Sven Dietrich (ex ZOE Band) von der Gruppe
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Interview vom 9. April 2022



Sven Dietrich und Falk Kotulla gehörten in den 80ern und frühen 90ern der Leipziger ZOE BAND an. Der Eine (Dietrich) als Gitarrist, der Andere (Kotulla) als Sänger. Beide trafen sich fast 30 Jahre später wieder und gründeten nun die Gruppe KODIAG. Relativ schnell entstand neues Songmaterial, das seit wenigen Tagen in Form der CD "Marathon" vorliegt. Wie es genau zu den neuen Aktivitäten kam, was die Band da für Euch vorbereitet hat und wie die Zukunftspläne von KODIAG aussehen, wollten wir von Sven Dietrich wissen, den wir zu einem Interview eingeladen haben und der von unserem Kollegen Christian befragt wurde ...

 


 

001 20220415 1972113324Die Band heißt ja KODIAG. Wer von Euch ist denn der Bär?
lacht Ich denke, dass der Kodiakbär eigentlich mit "k" geschrieben wird. Unser Bandname setzt sich jedenfalls aus Pseudonymen zusammen wie dem "Ko" aus Kotulla, so heißt unser Sänger Falk mit Nachnamen. Dazu kommt das "Di" aus meinem Nachnamen Dietrich. Das "Ag" habe ich selbst erfunden und das könnte für "Arbeitsgemeinschaft" stehen.

Die Band besteht aber nicht nur aus Euch beiden. Stelle uns bitte auch die anderen Mitstreiter der Band vor.
Wir sind gerade dabei, die Band zusammenzustellen und unser erstes Album zu proben. Unseren Sänger Falk Kotulla hatte ich ja bereits erwähnt. Die zweite Gitarre spielt bei uns Franz Hessler, ein ehemaliger Gitarrenschüler von mir. Christoph Blessin, mit dem ich auch noch zusammen in einer RAGE AGAINST THE MACHINE-Tributeband spiele, zupft bei KODIAG die Bassgitarre. An den Keyboards und sonstigen Tasteninstrumenten steht Thomas "Tommy A." Aderhold, den man hier in Halle/Saale schon als Allroundmusiker kennt. Tommy tritt neben seinem Mitwirken bei KODIAG auch als Alleinunterhalter und als Mitglied einer BLUES BROTHERS-Tributeband auf. Schließlich haben wir noch Robert Foerster an den Drums. Kennengelernt habe ich Robert, als ich mal mit ein paar Leuten durch die Clubs gezogen bin. Er fiel mir auf, also sprach ich ihn an und nun spielt er bei uns mit.

Wie lange gibt es die Band schon?
Die Band habe ich in den letzten Monaten erst zusammengestellt. Vorher kannte man sich eher auf der persönlichen Ebene.

Es ist ja schon eine extreme Verwandtschaft zu der ebenfalls aus Leipzig stammenden ZOE BAND festzustellen. Und wenn ich richtig liege, macht ihr ja auch damit Werbung, dass Ihr die Nachfolger seid.
Diesbezügliche DNA ist nur von mir und von Falk vorhanden. Wir hatten die letzten Jahre bei ZOE gespielt und trafen uns vor einem guten Jahr mal auf einem Grillfest wieder. Bei der Gelegenheit machten wir aus, dass wir uns gegenseitig die Demos mit unseren eigenen Ideen zuschicken, die wir in den zurückliegenden Jahren angesammelt hatten. Danach ging es Schlag auf Schlag. Falk begann meine Lieder mit Texten zu versehen und ich griff bei seinen Songs ein bisschen ins Arrangement ein. Damit die Leute nun wissen, um wen es sich bei uns handelt, erwähnten wir, dass wir mal zusammen bei ZOE gespielt haben. Aber wir spielen bei KODIAG keine ZOE-Songs.

