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Interview vom 28. März 2019



Saskia Dreyer spielt derzeit eine Rolle, die alles andere als einfach ist. Sowohl die Rolle auf die Bühne als auch sie dem Publikum glaubhaft rüber zu bringen. Immerhin hat Tamara Danz, die von Saskia Dreyer im Musical "Tamara" gespielt wird, die Latte selbst ziemlich hoch gelegt. Doch sie überzeugte auf ganzer Linie und manch ein Besucher der Premiere wusste zu berichten,001 20190329 1015041789 dass er seit den 90ern in der Form nicht mehr so von SILLY bzw. vom Live-Vortrag von SILLY-Songs berührt wurde, wie an diesem Tag. Das sind große Worte und ein noch größeres Lob für die junge Künstlerin. Am 9. März 2019 konnte sich unsere Redaktion an den Uckermärkischn Bühnen in Schwedt, wo dieses Musical exklusiv aufgeführt wird, selbst ein Bild davon machen, wie die Darstellerin die Rolle anlegt und wie nah sie am Original dran ist (Bericht mit Fotos siehe HIER). An dem Tag standen mit Uwe, Ritchie und Jäcki auch drei der "echten" SILLYs mit auf der Bühne und bildeten die Begleitband für Saskia. Begeistert von dem, was sie dort erlebt hat, hat sich nun unsere Kollegin Sarah mit der Hauptdarstellerin jetzt auf ein Interview getroffen, um mit ihr über ihre Rolle und wie sie dazu kam zu sprechen. Dabei ging es tief ins Detail, wie Ihr jetzt hier nachlesen könnt ...




Hallo Saskia! Schön, dass du dir die Zeit für das Interview nimmst. Du spielst aktuell Tamara Danz im "Tamara"-Musical. Hattest du vorher schon Berührungspunkte mit SILLY bzw Tamara?
Nee, also SILLY habe ich schonmal gehört und kannte auch das Album "Alles rot". Daher kannte ich sie. Aber ich wusste nichts über Tamara und wusste auch nicht, dass SILLY damals eine Sängerin namens Tamara Danz hatte. Ich komme ja aus Bremen und da ist SILLY zwar bekannt, aber eher in der neueren "Version" mit Anna Loos.

Wie kam es dazu, dass du heute die Rolle spielst?
Ich war bereits drei Jahre im Theater Schwedt fest angestellt, daher kannte mich Reinhard Simon, der Intendant. Eigentlich ein Jahr vorher hat er mich gefragt. Er hat mir erzählt, er würde das gern machen, das sei eine Herzensangelegenheit und ich wäre halt seine Idealbesetzung für Tamara Danz. Da war ich dann auch erstmal so "Aha. Ja. Vielen Dank!"002 20190329 1957314825 und habe mich dann natürlich auch ein bisschen mehr damit beschäftigt. Er hat mir dann auch ein bisschen was erzählt, weil er sie damals auch mal getroffen hat und da selber seine Berührungspunkte hatte. Und dann habe ich mich natürlich selber damit beschäftigt und geschaut: "Wen soll ich denn da überhaupt spielen? Wer ist das?" So kam das. Ich habe mich dann da so rein gegroovt. Da hatte ich ungefähr ein Jahr Zeit, mich damit zu beschäftigen. Richtig angefangen habe ich damit im Januar 2018 und die Proben gingen dann im Juni los. Hab mich dafür natürlich auch immer mehr mit der Musik beschäftigt und habe dann auch dafür ... ja ... Feuer gefangen. Das hat für mich alles sehr gut gepasst. Allein durch die Musik schon. Von Tamara an sich hätte ich mir gewünscht, mehr Dinge zu haben, die ich mir hätte angucken können: mehr Videos, mehr Interviews ... mehr Dinge, die ich mir hätte angucken können. Also es hat meinen Durst nicht so ganz gestillt. Aber ich bin dann natürlich viel über die Musik da ran gekommen.

