ein Märchen. Es fängt an mit "Es war einmal" und dann folgen die Gedanken "doch ob das Glück so weiter strahlt, stand noch in den Sternen". Es wurde also schon eine Beziehung hergestellt und dann ging es mit dem Text eigentlich recht schnell. Es gab noch ein paar Änderungen, um es besser singbar zu gestalten. Ich stelle fest, dass viele Leute davon berührt sind. Neulich hatte ich ein Interview mit einem Musikmagazin, bei dem Gespräch sagte mir der Interviewer, diesen Song nicht hören zu können. Es sei zu schwer, weil er dasselbe aus seinem Bekanntenkreis kennt und selbst zwei Mädchen im Alter von drei und sieben Jahren hat. Er sagte: "Das kann ich nicht hören". Es berührt also ganz viele Menschen. Als unser Masterer gerade "Bessere Tage" in Bearbeitung hatte, spielte ich ihm das Lied zum ersten Mal auf dem Handy vor, ihm und seiner Frau kamen die Tränen. Ein Typ, der auch viel Hip Hop macht und von dem man eigentlich denkt, ihm könne man nichts anhaben. Aber auch er war ergriffen. Er hat jemanden in seinem Bekanntenkreis, der dieses Schicksal kennt. Es ist ein schwieriges Thema, aber ich finde, dass man über solche Dinge auch singen kann. Es wird sicher kein Radiotitel, aber auf einer Platte ist es schon gut aufgehoben. Und vielleicht gibt es ja im Radio oder Fernsehen auch Sendungen zu diesem Thema, bei denen man dieses Lied spielen will.

Etwas heiterer sind dann Lieder wie "Das alles ist" oder auch "Dafür oder dagegen". Das sind für mich - wenn ich es so sagen darf - typische PUHDYS-Titel. Du kannst also nicht leugnen, dass Du dort 46 Jahre der Frontmann warst ...
Nein, ich habe sie ja auch alle geschrieben ... (lacht) Was soll ich dazu sagen? Es ist nicht zu verleugnen und manchmal sagen Leute, das ist "typisch PUHDYS", aber ich weiß gar nicht, was ist denn "typisch PUHDYS?" Man sagt zu meinem Sohn auch immer, "Du läufst ja, wie Dein Vater" oder "Du guckst genauso, wie Dein Vater". Ich frage dann: "Na, wie gucke ich denn?" Das weiß mein Sohn ja auch nicht. Das ist einfach da und genau so macht man eben auch Musik. Ich glaube auch, dass das gut ist. Ian Anderson von JETHRO TULL kann sich als Schreiber unzähliger Songs auch nicht verleugnen und wird es auch - da kann er machen, was er will - nie hinbekommen, wie METALLICA oder sonst was zu klingen. Und METALLICA werden nie klingen wie SWEET. Das ist einfach da, du bist kreativ und typisch für dich ist eben das oder das. Genauso, wie jeder seine eigene Handschrift hat.

Das ist eine Lebenseinstellung ...
Ja genau, und dass mir diese Töne einfallen, ist nicht vorhersehbar, sondern entspricht einer inneren Eingebung. Man könnte sie natürlich konstruieren, aber das wäre dann wahrscheinlich nicht mehr ich.

