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                                                         Interview vom 12.Oktober 2019



Seit letztem Monat ist Julia Neigel als Gastsängerin gemeinsam mit der Band SILLY auf Tour. Ihr letztes Solo-Konzert für dieses Jahr gab sie am 12. Oktober 2019 in Radeburg (Wir berichteten HIER). Nach dem Auftritt hatte unsere Kollegin Sarah die Gelegenheit, mit der Sängerin über die Tournee mit SILLY, was sie mit der Band verbindet und wie es musikalisch bei ihr weitergehen wird, zu sprechen. Das dabei entstandene Interview könnt Ihr jetzt hier nachlesen ...




Hallo Julia, schön, dass Du dir nach dem Konzert die Zeit für das Interview nimmst. Wie fandest du das Konzert heute?
Wunderbar. Ich bin jetzt seit 10 Tagen mit sehr vielen Koffern, ohne meine Holly (Julias Hund und steter Wegbegleiter, Anmerkung d. Redaktion) unterwegs und ich habe auch schon beim Videodreh auf dem Dach von Hamburg gestanden. Ich habe mich mit der Windmaschine durchkühlen lassen und mich danach,001 20191204 1446173115 durchgeschüttelt und unterkühlt, so sehr gefreut auf den heutigen Abend. Es ist ein Unterschied, ob du stundenlang vor 'ner Kamera stehst und performst und sozusagen nur die Kamera vor dir hast, oder ob du dich wirklich mit Menschen austauschst. Was ich echt mag, ist neben den ganzen anderen großen Konzerten, genau solche intimen Konzerte wie hier. Und ich freue mich auf die Leute, ich mag Sachsen. Ich mag die Menschen hier. Die Schwester von Jäcki (Bassist von SILLY) war da, was mich besonders gefreut hat. Ich habe von dem Haus hier auch so viel Gutes gehört, dass ich neugierig war. Hier waren schon ganz viele Kollegen die mir davon berichtet haben. Sie sagten, "Das muss man mal gemacht haben - das Haus ist eine Kulturperle", womit sie Recht haben. Die Menschen, die hierher kamen, haben es hoffentlich genossen. Was ich auch erstaunlich fand war, dass einige Zuschauer 600 km gefahren sind um mein Konzert zu sehen. Da gab es zum Beispiel eine Frau, die kam aus der Nähe von Frankfurt. Das ist echt krass. Ich fand's toll. Wir haben viel gelacht. Die Stimmung war gut. Schön ist hier auch die Nähe zum Publikum. Die Bühne ist sehr niedrig, du siehst den Menschen einfach direkt im Gesicht an, wie es ihnen geht, wenn sie Musik hören. Ich bin so ein offener Mensch, ich mag das gern. Ich geh' dann manchmal auch runter von der Bühne und umarm jemanden, wenn jemand irgendwie auf mich so wirkt, als ob er das gerade braucht. Und deswegen kann ich das auch sehr genießen.

