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Interview vom 2. Februar 2020



001 20200203 1902860808Es gibt Namen, die tauchen in unserer Redaktion immer wieder mal auf, der direkte Kontakt bleibt aber aus verschiedenen Gründen lange Zeit aus. So war es auch mit FRIEND N FELLOW und den unter diesem Namen tätigen Musikern Constanze Freund und Thomas Fellow. Zumindest mit Constanze gab es "indirekt" Berührungen, hatten wir vor einiger Zeit in unserem Künstler-Archiv (Rubrik "Portraits") die Gruppe MR. ADAPOE vorgestellt, die Ende der 80er ein echtes Highlight in der DDR-Blues-Szene war, und in der sie bis zur Auflösung der Gruppe sang. Anfang der 90er gründete Constanze zusammen mit Thomas Fellow die eben genannte Band FRIEND N FELLOW. Immer wieder hörte man von dieser Band, die sowohl live als auch mit ihren Alben zahlreiche Menschen begeistern und magisch anziehen. Manch ein Händler von Hifi-Equipment nutzt sogar ihre Musik, um seine Kunden von der Qualität seiner Erzeugnisse zu überzeugen. Das sagt schon eine Menge über die Beschaffenheit ihres Sounds und ihrer Musik aus. Im vergangenen Jahr haben wir hier bei Deutsche Mugge über eins ihrer Konzerte berichtet und endlich Kontakt aufgenommen. Ende des vergangenen Jahres wurde mit "Charakters" ein neues Album veröffentlicht, und dies nahmen wir schließlich zum Anlass, ein Interview mit Constanze oder Thomas zu führen. Das Gespräch musste aufgrund der Arbeiten am neuen Album und anderen Terminen ein paar Mal verschoben werden, aber letztlich trafen sich Constanze und unser Kollege Christian zu Beginn des neuen Jahres, um über dieses Album, die musikalischen Wurzeln und natürlich über die Band FRIEND N FELLOW zu plaudern ...






Liebe Constanze, ich freue mich sehr darüber, dass Du meine Einladung zum Interview angenommen hast. Wie geht es Dir?
Es ist schön, dass es nun endlich mit einem Interview mit Dir geklappt hat. Und danke, es geht mir gut!

Ihr habt mit "Characters" gerade ein neues Album fertig gestellt. Du bist in irgendeiner Form - entweder als Komponistin, Texterin und natürlich sowieso als Sängerin - an jedem Song beteiligt. Warum heißt die neue CD "Characters"? Welche Idee steckt dahinter?
Unsere neue CD "Characters" vereint 12 Figuren. Da diese unterschiedlicher nicht sein könnten, fanden wir den Albumtitel "Characters" sehr passend. "Characters" hat sich zu einem Konzeptalbum entwickelt. Das war allerdings vorab gar nicht so geplant. Der erste Song "Sister" war fertig. Dann schrieb ich "Child", einen zweiten Song über Kindheitserinnerungen und das Erwachsensein. Das Kind schaut in den Spiegel und sieht sich auf einmal als Frau.002 20200203 1138505581 In diesem Augenblick kam mir der Gedanke, die Frau durch die Schwester zu ersetzen und dadurch die zwei Songs miteinander zu verbinden. Daraus entwickelte sich die Idee, bei den folgenden Songs so fortzufahren, indem jeder Charakter im Song eines anderen auftaucht und dadurch Teil von dessen Geschichte wird. Ich fand es sehr reizvoll, so zu experimentieren, etwas Gemeinsames zwischen den Songs zu kreieren. Es war spannend, zu sehen, wie die Charaktere inhaltlich miteinander verschmelzen.

Beschreibe doch bitte mal, was den Hörer beim Erwerb Eurer CD erwartet.
Für mich stehen die Geschichten im Vordergrund. Ob es um den Kämpfer ("Fighter") geht, der seine verloren gegangene Kraft und Empathie wiederfindet, oder den Fremden ("Stranger"), der sein vertrautes Zuhause verlassen muss und auf Freundschaft und Toleranz in der Fremde hofft, oder aber um die Stärke einer Frau ("Woman"), die ihre Liebe zu einer Frau entdeckt, jeder Charakter ist sehr einzigartig. Trotz unterschiedlicher musikalischer Nuancen wie Soul, Jazz, Folk und Blues haben wir schon das Gefühl, dass dieses Album vom akustischem Blues geprägt ist.

