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Interview vom 8. Dezember 2017



Wenn man behauptet, dass der Name Frank Schöbel einer der meist bekannten in deutschen Landen ist, lehnt man sich garantiert nicht zu weit aus dem Fenster. Zumindest in den östlichen Bundesländern gibt es wohl kaum jemanden, der in seinem Leben nicht in irgendeiner Form mit der Musik des gebürtigen Leipzigers in Verbindung gekommen ist. Schöbel ist Kulturgut, Schöbel ist Kult, Schöbel ist „einer von uns“.o 20171209 1761861397 Es wurde in den vergangenen Jahrzehnten schon tausendfach alles gesagt, alles geschrieben, alles erzählt über diesen sympathischen, erfolgreichen Mann, der so viel für den deutschen Schlager geleistet hat. Auch wir von Deutsche Mugge zollten Frank Schöbel 2009 mit einem großen Interview unseren Respekt. Er könnte sich längst zur Ruhe setzen und das Leben genießen, doch das ist nun gar nicht sein Ding. Immer noch produziert Frank Schöbel neue Alben, nach wie vor tourt er pausenlos durch die Konzertsäle des Landes und erfreut sich bis heute nicht zuletzt dank seiner Bescheidenheit und Bodenständigkeit einer unglaublichen Popularität beim Publikum. Dabei wäre fast untergegangen, dass das Jahr 2017 für Schöbel ein ganz besonderes ist, denn er begeht am heutigen Tag nicht nur seinen 75. (!) Geburtstag, sondern in diesem Jahr feiert der Sänger, Schauspieler und Buchautor auch sein 55-jähriges Bühnenjubiläum! Diese Vorlage lässt Deutsche Mugge natürlich nicht ungenutzt und hat den Jubilar erneut zu einem Interview eingeladen, welches einerseits die noch vorhandenen Lücken des ersten Interviews schließt, aber auch die Gegenwart und Zukunft des Frank Schöbel beleuchtet ...




Ich möchte unser Interview im Namen der Redaktion und unserer Leser mit einer tiefen Verbeugung und einem lauten "Herzlichen Glückwunsch!" beginnen. Du feierst nämlich gerade ein Jubiläum, welches Dich in eine Reihe mit Größen wie den ROLLING STONES, OMEGA oder den SCORPIONS stellt. 55 Jahre auf der Bühne, das ist eigentlich kaum in Worte zu fassen. Zwickst Du Dich manchmal selber, um das zu begreifen oder berührt Dich dieses Jubiläum eher weniger?
Zunächst danke für die tiefe Verbeugung. Bitte nicht zu tief, sonst verliert man den Blick für die Realität. Das Jubiläum war schon am 1. April und das haben nur einige eingefleischte Freunde bemerkt. Es berührt mich in sofern, da viele Musikfreunde diese lange Zeit mit mir geteilt haben und immer noch teilen. Am 30. August erfolgte im Berliner Admirals Palast die Aufzeichnung für meine Show "Tour de Frank" zum 55. So eine Stimmung mit laufend Standing Ovations habe ich noch nie erlebt. Die Sendung läuft übrigens am 16.12. um 20:15 Uhr im MDR in voller Länge (zweieinhalb Stunden).

Das Musikbusiness ist bekanntermaßen alles andere als ein Streichelzoo. Was muss man als Künstler mitbringen, um sich da über Jahrzehnte zu behaupten?
Liebe zum Beruf, Fleiß, Stehvermögen und ganz viel Liebe fürs Publikum.

Nun gibt es ja unterschiedliche Möglichkeiten, ein solches Jubiläum zu feiern. Du hast dies, wie eben schon erwähnt, im Berliner Admiralspalast mit einer großen Jubiläumsshow getan. Welche Gäste hattest Du Dir eingeladen?
Ich habe auch das Buch zur Sendung geschrieben und ausschließlich Kollegen und Sportler eingeladen, die meinen Weg begleitet haben. Namentlich sind das Täve Schur, Drafi Deutscher jr., Joscha, Quaster (Puhdys), die DDR-Fußball-Nationalspieler Jürgen Croy, Lothar Kurbjuweit, Erich Hamann, Harald Irmscher, Hans-Jürgen Kreische, Jürgen Sparwasser, außerdem meine Sängerkollegen Andreas Holm, Thomas Lück, Gerd Christian, Maja Catrin Fritsche, Muck, Regina Thoss, Uwe Jensen, Hans Jürgen Beyer, Monika Herz, Tom Pauls, Michael Hirte, Dominique Lacasa, Zsuzsa Koncz, Albert Hammond, das Deutsche Fernsehballett ...

