000 20200210 1476312115



uesc 20200210 1031924273
Interview vom 9. Februar 2020



Wir von deutsche-mugge.de hatten gerade ein Date mit einer Dreißigjährigen. Die äußerst attraktive Rock-Lady aus Sachsen war eigentlich schon von der Bildfläche verschwunden, aber ihre kreativen Schöpfer haben sie vor einiger Zeit aus ihrem Versteck wieder hervor gelockt. Die Rede ist natürlich nicht von einer Frau, sondern von einer Band, die auf den vielversprechenden Namen FACTORY OF ART hört. In ihrer Heimatstadt Leipzig genießt diese Kapelle einen guten Ruf, und diesen verbreitete sie Mitte der 90er und Anfang der 2000er Jahre auch über die Landesgrenzen Sachsens hinaus. Mit zwei Alben und als exzellente Live-Band hinterließen die Musiker mit FoA bleibende Spuren und sogar im Europäischen Ausland packte man das Instrumnentarium für Konzerte aus.001 20200210 1144517277 So vielversprechend sich das alles auch anhört, so geräuschlos verlief es dann auch im Sande, als die Band um 2005 oder 2006 herum sämtliche Aktivitäten einstellte. Seit zwei Jahren ist FACTORY OF ART wieder da, und in diesem Jahr feiert die Band das 30. Jahr ihres Bestehens. Dies nahmen wir nun zum Anlass, uns mit dem dienstältesten Member und zugleich einem der Gründungsmitglieder von FoA auf ein Gespräch über die Dreißigjährige zu treffen. Ronald "Ron" Losch, der seit eh und je für die tiefen Töne bei FoA zuständig ist, traf sich mit unserem Kollegen Christian um die karrieremäßige Achterbahnfahrt dieser Gruppe einmal nachzuzeichnen ...






Ron, Du gehörst zu den Gründungsmitgliedern und bist als solches das letzte Exemplar bei FACTORY OF ART. Es heißt, Heiko Flechsig hätte seinerzeit die Band gegründet. Stimmt das?
Ja, das stimmt. Es war 1989/1990, da wollte sich Heiko als Berufsmusiker verdingen. Aus diesem Grunde gründete er ein Probenraumprojekt und wollte mit diesem ein paar Demos aufnehmen. Es hing letztlich nur noch am Bassisten. Und jedes Mal erschien der Bassist nicht. Ich bin über einen Kumpel ein paarmal zu diesen Auditions hingegangen. Und als der Bassist zum dritten Mal nicht kam, bin ich einfach eingesprungen. Ich kam zwar eigentlich von der Gitarre, aber ich ließ mir ein paar einfache Basslinien einfallen. So wurde ich plötzlich zum Interims-Bassisten.

Das Ganze passierte ja kurz nach dem Fall der Mauer, also in einer Zeit des Aufbruchs und der Unsicherheit. Was waren denn die Ziele, als ihr die Band auf die Beine gestellt habt?
Wie eben schon gesagt, war es gar nicht geplant, eine Band daraus werden zu lassen, sondern es sollte nur als Unterstützung dafür dienen, dass Heiko Flechsig seine Karriere als Musiker starten kann. Wir anderen hatten überhaupt keine Ambitionen in diese Richtung. Wir waren Hobbymusiker, einige waren noch in ihrer Ausbildung, hatten einen Job oder haben wie ich studiert. Doch die Sache entwickelte sich, so dass daraus dann auch schnell professionelle Ansprüche erwuchsen.

Wer gehörte alles zu diesem Projekt oder zu den Unterstützern der ersten Stunde?
Das waren Michael Kühne an den Drums, Marc Hückstädt an den Keyboards und Ronald Losch, also ich, am Bass. Und kurze Zeit später kam Gunter Lange als Sänger dazu.

002 20200210 2056600202Du sagtest gerade, Du kamst von der Gitarre und warst Amateurmusiker. Hattest Du vorher schon in einer Band gespielt oder war FACTORY OF ART Deine erste Station?
Ich hatte schon einige Erfahrungen mit anderen Bands. Zunächst hatte ich ein kleines Metalband-Projekt namens IRON. Das habe ich Anfang der 80er Jahre gegründet. Anfangs waren das alles lose Geschichten, aber ab Mitte der Achtziger wurde es ein richtig festes Projekt. Allerdings endete das auch wieder sehr schnell, als ich 1985 zur Armee musste.