Du gibst auf dem Album auch eine ganze Menge Dankbarkeit preis. Bei "Roadies" ist ganz klar, wem Du dankst. Nämlich ein Denkmal für alle die, die sich den Popo aufreißen, damit Du gut dastehst. Und dann gibt es den Titel "Große Herzen". Wer ist damit gemeint, wer ist denn Dein Engel mit den Flügeln?
Na ja, mein Engel ist natürlich meine Frau. Sie macht so viel für mich, was ich niemals auf die Reihe bringen würde. Aber ich sage mal: Menschen, die fremden Menschen helfen, ohne gleich die Hand aufzuhalten. Gerade auch in der Corona-Zeit, dass sich Leute untereinander helfen. Nachbarn, die für andere einkauften und ihnen die Sachen vor die Haustür stellten oder dass Kinder für eine Oma einkaufen gehen. Die ganz kleinen Sachen eben. Es gibt so viele Dinge, bei denen einem geholfen wird, die mir jetzt auf Anhieb gar nicht einfallen. Leute springen im Winter ins Wasser, um andere Menschenleben zu retten und das ist für sie selbstverständlich. Sicherlich sollte das letztlich jeder machen, aber wenn jemand so etwas macht, ist es eine große Sache. Ich empfinde dafür unheimlich viel Respekt und habe ganz viel Anerkennung für solche Menschen. Ich bin auch dankbar für alles, was ich erleben darf. Ich kann Gott danken, dass ich dieses Leben führen darf, dass ich kreativ sein kann und dass es eine ganze Menge Leute gibt, die meine Musik gut finden, sich anhören und sich kaufen, also auch Geld dafür ausgeben. Also, ich bin dafür sehr dankbar, bringe das überall zum Ausdruck und behandle auch alle Menschen gleich. Ich bin kein Star, früher sagten die Leute immer: "Ihr seid ja so normal." Also wir alle, auch meine Kollegen. Für mich war das immer normal, denn im Osten gab es ja auch keinen "Star-Rummel" in dem Sinne. Der Song "Große Herzen" ist seit dem 9. Dezember 2023 als Single mit einem Lyric-Video raus ...


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Beim letzten Titel des Albums "Wenn ich noch einmal leben könnt" musste ich ein wenig schlucken. Er klingt ein wenig nach einem Abschied, bei dem Dieter "Maschine" Birr jetzt sagt: "Danke Freunde, das war's und ich sage noch mal Danke für alles!" Täuscht mich das oder ist es einfach nur rein zufällig so geworden, wie es eben klingt?
Nein, es ist einfach so, dass man in einem gewissen Alter auch mal darüber nachdenkt, was wäre denn so, wenn …? Ich sang ja schon vor einigen Jahren mit den PUHDYS "Mein zweites Leben" und in diesem Fall war Johnny Cash - wenn auch nicht Vorbild - eine gewisse Inspiration für mich. Ich fand spannend, wie er ganz sparsam instrumentiert mit seiner brüchigen Stimme zwei Platten machte. Etwas in dieser Art wollte auch ich unbedingt machen. Das Lied spielte ich in fünf Minuten ein, spielte die Gitarre durch und es sollte wirklich ganz einfach sein. Also ohne irgendwelche großen Arrangements, nur ein wenig Akkordeon. Es ist kein Bass dabei, keine zweite Stimme und auch sonst nichts. Das hat einfach funktioniert. Und ich glaube, jeder hat mal eine Phase, in der er sich fragt: "Würde ich das noch mal machen?" Ich flunkere ja auch ein bisschen, in der zweiten Strophe singe ich: "Geh' ich noch mal den gleichen Weg oder spricht etwas dagegen? Quatsch, natürlich würde ich fast alles wieder tun ... " Meine Frau amüsiert sich dann immer, wenn ich "Quatsch" singe. (lacht) Dazu gehört natürlich auch das Spielen mit der gleichen Band und wir waren ja eine geile Band, das war die schönste Zeit in meinem Leben und so etwas erleben die wenigsten Leute. Noch dazu im Osten als Rockband und dann eben auch im Westen. Es war - das muss ich wirklich sagen - wirklich gigantisch, was wir alles erlebten, was wir für Erfolge feierten und in welchen Größenordnungen wir - insbesondere auch nach der Wende - spielen konnten. Da bin ich auch demütig und dankbar, dies alles erlebt haben zu dürfen. Für mich ist das nicht normal und mit Abstand sieht man das Ganze auch etwas anders. Es ist ja so, man gewöhnt sich auch ein bisschen an den Erfolg, aber nach der Wende wusste keiner, wo es langgeht und man fing wieder von vorne an. Dann wurde es immer mehr, es kamen immer mehr Leute, wir spielten sogar im "Rockpalast" und räumten dort ab. DIE PRINZEN hatten es an diesem Abend nach uns wirklich schwer. Wir hatten auch angeboten, als letzte Band zu spielen, aber die Entscheidung fiel anders ... Trotzdem kein Problem, mit Tobias Künzel bin ich nach wie vor gut befreundet. Bis dahin hatte sich niemand ran getraut, aber nach dieser Sache kam man zu dem Entschluss: "Okay, dann können wir die PUHDYS auch mal allein in der Waldbühne spielen lassen ..." Eine Woche vorher war die Bühne ausverkauft, das war schon mal eine Meldung.