Du hast ja beim Konzert bereits Werbung für Silly gemacht, wie kam es denn dazu, dass Du jetzt bei der Tour dabei bist?
Ich bin einfach gefragt worden. Es ist ganz interessant, wir haben jetzt einfach mal rückverfolgt, wie wir uns alle kennengelernt haben und wo und wie die Wege sich immer wieder kreuzten. Wenn mir jemand vor drei Jahren gesagt hätte, ich werde jetzt mit SILLY und mit AnNa R. auf 'ne Tour gehen, hätte ich gesagt: "Ja, ist gut. Ja klaro." Das sind immer die kleinen Schritte die man nicht sieht, sich aber nachträglich in der Logik erschließen. Man geht irgendwie durch eine Tür, geht in irgendeinen Raum, trifft Menschen, die man vorher nicht kannte. Dann geht man durch die nächste Tür und wieder durch die nächste Tür, durch die nächste Tür und irgendwann ist einfach so etwas da. Es ist wie ein Geschenk. Es fing mit Dieter Birr und mit Ingo Politz an, die mich fragten, ob ich mit Dieter "Maschine" Birr das Duett mitmachen würde. Als ich dahin fuhr und das Duett eingesungen habe - und ich kannte beide nicht, mochte aber die Musik von Dieter - war ich ganz verzückt. Von Dieter und seiner entzückenden Wesensart, von Ingo und deren beider Herzlichkeit. Und da war Uwe Hassbecker, der das Album von Dieter eingespielt hatte. Uwe kannte ich nur von ganz weit entfernt, immer nur vom Sehen. Ich kannte ihn natürlich von SILLY, logischerweise, von einem Konzert in der Skala in Ludwigsburg, aus den 90er Jahren. 1990 oder 1991 gab es ein Festival namens "Starke Frauen", da war auch Silly dabei. Ich hatte an diesem Tag Geburtstag. Leider traten sie nicht auf, die Bühne war zu klein, deswegen sind sie wieder gefahren. Eigentlich sollte es also ein Doppelkonzert werden, mit zwei Sängerinnen und Bands. An diesem Tag haben wir uns zum ersten Mal nur ganz kurz getroffen und dann haben wir uns bei "Rock gegen Rechts" in Jena 2012 noch einmal wiedergetroffen. Auch hier haben wir nur ganz kurz geredet. Und so traf ich sozusagen auch Uwe im Studio mit Dieter und Ingo 2014 wieder, bei dieser Duett-Aufnahme. Uwe ist mit Dieter auf Tour gegangen, ich habe zwei Tourneen von Dieter begleitet, so haben wir uns besser kennengelernt. Uwe ist ein fantastischer Musiker, ein Ausnahmegitarrist und Multiinstrumentalist - er ist wirklich ein außergewöhnlicher Musiker. Er ist aber auch menschlich zauberhaft. Dann lernte ich seine Frau kennen die ich ebenfalls sofort in mein Herz schloss und fragte: "Wo sind denn die andern? Lad' die doch mal alle ein zum Konzert." Es hat zeitlich bei Dieter auf Tour nie geklappt und plötzlich tauchten sie dann in Bernau auf, bei einem Kurz-Konzert von 20 Minuten, bei dem Dieter und Uwe dann wiederum meine Gäste waren. Jäcki und Ritchie standen plötzlich vor mir, was für eine Überraschung und Ehre. Ich habe das am Anfang noch gar nicht geschnallt und mich einfach nur gefreut, dass die Kollegen mich besuchen und habe mich noch gewundert, dass sie einfach spontan vorbeigekommen sind. Zwei Wochen später bekam ich einen Anruf von Uwe, ob ich vielleicht mal Lust hätte zum Grillen zu kommen, nach Münchehofe, in deren wunderschönes Studio. Ich habe mir dabei immer noch nichts gedacht und bin hingefahren und dabei Thomas besucht (Thomas Jost, Manager von Julia Neigel, Anm. d. Red.). Ich hatte meinen Hund Holly dabei, es war alles kein Problem. Und da war ich dann, wir saßen zusammen, redeten, lernten uns kennen. Die Musiker von Silly haben alle Familie und es war ein wunderbares Treffen. Ritchie, Jäcki, die Frauen, die Kinder, die Hunde (lacht), alle waren ausgelassen. Wir saßen zusammen beim Grillen und dann haben sie mich gefragt, ob ich daran Interesse hätte mit ihnen auf Tour zu gehen, ob ich mir das vorstellen könnte. Und ich habe genau zwei Sekunden überlegt. Nicht mal, wahrscheinlich nur eine Sekunde. "Ja, kann ich mir vorstellen", sagte ich und zack, war es abgemacht. So war das für mich. Und so kam ich zu Sily.

Wieso fiel die Entscheidung so schnell?
Weil ich sie alle drei mag, wirklich mag. Wichtig ist, dass man sich menschlich mag. Dass man sich wirklich sympathisch findet und schätzt und gern hat. Gerade beim Musizieren ist es wichtig, dass Zuneigung da ist. Und weil es für mich völlig zweifelsfrei ist, dass das musikalisch gelingt, diese Musiker jeder für sich Virtuosen sind, war die andere Frage, ob es musikalisch passt, gar kein Thema.003 20191204 2049216579 Da gibt's keine Zweifel. Ich kannte ja einen Teil ihrer Musik. Ich kannte "Bataillon d'Amour", "Bye Bye", "Asyl im Paradies", "Alles Rot", "Ich sag nicht ja", "Deine Stärken". Ich hatte aber keine Alben gehört und immer wieder auch mal einen Ausschnitt von einem Lied oder von einem Live Konzert gesehen, oder bei Festivals seitlich an der Bühne zugehört. Und ich habe sie ja auch in Jena gehört. Für mich war das klar, dass das wunderbar funktionieren wird, dass das super passt. Ich kann da nur für mich sprechen. Ihr könnt ja mal die anderen drei fragen. Auf jeden Fall fühlte ich mich auch geehrt und habe gesagt, "Das mache ich gern. Darauf freu ich mich."