Wo kam denn die Idee zu diesem Bandnamen her? Wer kam auf den Namen? Habt ihr euch wirklich als "Kunstfabrik" gesehen?
Wir nicht, aber scheinbar Musikerkollegen mit denen wir damals den Proberaum teilten, denn wir haben mit Instrumentalmusik angefangen. Schade, dass davon heute kaum noch Bänder existieren. Überwiegend stammten die Nummern aus der Feder von Heiko "Flecke" Flechsig, aber Marc und ich haben auch hin und wieder mal etwas Material beigesteuert. In Richtung Metal und Hardrock ging es dann erst, als unser Sänger Gunter Lange dazu kam. Jedenfalls bekamen wir den Namen verpasst und seitdem hießen wir so.

Wie lässt sich diese Anfangszeit der Band, als ihr Instrumentalmusik machtet, aus heutiger Sicht beschreiben? War es eher wildes Herumprobieren oder gab es von Anfang an höchste Professionalität und einen straighten Blick auf das Ziel?
Weder noch. Flecke hatte als Einziger den Blick nach vorn aufs Ziel gerichtet, denn er wollte ja Berufsmusiker werden. Wir anderen nahmen das eher als Freizeitbeschäftigung und Hobby. Schließlich hatten wir ja alle unser bürgerliches Leben und waren damit gut ausgelastet. Ich studierte noch und machte dann auch meinen Abschluss, die anderen ebenfalls. Flecke setzte sich aber immer wieder hin und schrieb Songs für die Band, die wir uns dann auch drauf drückten, so gut es uns damals möglich war. Aber wirklich professionelle Ambitionen hatten wir anfangs keine. Das entwickelte sich halt alles erst mit dem Einstieg des Sängers, was aber auch zur Folge hatte, dass sich das Personalkarussell bei uns ganz schön drehte.

003 20200210 1635514370Ich frage deshalb, weil euch ab einem gewissen Zeitpunkt der Ruf anhaftete, eine halbwegs professionelle Kapelle zu sein, die einen Hang zur Perfektion aufweist. Nun beweihräuchert man sich selber nicht so gerne, aber ist an dieser Aussage etwas dran?
Ja, da ist durchaus etwas dran. Aber an dieser Professionalität sind wir letztlich auch gescheitert mit unserer "Mark One"-Besetzung, weil es da unterschiedliche Auffassungen gab. Als Gunter Lange kam, stieg unser Drummer aus, der Keyboarder begann zu studieren und hatte keine Zeit mehr für die Musik. So richtig los mit dem Versuch, professionell zu arbeiten, ging es dann mit Thorsten Wolf, unserem neuen Drummer. Also wir machten richtiges Songwriting, nahmen Vorproduktionen auf, arbeiteten die Nummern im Probenraum bis ins Detail aus und so weiter.

Ihr habt bis 1993 zwei Demotapes und eine kleine CD-Single mit dem Titel "No better world" veröffentlicht und in Eigenregie vertrieben. Wer war damals bei euch für solche Dinge verantwortlich und wo entstanden eure ersten Studioaufnahmen?
Verantwortlich war der, der auch heute noch die Verantwortung dafür trägt, nämlich unser Manager Marco Müller, unser Freund und Manager. Den haben wir damals mit ins Boot geholt. Das erste Demotape entstand in Leipzig in dem neugegründeten Studio Eichstädt Audio. Ich glaube aber, das gibt es schon längst nicht mehr. Und die kleine CD entstand in den Münchener Universal-Studios, wo wir dann später auch das Alben "Grasp!!!" und die Maxi CD "Point of no return" aufgenommen haben.

Bis zum ersten richtigen Album, nämlich der von Dir erwähnten CD "Grasp!!!" dauerte es nochmal drei Jahre, denn die Scheibe kam erst 1996 auf den Markt. Wie kam damals dieser Deal mit AFM Records zustande und wie kam es zu dem Album?
Den Deal mit AFM hat unser Manager Marco eingerührt. Das Label war noch ganz jung, hatte sich erst 1994 oder 1995 gegründet. Es passte jedenfalls gut zusammen. Nun war es aber nicht so, dass die Musikwelt dringend auf eine Band wie FACTORY OF ART gewartet hätte. Es war schon mit viel Klinkenputzen verbunden. Marco hat einen großen Anteil daran, dass der Deal klappte. Und was das Münchener Studio angeht, so sind wir natürlich aus heutiger Sicht alles andere als zufrieden mit dem Sound. Aber damals war das für uns das Non plus Ultra, zumal wir ja niemals eine professionelle Produktion hätten bezahlen können. Das übernahm alles unser Produzent in München. Der hat uns in seinem Studio produziert und aufgenommen, hat gemixt und gemastert.