Du hattest ja gerade schon die Textzeile "Auch spielen mit der gleichen Band ..." angesprochen. Bemerkenswert finde ich den Nachsatz "aber friedlich bis zum letzten Ton ...". Das klingt ein bisschen, als würde Dir dieser ganze Trouble leidtun, der in den letzten Jahren entstand ...
Das nicht wirklich, ich würde nur das nächste Mal gleich von Anfang an darauf bestehen, dass der, der ein Lied komponiert hat, auch als Komponist genannt wird. Ansonsten war ja nur das Ende Scheiße. Die vielen Jahrzehnte, die wir vorher zusammen erlebt haben, waren doch großartig. Die PUHDYS waren mein Leben; wir haben gemeinsam soviel erreicht, und darauf können wir alle stolz sein. Die PUHDYS haben mir immer Halt gegeben, und das war auf einmal weg.

Viele Fans hätten sich ja zum 50. gewünscht, dass neben dem einen auch der andere Teil der Band mit dabei gewesen wäre. Es gab eine Veranstaltung in Rostock, die Fans hätten sich eine gemeinsame Sache gewünscht. Ist so etwas komplett und definitiv ausgeschlossen für die Zukunft?
Ja. Ich fand das auch irgendwie doof. Der Sohn von Quaster, Sven, den ich schon kannte als er ein kleiner Junge war und mit dem ich immer guten Kontakt hatte, organisierte diesen Abend. Da waren keine 500 Leute da und dass auch noch Harry dort vorgeführt wurde, das hätte ich alles nicht gemacht. Der Sohn wurde dann gefragt, warum denn Maschine nicht dabei gewesen wäre. Er sagte: "Ich lade doch nicht jemanden ein, der meinen Vater verklagt." Das muss man sich mal überlegen, ich habe doch nicht seinen Vater verklagt, sondern meine Rechte eingeklagt. Klaus Scharfschwerdt war ebenfalls nicht dabei, weil auch er ein gespaltenes Verhältnis dazu hatte. Das sind Sachen, bei denen ich mich wundere und mir denke: "Das waren mal so etwas wie Freunde, mindestens aber Kollegen mit denen man freundschaftlich verbunden war." Das hat mich schon irritiert und ich hätte ohnehin keine Lust auf diese Veranstaltung gehabt, selbst wenn ich eingeladen worden wäre.

Ich fand diese Veranstaltung selbst auch ziemlich seltsam. Wie Harry im Rollstuhl sitzend vor die Bühne gekarrt wurde, fand ich unmöglich ...
Ja, ich auch. Er hat sich aus dem ganzen Streit heraus gehalten und er war auch der einzige von meinen ehemaligen Kollegen, der sich bei mir meldete, als ich an Krebs erkrankt war und er wünschte mir alles Gute. Ich war auch bei ihm zum Geburtstag, den er bei seinem Schwager feierte. Alle Kollegen waren bei ihm, allerdings nicht alle an einem Tag. Meiner Frau Sylvia fiel bei unserer Verabschiedung auf - er war ja schon sehr krank - dass es eine merkwürdige Stimmung war, also so, dass es wahrscheinlich unser letztes Wiedersehen gewesen sein könnte. Er konnte nur ganz schlecht laufen, brachte mich aber trotzdem bis zum Auto, und das war schon äußerst bemerkenswert. Harry und ich hatten - das darf man ruhig sagen - manchmal Probleme miteinander, aber er war auf seine Art immer irgendwie Mensch geblieben und zeigte auch stets seine Gefühle. Ich glaube, er hat mich auch irgendwie geschätzt, so wie ich ihn auch geschätzt habe. Bei der Verabschiedung hatten wir uns so herzlich gedrückt, als wenn es der Abschied für immer wäre. Und so war es dann auch. Mich berührt es heute immer noch, wenn ich daran denke.