Musikalisch klingt das alles ziemlich vielschichtig, obwohl da auf dem Cover ganz nüchtern nur von "Gitarre" bei der Aufteilung des Aufgabenbereichs hinter Thomas' Namen gesprochen wird. "Fighter" klingt mit diesem Steelguitar-Sound nach Südstaaten, "King" hinterlässt den gleichen Eindruck, "Friends" fischt kräftig im Gospel-Teich, "Travelers" trägt Blues und Country in sich ... Sind das Einfälle von Thomas, die Lieder so auszukleiden, oder arbeitet Ihr gemeinsam am Sound?
Natürlich überlegen wir gemeinsam, inwieweit ein Song "ausgestattet" werden kann, damit er unseren Vorstellungen entspricht und am Ende alles so stimmig ist, wie wir es uns gewünscht haben. Thomas setzt dieses letztendlich um und arrangiert die Songs und bringt seine jahrelangen kompositorischen Erfahrungen und Ideen ein. Seine Gitarrenarrangements sind einzigartig auf den jeweiligen Song genau abgestimmt und unterstützen jeden Song auf seine spezielle und unverkennbare Art.

003 20200203 1429067974Insgesamt ist das ein sehr ruhiges Album, auf dem die richtig lauten Töne bzw. die flotte Rhythmen nur leicht angedeutet werden, wie bei "King". So zumindest mein Eindruck nach dem ersten Hören. Ist es bewusst so geworden, dass man es als ruhiges Hilfsmittel zur Entspannung in der dunklen Jahreszeit genießen kann?
Ich empfinde das Album gar nicht als ruhig. Vielleicht entsteht diese scheinbare Ruhe eher aus der Verbindung der Charaktere in den Geschichten und wirkt deshalb unterschwellig auf den ein oder anderen Zuhörer. Oft ist es ja auch so, dass sich nach mehrmaligem Hören ein Album wandelt. Es wird dann auf einmal ganz anders wahrgenommen.

Mir ist bei dem von mir im Januar des vergangenen Jahres besuchten Konzert in Wermelskirchen schon aufgefallen, dass Du mit Deiner Stimme richtig spielst und sie gekonnt auch facettenreich einsetzt. Auf der CD hast Du nun einen recht tiefen Ansatz beim Vortrag gewählt. Ist es eins der gewollten Hauptmerkmale der neuen Lieder?
Die Arbeit im Studio ist eine völlig andere als die bei den Live-Auftritten auf der Bühne. Wenn wir im Studio einen Song aufnehmen, geht es in allererster Linie um den Song an sich. Er soll aus sich selbst heraus bestehen und wirken. Wenn wir auf der Bühne stehen, dann spielen wir für das Publikum - und natürlich für uns - und dann nehmen wir uns die Freiheit, die Songs auszuleben und zu improvisieren. Wir lassen uns treiben und sind gespannt, wohin uns die Reise führt.

Kommen wir nun mal zu Dir und Deinem Werdegang. Du kommst aus Weimar, bist in Rudolstadt aufgewachsen, und Deine Wurzeln reichen bis nach Ghana, wo Dein Vater herkommt. Kommt auch aus diesem Bereich des Familienstammbaums die Musikalität, die in Dir steckt?
Das kann ich nicht mit Gewissheit sagen. Ich weiß nur, dass mein Vater, als er damals in den 60er Jahre in der damaligen DDR studiert hat, in einer Band sang.

Deine Kindheit und Jugend hast Du in der damals noch existierenden DDR verbracht. Wie sah diese Zeit aus und wann hast Du die Musik und speziell den Gesang für Dich entdeckt?
Ich erinnere mich daran, dass meine Mutter immer sehr interessiert Radio Luxemburg oder den Rias-Sender hörte. Sie bekam damals von einem Freund aus der Schweiz ihre ersten Single-Platten von Catherina Valente, Udo Jürgens und den Beatles geschenkt. Ich habe mir dann immer eine Deo-Spraydose als Mikrofon genommen und zu dieser Musik gesungen und getanzt.