Was macht für dich die Musik von Silly so einzigartig?
Silly ist eine Kombination aus einer großen musikalischen Virtuosität, die in der Masse, in der Fülle der Band - 3 Personen, 4 Personen, es sind ja mehrere - absolut ungewöhnlich ist. Deren Musik ist zudem so vielfältig und Genre übergreifend, dass auch das heraussticht. Silly ist eine Ausnahmeband mit Ausnahmemusikern und Ausnahmemusik. Es gibt natürlich einige Bands, von denen man weiß, dass die auf einem Top-Level arbeiten und dazu gehört Silly auch. Diese Qualitätsgröße/-klasse ist selten. Jeder für sich ist auf einem Top-Level. Was noch dazu kommt: Sie sind extrem kreativ, auch im Songwriting, die Arrangements sind erste Sahne, breitgefächert in den Stilistiken und deren Texte sind auch besonders. Ich bin selbst jemand, der sehr breit gefächert arbeitet und gerne verschiedene Stilistiken integriert und ich vermisse das bei Bands oft. Ich höre manche Musik und kenne ich ein Lied, kenne ich meist alle anderen auch. Bei Silly ist das anders: Man hört, dass sie innovativ sind. Da gibt es Lieder bei denen ich staune Und dann schaue ich auf das Entstehungsjahr und bin fasziniert, wie weit sie damals schon waren, wie weit in ihrer Ausdruckskraft, wie mutig sie waren. Silly hat wegweisende deutschsprachige Musik kreiert, mit einer Sängerin wie Tamara versehen, die charismatisch war und eine große Stimme besaß. Ich stand zu diesem Zeitpunkt, rein vom Ausdruck und von der Musikalität her, noch ganz am Anfang meiner Vielfalt. Den Kultstatus haben sie wirklich verdient. Die sind musikalisch schon von Beginn an frei im Kopf gewesen in der Art wie sie Musik machen, sie denken unbegrenzt, spielen wild, frech und zugleich sensibel. Eine Wonne deren Musik zu hören. Man hört einfach, dass sie alles können. Die wechseln zwischendrin auch mal die Beats oder auch die Stilistiken innerhalb eines Liedes, das Material ist vollkommen ausgecheckt, dabei klingt es einfach, was es überhaupt nicht ist. Das macht den Charme und den Witz von Silly aus, nicht nur textlich. Sie haben auch musikalischen Witz. Sie grooven sehr, haben den Flow, diese Energie.004 20191204 1853362721 Silly ist eine tolle Band. Geile Leute, total eigen. Es gibt keine Band, die so klingt wie sie. Und das liegt einfach an der Art, wie sie instrumentieren, wie sie arrangieren und die Kraft, die da drin steckt.

Die Tour steht unter dem Motto: Zehn Alben, zehn Städte, zehn Shows. - Viele Texte. Wie läuft es mit der Text-"Lernerei"?
Ja, ja, ja. Ja, dass mit dem Lernen der Texte ist noch nicht soooo 100% durch. Viel wichtiger ist mir im Moment, dass ich die Lieder im Kopf habe und verstehe. Ich habe die Melodien alle drauf, einen Teil der Texte schon intus, aber noch nicht alles. Es ist wahrscheinlich schon so, dass ich einen Teil während der Proben noch beim Singen verinnerliche. Ich habe einen Ordner dabei und den nutze ich und lerne noch beim Singen. Das Erlernen der Lieder ist wirklich eine Mammutaufgabe, da wir beinahe 60 Lieder lernen, davon die Hälfte nur einmal in einer Stadt aufführen, bei der jeweiligen Präsentation des entsprechenden Albums in der entsprechenden Stadt. Ich freue mich drüber, es ist für mich eine Herausforderung. Und wenn man sich, wie im Zeitraffer, in ein paar Wochen in zehn Alben rein fühlt und bis zum Umfallen das Material verinnerlicht, sich dabei eben den Zeitraum von 40 Jahren und deren musikalische Entwicklung, die Musikalität von so einer Combo anhört, die sich von Album zu Album auch so unterschiedlich entwickelt hat, dann hat man danach einen Wissensfundus aus dem man unglaublich schöpfen kann. Tamara Danz, die eine charismatische, große Stimme hatte und auch eine charismatische Persönlichkeit war und in jedem Lied auch dauernd die emotionale Szene gewechselt hat, ist sehr interessant zu erforschen. Mich fasziniert das alles sehr. Deswegen macht mir die viele Arbeit rein gar nichts aus.