007 20221212 1936562349Maschine mit den Kollegen von den PUHDYS (Foto: Bert Kubik)


Die ganze Sache mit dem Prozess um die Autorenrechte der Songs wirkte nach außen ziemlich ungelenk von allen Seiten. Ich glaube, Ihr habt alle einen kräftigen Teil dazu beigetragen, dass der Name und vor allem der Mythos PUHDYS einen großen Schaden nahm ...
Na klar, und diesen Schuh darf sich da jeder Beteiligte anziehen. 2013 und 2014 gab es zwischen uns das ganz große Zerwürfnis, daran sind die PUHDYS zerbrochen. Ich wurde anschließend ständig von fremden Leuten und von Fans angesprochen, die mich plötzlich auf Interna angesprochen haben. Das war für mich eine ganz neue Situation. Ich wurde sogar angegriffen, habe anonyme Briefe bekommen … das kannte ich bis dahin nicht. Wir haben uns in all den Jahrzehnten zuvor immer zusammengesetzt, wenn wir Probleme hatten, und haben darüber gesprochen. Nun war plötzlich alles anders und ich stand komplett alleine da. Obwohl ich versucht habe, mich mit meinen Kollegen wieder an einen Tisch zu setzen - was wir dann auch taten - und ich ihnen vortrug, was mich bewegt hat und worüber ich tierisch sauer war, sind sie nachdem sie sich das anhörten einfach aufgestanden und gegangen. Das war`s. Dann sind Jahre vergangen, in denen die Beschuldigungen und der ganze Ärger nicht abreißen wollten, und irgendwann habe ich die Faxen dicke gehabt. Ich habe so bei mir gedacht, ich habe in all den Jahrzehnten ganz viele Titel nicht nur finanziell zu gleichen Teilen geteilt, sondern auch die Rechte an den Kompositionen geteilt, obwohl ich fast alle Lieder alleine geschrieben habe. Das habe ich dann nicht mehr eingesehen, trat an meine Kollegen heran und sagte, ich möchte das ändern. Ich wollte, dass ab sofort der Name des Komponisten hinter einem Titel steht, der ihn auch tatsächlich geschrieben hat. Darauf gab es keine Reaktion, kein Interesse. Es ging soweit, dass mein Anliegen einfach abgelehnt wurde. Ich habe weit über ein Jahr versucht, Gespräche mit den Kollegen führen zu können. Das ist mir nicht gelungen. Nach diesem langen Zeitraum habe ich gesagt, wenn wir uns nicht an einen Tisch setzen und die Sache klären können, muss ich eine Klage bei Gericht einreichen, um meine Rechte zurück zu fordern. Auch darauf gab es wieder keine Reaktion. Es blieb mir also gar nichts anders übrig, als dann wirklich eine Klage einzureichen. Mit dieser Klage ist mir aber gelungen, dass wir am Ende doch an einem Tisch gesessen und uns unterhalten haben. Es hat aber noch viele Monate gedauert, bis wir eine Lösung gefunden haben. Wir haben eine Vereinbarung getroffen, zu dessen Inhalt ich leider nichts äußern darf, weil mir meine Kollegen das untersagt haben und ich dafür auch unterschreiben musste. Aber nur soviel: Ich bin mit dem Ergebnis sehr zufrieden. Und für alle die, die das interessiert … Ich lasse meine Kollegen auch in Zukunft finanziell nicht im Regen stehen. Auch das, was sie bisher bekommen haben, dürfen sie komplett behalten.