Wirst Du Dir die Sendung am 16.12. im MDR anschauen oder gehörst Du zu den Künstlern, die das grundsätzlich nicht machen, weil sie viel zu kritisch mit sich selbst sind und beim Anschauen des Ganzen ständig danach suchen würden, was man hätte besser machen können?
Ich habe an diesem Tag Veranstaltung. Aber ich habe sie schon gesehen. Am besten gefällt mir die Stelle, wo ich aus Spaß auf RAMMSTEIN mache und an den Armen und auf dem Rücken brenne ...

Deine Popularität ist immer noch so enorm, dass Dir der MDR eine Woche vor der Jubiläumsshow eine weitere Sendung widmet, nämlich am 10. Dezember "Ein Abend mit Frank Schöbel". Es wird kein Zufall sein, dass diese Sendung ausgerechnet am Vorabend Deines 75. Geburtstags läuft. Was erwartet den Zuschauer, wenn er an diesem Abend den Fernseher einschaltet?
Eine sehr gute und mit ganz viel Liebe gemachte 90-minütige Sendung. Von meinen Anfängen 1962 bis heute. Familie und Kollegen kommen zu Wort und sagen viele schöne und liebe Sachen über mich. Ich kann leider es nicht sehen, weil ich auch am 10.12. eine Veranstaltung habe. Ich habe es aber schon im Schnitt gesehen!

"Ein Abend mit Frank Schöbel" läuft beim MDR in der Reihe "Legenden". Siehst Du Dich selber denn auch als eine Legende?
Wer ist denn so selbstverliebt ... In meinem Buch steht ja schon - eher "Leg Ente".

c 20171209 1220203388Wenn wir schon über Deine Fernsehauftritte sprechen, sei natürlich unbedingt der Heiligabend erwähnt. Wie seit gefühlten hundert Jahren flimmert auch 2017 am 24. Dezember wieder "Fröhliche Weihnachten mit Frank" über die Mattscheiben. Was denkst Du, warum ist diese Sendung nicht totzukriegen, warum lieben die Menschen gerade diese Reihe so?
Es fing ja an mit "Weihnachten in Familie". Über 2 Millionen LPs bzw. CDs sind davon inzwischen verkauft worden. Die gleichnamige Sendung war 1985 ein riesiger Erfolg. Am 24.12.2017 um 19:45 Uhr läuft übrigens die 25. Sendung, also auch wieder ein Jubiläum. Für viele - so sagen sie mir - gehört die Sendung wie der Braten zu Weihnachten dazu. Da ich mit meinem Freund Peter Lorenz das Buch dafür schreibe, ist es wie ein kleines Geschenk für uns ans Publikum. Es ist ehrlich, warmherzig, selten verkitscht und mit viel Humor. Die anderen Sender fahren meist noch das Programm aus dem "19. Jahrhundert" ...

In Vorbereitung unseres Interviews hast Du mir erzählt, dass Du im Moment einen sehr engen Terminplan hast, weil Du einerseits mit den Vorbereitungen inklusive Proben für die angesprochenen Sendungen beschäftigt bist und gleichzeitig viele Muggen zu bestreiten hast. Wird Dir das alles nicht manchmal zu viel? Woher nimmst Du die Kraft, immer weiterzumachen?
Die Kraft beziehe ich aus dem Sport und aus der Freude am Beruf. Ein großer Teil ist auch Disziplin.

Nun bist Du ja in der glücklichen Lage, als Künstler beide deutschen Systeme kennengelernt zu haben, denn Du warst 27 Jahre als professioneller Künstler in der DDR tätig und verdienst mittlerweile genauso viele Jahre im vereinten Deutschland Deinen Lebensunterhalt in der Musikbranche. Sicher kann man beides nicht pauschal vergleichen, aber trotzdem die Frage: wo hat Dir das Arbeiten mehr Spaß gemacht?
Natürlich hat die Anfangszeit ab 1962 und danach im Radio und TV ab 1964 sehr viel Spaß gemacht. Dann kamen die Filme und eigenen TV Shows. Das waren die Lehrjahre. Irgendwann, so ab 1980, wurde es eng in unserem kleinen Ländle. Das ständige Gegängel, mal durfte man, meistens durfte man aber nicht zu TV-Sendungen in den Westen fahren, bestimmte Texte wurden abgelehnt etc. Heute kannst du alles machen, nur es spielt kaum noch einer deutsche Musik und Ostmusik sowieso nicht. Heute bestimmen Einschaltquoten, was gut ist und gesendet wird. Mir machen die Auftritte mit meiner Band, aber auch die eigenen Shows im TV immer noch viel Spaß.