Neben dir ist ja auch AnNa R. von Gleis 8 bzw. Rosenstolz mit dabei, wie läuft da die Zusammenarbeit? Kloppt ihr Euch um die Texte?
Ach was. Nein. Das ist eine ganz entspannte und freundliche Zusammenarbeit und ein gutes Miteinander. Ich mag sie gern, und ich gehe davon aus, das hoffe ich doch sehr, sie mich auch. Wir mögen uns. Wir plaudern miteinander, wir lachen miteinander, wir sind beide extrem tierlieb. Sie hat auch einen Hund, sie heißt Libra und ist fünfmal so groß wie meine Holly - auf jeden Fall ein ganz toller Hund. Wir haben ganz viel zu erzählen. Anna ist eine sehr erfahrene Künstlerin, mir geht's nicht anders - wir sind beide lange dabei.005 20191204 1856505996 Wir finden es beide auch interessant, wie sich jeder von uns beiden die Lieder so "rein pfeifft". Ich habe vorhin mit ihr zwei Stunden telefoniert. Sie fragte, "Und, wie machst du das jetzt so? Wie lernst du das? Was machst du zuerst?" ... Und stellten dabei fest: Wir gehen da völlig unterschiedlich ran. Sie hat mir erzählt, wie sie es macht. Ich gehe völlig anders da ran. Und ich finde es spannend, weil wir dabei voneinander lernen und uns gegenseitig Tipps geben. Ich finde, das passt mit uns sehr gut.

Richtig Proben, werdet ihr erst noch?
Ab übernächster Woche (Ende Oktober, Anm. d. Red.). Dann geht der Ernst des Lebens los. Dann wird von morgens bis abends gelernt, gesungen und gerockt. Die Band ist schon am Proben. Ich habe vorgestern mit ihnen telefoniert.

Durftet ihr Euch bei der Songauswahl beteiligen?
Ich habe irgendwann einmal gesagt "Leute, wenn jetzt jeder von uns Sonderwünsche entwickelt, dreht ihr durch." Wir haben zehn Alben und wir haben sozusagen für jedes Konzert mehrere Lieder die nur einmal gespielt werden. Ich habe Anna den Vortritt gelassen, sie aus der Liste wählen lassen und hatte einfach die Hoffnung, dass die Lieder, die mir gut liegen, in der Auswahl für mich drin sind. Deswegen habe ich erstmal gar nichts gesagt und habe die Herren mit Anna zusammen dann entscheiden lassen, die kennen wirklich ihre Lieder am besten. Ich hätte da so zwei, drei Favoriten, die würde ich gerne machen, wenn da jetzt AnNa R nichts dagegen hat. Es ist wirklich eine unglaubliche Mammutaufgabe diese ganzen Lieder auseinander zu nehmen, aufzuführen, zu ordnen, sie zu beherrschen, jeden Tag neu zusammenzustellen und ein Programm zu gestalten, sie richtig zu verteilen und die richtige Auswahl zu treffen.

Wie bekommst du denn die Diskussion bei Facebook und Co. über Euch als neue Sängerinnen mit?
Ja, die bekomme ich natürlich mit.