004 20200203 1074773503Du bist später auf die Hochschule gegangen und hast modernen Gesang studiert. Hast Du vorher schon Unterricht in dieser Richtung gehabt und evtl. sogar ein Instrument erlernt?
Für die Prüfung für ein modernes Gesangsstudium in Weimar (damals noch Tanz-und Unterhaltungsmusik) habe ich im Vorfeld Gesangsstunden und Klavierstunden genommen. Ein Instrument habe ich aber nie gelernt.

Wann war für Dich denn klar, dass Dein Weg auf die Hochschule führen wird? Gab es dazu Alternativen im beruflichen Bereich, oder war das Berufsziel, Sängerin zu werden, "alternativlos"?
Gleich nach dem Abitur hatte ich mich für ein Schauspielstudium beworben, inspiriert durch einer sehr guten Freundin, die selbst Schauspielerin ist. Ich habe in Leipzig einen Eignungstest und eine Eignungsprüfung bestanden. Als mir nach der Ablehnung für dieses Studium im Gespräch mit dem damaligen Prorektor der Hochschule gesagt wurde, dass ich aufgrund meiner Hautfarbe wenig oder keine Möglichkeiten hätte, im Theater oder Film Rollen zu bekommen und deshalb abgelehnt wurde, war das die erste offizielle Diskriminierung, mit der ich in der damaligen DDR konfrontiert wurde.

Erstmals "urkundlich" erwähnt wirst Du im Zusammenhang mit der Gruppe MR. ADAPOE, in die Du 1987 eingestiegen bist. Gab es vorher schon Bands, in denen Du gesungen hast oder war das Deine erste Station?
Als ich Thomas Fellow in Leipzig begegnet bin, haben wir dort gemeinsam ganz kurz in einer Band gespielt und hatten einen einzigen Auftritt. Danach haben wir bemerkt, dass unsere Konstellation im Duo einmalig funktioniert und wir sind dabei geblieben. 1987 habe ich bei Mr. Adapoe begonnen, da war ich 24 Jahre alt.

005 20200203 1251163946Wie kam es dazu, dass Du in diese Formation gekommen bist. Hast Du Dich bei Thomas Adapoe beworben oder hat er Dich entdeckt und angesprochen?
Als ich eines Tages in der Hochschule war, kam er auf mich zu und fragte mich, ob ich mir vorstellen könnte, in der Band mitzusingen. Ich fühlte mich schon irgendwie sehr geehrt, hatte in den ersten Tagen meines Studiums viel Positives von dieser Band gehört und war natürlich auch sehr gespannt, wie sich das alles für mich entwickelt.

Kanntet Ihr Euch vorher schon?
Nein, wir haben uns erst in Weimar kennengelernt.

An was erinnerst Du Dich noch besonders, was die erste Zeit bei MR. ADAPOE betrifft. In welcher Verfassung war die Band und wie war die Stimmung dort? Hast Du Dich dort leicht einfinden können?
Ich habe mich von Beginn an sehr wohl in der Band gefühlt und wurde sehr herzlich aufgenommen. Das war für mich ein große Herausforderung, mit so vielen tollen Musikern zu spielen.

Wie hast Du diese Zeit, die Du bei MR. ADAPOE verbracht hast, insgesamt erlebt? War das für Dich der Hauptberuf oder bist Du "nebenbei" noch einem anderen Broterwerb nachgegangen?
Während meines Studiums war es ein glücklicher Umstand, dass ich die Möglichkeit bekam, live mit Mr. Adapoe auf der Bühne unterwegs zu sein und damit die Praxis kennenzulernen.

006 20200203 1903992247Wie sahen Eure Konzertprogramme aus? Kannst Du Dich noch an Deinen ersten Auftritt mit der Band erinnern und welche Parts im Programm gehörten Dir?
Mein erster Auftritt war im März 1987 im Kasseturm in Weimar. Anfangs habe ich hauptsächlich im Background gesungen oder den ein oder anderen Standard. Erst später haben wir dann Songs für mich geschrieben.