004 20200210 1457450073Als Gäste sind auf dem Album Chris Boltondahl von GRAVE DIGGER und Alex Krull von ATROCITY. Das waren ja wirklich große Namen von großen Bands. Wie habt ihr diese Herrschaften für euch gewinnen können? Oder hat euch der Produzent die Jungs ins Studio geschoben?
Nein, der Produzent kam gar nicht aus der Metal-Ecke. Wir hatten in den Neunzigern das Glück, immer wieder mal im Vorprogramm großer Bands spielen zu dürfen. Damals ging das noch, während man heute ja nach dem Prinzip "Pay to play" verfährt, was bedeutet, dass man sich da einkaufen muss, um zu spielen. So konnten wir also als eine Art Local Support ziemlich oft vor GRAVE DIGGER und anderen Bands spielen. So entstand der Kontakt zu Chris Boltendahl. Bei Alex Krull war es so, dass wir in den Berliner Vielklang-Studios das "Roadrunner Sessiontape" für Roadrunner Records aufnahmen. Roadrunner Records und Rock Hard wollten im Rahmen eines Preisausschreibens mit dem "Thrash The Wall"-Sampler Bands aus dem Osten unterstützen. Wir waren mit unter den Gewinnern und kamen so in den Genuss von ein oder zwei Studiotagen, an denen uns Alex Krull produzierte. Leider schaffte es der Sampler nicht zur Veröffentlichung.

Das Ganze klingt bis hierher ja nach einer einzigen Erfolgsgeschichte. Es folgte dann auch noch eine größere Europatournee gemeinsam mit einigen anderen Bands. Aber dann, so wird sich erzählt, kam es bei euch zu einer Art Sinnkrise. Wie äußerte sich das und wie kam es zu dem anschließenden Umbruch bei FACTORY OF ART?
Wir hatten uns 1996, nachdem wir uns vorher wirklich den Hintern abgespielt hatten, in den Probenraum zurückgezogen, um neues Material zu schreiben. Wir kramten in unseren Kisten, ob wir von älteren Songs vielleicht noch etwas verarbeiten können und dieses Material nahmen wir dann als Grundlage für Tapes. Irgendwie gelangte das zu Andy Allendörfer von AFM Records, der da noch lebte. Und Andy gefielen ein paar Stücke, die in Richtung "Point of no return" gingen. Er wollte also unbedingt diese Songs und wir wollten gerne unseren Deal fortsetzen. So kam es, dass wir den Drei-Tracker "Point of no return" rausbrachten. Allerdings war das eine Art Musik, die eigentlich untypisch für uns war. Das meiste stammte aus Gunters Feder, während der Titelsong noch ein altes Stück von mir war. In diesem Stil sollte es dann weitergehen. Unserer Gitarrenfraktion, zu der ich mich auch zählte, gefiel dieser Weg weniger. Das war quasi der Beginn der Sinnkrise. Gunter, der Sänger, unser Manager Marco "Polo" Müller und der Drummer stiegen daraufhin aus. Es gab halt damals unterschiedliche Auffassungen darüber, wie es professionell weitergehen sollte. Die Gitarrenfraktion war eher für die härtere Gangart, während sich die andere Hälfte der Band musikalisch eher breiter aufstellen wollte.

005 20200210 1749819507Euer Manager ging also gleich mit?
Ja, der ging mit.

Bei euch ging es dann weiter mit Jens "Petri" Schmikale als neuer Sänger.
Genauso war es. Unser Manager Marco hat uns trotzdem noch eine ganze Weile unterstützt bei unseren Auditions, hat Anzeigen geschaltet, hat sich umgehört, hat uns Leute empfohlen usw. Bei diesen Auditions fanden wir dann unter anderem den Petri und unseren Keyboarder Ekkehard "Ekky" Meister.

Ralph-Marcel Dietrich am Schlagzeug war ebenfalls ein neues Bandmitglied. Wo kam der her?
Der kam erst später zu uns. Wir hatten ja einige Wochen Auditions im "Tonelli's" geplant. Das ist eine Live-Kneipe und jetzt unser Haus- und Hofclub in Leipzig. Die Drummer, die in dieser Zeit zu uns kamen, empfanden wir entweder als nicht geeignet für uns oder sie wollten von sich aus nicht bei uns einsteigen. Ralph-Marcel Dietrich war dann eine Entdeckung von Marco. Der war als Juror bei einem Bandwettbewerb irgendwo in Sachsen dabei und sah währenddessen eine Bluesrock-Kapelle mit einem Drummer, der dort überhaupt nicht reinpasste, weil der eher ein Metal-Brett getrommelt hat. Den sprach Marco einfach an und fragte ihn, ob er nicht Bock auf eine echte Metalband hätte. Ralle tauchte dann eines Tages bei uns im Probenraum auf und sollte sich eigentlich auf die beiden Songs vorbereitet, die wir ihm vorab telefonisch vorgeschlagen hatten. Ich fragte ihn, mit welchem der beiden Titel er gerne anfangen möchte. Und was sagte Ralle? "Such dir einen Titel vom Album aus, den spielen wir dann". Da hatte der sich tatsächlich das komplette "Grasp!!!"-Album aufgedrückt. Nach dem ersten Song war dann klar, wir haben unseren neuen Drummer gefunden.