Wie bewertest du das?
Gar nicht. Ich bewerte es nicht, weil es überhaupt gar keinen Sinn macht, das zu bewerten. Es hat jeder seine eigene Beziehung zu Silly und jeder hat seine eigene Beziehung zu Tamara Danz und jeder hat seine eigene Beziehung zu Anna Loos. Und es macht überhaupt keinen Sinn, dass ich, die da jetzt aus dem Westen kommt, damit eine andere Beziehung zu Silly hat und unbedarft und neu dazukommt, mich dazu auslasse wie Einzelne zum Ende der Zusammenarbeit mit Anna Loos stehen. Es gibt ja auch einige Fans, die tatsächlich nur "Schatten an der Wand" von mir in Erinnerung haben, obwohl ich selbst auch schon 9 Alben veröffentlicht habe, und damit aber auch eine einseitige oder gar falsche Vorstellung davon haben, was sie da meinerseits gesanglich erwartet. Meine Karriere ist schon über 30 Jahren alt, ich komponiere, texte und produziere selbst und verstehe Musik also nicht nur aus der Warte der Sängerin. Jeder Slly-Fan muss für sich selbst entdecken, wie es für ihn ist. Es ist völlig normal, dass einige Fans das Ende zwischen Silly und Anna Loos bedauern, aber für Silly wird und muss es weitergehen. Ich nehme das nicht persönlich. Ich freu mich logischerweise, wenn es positivere Reaktionen gibt, aber ich werte es nicht wirklich. Was ich aber ein bisschen eigenartig finde ist, wenn manch einer kommentiert: "Ohne Tamara ist Silly nicht mehr Silly." Wie soll denn dann Silly weitermachen? Es bringt ja nichts, man kann Tamara ja nicht lebendig machen. Es gibt einfach keine Möglichkeit für eine Band, wenn die Sängerin gestorben ist, so wie es hier passiert ist, vor allem eine so außergewöhnliche Sängerin, eine andere Lösung zu finden, als weiterzumachen mit einer anderen Sängerin und falls nötig, erneut einen Wechsel vorzunehmen. Das ist einfach die einzige Lösung. Man hält als Band einfach nicht die Luft an wenn man miteinander musizieren will und das eigene Lebenswerk am Leben erhalten will. Dass Tamara eine Ikone ist, verstehe ich, aber auch sie wollte, dass Silly weitermacht, und das haben diese Musiker auch verdient. Ansonsten werte ich es nicht, insbesondere die Trennung von Anna Loos. Da muss jeder seinen Weg finden.

Gut, jetzt gibt es halt noch die Nörgler, die sich Anna Loos zurückwünschen.
Aber auch diese Fans haben ja die Möglichkeiten nun zu ihren Konzerten zu gehen. Sie ist ja jetzt nicht verschwunden. Da AnNa R und ich überhaupt nicht mit Anna Loos vergleichbar sind. wird das den Fans sicher leicht fallen. Hätten wir jetzt den gleichen Stil, wäre es - glaube ich - schwieriger. Aber dadurch, dass wir so völlig unterschiedlich sind ….

Da ist also für dich kein Druck da, in irgendwelche Fußstapfen zu treten?
Nö. Mich hat vorhin auch eine Dame gefragt: "Und schweres Erbe, gell?" - Sie meinte Tamara. Ich sage, "Nö. Ich gehe anders ran." Ich habe großen Respekt und ich habe große Achtung vor dem, was diese großartige Kollegin an musikalischem Erbe hinterlassen hat, aber ich sehe es nicht als schweres Erbe, ich gehe spielerisch ran und überlege, was man damit machen kann. Ich vergleiche mich auch hier nicht. Das hat gar keinen Sinn. Ich will das auch gar nicht. Ich meine, ich habe das in meinem Leben nie gemacht, ich habe immer mein eigenes Ding gemacht und damit meine eigene Art und Stilistik entwickelt. Und mache es auf meine Art und ich glaube, dass Silly keine Tamara-Danz-Kopie wollte, sonst hätte man mich gar nicht gefragt. Es gibt ja genug Sängerinnen in Deutschland die das mehr oder weniger kopieren hätten können, ich denke daher, dass Silly das schon genauso wollen, mich, als die Person, mit dem Stil, den ich habe und die Art, wie ich es interpretieren werde. Und das ist etwas, was mich mit Sicherheit auch ein Stück weit sicher macht, es so zu gestalten.

Wie sind so die Stimmen von außen? Die Julia Neigel Fans, wie finden die das?
Alle reagieren positiv. Sie freuen sich und finden es eine geile Kombi. Ganz viele sind auch Fans von Silly, was mich sehr freut. Viele stehen auf Rockmusik, Gott sei Dank.