002 20220415 1725896676Das ist eigentlich schade, dass Ihr die alten Nummern nicht weitertragt, wenn Ihr schon dabei wart.
Ja, da magst Du Recht haben. Aber als wir damals bei ZOE einstiegen, hatten wir gerade noch ein Restmaterial von vier oder fünf Songs. Es gab jedoch viel mehr Titel von ZOE, die wir damals auch gerne live gespielt haben. Heute ist es so, dass wir die Titel natürlich immer noch mögen, sie aber in dieser Kombination noch nicht spielen wollen. Es wäre für die Leute auch verwirrend, wenn wir zu viel ZOE-Material spielen würden.

Nun habe ich mir Eure CD aufgelegt und dachte bei mir: Toll, endlich macht der Grönemeyer mal wieder ein geiles Rockalbum! Nein, im Ernst, das klingt wirklich verblüffend nach Grönemeyer. Es ist erstaunlich, welch ähnliche Stimmfarbe Euer Sänger hat, oder?
Das war ja damals auch der Grund, weshalb er in die ZOE BAND geholt wurde. Es war die Zeit um 1987/88, als Grönemeyer sehr angesagt war und man deshalb bei ZOE froh war, Sänger zu haben, die diese Stimmfarben bedienen konnten. Vor Falk Kotulla gab es nämlich den Bernd W. Wuttke, der das auch schon gut hinbekam. Eines Tages brauchte man eine Art Aushilfe für Bernd und man merkte schnell, dass Falk die Grönemeyer-Nummern genauso gut singen kann. Er wurde extra wegen der Stimme gecastet, denn man spielte seinerzeit richtig viel Grönemeyer, Phil Collins und solches Zeug. So ergab es sich also, dass Falk ebenfalls bei ZOE gesungen hat.

Ja, das stimmt, diese Ähnlichkeit ist echt verblüffend. Natürlich hört man schon heraus, dass er eine eigene Stimme hat, aber es klingt durchaus verwandt.
Auf jeden Fall erzählen uns die Leute immer, dass sie Falk besser verstehen als den echten Herbert Grönemeyer. Wer auf Grönemeyer steht, wird auch KODIAG mögen. Andersherum wird man niemanden für KODIAG gewinnen, der Grönemeyer nicht mag.



Mich habt Ihr jedenfalls total abgeholt, denn was Ihr macht, finde ich um Längen besser als das, was Grönemeyer in den letzten Jahren abgeliefert hat. Damit sind wir auch schon beim Musikalischen. Es ist bretthart, was Ihr macht, es ist richtig Rock`n`Roll und geht mächtig zur Sache. Stell doch mal selber Euer Album vor. Was habt Ihr für Inhalte, was sind die Gründe dafür und wo kommen diese Inhalte her?
Bei Sängern ist es üblich, dass sie ein Textbuch haben. Oder gerne auch ein Diktiergerät, wo spontane Eingebungen reingeschrieben werden. Da hat man also alle Texte und Themen für ein Album zusammen auf einem Gerät. Wenn dann mal ein paar musikalische Ideen im Raum stehen, greift man zu den Textbüchern und schaut, welche Texte gut zu der Musik passen würden. Dabei geht es nicht nur um die Phonetik, sondern auch darum, ob es ein Rocksong ist oder eher eine Ballade. Bei Falk ist es z.B. so: wenn er eine musikalische Idee hat, schnappt er sich seine beiden Hunde, geht mit ihnen zwei Stunden über die Felder und kommt mit einem fast vollständig durchkomponierten und getexteten Lied wieder zurück. Das ist ein großartiges Talent. Es gibt anschließend wirklich nur noch vereinzelte Kleinigkeiten, an denen wir nacharbeiten müssen. Auf diese Art haben wir beide dreißig Songs fertiggestellt, von denen fünfzehn auf unserem ersten Album gelandet sind.

003 20220415 1238910402Dazu fehlen im Booklet der CD leider die Angaben. Die Lieder stammen also komplett von Falk?!
Na ja, die Lieder wurden von Falk und mir geschrieben. Es fehlten nur tatsächlich auf der CD die entsprechenden Hinweise, weil es schlecht aufzubröseln ist, dass Falk an dem einen Song zu 60 Prozent beteiligt ist, bei dem nächsten zu 40 Prozent usw. Deshalb haben wir uns geeinigt, die Kompositionen im fifty/fifty-Verhältnis gemacht zu haben, denn insgesamt steckt unser beider Arbeit zu gleichen Teilen in den Songs.