Wenn Du mal ganz in Ruhe Dein Leben als Musiker/Sänger in der DDR Revue passieren lässt, welchen Stellenwert räumst Du heute der damaligen Ostmusikszene ein? Wäre sie international konkurrenzfähig gewesen? Und wenn ja, wie sehr hat es jemanden wie Dich, der zur ersten Reihe der DDR-Sängergilde gehörte, geschmerzt, dass man sich musikalisch nicht wirklich mit der großen weiten Welt messen durfte und konnte?
Es gab einige gute Titel und natürlich auch Schrott, das ist doch normal. Und mancher hätte es mit der nötigen Promotion sicher international geschafft. Als ich 1972 mit "Wie ein Stern" im Studio B (ARD) war, bekam ich einen Brief, in dem sinngemäß stand: Meine Tante im Westen sagt, dass "Wie ein Stern" ein gutes Lied ist und wenn die das sagt, dann stimmt das. Mit so wenig Selbstbewusstsein sind wir aufgewachsen. Wenn du groß wirst im Musikgeschäft und immer der "Dödel" aus dem Osten bist (bis heute), gewöhnt man sich dran. Es tat manchmal weh, sich im "Kessel Buntes" mit den West-Stars zu messen und selber durfte man nicht raus. Aber meine Fans tragen mich bis heute, da sind mir die Ignoranten egal. Meine Mutter hätte gesagt: "Frank, was können die uns tun? Leid!"

In der DDR kümmerte sich die KGD, also die "Konzert- und Geschirrspüldirektion", wie Du sie mal liebevoll genannt hast, um Euch Künstler und versorgte Euch mit Auftritten. Wie war Dein Verhältnis zu diesen Leuten? Es war doch immer eine gewisse Abhängigkeit vorhanden, oder?
Nein, ich hatte mit allen ein freundschaftliches Verhältnis! Sicher, weil ich auch immer Hits hatte, viel gearbeitet habe und dadurch gefragt war.

Du hattest bis 1989 in Deinen besten Zeiten bis zu 300 Auftritte pro Jahr. Nach dem Ende der DDR musstest Du Dir plötzlich selber Gedanken machen, wie Du Dich vermarktest und an Auftritte kommst. Wie schwer fiel es Dir, Dich an diese neue Situation zu gewöhnen?
Die ersten zwei bis drei Jahre waren recht dünn gesät mit Auftritten, weil ja die ganzen KGD-Strukturen zusammengebrochen waren. Danach hatte ich ein Management und wir ackerten wieder los. Mir war klar, dass das Publikum sich nach der Wende erstmal den Westen "reinzieht". Immerhin durfte ich durch meinen Beruf schon vor ihnen dann und wann in den Westen fahren. Da war es doch nur fair, jetzt auf das Publikum zu warten.

Neben Dir bildeten z.B. Thomas Lück, Andreas Holm, Hans-Jürgen Beyer, Muck, Regina Thoss, Monika Herz und noch einige andere in den 70er und 80er Jahren die Speerspitze des DDR-Schlagers. Heute bist Du der einzige aus dieser Zeit, der wirklich noch dick im Geschäft ist, Erfolg hat und dessen Popularität ungebrochen ist. Was ist aus den anderen geworden? Bestehen zu dem einen oder anderen noch Kontakte?
Sie sind alle immer noch unterwegs. In meiner Sendung am 16. Dezember 2017 kannst du sie sehen und hören. Ich habe sie eingeladen, weil sie zu meinem Leben gehören und das Publikum hat mitgesungen und sie gefeiert.

Hast Du eine Erklärung dafür, warum selbst Du trotz all Deiner Erfolge hauptsächlich in den ostdeutschen Bundesländern nachgefragt bist? Die Qualität Deiner Songs steht denen eines Roland Kaiser, Howard Carpendale & Co. nämlich in keiner Weise nach, wie ich meine. Ganz im Gegenteil.
Das musst du die Redakteure fragen. Ich habe den Eindruck, die schneiden uns bewusst. Alles was aus dem Osten übrig geblieben ist, soll vernichtet werden.

f 20171209 1896067796Du spielst immer noch sehr viel und gerne live vor Publikum und wirst bei Konzerten von einer festen Band begleitet. Wer gehört alles zu dieser Band?
Das sind an den Gitarren Stefan Schirrmacher und Till Paulmann, Uli Werfel am Bass, Dicki Grimm bedient die Drums, Ali Kirfe spielt Keyboard, Saxophon und Flöte. Ab und zu steht auch André Kuntze am Keyboard.