Kommen wir wieder zu etwas Erfreulicherem und nochmal zu "Große Herzen". Du wirst das Album nun auch auf die Bühne bringen. Ich nehme an, Du wirst nicht das komplette Album spielen, welche Songs davon wird es denn live geben?
Ich probe aktuell mit Uwe Hassbecker für die kommenden Konzerte, bei den ersten sollen drei neue Songs gespielt werden, nämlich "Halte durch", "Große Herzen" und "Wenn ich noch einmal leben könnte".

Wird denn die Tour zur Platte Anfang kommenden Jahres mit kompletter Band stattfinden oder "nur" mit Uwe?
Zunächst nur mit Uwe. Die Plattenfirma würde das gerne mit Band machen, aber ich will erst mal abwarten. Machen wir uns nichts vor, mit einer großen Band zu spielen, bedeutet einen großen Aufwand, die Musiker wollen bezahlt werden, es muss eine riesige Anlage her und du musst gutes Licht haben. Wenn man so etwas macht, muss man sich gut präsentieren und dies bedeutet gleichzeitig, dass es teuer wird. Kommen da jetzt nicht gleich ein paar tausend Leute ins Konzert, würdest du logischerweise zuzahlen. Daher möchte ich nun erst mal sehen, wie die Platte laufen wird. Viele, die sie bereits hören konnten, finden sie gut, das ist aber nicht gleichzeitig eine Garantie dafür, dass auch die Live-Locations ausverkauft sein werden. Aus diesem Grund buchten wir noch nichts, denn wenn schon mit Band, dann muss es auch richtig knallen! Mit Uwe läuft es Klasse, die Leute freuen sich, weil sie richtig nah dran sein können und das Ganze einen besonderen Reiz hat. Die Sache entstand durch einen Zufall, als ich gefragt wurde, ob ich nicht mal für 20 Minuten bei einer geschlossenen Veranstaltung spielen könne. Ich lehnte ab. Dann meinte der Gastgeber: "Ach Mensch, das wär' doch aber geil ..." So fragte ich Hassbe also doch, er kannte von unserer Band her ja schon alle Titel und wir spielten dann eben doch. Es war eine große Bühne aufgebaut und ohne groß zu proben machten wir dieses Ding. Meine Frau war dabei und sagte: "Weißt Du was, dieser Auftritt hatte was Magisches!" Ich wäre nie auf die Idee gekommen, zu zweit ein Konzert zu machen. Es traten auch noch ein paar andere Musiker dort auf, zum Beispiel Angelika Mann und Manuel Schmid von STERN MEISSEN. Auch Manuel klatschte und sagte, dass es toll gewesen sei. Also dachten wir, "Okay, dann lass es uns probieren." Ich fragte Uwe, er fand die Idee gut und war ebenfalls begeistert. Wir buchten also für drei Tage einen kleinen Saal mit 180 Plätzen in Schwarzenberg, um uns dort einzuspielen und das mal auszuprobieren. Wir hatten auch vorher gebeten, dass nicht gefilmt und mitgeschnitten wird, da wir überhaupt nicht wussten, was passieren würde. Deshalb gibt es davon auch keine Aufnahmen. Das allein reichte offensichtlich aus, dass die Leute genügend Vertrauen hatten, mich und Uwe gemeinsam auf einer Bühne zu sehen. Sie fanden es gut, aber man selbst ist sich natürlich unsicher. Wenn man ein Lied in voller Besetzung kennt und spielt es dann mit zwei Gitarren, kann es auch sein, dass sich die Leute fragen, was das denn jetzt solle. Aber es war nicht so.