Es gab Berichte über Euch in Musikzeitschriften, z.B. in der Melodie & Rhythmus, aber keine Platten. Das war in der DDR ja nicht jeder Band möglich, ein Album oder eine Single zu machen. Um Fans zu binden ist sowas natürlich nicht gerade optimal und heute nahezu undenkbar. Wie habt Ihr auf Euch aufmerksam gemacht und es geschafft, Leute für Euch zu interessieren und von Veranstaltern gebucht zu werden?
Es gab Live-Mitschnitte, Konzertmitschnitte im Sender Weimar oder Produktionen im "Popstudio" Berlin. Hauptsächlich aber waren wir zu 100% eine Live-Band, die sich eine riesige Fan-Gemeinde erspielt hatte und so auf sich aufmerksam machte. Das Publikum schwärmte, war begeistert und kam immer wieder.

Nach der Wende ging es noch etwas weiter mit MR. ADAPOE, letztlich löste der Bandchef seine Gruppe 1992 auf. Warst Du damals noch dabei oder bist Du mit der Gründung von FRIEND'n'FELLOW im Jahre 1991 dort schon ausgestiegen?
Ich habe von 1987 bis 1992 bei Mr. Adapoe gesungen und war ja auch schon immer ab und zu parallel mit Thomas Fellow auf der Bühne.

Wie hast Du das Ende der Band selbst erlebt. Thomas sprach mal in einem Gespräch von einer "stilistischen und vielleicht auch seelischen Orientierungslosigkeit der Band". Hast Du das auch so empfunden?
Das mag sein. Ich glaube, die Aufbruchsstimmung im damaligen Osten trug mit zu einer allgemeinen Orientierungslosigkeit aber später eben auch zu einer Neuorientierung bei. Die Band war ja "besetzt" von großartigen Musikern, die die unterschiedlichsten musikalischen Richtungen bedienen konnten. Das war anfangs eine Bereicherung für die Band. Jeder gab seine individuelle Fähigkeit dazu, egal ob er/sie mehr dem Blues, Jazz oder Soul verbunden war. Das machte letztendlich die Qualität der Band aus, auch wenn Mr. Adapoe natürlich stark vom Blues geprägt war.007 20200203 2022735478 Aber das "gewisse Etwas" und die Einmaligkeit der Band wurde meiner Meinung nach eben genau durch diese musikalischen Individualisten geschaffen. Und das im entscheidenden Maße durch Thomas Adapoe, dem Bandleader. Seine begeisternde Ausstrahlung, sein energetisches Gitarrenspiel und seine unverwechselbare Stimme hatte die Band zu dem gemacht, was sie war: eine der erfolgreichsten und beliebtesten Blues-Bands der damaligen DDR.

Der Name Thomas Fellow ist hier ja schon gefallen. Ihr kanntet Euch aber schon weit länger, oder?
Thomas und ich kennen uns seit 1984.

Woher kam die Idee zu diesem Duo und mit was habt Ihr Eure Arbeit begonnen?
Wir waren verbunden durch die Musik, die wir beide lieben und spielten in unserem ersten Programm "Favorite Songs" Pop-Klassiker oder Standards z. B. von Stevie Wonder, Elton John, Gilbert O'Sullivan oder Billy Joel.

Das erste Album heißt "Fairy Godmother", erschien 1995 und wurde im Eigenvertrieb unter die Leute gebracht. Waren die vier Jahre zwischen Gründung der Band und der Veröffentlichung des Albums erst nötig um sich als Band zu finden, oder was ist in diesen vier Jahren bei Euch passiert?
Vier bis fünf Songs haben wir zuerst auf Kassette aufgenommen, um etwas in der Hand zu haben und dann etwas aus der Hand zu geben, wenn uns jemand zu einem Auftritt einladen wollte. Irgendwann war die Zeit reif für unser erstes Album. "Fairy Godmother". Wir schrieben das erste Mal eigene Songs für diese erste CD. Das Album gibt es schon Ewigkeiten nicht mehr.

008 20200203 1542717831Können später zu Euch gestoßene Fans hoffen, dass es davon vielleicht nochmal eine Neuauflage gibt?
Unsere Fans können sich schon länger wieder freuen. Wir haben 2018 eine Song Collection herausgebracht. Das ist eine CD-Box mit unseren ersten 6 CDs. In der Box findet man auch ein tolles grafisch gestaltetes Booklet von Ulrike Mönnig. Die meisten dieser sechs CDs sind nämlich ausverkauft.