Du hast ja auch Ritchie und Uwe kennengelernt. Konnten die dir ein paar Fragen über Tamara beantworten?
Genau, wir waren ja dann bei ihnen. Und das war dann halt schon ... (zögert etwas) ... ich hab halt sehr komische Fragen gestellt. Ob sie zum Beispiel irgendeinen Tick hatte, beispielsweise mit dem Finger im Haar oder sich am Kinn oft kratzt oder so. Damit waren die beiden echt herausgefordert und mussten dann auch erstmal überlegen. Weil das ist ja jetzt auch schon ein bisschen her und vielleicht verdrängt man auch einen gewissen Schmerz, den man vielleicht hatte oder so. Da habe ich mich dann auch schon schlecht gefühlt, weil ich dachte, ich kann da doch jetzt nicht so bohren. Und so habe ich viele Sachen nicht gefragt, weil ich mich da auch nicht so ganz getraut habe. Aber ein paar Sachen auf jeden Fall. Ich habe mich auch sehr mit dem Thema "Berlinern" beschäftigt. Wir haben da ja viel diskutiert, weil es sehr umstritten war. Die einen haben gesagt: "Nein, Tamara hat nur dann berlinert, wenn sie sozusagen in der Kunstfigur auf der Bühne stand oder in Interviews, aber als Privatperson nicht." Da war ich als Schauspielerin natürlich völlig hin und her, denn keiner konnte mir das beantworten. Und dabei waren die Jungs dann natürlich Gold wert. Die konnten dann sagen, sie hat immer berlinert und sie war so. Da war das halt echt gut. Es war auch echt sehr aufregend, Menschen zu begegnen, die ja echt mit ihr auch zusammen waren. Uwe war ja sogar mit ihr verheiratet. Also das ist echt krass.

003 20190329 1248861550Das war sicher auch eine Ehre für dich?
Absolut. Das witzige ist ja, dass mir die Größe dieser Frau und die immense Bedeutung für viele viele viele viele Menschen erst bewusst wurde, als wir das Ding gespielt haben. Damit habe ich auch einfach gar nicht gerechnet. Ich hatte so zwei Dinge. Das eine Mal war, als mich Reinhard gefragt hat, sagte ich: "Ich weiß es nicht. Ich kann das nicht, weil ich bin aus dem Westen, ich weiß nicht, ob ich dieses Ostgefühl ... das braucht man einfach ... ob ich es ohne das kann." Momentan spekulieren wir auch ein bisschen, dass es gar nicht so schlecht ist, dass ich nicht mit so einer enormen Glorifizierung daran gegangen bin. Vielleicht ist es ganz gut, dass ich da irgendwie ein bisschen nüchtern von außen ran gegangen bin. Aber ich habe auch im Laufe des Spielens Sachen auf der Bühne erlebt. Es gab Menschen, die wollten meine Hand nehmen. Dann ist eine Frau mal vorne an die Bühne gelaufen. Und dann sitzen da viele in der ersten Reihe, da denke ich, die gehen sicher sonst nie ins Theater und die sitzen dann da und singen jedes Lied mit. Dadurch wird mir das erst bewusst, wie groß diese Frau einfach war und noch immer ist. Da kriege ich dann immer ein bisschen Gänsehaut irgendwie.

Welche Gemeinsamkeiten siehst du zwischen Tamara und dir?
Puh ... Also ich glaube, dass Tamara auch ein Mensch war, der fröhliche und helle Tage hatte, wo sie auch Bock auf Menschen hatte und auch gerne geredet hat - also das sind jetzt alles meine Gedanken. Es dann aber auch Tage gab, wo sie nur für sich sein wollte und auch keen Bock auf den ganzen Rummel hatte. Das zum Beispiel kenne ich bei mir auch extrem. Es gibt so Momente, da zieht man so die Menschen an und man hat so einen "Run". Und dann gibt es Momente, da fühlt man sich so klein und grau und einsam, aber auch weil man das so will und gerade für sich braucht. Ich glaub, diese zwei Seelen in einer Brust. Das hatte Tamara auch so ein bisschen, glaube ich.

Was bewunderst du am meisten an Tamara?
Ich bewundere, dass sie einfach den Mut hatte, auch den Mund aufzumachen, rauszugehen, laut zu sein. Ich finde auch, sie musste sich gegen eine starke Männerwelt behaupten. Gerade im ganzen Musikbusiness, das war teilweise auch sehr von Männern geprägt. Und ich glaube, sie wusste, was sie will und das hat sie sich auch genommen.004 20190329 1590790327 Und das bewundere ich sehr. Sie hatte einfach so eine Power, das durchzusetzen, was sie gern möchte. Das ist so meine Vorstellung von ihr. Und sie hat sich auch getraut, auf politischer Ebene vorzugehen und das ist natürlich stark. Ich meine, wer macht das heute noch? Welche prominenten bringen ... ich will nicht sagen, Ihre Karriere in Gefahr ... aber lehnen sich raus? Und gerade in der DDR war es ja auch was anderes. Da musste man ja gegen eine Diktatur vorgehen und das finde ich total mutig. Ich meine, sie hätten sie ja auch einknasten können oder so ...