Also keine Enttäuschung, dass nicht direkt ein neues Album kommt, sondern du erst einmal etwas anderes machst?
Na ja, nein. Keine Enttäuschung. Sie freuen sich. Sie sagen, die Kombination ist geil. Sie freuen sich einfach auch auf die ganzen rockigen Lieder von Silly, bei denen sie vermuten, dass ich dabei zum Einsatz komme. Silly hat extrem viele geile Rocknummern, die schon lange nicht gespielt wurden. Da wird es natürlich dermaßen zur Sache gehen. Und meine Fans wissen ja, wie ich Rock singe und da haben sie sich dazu geäußert: "Oh das ist ja schön, da machste die Rock-Nummern. Da machst du dies, dies, dies", sie äußern Wünsche und da kommen natürlich die ganzen Namen der Lieder. So ist das dann.

Was sagen andere Musiker dazu?
Die meisten haben gesagt, sie verstehen die Kombination und finden es logisch. Sie finden die Entscheidung gut und sie finden die Kombi mit Anna auch super.

Hast du schon Rückmeldungen von Silly-Fans bekommen? Wie finden die das, dass du so dabei bist?
(Lacht) Also die meisten, wenigen, mit denen ich Kontakt hatte sagen alle, es passt total gut. Alle. Auch in der Branche höre ich die Freude darüber. Als wir zusammen diesen Auftritt bei der "Goldene Henne" im MDR gemacht haben, quoll mein Handy vor Gratulationen über. Da konnte ich solche Sätze wie: "Boah geil", "Ja, weiter so", "Super, jetzt endlich wieder", "Ja, genau so" oder "Und Silly macht weiter, macht weiter" lesen. Die Reaktionen waren so euphorisch, und das tut gut. Auch bei Facebook ging es dann so weiter. Super. Danke an Alle. Ich bekomme dabei mit, dass sie sich besonders darüber freuen, dass solche Lieder wie "Wilde Mathilde" "S.O.S." oder "Alles wird besser" oder wie sie alle heißen wieder aufgeführt werden. Da wäre noch "EKG", "Raus aus der Spur" und noch viel mehr. Vorgestern gelernt (singt) …

So und 2020 kommt dann die Schlagzeile: "Julia Neigel ist die neue Frontfrau von Silly"?
Das weiß ich nicht. Ähm, es macht wirklich Spaß mit denen. Ich fühle mich gut mit Silly. Es fühlt sich total natürlich an. Als ob es schon immer so gewesen wäre. Und ich habe die alle in mein Herz geschlossen. Und was sich dann ergibt, das werden wir sehen. Das kann ich dir nicht sagen. Keine Ahnung. Wir haben auf jeden Fall mehrere Sachen geplant.

Wie geht es ansonsten, musikalisch bei dir weiter, neben Silly?
Mein Album ist schon länger fertig. Ich habe mir Zeit gelassen die richtige Plattenfirma auszusuchen, bei der ich jetzt endgültig gelandet bin. Die Veröffentlichung habe ich jetzt nach hinten geschoben, weil ich mit Silly unterwegs bin und das eigene Album deshalb zurückgestellt. Und mache das jetzt zwischen dieser Tour und der anderen Tour (lacht). Ich habe mir bei ´nem Dreh fürs neue Album einen ordentlichen Schnupfen auf'm Dach von Hamburg geholt. Ich hab extra diese 18 Sekunden ins Netz gestellt, damit ich's beweisen kann: Für euch friere ich mir die Finger ab und stell mich bei 0 Grad in den Wind (lacht).

009 20191204 1231443351Also nächstes Jahr im Frühjahr?
Im Frühjahr kommt mein Album. Dann gehe ich aber erst einmal mit den "Rock Legenden", bestehend aus Dieter Birr, City, Dirk Michaelis, Alexander Knappe und Silly auf Tour, und dann mache ich meine Tour. Das wird dann in einem Jahr die dritte Tour. Und dann muss es weitergehen, und ich liebe es jetzt schon. Was danach passiert, weiß ich noch nicht. Bis dahin erst mal viele Konzerte. Viele, viele, viele.