In der Regel altern die Fans gemeinsam mit ihren Idolen auf der Bühne, was dazu führt, dass manches Konzert wie der Betriebsausflug eines Altersheims wirkt. Geht man aber auf eines Deiner Konzerte, sieht man gleich mehrere Generationen im Publikum, also auch viele jüngere Leute. Führst Du das darauf zurück, dass der deutsche Schlager generell auflebt oder liegt es speziell an Dir und Deiner Musik?
Sicher beides. Ich habe ja 1975 eine Kinder-LP mit dem Titel "Komm, wir malen eine Sonne" gemacht. Die wirkt immer noch nach. Die Weihnachts-CD und die Weihnachtssendungen im MDR sicher auch. Das spiegelt sich dann auf unseren Konzerten wider.

Deiner zweiten Leidenschaft, der Schauspielerei, bist Du auch nach dem Mauerfall treu geblieben, denn unter anderem hast Du gleich zweimal in der ARD-Serie "In aller Freundschaft" mitgespielt. Wie bist Du an diese Gastspiele gekommen?
Man hat mich angesprochen und ich habe das gerne gespielt.

Könntest Du Dir vorstellen, nochmal einen Film zu drehen? Wenn ja, was für eine Art Film sollte das sein?
Das ist mein großer Wunsch. Es sollte ein Musikfilm sein. Witzig und nicht doof.

Du hast in den zurückliegenden 55 Jahren auf der Bühne so viel erlebt, so viele Erfahrungen gesammelt, dass es grob fahrlässig wäre, nicht gleich noch auf ein paar Punkte in Deiner Vita einzugehen, die wir bei unserem ersten Gespräch im Jahr 2009 (Interview siehe HIER) nicht thematisiert haben, die ich aber für unbedingt erwähnenswert halte. Bist Du dabei?
Ja, klar.

Wenn ich mal zurückrechne, gilt also das Jahr 1962 als Startschuss für Deine Karriere. Musik gemacht hast Du ja auch vorher schon, aber wenn meine Recherchen stimmen, hast Du 1962 Deine "Pappe", also Deinen Berufsausweis als Profimusiker bekommen - fatalerweise aber erst im dritten Anlauf. Warum bist Du vorher gleich zweimal durch die Prüfung gerauscht? Und wie lief so eine Prüfung überhaupt ab?
Nein, meine Pappe habe ich erst 1964 bestanden. Bis dahin war ich ja beim Erich Weinert Ensemble. Erst zivil, danach als Soldat. Durch die Prüfung bin ich zweimal gerauscht, weil ich nicht gut war. Man musste vier bis fünf Lieder mit einer Band singen und kurze Ansagen machen. Eben einen Auftritt. Ich war einfach zweimal zu aufgeregt. Dafür wurde ich dann beim dritten Anlauf gleich höher eingestuft.

Was wäre aus dir geworden, wenn Du den Musiker-Berufsausweis letztlich nicht bekommen hättest?
Ich habe ja Mechaniker gelernt, aber ich hätte wohl nebenbei immer Musik gemacht.

Als gelernter und sehr musikinteressierter DDR-Bürger kannte ich natürlich die Wertungssendungen des DDR-Rundfunks, so auch die "Beatkiste". Allerdings hörte ich diese erst ab Mitte der 70er Jahre und hatte zunächst keine Ahnung davon, dass Du 1970 der erste Moderator der Sendung warst, seinerzeit noch unter dem Namen "Franks Beatkiste". Wie kamst Du zu diesem Job?
Der Chef des Deutschlandsenders trat an mich heran mit der Bitte, ob ich wohl eine Rundfunkwertungssendung für Beatmusik (damals nannte man das noch so) als Moderator machen würde. Ich nannte sie "Franks Beatkiste", machte eine Demoproduktion und schon ging es jeden Donnerstag für zwei Stunden los.