Ich hatte es ja eingangs zum neuen Album schon erwähnt, dass Du an jedem Song aktiv beteiligt warst. War das schon immer so in den fast 30 Jahren, oder gab es anfangs eine Arbeitsteilung bei Euch? War Thomas verantwortlich für das Kreative im Hintergrund (Komposition + Texten) und Du für das Kreative mit Gesang auf der Bühne?
In den ersten Jahren schrieb Thomas hauptsächlich die Musik unserer Songs, ich die Texte. Auf unserem letzten Studio-Album "About April" sind über die Hälfte der Songs von mir. Dabei entstehen Musik und Text oft parallel. Wenn Thomas mit einer Idee zu mir kommt, habe ich dann relativ schnell eine Vorstellung davon, wie die Lyrics dafür aussehen könnten. Ich höre mir die Melodie an und spüre, was ich für eine Geschichte damit verbinden kann. Ab und zu liefert mir Thomas auch schon mal ein paar Worte in englischer Fantasie-Sprache. Da kann ich manchmal sogar etwas verwenden oder die Wortsplitter bringen mich in eine gewisse Richtung. Irgendwann ist dann das Puzzle fertig.

Woher nimmst Du die Inspiration für neue Lieder bzw. Inhalte? Arbeitest Du das Selbsterlebte, eigene Gefühle und Gedanken, und Autobiographisches auf oder bist Du so erfindungsreich, dass Du Dir eigene fiktive Geschichten ausdenkst und diese dann zu Musik verwandelst?
Meine Songs sind immer sehr persönlich. Die Ideen für die Lyrics sind in meiner Nähe, ich muss nicht lange danach suchen. Entweder sie entspringen aus eigenen Erfahrungen, Träumen, Begegnungen, oder meine Fantasie ist so stark, dass ich relativ schnell eine Geschichte entwickeln kann.

009 20200203 1283092745Ihr habt in den vergangenen 27 Jahren schon einige Alben auf den Markt gebracht. Wenn ich richtig gerechnet habe, sind es derer 11 plus das neue Werk jetzt. In der Anfangszeit waren die Zeiten zwischen den Studio-Alben relativ kurz. Die letzten drei Platten weisen zeitlich größere Zwischenräume auf. Sind die Ideen nicht mehr so reichhaltig vorhanden, ist die Zeit inzwischen für andere Dinge verplant oder woran liegt das?
Unser vorhergehendes Album "About April" ist 2015 erschienen. 2016 haben wir unser 25-jähriges Bühnenjubiläum gefeiert und eine Live-CD herausgebracht. 2017 eine Song Collection mit den ersten 6 CDs von uns. Wir haben uns immer die Zeit genommen und selbst bestimmt, wann wir an einem neuen Album arbeiten und wann wir es auf den Markt bringen. Das ist unsere Freiheit, dies selbst zu entscheiden.

Bei meiner Recherche habe ich entdeckt, dass F'n'F bereits im Vorprogramm von internationalen Größen wie z.B. Ray Charles, Al Jarreau oder Marianne Faithfull gespielt hat. Wie kommt man an so begehrte "Jobs" ran und was nimmt man davon für sich selbst mit?
Wir hatten das große Glück, 1997 mit der Blueslegende Luther Allison als Support Act durch Europa zu touren. Das war eine einmalige musikalische, aber auch intensive menschliche Erfahrung. Luther war so etwas wie eine Leit- und Vaterfigur für uns. Als er 1997 leider schon viel zu früh verstarb, hatten wir das Gefühl, dass er uns vorher vor allem durch das Zusammenspiel auf der Bühne, Aufnahmen in der Kirche und Gespräche, seinen "Staffelstab" übergeben hat. Bis heute spüre ich so etwas wie eine imaginäre Verbindung zwischen ihm und uns.