Du sagtest gerade, die Abtrünnigen hatten andere musikalische Ideen und haben diese offensichtlich auch verwirklicht. Unter welchem Namen lief das denn weiter?
Jetzt wird's putzig. Die haben ein Profi-Projekt gegründet, aber als Top 40-Projekt. Also eine Coverband. Sie nannten sich ART OF VOICES, und zwar deshalb, weil alle Bandmitglieder mitgesungen haben. Es gab zwei Frontsänger. Einer davon war Gunter Lange, der auch gleich noch Bass und Keyboard gespielt hat. Und die anderen haben sehr intensiv Backvocals beigesteuert. Das war deren Erfolgsrezept.

006 20200210 1209636775Und heute schämt er sich dafür und heißt deshalb Gunter Christian?
(lacht) Nein, das hängt mit seiner Heirat zusammen. Er schämt sich keineswegs für diese Zeit und diese Musik. Er hat das sehr geliebt und ja auch viele Jahre betrieben, bis er dann eine Familie gegründet hat. Da nahm er dann auf den Wunsch seiner Frau hin ihren Namen an.

In der neuen Besetzung habt ihr dann jedenfalls die Single "Story of pain" als FACTORY OF ART eingespielt und veröffentlicht. Wo lagen für Dich die größten Unterschiede zur Produktion von "Grasp!!!" in der alten Besetzung zu der angesprochenen Single in der neuen Besetzung, die ja auch einen ganz anderen Sound entwickelt.
Wir konnten im Rahmen der Produktion unsere Soundvorstellungen äußern, die dann letztlich auch umgesetzt wurden. Aber man darf nicht vergessen, das war kein Profistudio, sondern das war ein Projekt eines Musikerkollegen in Halle/Saale. Das ist der Unterschied, nach dem Du gefragt hast. Und natürlich klingt es dadurch auch nicht so geschliffen wie "Grasp!!!" oder "Point of no return". Es hat sicher auch nicht die Tiefe, nicht den Bums und nicht die Kraft, aber insgesamt klingt "Story of pain" mehr nach uns als beispielsweise "Grasp!!!" Die Sounds von "Grasp!!!" konnten und wollten wir auch niemals auf die Bühne bringen. Zu jenen Zeiten spielten wir noch mit Amps, also mit Aktivmonitoren. Da wird der Sound hauptsächlich auf der Bühne produziert und dann über die PA irgendwie in den Saal transportiert. Wir fingen in diesem Zeitraum schon an, mehr Sounds aus unseren Effekten einzusetzen, sowohl im Studio als auch live. Heute haben wir gar keine Verstärker mehr auf der Bühne. Da geht alles direkt vom Instrument über das Effektgerät in die Stagebox, so dass wirklich unser Studiosound 1:1 reproduzierbar ist. Vielleicht klingt das alles wirklich nicht schön, dennoch gefällt es mir tausendmal besser als der Sound auf "Grasp!!!" In München, wo wir ja "Grasp!!!" und "Point of no return" aufgenommen haben, hatten wir kein Mitspracherecht. Schließlich hat der Produzent, gleichzeitig Studioinhaber, die gesamten Kosten für Aufnahmen, Mix und Mastering getragen. Wir hatten aber keine Wahl, sondern waren froh, dass wir überhaupt so eine Albumproduktion stemmen konnten.

Die Single "Story of pain" lief doch aber ganz gut und brachte euch sogar einen ersten Platz bei einem vom Magazin "Rock Hard" veranstalteten Wettbewerb. Was hatte das für euch zur Folge?
Zunächst mal brachte uns das natürlich jede Menge Promotion. Die Band fand wieder in den Magazinen statt und wir durften DESTRUCTION auf einer Kurztour begleiten. Da haben wir vor vollen Sälen gespielt, was toll war. Das alles versuchten wir als Rückenwind für die anstehende "The Tempter"-Produktion. Allerdings zog sich die Geschichte dann ganz schön lange hin, weil wir diesmal alles selbst machen mussten. Wir haben uns damals selbst gemanagt, haben Songs, Texte und Konzept geschrieben, die Pre-Production (in meinem Arbeitszimmer) vorangetrieben,007 20200210 1385131124 Cover-Art entworfen und dann auch die eigentliche Album-Produktion in einem Profistudio übernommen. Dieses Mal hatten wir auch keine Unterstützung bei der Finanzierung. Die haben wir aus unseren Konzerteinnahmen und zusätzlichen privaten Einlagen gestemmt.