Lange hast Du das dann aber nicht gemacht ...
Ich glaube, es waren immerhin zwei Jahre. Da ich 400 bis 600 Briefe pro Woche bekam und ich ja vor allem durch "Wie ein Stern" auch noch zig Veranstaltungen zu absolvieren hatte, musste ich die Hufe hoch nehmen.

i 20171209 1379909119"Wie ein Stern" ist ein gutes Stichwort. Das war Dein erster Volltreffer und schoss 1971 in die Hitparaden. Aber nicht nur in der DDR und den sozialistischen Bruderländern, wie es damals so schön hieß, warst Du damit der Chartstürmer, sondern auch die BRD nahm man plötzlich Notiz von Dir. Gleich fünfmal landete der Song auf Platz 1 der RIAS-Schlagerparade. Wie hast Du davon erfahren, wie hast Du es aufgenommen?
Ich habe es von anderen erfahren, weil ich ja ständig auf Tour war und in meinem Trabi kein Radio hatte. Klar habe ich mich tierisch gefreut.

Hat sich für Dich danach irgendetwas geändert, hat Dir das Ganze vielleicht sogar ein paar Türen in Richtung Westen geöffnet? Oder waren die Genossen im Kulturministerium jetzt erst recht misstrauisch und haben Dich unter besondere Beobachtung gestellt?
Es hat mir sicher ein paar Türen geöffnet. Ich durfte danach noch eine LP machen und 1974 zur Eröffnung der Fußball WM fahren. Aber die Genossen haben natürlich immer fein aufgepasst, dass der Westen nicht überhand nahm.

Auf jeden Fall warst Du nicht nur der erste, sondern insgesamt einer der wenigen DDR-Künstler, die zur damaligen Zeit ins kapitalistische Ausland reisen durften. So führte Dich 1974 eine Tournee sogar bis nach Norwegen. Das muss ja wie ein Märchen für Dich gewesen sein. Weißt Du noch, wie es zu dieser Tournee kam und welche Eindrücke Du damals gesammelt hast?
Ja, das war für mich DIE Hammerreise. Ein Promoter meiner westdeutschen Plattenfirma fuhr mit mir ins norwegische Lillehammer. Dort sang ich ein paar Titel mit einer Band zum Tanz und schon haben sie mich mit meiner Band engagiert. Wir spielten dort volle drei Wochen. Abends machten wir unsere Show, danach stand Langlauf in den erleuchteten Loipen auf dem Plan. Das war's für mich!

Ungewöhnlich, dass Du 1972 mit "Schreib es mir in den Sand" einen Song der schon damals sehr populären ungarischen Band OMEGA auf Deutsch eingesungen hast. Gab es dafür einen besonderen Grund oder Anlass? Und konntest Du damit rechnen, dass die Nummer so erfolgreich wurde?
Als Moderator von "Franks Beatkiste" bekam ich ja, wie eben schon gesagt, sehr viel Post. In einem Brief stand: "Du singst solche Schnulzen wie ‚Wie ein Stern' oder ‚Gold in deinen Augen'. Willst Du nicht mal was Vernünftiges singen?". Das tat weh und so bemühte ich mich um "Schreib es mir in den Sand" von der Gruppe OMEGA. Ich habe es zu meinem 50-jährigen Jubiläum im MDR mit Janos Kobor, dem Leadsänger der OMEGAs, gesungen. In diesem Jahr singe ich es zusammen mit Zsuzsa Koncz. Es ist wirklich immer noch eine wunderschöne Nummer.

Von 1973 an war die Uve Schikora Combo Deine ständige Begleitband, später dann für viele Jahre ETC. Uve Schikora komponierte in dieser Zeit auch viele Songs für Dich und Chris Doerk, bis er 1976 während einer Kuba-Tournee im Westen blieb. Gab oder gibt es noch Kontakte zwischen Euch oder hat er sogar mal wieder Songs für Dich geschrieben?
Ich habe von Uve - ich glaube - nur einen Song gesungen. Die anderen Titel komponierte ich, aber er hat sehr schöne Arrangements geschrieben. In meiner Sendung am 10. Dezember in "Ein Abend für Frank Schöbel" ist er im MDR zu sehen. Wir mailen dann und wann, haben also immer noch Kontakt.

Über Deinen Auftritt 1974 im Frankfurter Waldstadion haben wir bereits in unserem ersten Interview ausführlich geredet. Mich interessiert dazu aber noch eine Sache: Wenn man als DDR-Künstler die Ehre hat, an der Eröffnung einer Fußball-WM in der BRD mitzuwirken, sorgt das ja für gewisses Aufsehen. Mal ehrlich, hast Du mit dem Gedanken gespielt, eventuell "drüben" zu bleiben? Und wenn nicht bei dieser Gelegenheit, dann vielleicht irgendwann später mal?
Nein, nie! Meine Mutter und mein Bruder lebten im Westen. Das Bett wäre gemacht gewesen. Aber ich gehöre hier her und hatte wirklich nie die Absicht, meine Hörergemeinde für ein besseres Auto oder andere Annehmlichkeiten zu verlassen. Und - ich habe es richtig gemacht, auch wenn die Genossen uns das Leben manchmal ziemlich schwer machten.