Kommen wir zurück zu den Inhalten. Worum geht es auf dem Album?
Sehr oft geht es natürlich um die Geschlechterbeziehung, also um die Erlebnisse, die Mann und Frau miteinander haben. Aber es gibt auch andere Themen. Gleich im ersten Song "Meine Stadt" geht es darum, dass Falk beruflich sehr viel unterwegs war. Sowohl in Europa als auch anderswo in der weiten Welt. Im Song verarbeitet er die Gefühle, die er hatte und hat, wenn er nach solchen Reisen wieder zurückkommt in seine Heimat. Des Weiteren gibt es auf der CD eine sehr schöne Ballade mit dem Titel "Regenbogen". Den hat Falk erst kürzlich geschrieben. Er hat immer viele Tiere um sich und von diesen ist gerade ein kleiner Hund verstorben. Daraufhin schrieb er diesen Song "Regenbogen", der doch ziemlich die Seele berührt. Überhaupt werden in den Liedern viele persönliche Sachen verarbeitet. Es gibt auch einen Song, der die Fans anspricht, egal ob nun im Fußball oder in der Musik. Und so geht es kreuz und quer durch unsere Erlebniswelt. Hauptsächlich geht es aber nach wie vor um das alte, ewig junge Thema Liebe.

Also aus dem Leben gegriffen…
Ja, so kann man es ausdrücken. Es werden sich viele in den Liedern wiederfinden.

Musikalisch, das sagte ich ja schon, geht es bretthart zur Sache. Ihr habt mächtig Dampf auf dem Riemen und setzte auf den Einsatz einer ordentlichen E-Gitarre. Ich würde sagen, Ihr habt Euch für den klassischen Rock entschieden. Liegt das nun an Euerm Alter oder hattet Ihr keinen Bock auf diese Fisimatenten, die heutzutage in die Musik eingebaut werden, um trendy zu klingen?
Zunächst will man natürlich das machen, was man liebt. Schließlich sind Falk und ich ja mit dem Rock`n`Roll aufgewachsen. Wir waren immer in klassischer Bandbesetzung unterwegs, haben zwar hier und da auch Ausflüge in andere Stilrichtungen gewagt, aber letztlich ist es die Rockmusik, die immer ins Schwarze trifft. Und unsere neu dazu geholten Bandkollegen, die um einiges jünger an Jahren sind als wir beide, weisen in ihrem Musikgeschmack deutliche Parallelen zu uns auf. Natürlich können die auch alles bedienen vom Jazz über Blues bis hin zum Rock`n`Roll. Genau dann, wenn man das spielen kann und darf, wofür man brennt, macht es am meisten Spaß. Bei uns ist es eben die Rockmusik oder gerne auch mal die Ballade.



Du hast also die Band auf die Beine gestellt, Ihr habt das Album fertig gemacht und probt jetzt offenbar für die Live-Umsetzung. Wie stellt Ihr Euch das künftig vor? Wollt Ihr auf Tour gehen, werdet Ihr die Platte ordentlich promoten?
Bis jetzt haben wir noch keine professionelle Begleitung gesucht, haben also noch keine Unterstützung durch ein Management oder eine Produktionsfirma, wie es andere Bands handhaben. Da waren wir noch etwas zurückhaltend, denn wir wollen erst einmal abwarten, wie das Album ankommt, ob die Leute es überhaupt annehmen und mögen. Das lassen wir ganz entspannt auf uns zukommen. Wir sehen aber durchaus schon Reaktionen aus unserem Umfeld. Manche Veranstalter kennen uns ja bereits als Musiker und meinen, das klingt recht interessant, was wir da machen. Wir sprachen auch direkt Musiker aus unserem eigenen Umfeld an und baten sie, sich das mal anzuhören. Wenn ja, können wir gerne mal zusammen proben, damit wir für den Fall, dass es sich schnell zum Positiven entwickelt, auch wirklich spielfertig sind. Umso mehr Kreise die Sache zieht, desto mehr Veranstalter melden sich auch bei uns. Nur ist es so, dass bei vielen Veranstaltern auf Grund der Pandemie erst langfristige Buchungen möglich sind, da sich in den letzten zwei Jahren unglaublich viel an nicht stattgefundenen Events und Konzerten aufgestaut hat, was jetzt erst einmal abzuleisten ist. Es macht also für uns wahrscheinlich keinen Sinn, vor 2023 über einen Termin nachzudenken. Trotzdem sind wir natürlich fleißig dabei, das Album zu proben, damit eine gewisse Routine reinkommt.