Wenn ich mir dieses Album "The Tempter" anhöre, welches übrigens 2002 erschien, dann ist es für mich eines der genialsten Rockalben, die ich bis dahin gehört hatte. Da steckt so viel drin, das hat so viel Potential - weshalb konnte sich das Album letztendlich nicht durchsetzen? Lag es vielleicht an den drei Jahren, die zwischen der letzten Single und dem Album lagen?
Da gab es verschiedene Gründe. Wir waren oft zur falschen Zeit am falschen Platz. Auch haben wir uns immer wieder selbst im Weg gestanden. Bei "Grasp!!!" waren wir einfach noch nicht lange genug professionell unterwegs. Dasselbe galt damals für AFM Records. Das erste Übel lag darin, dass unheimlich viel Werbung in allen möglichen Magazinen gemacht wurde, aber dann hakte es beim Vertrieb. Das hing irgendwie mit der Plattenfirma zusammen. Fakt ist, das Album kam ca. 8 Wochen zu spät in die Regale und der Hype um die Platte war verpufft. Dementsprechend schlecht waren dann auch die Verkaufszahlen. Das hing uns ewig an, weshalb es auch ganz schwer war, für "The Tempter" überhaupt einen Deal zu bekommen. Des Weiteren verging zwischen erster und zweiter Scheibe unheimlich viel Zeit. Wir hatten die Trennung zu verkraften, mussten neue Leute suchen, neue Songs schreiben und diese einspielen, das alles dauerte viel zu lange und kostete unglaublich viel Geld, Schweiß, Herzblut und Zeit. Ich hätte damals beinahe ins Studio einziehen können, denn Heiko Flechsig war gerade im Knast, Joe war mehrere Wochen im Urlaub, so dass ich bei "The Tempter" fast alle Gitarren alleine eingespielt habe. Und bezahlen mussten wir das alles natürlich auch noch. Es war sehr grenzwertig und ich war fast pleite, als wir mit dem Album fertig waren. Die lange Zeit, die wir für die Suche nach einer Plattenfirma investiert hatten, brachte mich fast so weit, dass ich ein eigenes Label gründen wollte. Ich sagte mir, bisher haben wir alles gestemmt und bezahlt, ich hatte mich finanziell auch wieder erholt, da sagte ich mir, die Kosten für die Pressung, für GEMA und Cover-Art können wir auch noch selber bezahlen. Das wollte die Band aber nicht und so wurde mehrheitlich für den Deal mit CCP Records Linz, Österreich, gestimmt. Es gab noch zwei weitere sehr abenteuerliche Angebote, aber die waren noch viel miserabler. Das alles, vor allem aber der Zeitfaktor führte dazu, dass die Platte völlig aus der Zeit zu fallen schien.

Wenn man so lange im Studio arbeitet und vorher noch die Songs und Texte schreibt, alles Mögliche macht und tut und sich offensichtlich den Hintern aufreißt, um ein solches Produkt abzuliefern, dann hat man sicher gewisse Erwartungen an sein Produkt. Welche hattet ihr damals an die CD, auch mit den ganzen erwähnten Schwierigkeiten im Hinterkopf?
Ich will jetzt nicht als Klugscheißer dastehen, aber ich hatte die Band damals schon gewarnt, bei CCP Records zu unterschreiben. Ich wurde nämlich selber auch von anderen Musikern, die dort vor uns unterschrieben hatten, gewarnt. Es war zu befürchten, dass die uns verbrennen würden und wir den Dreijahresvertrag aussitzen. So kam es dann auch. Natürlich hatte die Band große Erwartungen an das Label. Die glaubten, jetzt haben wir einen Plattendeal, jetzt kommen wir auch wieder in die Magazine und auf die größeren Tourbühnen. Es war aber so, sobald du einen Deal unterschrieben hattest, musstest du bezahlen, um in einem Magazin wie "Rock Hard" oder "Metal Hammer" stattzufinden. Für eine A4-Seite musste man ordentlich was hinblättern. So etwas interessierte CCP Records überhaupt nicht.008 20200210 1557110879 Die sagten zu uns, wenn wir in die Magazine wollen, sollen wir es gefälligst selber zahlen. Oder eine Tour ... AFM Records hat uns damals die Tour bezahlt. Bei CCP weit gefehlt, da machte niemand den Finger krumm. Die haben kleine Auflagen gepresst, um ihren Lebensunterhalt zu bestreiten, aber die Band selber war denen scheißegal.

Du sagst, du wusstest das vorher und hast es den Kollegen auch so gesagt. Und trotzdem habt ihr den Vertrag unterschrieben?
Hätte ich vielleicht aussteigen sollen?

Das ist eine gute Frage. Was macht man, wenn man sehenden Auges ins Unglück rennt.
Den Vertrag haben wir wie erwartet ausgesessen und danach existierte die Band nicht mehr.