Die Tour ist fast ausverkauft. Habt ihr damit gerechnet?
(lacht) Ich habe gesagt, "Ich prophezeie euch, das wird voll." Ausverkauft ist ein anderes Wort. Das hat eine andere Qualität, aber voll wird es, das habe ich gesagt. Und ich habe es eigentlich mehr aus der Hoffnung heraus gesagt. Und das es jetzt so ist, das ist einfach nur geil. Ich freue mich wie ein Schneekönig auf diese Tour. Ich fange jetzt schon an darüber nachzudenken, was ich alles erledigen muss, damit ich die zwei Monate, die ich weg bin mit gutem Gewissen zu Silly fahren kann. Da muss die Post abgeholt werden und dies und das bedacht werden. Ich liebe diesen Gedanken auf Tour zu sein. Und ich freue mich sehr.

Die kleine Holly kommt mit auf Tour?
Die kleine Holly kommt mit. Am Anfang war es nicht klar, ob das geht, denn der Manager von AnNa R hat eine Hundeallergie und er fährt uns. Und dann haben wir uns darauf geeinigt, dass er sie nicht anrührt und sie dann mitfahren darf. Wir zwei Frauen fahren zusammen, der Nightliner nimmt die Männer mit. Wegen den Erkältungsmöglichkeiten fahren wir getrennt - wegen der Zirkulation. Wir haben vier Konzerte am Stück und da möchten wir uns keinen Virus über die Klimaanlage in einem Bus einfangen. Wir fahren daher mit einem separaten Auto. Und jetzt haben wir uns darauf geeinigt, dass ich die kleine Holly mitnehmen darf.

So, jetzt möchte ich gerne, dass du mir einmal folgende Sätze ergänzt …
Ach herrje, werden das jetzt Textsätze? Das kriege ich nicht hin.

Nein, keine Textsätze. Keine Sorge. Mein Lieblingslied von Silly ist …
Mein Lieblingslied von Silly… Ich habe wechselnde Lieblingslieder. Ich kann mich noch nicht entscheiden. Ich muss die alle erst einmal gesungen haben. Und zwar voll.

Und aktuell?
Aktuell ist es "Schlohweißer Tag" - aktuell. Aber ich habe mich noch nicht fest entschieden. Da wäre noch "Liebeswalzer" und "Instandbesetzt". (lacht). Die muss ich alle erst einmal spüren. Zuhause singen ist etwas anderes als mit Band auf der Bühne zu stehen und die Lieder zu singen. Fragt mich am Ende der Tour nochmal, dann sage ich's euch. Am Ende der Tour habe ich 40 Lieder gesungen und habe meinen Favoriten.

Mein Lieblingsalbum von Silly ist …
"Hurensöhne". Ein Wahnsinns Album. Ich hatte dann Ritchie und Uwe angerufen und sagte: Hey, sag mal, "Neider", "Helloween in Ost-Berlin" was für ein großartiger Text, da gibt es dies und das und ach Gott, ach Gott, ach Gott, was für Lieder. Da sind so geile Sachen drauf. "Diebe", z.B, ist ebenso ein Ausnahmetitel. Das ist wirklich ein geiles Album. Mein Lieblingsalbum bisher.

Ich merke mir den Text nicht von …
"Zwischen den Zeilen" - der Mittelteil. "Hassliebe, Rennschnecke, Luxusarmut, Mannsweib" und da wird es dann schwierig. Es gibt für mich keine Eselsbrücke. Sie wollte halt immer Gegensätze verbinden, im Wort selbst, aber in der Kombination ist das Merken ein Alptraum…

Oxymorone
Oxymorone, genau. In sich, aber diese untereinander, hintereinander auch noch, in der Kombination sind sie wahllos aneinander gereiht. Das heißt, die üblichen Eselsbrücken funktionieren nicht. Das macht mich kirre. Es ist einfach eine Wortübung. Als Schauspielerin hast Du einen Riesenvorteil, weil man so viel Texte lernen muss.

Auf welche Stadt freust du dich denn am meisten?
Auf alle. Es gibt keine Stadt, auf die ich mich am meisten freue. Ich gebe zu, ich bin natürlich sehr stolz darauf, dass wir in Mainz auftreten.