Gab es für Euch dabei die Möglichkeit, auch mit diesen Künstlern in persönliche Gespräche oder sogar in einen künstlerischen Austausch zu kommen, oder läuft sowas eher "steril" und professionell ab, und jeder macht eher "wortlos" seinen Job?
Das ist natürlich sehr unterschiedlich. Ein Konzert als Support vor Al Jarreau war sehr emotional. Ich erinnere mich an den Moment, als ich mit zitternden Knien ins Zelt zu Al Jarreau gegangen bin und ihn um ein Autogramm bitten wollte. Dafür hatte ich meine erste Schallplatte mitgenommen, die ich von einem ungarischen Freund geschenkt bekam.010 20200203 1995959224 Als ich dann vor ihm stand, habe ich kein Wort herausbekommen, weil er seit Jahren mein Idol war und ich wie versteinert vor ihm stand und es nicht fassen konnte. Ich habe ihn nur angestarrt. Zum Glück kam Thomas mir zu Hilfe, nahm mir die Vinyl aus der Hand und bat ihn in meinem stummen Beisein um eine Unterschrift.

Ich habe ebenfalls gelesen, dass es Euch schon in viele Winkel unserer Erde verschlagen hat. Ihr habt an vielen Orten im In- und Ausland Konzerte gegeben. Was waren für Dich die Highlights in Bezug auf Eure Auftritte? Welche "Mugge" war besonders nachhaltig?
Es gibt mehrere Erlebnisse, die mich auch heute noch bewegen: die gemeinsamen Auftritte mit Luther Allison während seiner Europatournee 1997, der Support-Act vor Al Jarreau in Weimar, die Reisen nach Malaysia oder Singapur. Aber es waren und sind auch immer wieder die Clubs oder Theater, die wir seit vielen Jahren besuchen und wo uns Veranstalter und Publikum die Treue halten.

Stimmt es, dass Ihr sogar mal im World Trade Center in New York gespielt habt? Zu welchem Anlass und wann war das?
Von 1995 bis 2010 haben wir insgesamt neun CDs bei Thomas Ruf produziert, dessen Independent-Label Ruf Records, spezialisiert auf Blues, einen Vertrieb in den USA hat. Für unsere CD "Taxi" sind wir nach New York gereist, um eine Fotosession für das Album zu machen. Parallel dazu, und als eigentlicher Höhepunkt dieser Reise, wurden wir von einem amerikanischen Veranstalter in den Twin Tower in die Music Hall in die 104. Etage eingeladen, um dort ein Konzert zu geben. Dieser Veranstalter hatte vorab unsere CDs "Home" und "Purple Rose" gehört und war begeistert.

011 20200203 1710320871Wie blickt man auf so ein Konzert zurück, wenn man heute den 11.9.2001 im Hinterkopf hat?
Als wir damals im World Trade Center gespielt haben, mit Blick auf die Freiheitsstatue, war das schon sehr faszinierend, aber auch unwirklich. Wenn man sich überlegt, dass nur zwei Jahre später dieses Gebäude zerstört wurde und vor allem unter welchen Umständen dies passierte, dann wird das Ganze noch unwirklicher, aber vor allem bitter.

Wenn man schon an so viele Orte seine Kunst getragen hat, hat man da noch Wünsche, was Auftrittsorte betrifft? Gibt es noch so einen besonderen Ort, wo Du gerne mal auftreten möchtest?
Ich finde es wichtig, bei sich "anzukommen" und loszulassen und einfach darauf gespannt zu sein, was kommt, welche Zufälle oder Möglichkeiten sich für eventuelle Wünsche ergeben. Dafür musst du aufmerksam bleiben. Es gibt ja manchmal im Leben Dinge, die man übersieht. Aber ich verlasse mich sowieso schon immer auf meine Intuition.

Wenn man so lange zusammen arbeitet, wie Thomas und Du das bei F'n'F tun, ist sicher nicht immer alles eitel Sonnenschein. Das kennt man ja auch, wenn man verheiratet ist. Auch bei Euch gibt es doch sicher mal Reibung und dicke Luft, oder?
Wir sind seit nun fast 36 Jahren befreundet und kennen die Stärken und Schwächen des anderen. Wir sind beide sehr unterschiedlicher Natur, aber auf der Bühne ist das eher spannend und beflügelnd. Ich glaube auch nicht, dass "eitel Sonnenschein" Menschen in ihrem Beruf vorangetrieben hat. Am Ende entstehen die interessanten Dinge doch eher durch Reibung, Auseinandersetzung und auch Konflikte. Wir wissen in dieser Hinsicht beide, was wir aneinander haben. Es ist wahrscheinlich sogar leichter, solch eine lange Zeit als "Paar" auf der Bühne zu bestehen als privat.