Es stimmt, wenn man recherchiert und nachliest, scheint die Sache irgendwie im Sande verlaufen zu sein. Aber offiziell getrennt habt ihr euch nicht, oder?
Wir sind auseinandergefallen. Irgendwann bekam es auch der Letzte in der Band mit, dass es ein großer Fehler war, bei CCP zu unterschreiben. Es lief immer weniger, viele Veranstalter sind uns weggebrochen, Flecke hatte inzwischen professionelle Ambitionen und stieg bei uns aus, um sein eigenes Bandprojekt zu gründen. Für mich selber kam es nie in Frage, richtig professionell Musik zu machen. Semiprofessionell ja, vielleicht. Aber eigentlich stand für mich immer fest, dass ich in meinem bürgerlichen Beruf als Bauingenieur arbeiten will. Joe ging Flecke hinterher und gründete ebenfalls seine eigene Band. Die beiden sind ja bis heute noch Profimusiker.

Jetzt sagst du, du wolltest höchstens semiprofessionell weitermachen und in deinem Job arbeiten. Nun gehen wir mal davon aus, "The Tempter" wäre absolut durch die Decke gegangen, die Plattenfirma hätte sich den Hintern für euch aufgerissen, ihr hättet eine Tour gemacht und wärt abgegangen wie ein Flummi. Was hättest du dann gemacht? Wärst du ausgestiegen?
Nein, wahrscheinlich nicht. Ich hätte mich eine Zeit lang aus meinem Beruf zurückgezogen, was auch möglich gewesen wäre, weil ich schon seit gefühlten hundert Jahren selbstständig bin. Natürlich hätte ich die Früchte unserer Arbeit mitgenommen. Aber leider kam es ja anders. Ekky blieb noch bis zum Schluss bei der Stange, obwohl er ja auch als Profimusiker seinen Unterhalt betritten hat. Aber dann wechselte das Instrumentenkarussell so arg, dass wir die Qualität unserer Mark One und Mark Two-Besetzung einfach nicht mehr erreichen konnten.009 20200210 1309757056 Wir hatten Top-Leute in der Band, zum Beispiel Jens Legler an der Gitarre, der heute bei KARUSSELL spielt. Der hat zwei musikalische Staatsexamen und ist ein Genie an der Gitarre. Von den letzten Trennungen jedenfalls hat sich die Band nicht mehr erholen können.

Knapp sechs Jahre, genauer gesagt bis 2012, hat es dann gedauert, bis Teile der Band unter dem Namen FACTORY UNDER COVER wieder aufgetaucht sind. Zwar als Coverband, aber immerhin wieder auf der Bühne. Gehörtest Du gleich mit zur Comebacktruppe oder bist Du erst später dazu gestoßen?
Nein, ich gehörte mit dazu. 2005 wurde ich Vater, weshalb es mir auch nicht ganz so schwer fiel, FACTORY OF ARTS loszulassen. Ich konnte mich um meine Familie kümmern und mein Büro vorantreiben, so dass mir die Musik gar nicht so unbedingt gefehlt hat. Aber wenn du so lange in einer Band spielst, haben sich natürlich auch Freundschaften entwickelt. Selbst wenn mal die Fetzen geflogen sind oder das eine und andere böse Wort gefallen ist, zerstört man ja damit nicht gleich eine Freundschaft. Also mit Wolf beispielsweise trinke ich heute noch gerne mal einen Kaffee und wenn er in der Nähe ist, wenn wir irgendwo spielen, trommelt er auch mal einen oder zwei Songs bei uns mit. Kontakt haben wir also immer gehalten und man hat sich mal getroffen oder ging gemeinsam auf ein Konzert. Um auf die Frage zu kommen: Petri hing schon eine ganze Weile an dem Gedanken fest, eine Coverband aufzumachen. Irgendwie hatten wir das schon immer mal vor, den Göttern unserer Jugend zu huldigen. Der eine wollte unbedingt Songs von Ozzy Osborne, der andere Titel von SAXON, JUDAS PRIEST, IRON MAIDEN usw. spielen. Und tatsächlich hatte es irgendwann auch geklappt. Da bekam Petri eine Besetzung zusammen, die bestand aus ihm, aus Thoralf Schulze an der Gitarre, Henry Weihrauch, bei dem wir damals auch das "The Tempter"-Album produziert hatten, spielte Schlagzeug und ich stand am Bass. Wir fingen an und stellten fest, dass wir ziemlich viel verlernt haben. Es war ein regelrechtes Rumgestochere. Jede Garagenband, bestehend aus pubertierenden Schülern, hätte uns an die Wand gespielt. Es dauerte Jahre, bis wir musikalisch wieder auf den Punkt zusammenkamen.