004 20220415 1685811897Ohne dass das jetzt negativ klingen soll, aber kann es sein, dass Ihr das Pferd von hinten aufgezäumt habt? Denn das Album bringt man ja raus, wenn man sich gerade richrtig eingegroovt hat. Ihr seid jetzt mit dem Album fertig und habt es rausgebracht, aber wie macht Ihr das Ding denn nun bekannt ohne Management, ohne Plattenfirma, ohne Muggen … Wie bringt Ihr es unter die Leute?
Im Moment nutzen wir, so wie alle anderen auch, die Social Media-Plattformen. Das Album ist auf allen Streaming-Plattformen abrufbar, was ein guter Anfang für uns ist. Natürlich wird eine Band, die es schon zehn Jahre gibt, mit einem neuen Album sofort nach oben schießen, was bei uns verständlicherweise nicht der Fall ist. Aber man muss guter Hoffnung sein, dass man etwas Gutes am Start hat. Und man muss immer und überall gut vorbereitet sein. Vom Proben wird man ohnehin nicht dümmer, also haben wir alle ganz viel Spaß daran, uns die Titel in den Proben einzuverleiben, auch wenn unser Kalender für die nächsten zwei Jahre noch viel Platz für Auftritte anzeigt.

Ist das für Dich als Musiker die erste Plattenproduktion mit einem eigenen Projekt oder gab es da vorher schon mal etwas? Soviel ich weiß, warst Du ja bei ZOE an keiner Produktion beteiligt.
ZOE hatte damals keine eigene LP. Es gab im Jahr 2000 mal jemanden, der alle ZOE-Songs zu einer Platte zusammengeschnürt hat. Das geht ja relativ schnell, wenn man sagt, ich lasse mal fix eine CD für mich pressen. Bei AMIGA existierte jedenfalls keine eigene ZOE-Scheibe. Klar, auf verschiedenen Samplern tauchte ZOE durchaus mal auf, weil die Musik eben so gut war. Ich selber nahm an den Aufnahmen von zwei Songs im Studio teil. Das war zum einen der Song "Eiszeit", noch mit Bernd Wuttke als Sänger. Den zweiten Song haben Falk und ich zusammen geschrieben und mit ZOE aufgenommen. Die Nummer hieß "Telefon". Aufgenommen haben wir das in Leipzig, mir fällt nur gerade der Name des Studios nicht ein. Auf jeden Fall haben dort auch viele andere DDR-Größen ihre Lieder aufgenommen. Wie gesagt, zu einer kompletten Platte reichte es zu DDR-Zeiten nicht, aber es gibt trotzdem diese eine CD, die alle ZOE-Songs enthält. Der damalige ZOE-Bassist Manfred "Manne" Votrubec hat irgendwann mal alles Material zusammengesammelt und daraus diese CD gemacht, die man meines Wissens auch richtig bestellen konnte.

005 20220415 1550636899Genau. Diese CD mit ZOE-Liedern nannte sich "Revisted". Aber die aktuelle CD ist die Ausgabe, unter die Du Deinen Namen setzen und sagen kannst: "Das ist mein erstes Album".
Na gut, zwischendurch habe ich immer mal für verschiedene Projekte drei, vier Titel am Stück produziert, aber es wurde nie eine komplette CD. Würde man alle diese Lieder einsammeln, käme sicher auch eine CD zusammen. Diese aktuelle Scheibe ist tatsächlich die erste durchgehende Platte, die ich geschrieben und produziert habe.