Warum?
Weil das Rheinland-Pfalz ist, da komme ich her. Nicht aus Mainz direkt, sondern aus Ludwigshafen. Ich bin ja eine aus der UDSSR zugezogene Pfälzerin. Mich macht das stolz und als ich dann irgendwie mitgekriegt habe, dass der SWR das Konzert präsentiert, habe ich dagesessen (strahlt) und gejubelt. Geht doch, geil. Das hat mich gefreut, dass wir in Mainz sind.

Das Schönste am Tour-Leben ist…
Das Musik machen.

Das schlimmste am Tour-Leben ist …
Den Koffer aufs Zimmer zu schleppen … (berichtigt sich) … Die Koffer!!! Ja, das ist eigentlich alles. Wenn man jemanden hat, der sie trägt, dann ist das geil. Im Normalfall ist es so. Es gibt fast nichts, was schlimm ist. Das Schlimmste, was passieren kann ist, dass man sich gegenseitig nicht mag und das halte ich hierbei für ausgeschlossen.

012 20191204 1470055954Auf Tour darf auf keinen Fall fehlen…
Holly.

Mein Ritual vor jedem Konzert ist …
Ich habe so einen Schlauch, eine Art großer Trinkhalm, es heißt LAX VOX. Den stecke ich in eine Flasche Wasser, mache halb so viel Wasser rein und blase und brumme durch diesen Schlauch, mache damit meine Stimme locker. Das ist mein Ritual vor jedem Konzert, meine ganz eigene Gesangsübung zum Warmmachen. Das Gerät ist sensationell und unter Sängern bekannt. Für mich ist das eine riesen Erleichterung, ich muss nicht die ganzen Garderoben zudröhnen, kann leise vor mich hinbrummen und die Stimmbänder damit locker machen. Ich mach das so ´ne Viertelstunde und das reicht eigentlich völlig aus, dann ist die Stimme warm. Das andere Ritual ist auch, dass ich dann noch rüber gehe zu den Männern und sie alle erst einmal umarme und drücke, ihnen Spaß und Glück wünsche. Ich esse immer erst nach der Show, nach dem Konzert. Ich esse nie davor, weil ich das nicht schaffe, das wäre meinem Bauch zuviel. Das kann ich nicht, das ist mir dann zu schwer.

Welches Lied von Silly hättest Du gerne selber geschrieben.
Einige. Einige. Einige. Einige.

z.B. Beispiel?
"Alles rot" - hätte ich gerne selbst geschrieben. Finde ich toll. Ich hätte gerne auch "S.O.S." selbst geschrieben. Finde ich auch geil. "Alles wird besser" finde ich mega. "Halloween in Ostberlin" - finde ich mega. "Instandbesetzt" finde ich sehr gut. "Raus aus der Spur". "Deine Stärken" gefällt mir sehr. Ähm, da gibt's echt ein paar, bei denen ich denk: Geiles Songwriting.

Wenn Du ein Lied von der Setliste streichen dürftest …
gibt's keins.

013 20191204 1005752381Wenn Du Dir ein Lied wünschen dürftest für die Tour …
Da gibt's einige. (lacht)

Zum Beispiel?
"Neider", "Diebe" - mega. "Rot wie Mohn" Ist leider auch nicht auf der Liste. Mega Lieder. Alle drei.

Für die letzten Unentschlossenen, die sich eine der wenigen Restkarten kaufen sollten, was würdest du denen sagen, dass sie das machen. Wie würdest du die überzeugen?
So jung kommen wir nicht mehr zusammen (lacht). In der Konstellation so oder so nicht mehr - so jung. Das würde ich sagen. Ich denke, alleine Silly ist eine Reise wert. Und auch ein Muss für Musikkenner, so finde ich. Wenn man wirklich auf deutschsprachige Musik steht, auf gute, anspruchsvolle Musik, kommt man nicht an Silly vorbei. Gut gemachte Musik, richtig top gemachte Arrangements, Silly ist Pflicht, finde ich. Ich bin begeistert von der Band und deren Musik. Hätte ich das gewusst, wäre ich viel früher vorbeigekommen. Ich stelle mir ernsthaft die Frage, warum wir nicht alle früher auf die Idee gekommen sind, z.B, vor 15 Jahren, oder so.



Interview: Sarah Müller
Bearbeitung: cr
Fotos: Archiv Deutsche Mugge




   
   
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