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Das war ja meine Frage: Du sagtest, es sind nur zwei Gitarren, lassen sich denn alle Lieder vom neuen Album auf diese zwei Gitarren "umstricken"?
Sicherlich würden "Roadies" oder "Weiter weiter" nicht wirklich wirken. Aber alle anderen Lieder könnte ich mir vorstellen. Nun stehen "Halte durch" und "Große Herzen" auf dem Plan, die gehen auf jeden Fall. Ich meine, wir spielen ja auch PUHDYS-Kracher wie "Wenn Träume sterben" oder "Geh zu ihr", die vermeintlich erst durch ihren Bombast wirken. Aber für mich ist auch entscheidend, dass die Melodie für sich allein wirkt. Ein Lied muss auch mit einer Klavier- oder Gitarrenbegleitung funktionieren, weil letztlich die Melodie verantwortlich für ein Lied ist. Manche Lieder funktionieren natürlich anders: "Wilder Frieden" wäre irgendwie albern, aber wir probierten es mit den PUHDYS auch unplugged. Da waren wir aber auch sieben Leute auf der Bühne. So richtig funktionierte es aber dennoch nicht ... Am besten wirken unplugged eben doch die sehr melodischen Songs. Aber wir werden sehen und noch einige passende Songs finden.

Ich drücke Dir und Uwe die Daumen, dass alles so funktioniert, wie Ihr es Euch vorstellt und dass es vor allem die Leute anmacht, Euch in großer Besetzung sehen zu wollen und sich das irgendwie umsetzen lässt, denn das wäre ja wünschenswert ...
Na klar! Das machte ja auch bei den ROCK LEGENDEN riesigen Spaß, wieder mit einer Band zu spielen. Das war schon geil. Und vor allem auch, vor ein paar tausend Leuten zu spielen ...

Das Thema ROCK LEGENDEN ist ja auch endgültig geschlossen, die wird es nicht mehr geben, oder?
Nein, CITY hören auf und meinen es ernst, so viel ich weiß ...

Bist Du zum Abschied Ende Dezember bei CITY in Berlin dabei?
Nein, leider bin ich da nicht dabei, denn an diesem Tag kommt mein Album raus und ich werde in Dresden und Leipzig bei einer Autogrammstunde sein. Sonst wäre ich selbstverständlich gern dabei gewesen und hätte sicherlich auch bei einem Song mitgespielt ... Mir war allerdings auch nicht bewusst, dass CITY ausgerechnet an diesem Tag zum letzten Mal spielen wird. Andererseits hätte ich deshalb auch keine Veröffentlichung verschoben, denn es war ja der Plan der Plattenfirma, die Scheibe an genau diesem Tag herauszubringen. Also nicht an einem Tag, an dem alle irgendwas veröffentlichen ... (lacht)




Der letzte Tag des Jahres ist aber schon ein ziemlich ungewöhnlicher Termin ...
Ja, aber da werden kaum neue Alben veröffentlicht. Ich lasse mich einfach überraschen und wenn ich unter den Top 10 komme, bin ich doch schon zufrieden ... Mit meinem zweiten Album "Maschine" war ich 2014 Platz 13, wenn ich mich recht erinnere. Damit wäre ich derzeit äußerst zufrieden, das hatten wir in den offiziellen Charts bis dahin nicht mal mit den PUHDYS erreicht. (lacht) Mit dem Abschiedskonzert 2016 waren wir aber auf Nummer 2 der deutschen Charts ...

Wir sind am Ende angelangt, möchtest Du abschließend noch ein paar Worte an unsere Leser richten?
Ich wünsche allen Lesern von "Deutsche Mugge" ein frohes Weihnachtsfest und hoffe, dass sie den Silvesterabend mit meinem neuen Album verbringen ... (lacht)



Interview: Christian Reder
Übertragung: Mike Brettschneider
Fotos: Dana Barthel, Bert Kubik, Christian Reder




   
   
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