In die ZOE BAND bist Du in den 80er Jahren eingestiegen. Wie bist Du dazu gekommen, wo kamst Du her, was hast Du vorher gemacht?
Das ist eine ganz nette Geschichte. Ich wohnte seinerzeit in Magdeburg, was ja nicht schlecht war, aber leider gab es zu der Zeit gerade keine Band, die einen Gitarristen suchte. Bands wie SCHESELONG, MAGDEBURG oder REFORM waren ja sehr präsent und erfolgreich, aber die waren voll besetzt. Ich war jung und heißblütig und wollte unbedingt Musik machen und landete dadurch in der Band P 16. Die suchten wirklich gerade einen Gitarristen, nachdem ihr Gitarrist Jens Streifling zu ZEBRA wechselte. Dadurch bin ich mit 20 Jahren zu P 16 gekommen. Nun muss man wissen, dass P 16 ein bisschen unter die Arme gegriffen wurde, und zwar von der STERN-COMBO MEISSEN. Die machten damals eine jährliche Tour an der Ostsee und nahmen in jenem Jahr P 16 als Vorband mit. Dadurch spielten wir auch auf verschiedenen, teilweise größeren Veranstaltungen. Und bei einer dieser Veranstaltungen war die ZOE BAND mit im Programm. Als ich dann mit P 16 von der Tour als STERN-COMBO-Vorband zurückkam, lag schon das Telegramm von ZOE im Briefkasten. So kam ich 1986 zur ZOE BAND.

Du warst also nur ein Jahr bei P 16?
Ja, es war nur ein kurzes Gastspiel. Das war der Fluch von P 16, dass ihre Gitarristen, wenn sie gut waren, immer von größeren und bekannteren Bands weggeschnappt wurden. Später tat mir das auch leid, aber damals, für einen jungen Mann Anfang 20, war das natürlich der Ritterschlag, für eine Band wie ZOE spielen zu dürfen.

006 20220415 1562601533ZOE gab es ja zu dem Zeitpunkt schon ein paar Jahre und sie waren auch recht erfolgreich. In welcher Situation hast Du die Band vorgefunden, als Du eingestiegen bist? Wie war das Klima im Inneren?
Ich war natürlich sehr überrascht, denn ich war ja sehr jung, war auch noch Amateurmusiker, während die anderen in der Band bereits gestandene Profis waren. Die hatten eine riesige Anlage, tolles Licht, ein hervorragendes Instrumentarium und vor allem einen eigenen LKW. Insgesamt war das alles auf einem Niveau, von dem man als junger Amateur nur träumen konnte. Überrascht war ich aber vor allem davon, was das für gute Musiker waren, in welcher Liga ich plötzlich mitspielen durfte. Natürlich war das für mich eine große Herausforderung, neben diesen Leuten zu bestehen, zumal man immer wieder mit den Großen der Szene zu tun hatte. Ob es nun ELECTRA war, STERN-COMBO und viele andere, mit denen man oft zusammen auf einer Bühne stand. Andererseits war ich sehr dankbar, dass mir diese Chance gegeben wurde und dementsprechend gab ich mir Mühe, damit ich bleiben konnte. Ich lernte eine Menge in dieser Zeit und begriff zum ersten Mal, wie groß der Sprung vom Amateurbereich zu den Profis wirklich war.

Zwei Jahre nach Dir kam Falk Kottula in die Band, mit dem Du ja heute wieder zusammenspielst. War das mit ZOE eine konstante Geschichte oder war das zu Deiner Zeit bereits die Zeit der ständigen Besetzungswechsel?
Als ich zu ZOE kam, spielten die schon einige Jahre mit einer festen Besetzung, wobei auch hier immer mal wieder die Gitarristen wechselten. Mein Vorgänger an der Gitarre, der Andreas Hoge, ging zur PETRA ZIEGER BAND. Und immer, wenn jemand eine bekannte Band verließ, rutschte ein anderer Musiker dafür die Treppe rauf. Obwohl ich ZOE und PETRA ZIEGER qualitativ fast auf eine Stufe stellen würde, nur dass die PETRA ZIEGER BAND eben etwas bekannter war als wir. So drehte sich das Besetzungskarussell zu DDR-Zeiten.