Wenn du Tamara noch eine Frage stellen könntest. Welche Frage würdest du ihr stellen?
Ich würde sie fragen, ob sie es bereut hat, dass sie keine Familie aufgebaut hat. Oder ob sie damit total abgeschlossen hatte. Weil ich habe mich damit richtig beschäftigt. Denn als ich damals anfing, richtig für Tamara zu proben, hatte ich gerade ein ganz kleines Baby. Und dann musste ich halt diese Frau spielen, die ja auch gesagt hat - ich sag das ja auch im Stück - "Ich möchte jetzt keine Kinder." Ob sie das irgendwann bereut hat oder ob der Zeitpunkt damals nicht gut war. Und ich würde sie fragen, was sie mit ihren Haaren gemacht hat, dass die so stehen. Wir haben echt einiges ausprobiert in der Maske und wir wissen die Lösung nicht.

Die Jungs erzählen in einem Interview, dass sie hauptsächlich Trockenshampoo benutzt haben ...
Unsere Maskenbildnerin hat es probiert mit einer anderen Perrücke, aber zu dem gewünschten Ergebnis kam sie damit leider auch nicht. Wir benutzen jetzt Haarschleim. Ich weiß nicht, das ist wohl tatsächlich so ein Haarmittel, was man kaufen kann. Ich weiß, das ist eine banale Frage, aber das sind so Dinge, mit denen wir uns halt auch beschäftigt haben. Manchmal habe ich mich auch gefragt - weil manche Leute ja auch sagen, sie hätte auch so eine kühle Aura und Ausstrahlung gehabt, manche sagen sogar kalte Ausstrahlung - ob sie sich das jetzt auch so als Schutz angeeignet hat,005 20190329 1082725185 weil ich denke, dass sie auch so ein warmherziger Mensch war. Das widerspricht manchmal andere Aussagen. Da musste ich mich natürlich mit beschäftigen und mich fragen, "Was spiele ich jetzt? Bin ich jetzt kalt und kühl?" Das war auch nicht einfach.

Hast du dazu die Jungs auch befragt?
Das habe ich mich nicht getraut, dann zu fragen: "Also Tamara war ja manchmal so kalt ..." Ich hab überlegt, habe dann aber nicht gefragt. (lacht) Ich hab mich sowieso einige Dinge nicht getraut, weil ich irgendwie immer finde: "Ja, die sind bekannt und berühmt."

Dabei sind die Jungs ja wirklich sehr bodenständig.
Absolut. Aber das muss man ja erstmal verstehen und checken. Beim ersten Mal ging das gar nicht, da war ich voll so, "Was sag ich jetzt?" "Was mach ich jetzt?" Am Samstag (9. März 2019) waren sie ja jetzt auch nochmal da, da saßen wir auch zusammen und haben noch entspannt geredet und gegessen. Da war es dann entspannter.

Wie war es, mit den Jungs auf der Bühne zu stehen?
Boah, das war krass. Das dritte Lied war ja dann "Bye bye", und da hat es mich dann richtig gekriegt, als es am Anfang mit der Geige losging. Da dachte ich mir so, "Wow. Jetzt steht er hinter mir." Und ich war auch extrem aufgeregt. Ich hatte da ja auch irgendwie einen gewissen Druck. Dann bei "Bye bye" war das aber alles abgefallen bei mir und ich hatte auch Tränen in den Augen, weil ich dachte, das ist gerade auch ein ganz schmaler Grat. Ich stehe hier als Tamara verkleidet und versuche so zu sein wie sie, und dann sind da auch noch die echten SILLYs ... Und als sie am Ende rauskamen, haben sie mich gebeten, dass ich noch kurz was sage und ich habe mich gefragt, was ich denn sagen sollte. Es war wirklich komisch. Du stehst hier als Tamara, willst aber nicht Tamara sein und versuchst auch nicht, sie zu sein. Dann ist mir der Satz eingefallen: "Ich glaube, ich habe das passende Kostüm an." Und damit war der Knoten für mich gelöst. Ich meine, Anna Loos hat auch nicht versucht, wie Tamara zu singen. Und ich muss halt versuchen, so nah wie möglich an sie ranzukommen, weil ich da als Schauspielerin stehe.006 20190329 1691525316 Und dann vermischt sich da Realität und Schauspiel, da dachte ich schon "Hui!". Aber bei "Bye Bye" war es mir dann egal und ich konnte mich tragen lassen. Die haben mich auch die ganze Zeit so nett angeguckt. Jäcki hat mich immer so schön angelacht. Das hat mir dann auch alles so viel Spaß gemacht.