Erst 2018 seid ihr dann auch wieder als FACTORYOF ART aufgetreten. Habt ihr diese Zeit tatsächlich gebraucht, um den guten, alten FACTORY-Sound wiederherzustellen?
Wenn ich ganz ehrlich bin, dann sind wir immer noch dabei. Wir haben es nämlich immer noch nicht so ganz geschafft. Bei einer großen Anzahl Songs sind wir schon auf einem guten Weg, aber es gibt noch einiges, was wir immer wieder im Probenraum üben und beackern müssen. Amateurband hin oder her, aber du willst es natürlich möglichst professionell und perfekt rüberbringen. Es gibt ja doch noch ein paar Leute, die sich an uns erinnern. Es kamen immer ein paar Leute an und sagten, wir sollen doch mal was von FACTORY OF ART spielen.010 20200210 1230883348 Wir begannen mit einzelnen Nummern und stellten fest, das kommt ganz gut an und so starten wir 2018 wieder unter dem alten Namen. Im Sportforum in Gräfenhainichen zum Beispiel, standen viele im Publikum, die uns von den früheren Open-Air-Veranstaltung in Oranienbaum, damals einer unserer Hotspots, kannten. Da will man natürlich als Band nicht untergehen, wenn die Fans Vergleiche zwischen früher und heute ziehen.

Mit Petri und dir bilden außerdem Ralle Dietrich, Thoralf Schulze und Gunter Christian die heutige Besetzung. Gab es von Seiten anderer ehemaliger Kollegen auch Interesse an einem erneuten Mitwirken oder stand das nie zur Diskussion?
Eigentlich stand das sogar mal völlig anders zur Diskussion. Wir wollten nämlich zunächst mal als einmalige Sache eine Reunion planen, bei der alle ehemaligen und aktuellen Mitglieder einen ganzen Konzertabend gestalten. Marco Müller hatte das 2014/2015 eingerührt und alle waren bereit - bis auf meine Person. Ich war aus beruflichen Gründen nicht abkömmlich, denn ich hatte als Sachverständiger meine öffentliche Bestellung und Vereidigung vorzubereiten. Wenn du da nicht hundertprozentig bei der Sache bist und nicht jeden Tag stundenlang büffelst, dann geht das schief. Ich nahm mich zwei Monate vor den Prüfungen aus dem Rennen und habe nichts anderes gemacht, als zu lernen. Das wollte ich nicht aufs Spiel setzen. Das Schriftliche hatte ich bereits im Sack, als die Geschichte mit der Reunion geplant war, aber die mündliche Prüfung lag eben noch vor mir. Da wurde mir dann das Versprechen abgerungen, dass ich mich darum kümmere, wenn ich mit allem fertig bin. Es passte dann auch tatsächlich alles, bis auf Heiko Flechsig. Der war wahrscheinlich vertraglich an seine Band gebunden. Ich kann das nur vermuten, dass es so war. Letztendlich scheiterte dieser Plan an ihm, aber die Nachfrage des Publikums war nach wie vor gegeben. Also sagten wir uns, wir bieten es unserem Anhang mal an. Es fing an mit drei bis vier Songs, die wir in unser Coverprogramm einstreuten. Das kam richtig gut an, so dass wir uns entschlossen, mit unserer Besetzung von FACTORY UNDER COVER den Neustart von FACTORY OF ART zu wagen. Natürlich holten wir ganz brav die Erlaubnis von unseren früheren Kollegen ein.

Ein Kollege von euch ist ja sehr krank, richtig?
Ja, das ist Joe Winter. Es geht ihm auch nicht besonders gut. 2012 erkrankte er das erste Mal an Kehlkopfkrebs. Das war eine ganz schlimme Zeit, in der auch ziemlich viel kaputt ging. Zum Glück erholte er sich wieder und wir unterstützten ihn in der Folgezeit nach besten Kräften. Petri übernahm bei ihm den Gesang, denn Joe konnte jahrelang weder sprechen noch singen. Ich half 2015 am Bass aus, was für mich natürlich eine harte Zeit war, denn einerseits hatte ich mein Büro, dann spielte ich bei FACTORY UNDER COVER und nun auch noch Vollzeit bei Joe.011 20200210 1750864260 Es ging einige Jahre gut bei Joe, ehe dann 2017 ein Knochenkrebs bei ihm zuschlug. Die ganze Sache ging also von vorne los, aber er hat die Sache besser überstanden als befürchtet. Joe ist halt ein Kämpfer und ganz tapferer Typ, er hatte viel Unterstützung. So haben viele Leipziger Profi- und Amateurmusiker, so auch wir, wie auch schon 2012 mit Erfolg ein Benefizkonzert veranstaltet.