Du hast fünf Jahre bei ZOE gespielt und erzähltest mir im Vorgespräch, dass Du danach eigentlich nicht mehr das machen wolltest, was Du bei ZOE gemacht hast, nämlich covern. Wolltest Du lieber eigene Sachen machen, durftest aber nicht oder wie verhielt sich das damals? Denn ich glaube herausgehört zu haben, dass Du mit der Situation nicht so ganz zufrieden warst.
Unzufrieden war ich keinesfalls, aber natürlich wollte ich als Musiker auch mal eigene Sachen spielen. Es war aber so, dass man in der DDR als Band nur bestehen konnte, wenn man diese 60:40-Regelung eingehalten hatte. Für die, die das nicht kennen, die kurze Erklärung, dass wir live nur 40 Prozent internationale Titel spielen durften und die übrigen 60 Prozent DDR-Titel sein mussten. Auf jeden Fall wurde mir schnell klar, dass ich unbedingt eines Tages meine eigenen Lieder singen und spielen wollte anstatt immer nur Tribute oder Coversongs. Da will ich nun mit KODIAG versuchen, nur aus eigenen Ideen zu schöpfen. Es gibt nämlich kaum etwas Schöneres, als vor Publikum seine eigene Musik spielen zu dürfen. Wenn es dann bei den Menschen auch noch gut ankommt, ist die Welt in Ordnung.

007 20220415 1978363143Wie war das denn in Deinen fünf Jahren bei ZOE? Gab es immer nur die Touren von der Ostsee bis runter an die tschechische Grenze? Oder gab es für Euch auch Ausflüge ins Ausland?
In meiner Zeit gab es keine Auslandsgastspiele von ZOE und ich denke, das war auch vorher nicht der Fall. Wir haben alles von der Ostsee bis nach Thüringen beackert, wenngleich ZOE eher den Süden bespielt hat. Wir spielten enorm viel, ungefähr drei bis viermal pro Woche und haben Auftritte im Ausland nicht vermisst.

Wie hast Du als Musiker denn die Wende erlebt? Bis 1992 warst DU ja bei ZOE und hast dadurch diese ganze Umbruchzeit erlebt, als viele Bands und Musiker förmlich ins Nichts gefallen sind.
Das kam für uns alle ziemlich überraschend. Aber durch diese ganzen Umstände brach quasi die Stunde der Wahrheit über uns Musiker herein. Da es die üblichen Veranstalter nicht mehr gab, die FDJ nichts mehr organisierte, blieben quasi nur noch private Muggen übrig. Dadurch war unser Terminkalender von einem Tag auf den anderen leergefegt. Ein paar hatten nach der Wende zwar mehr oder weniger überlebt und konnten für die ersten DM noch ein paar Gigs spielen, aber das Feld dünnte schnell aus. Man musste sehen, wie es weiterging. Ich für meinen Teil schaute mich anderweitig um, war demnach als Musiker erst einmal nicht mehr aktiv. ZOE nahm tatsächlich eines Tages wieder etwas Fahrt auf, nachdem es sich dann mit den Veranstaltern wieder etwas beruhigt hatte. Ich war ja nicht mehr dabei, konnte aber den ehemaligen Freund meiner Mutter als Gitarristen zu ZOE vermitteln. Das war übrigens Jörg "Fisch" Lesse.

Und Du bist 1992 raus bei ZOE…
Richtig. Zuerst spielte ich mit meinem Bruder am Theater. Ich spielte auch bei der MDR LIVEBAND mit. Mein Bruder ist übrigens Bassist und Mitglied bei den PRINZEN. Viele Jahre überlebte ich so lala mit meinem Bruder zusammen, ging aber nie mehr zurück zu ZOE. Die hatten sich natürlich mit ihren neuen Leuten schon gefunden und es funktionierte alles ganz gut. Das wollte ich nicht aufmischen, sondern suchte mir andere Fahrwasser.