Jäcki durfte ja auch beim Einsatz helfen ...
(Saskia lacht) Ja, ich hab gesagt, ich gucke ihn dann immer an und er ganz locker "Ja klar, mach mal." Habt ihr das etwa gesehen?

Ja. Ich denke, dem Großteil war es nicht aufgefallen.
Ich hatte ja vorher andere Versionen und gerade bei "Verlorene Kinder" fand ich das nicht einfach. Ich hatte das ja dann Jäcki gesagt und er hat mir immer ganz froh zugenickt.

Wie war das Feedback der SILLY-Jungs zum Musical?
Bei der Premiere waren ja Uwe und Ritchie - Jäcki konnte irgendwie nicht. Da haben die beiden mir nach der Veranstaltung gesagt, dass sie nicht gedacht hätten, dass es so nah ist und dass es sie so trifft. Das ist natürlich schon ein super Kompliment. Ritchie hat dann auch noch gesagt, dass er das mit den drei Ebenen ganz cool verpackt findet. Auch von der Maske waren sie überwältigt. Ich kam dann auch schon fertig vorbereitet für die Show ins Foyer rein und da stand ich so halb neben Uwe. Er drehte sich dann um, erschreckte sich sichtlich und meinte auch, "Hui, habe ich mich da jetzt erschreckt." Weil er für eine Sekunde wirklich gedacht hat, Tamara stand neben ihn. Das hatten wir jetzt am Samstag auch in der Garderobe. Da meinte er auch, "Oh Gott, wieder so ein Schockmoment." Aber ihnen hat es gut gefallen. Ich hatte ja auch ein wenig Angst, dass sie es einfach doof finden. Das war meine größte Panik bei der Premiere. Aber das hat sich gar nicht bestätigt. Sie sagten auch, musikalisch hätte ich das gut gemacht. Natürlich angelehnt an Tamara, aber auch was Eigenes mit rein gebracht. Da war ich auch sehr froh.

Es ist natürlich sicher auch ein ganz anderes Spielen, wenn man weiß, die Jungs sitzen im Publikum.
Absolut. Total verkrampft erstmal. Da passiert es dann auch mal, dass man sich verplappert oder über den Berliner Dialekt stolpert. Aber am Samstag war es okay. Bei der Premiere waren da eher ein paar Sachen.

007 20190329 1359149941Wie war es den Berliner Dialekt zu lernen oder konntest du diesen schon?
Nee, ich konnte ihn vorher gar nicht. Das war am Anfang auch wirklich etwas schwierig. Aber ich muss sagen, tatsächlich hat sich das gedreht, jetzt rede ich sogar privat mit meinem Freund so. Er kommt aus Frankfurt/Oder, hat auch lange in Berlin gelebt. Da hat er sowieso schon öfter berlinert und jetzt reden wir zuhause auch ganz oft so. Da nehme ich Tamara schon so ein bisschen mit. Das ist irgendwie ganz witzig. Das war schon etwas schwierig, aber das musste ich einfach lernen.

Wenn SILLY im Herbst auf Tour geht. Wirst du dir eins der Konzerte ansehen?
Absolut. Das Problem ist, ich wollte nach Berlin. Da ist aber jetzt ja alles voll. Ich hab jetzt aber noch auf den Plan nach Leipzig oder Dresden zu fahren. Wobei Neunbrandenburg für mich natürlich auch nicht weit weg ist. Mal gucken, ich will sie auf jeden Fall sehen. Es kommt natürlich auch darauf an ... am liebsten hätte ich wirklich gerne "Mont Klamott" gesehen. Aber da war ich jetzt zu spät. Ein bisschen doof. Ich finde es auf jeden Fall cool mit der Albumaufteilung. Es gibt ja auch immer wieder noch Lieder, die ich noch gar nicht kenne und so denke, "Hä? Das habe ich ja auch noch gar nicht gehört. Okay." (lacht)

Ich würde mich auf jeden Fall freuen, wenn wir uns bei einem der SILLY Konzerte dann auch nochmal sehen könnten. Vielen Dank für das Interview und deine Zeit!
Sehr gerne. Wir können uns auf jeden Fall nochmal austauschen bezüglich des Konzertes. Ich kannte ja Deutsche Mugge vorher gar nicht und fand es jetzt auch schön euch kennenzulernen.



Interview: Sarah Müller
Bearbeitung: cr
Fotos: Pressematerial (Udo Krause, Uckermärkische Bühnen Schwedt), privat










   
   
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