Dann wünsche ich Joe auf diesem Wege alles Gute und dass er das alles überteht. FACTORY OF ART spielt also wieder live. Wohin wird der Weg gehen? Soll es wieder neue Lieder und vielleicht sogar ein neues Album geben oder sind diese Gedankenspiele noch weit weg?
Diese Gedanken gibt es tatsächlich. Aber unsere Möglichkeiten sind begrenzt. Mit Anfang Zwanzig hatte man noch eine andere Work-Life-Balance, wie man das heutzutage sagen würde. Wir haben heute alle unsere bürgerlichen Jobs und unsere Familien, alle entweder noch oder schon wieder schulpflichtige Kinder. Wir stellen immer wieder fest, dass wir uns mit der Wiederbelebung von FACTORY OF ART ganz schön was vorgenommen haben. Eigentlich wollten wir schon die erste Produktion fertig haben, nämlich ein Best Of Album, was wir veröffentlichen wollten. vielleicht auch gleich mit zwei, drei Überraschungen drauf, damit man nicht nur die alten Kamellen aufbrüht. Wir wollten schauen, wo der Weg hingeht mit dem Best Of und dann vielleicht ein neues Album hinterher schieben. Nun haben wir es aber gerade mal so geschafft, die Band wieder einigermaßen live hinzukriegen, sind aber nicht mal fertig mit unserer ersten neuen Videoproduktion, die wir ursprünglich im Februar machen wollten, aber verschieben mussten, weil die dazugehörige Studioproduktion nicht fertig wurde. Und da reden wir nur über einen einzigen Song. Und ein Album sollte ja wenigstens aus zehn bis zwölf Songs bestehen, je nach Länge. Du siehst also, wir sind meilenweit davon entfernt. Aber Gedankenspiele kosten ja nichts und tun nicht weh, so lange wir nicht verbindlich etwas versprechen.

Ihr habt ja auch überhaupt keinen Druck.
Das ist richtig ...

Das Jahr 2020 wird für FACTORY OF ART ein ganz besonderes Jahr werden, denn es jährt sich die Gründung der Band zum dreißigsten Mal. Wie werdet ihr dieses Jubiläum feiern?
Mit einem FACTORY OF ART-Konzert am 5. Dezember 2020 in unserem Lieblingsclub Tonelli´s in Leipzig. Musikalisch werden wir unterstützt von den Kollegen von JACOBS FALL. Natürlich wollen so viel alte Mitstreiter wie möglich einladen. Also nicht nur aus den eigenen Besetzungen,012 20200210 1261324741 sondern auch von Bands, die uns früher begleitet haben, wie zum Beispiel SQUEALER oder DOUBLE ACTION. Aber auch Produzenten, Manager, Veranstalter und Musikjournalisten werden eingeladen, die uns auf unserem Weg unterstützt haben. Es soll neben dem offiziellen Konzertteil noch einen Backstagebereich für unsere Gäste geben, wo man sich zurückziehen und mit Catering vorsorgen lassen sowie das eine oder andere Gespräch führen kann.

Das klingt ja wirklich so, als hättet ihr noch jede Menge Pläne und Ziele.
Na klar, wenn nicht jetzt, wann dann? Man wird ja nicht jünger, das merken wir jeden Tag. Wir machen jetzt erstmal ein Vierteljahr Pause und wollen die Zeit nutzen für die Erarbeitung neuen Materials.

Marco Müller ist ja auch wieder dabei. Wann kehrte er denn zurück?
Das dauerte nicht lange. Als wir 2012 wieder anfingen, mussten wir uns ja erst wieder warm spielen. Um die Gigs ging es damals noch nicht vordergründig und wenn, kümmerten wir uns selber darum. Marco kam dann 2014 wieder zu uns.

Dann danke ich Dir an dieser Stelle für Deine Zeit und die Antworten auf meine Fragen. Hast Du noch etwas auf dem Herzen, das Du den Lesern als letztes Wort mitteilen möchtest?
Ein Zitat von Lemmy Kilmister, frei nach Berthold Auerbach: "Musik wäscht den Dreck des Lebens von der Seele!"



Interview: Christian Reder
Bearbeitung: tormey
Fotos: Pressematerial Plattenfirmen, Hans-Joachim Lingelbach, privat






   
   
© Deutsche Mugge (2007 - 2023)

Wir nutzen Cookies auf unserer Website. Einige von ihnen sind essenziell für den Betrieb der Seite, während andere uns helfen, diese Website und die Nutzererfahrung zu verbessern (Tracking Cookies). Sie können selbst entscheiden, ob Sie die Cookies zulassen möchten. Bitte beachten Sie, dass bei einer Ablehnung womöglich nicht mehr alle Funktionalitäten der Seite zur Verfügung stehen.