Dein Bruder ist einer der PRINZEN?
Ja, das ist Mathias Dietrich.



Zwischen Deinem Ausstieg und dem Heute liegen 30 Jahre. Das ist natürlich ein riesengroßer Zeitabschnitt und ich gehe mal davon aus, dass Du nicht die ganze Zeit als Musiker tätig gewesen bist, sondern auch berufliche Dinge erledigt hast.
Das stimmt. Nachdem ich bei ZOE ausgestiegen war, hatte ich natürlich urplötzlich auch viel weniger Gigs und war kurzzeitig als Taxifahrer in Magdeburg unterwegs. Das war eine kurzzeitige Notwendigkeit, um zu überleben, ehe die Geschäfte als Musiker dann langsam wieder Fahrt aufnahmen. Ich zog irgendwann um nach Halle, weil ich dort eine Menge Kontakte hatte und das eine oder andere Bandprojekt ausprobieren konnte. In Halle machte ich einen Musikladen auf, wo ich spezielle Services für Saiteninstrumente anbot. Zum Schluss hatte ich dann diese Rock'n'roll-Kneipe, wo viele wegen der Sessions hingegangen sind. So habe ich mich als eine Art Lebenskünstler bis heute durchgeschlagen. Heute bin ich selbstständig, weil ich für die Gitarre ein Zubehör entwickelt habe, was ich inzwischen in die ganze Welt verkaufe. Das Teil nennt sich "The string butler", lässt sich jetzt aber für den Laien nur schwer erklären. Vielleicht googelt man das mal und stellt fest, dass sich durch dieses Gerät die Stimmstabilität der Gitarre verbessert. Das verkaufe ich seit ein paar Jahren u.a. dem Musikhaus Thomann, habe aber auch Händler in den USA, in Kanada, bis hin nach Neuseeland.

Also würden wir uns über Autos unterhalten, wärst Du im Tuningbereich tätig.
Das könnte man so sagen. Wenn ein Auto mehr PS erzeugt, aber dabei weniger Sprit verbrauchen würde, so in etwa könnte man sich das vorstellen.

Was ist mit Deinem Kollegen Falk Kotulla, was hat der in den letzten dreißig Jahren gemacht? Denn medial gesehen, war er ja auch völlig weg vom Fenster.
Durch seine guten Computerkenntnisse, die er sich selbstständig angeeignet hat, holte er sich noch zu DDR-Zeiten einen Commodore 64, anschließend einen Atari und fing an, selber kleine Spiele zu programmieren. Er steckte gut drin im Thema und arbeitete immer weiter an diesen Computersachen. Auf irgendwelchen Wegen landete Falk dann in einer Produktionsfirma, die Sportübertragungen machte. Da geht es ja unter anderem um die Regiewagen, die die Kameras im Stadion verteilen.008 20220415 2017834033 Und er ist der Mensch, der das alles managt, der dafür sorgt, dass alles funktioniert. Seit Jahren reist er mit diesem Job um die Welt, war jahrelang in Dubai oder kürzlich in Frankreich tätig und betreut große Sportevents auf der technischen Ebene.

Und jetzt seid Ihr wieder da und räumt die Deutschrock-Szene auf.
Genau. Falk arbeitet nach wie vor in dieser Firma, will sich künftig aber für die Musik immer mal ein bisschen Zeit freischaufeln.

Ich drücke Euch auf jeden Fall die Daumen, dass aus Euerm Projekt etwas wird, denn das Album ist wirklich toll geworden.
Danke schön!

Ich kann den Lesern das nur wärmstens empfehlen. Und natürlich hoffe ich, dass man Euch demnächst auch mal live sehen kann, was das absolute i-Tüpfelchen wäre.
Da kann ich mich nur bedanken. Wir hören von verschiedenen Seiten, dass die Platte gut ankommt, obwohl die Musik nicht die modernste ist, aber darauf kommt es ja auch nicht an.



Interview: Christian Reder
Übertragung: Torsten Meyer
Fotos: Sven Dietrich/KODIAG PR, Archiv Reiner Schottstedt (ZOE Band)




   
   
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