012 20200203 1946001052Wie haltet Ihr Euch dann gegenseitig bei der Stange und nehmt den Druck vom Kessel?
Ich habe nicht das Gefühl, dass wir uns gegenseitig motivieren müssten. Wenn wir auf der Bühne stehen und in unsere Musik eintauchen, das Feedback vom Publikum bekommen, nach dem Konzert sehr persönliche Gespräche führen, dann empfinde ich das eher als ein Geschenk. Druck entsteht eher dadurch, dass du freischaffend bist. Du bist für dich allein verantwortlich. Und solltest gesund bleiben, damit du Konzerte geben kannst und Geld verdienst. Wir buchen unsere Konzerte selbst, haben glücklicherweise seit Jahren ein eigenes tolles Technikteam von adapoe sound um uns herum und produzieren seit fünf Jahren mit der eigenen Plattenfirma unsere Alben. Das ist alles natürlich mit viel Energie und Zeit verbunden, schafft uns aber dadurch Freiräume in unserer Selbstbestimmung.

Hat es schon mal Momente gegeben, wo Ihr ans Aufhören gedacht habt? Es gibt doch sicher auch mal schwere Zeiten. Und wenn ja, wie motiviert man sich dann, trotzdem weiterzumachen?
2012 habe ich für ein Jahr pausiert. Bis zu diesem Zeitpunkt waren wir sehr viel unterwegs, haben teilweise 80 Konzerte im Jahr gespielt. Der ständige Wechsel zwischen dem "Roadleben" und dem Alltag mit damals zwei kleinen Kindern war dann oft doch sehr kräftezehrend. Inzwischen spielen wir nur noch ca. 40 Konzerte im Jahr und die Kinder sind inzwischen erwachsen. Nach fast 30 Jahren gemeinsamer Bühnenerfahrung verbunden mit wundervollen Konzerten, wissen wir um die Besonderheit unseres Duos. Wenn du einmal diese Möglichkeit geschenkt bekommen hast, zusammen über solch einen langen Zeitraum zu performen, dann gibst du nicht bei den kleinsten Schwierigkeiten auf und bewahrst dir diese Einmaligkeit, zusammen auf der Bühne zu stehen.

013 20200203 1426939477Gibt es für Dich neben F'n'F noch andere Betätigungen, spielst bzw. singst Du noch bei anderen Projekten oder in anderen Bands?
Nein. Meine ganze Aufmerksamkeit und Energie lag schon immer bei F'n'F. Gelegentlich gibt es schon Begegnungen und Konzerte mit anderen Musikern. Das ist dann jedoch sehr spontan, aber nicht weniger inspirierend.

Ihr seid fleißig unterwegs, der Terminkalender ist voll. Auf was freust Du Dich besonders, wenn Du auf die nächsten Wochen und Monate schaust?
Wir haben gerade im neuen Jahr unsere ersten vier Konzerte gespielt und es war unglaublich berührend, wie viele Leute zu uns gekommen sind. Unter anderem waren wir auch wieder in Wermelskirchen. Da gibt es einen ganz besonderen Spielort, die Kattwinkelsche Fabrik, in der wir seit Jahren jedes Jahr ein Konzert geben. Über die Jahre hat sich ein sehr intensives und freundschaftliches Verhältnis zu dem wunderbaren Veranstalter Achim Stollberg entwickelt.

Ich bedanke mich herzlich für die Zeit und die Antworten auf meine vielen Fragen. Möchtest Du abschließend noch ein paar weitere Worte an unsere Leser richten?
Ich bedanke mich für Euer Interesse und Eure Zeit für meine Antworten. Und wünsche allen eine friedvolle, mutige und gesprächsbereite Zeit.

 

Interview: Christian Reder
Fotos: Christian Reder, Claus Bach, Günter Rössler, Ulrike Mönnig,
           Christian Borchers,Pressematerial (Dr. Heart Music, RUF Records)




   
   
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