Einen weiteren interessanten Punkt in Deiner Karriere gab es 1977. Da hast Du am Intervisions-Liederwettbewerb im polnischen Sopot teilgenommen. Das Besondere daran war, dass Du einen Titel komplett auf Polnisch (!) gesungen hast und beim zweiten immerhin den Refrain in der Landessprache. War das Bedingung für die Teilnahme?
Nein, das war nur mein Ehrgeiz. Auf meinen Tourneen durch Polen habe ich viele meiner Lieder auf Polnisch gesungen. 1975 war ich in Polen beliebtester ausländischer Interpret vor ABBA. Das ist doch lustig, oder?

Wie hast Du Dir die polnischen Texte beigebracht? Musstest Du sie während des Auftritts irgendwo vom Teleprompter ablesen oder hast Du tatsächlich frei gesungen?
Teleprompter gab es damals noch nicht. Nein, ich habe sie auswendig gelernt. Ist doch Ehrensache.

Und damit nicht genug, denn es gibt mit "Po pocalunek" noch eine weitere Aufnahme von Dir aus dieser Zeit auf Polnisch. Dahinter verbirgt sich einer Deiner größten Hits, nämlich "Ich geh vom Nordpol zum Südpol zu Fuß". Lag Dir die polnische Sprache, mochtest Du das Land und die Menschen, oder was hat Dich bewogen, mehrfach in dieser für uns so schwer anmutenden Sprache zu singen?
Mein Gedanke war der: ich komm als Deutscher Jahre nach diesem schrecklichen 2. Weltkrieg in dieses gebeutelte Land. Die älteren Menschen waren nicht sehr gut auf uns zu sprechen. Ich habe den Krieg nicht zu verantworten, aber ich kann ein Zeichen setzen mit dieser Geste und so zu erkennen geben, dass da andere Deutsche kommen. Ich habe wirklich so gedacht.

Den Dauerbrenner schlechthin hast Du 1985 mit dem Album "Weihnachten in Familie" hingelegt. Es war ja bekanntlich die meistverkaufte Platte in der DDR. Und auch nach der Wende wurden schon wieder 400.000 Exemplare davon verkauft. Warst Du damals überrascht von der Resonanz des Publikums auf die Platte?
Ja, denn sowas kann man nicht planen.

In der DDR war es ja bis dahin nicht unbedingt üblich, Weihnachtsplatten zu produzieren. Auf wessen Initiative hin entstand "Weihnachten in Familie"? War AMIGA der treibende Keil, oder wolltest Du selbst ein solches Album machen?
Ich sollte bereits 1972 nach "Wie ein Stern" eine Weihnachts-LP machen. Wir hatten auch schon damit begonnen. Doch es wurden plötzlich die Texte geändert. Für "Jesus" wurde zum Teil das Wort "Frieden" eingesetzt. Das wollte ich nicht und so lehnte ich die Weihnachts-LP ab. Erst 1985 war man soweit, dass die Liedtexte so bleiben durften wie sie waren. Ich schrieb fünf neue Lieder dazu und so entstand die Platte.

Neben vielen Neuauflagen Deiner alten Songs sowie diversen Best Of-Kopplungen und Samplern hast Du nach 1990 auch immer wieder neue Alben produziert. Dein aktuelles Werk trägt den Titel "Unvergessen - Die Hits unserer Herzen" und enthält neben zwei neuen, eigenen Songs ausschließlich große DDR-Hits, die Du neu aufgenommen hast und in Deinem Stil interpretierst. Welcher Gedanke steckt dahinter und wie war die Reaktion Deiner Fans?
Das war die "Idee" der Plattenfirma, die jedoch dafür nie richtig Promotion gemacht hat. Ich glaube, das hat kaum jemand interessiert. Bis auf die beiden neuen Titel "Das ist der Moment" und "Wir haben gelebt".

m 20171209 1156521175Überrascht hat mich auf dem Album die stilistische Breite, denn Du hast Dich nicht nur an Songs von Ute Freudenberg, Gerd Christian und den Puhdys herangewagt, sondern singst auch Nummern von Jürgen Hart, Reinhard Lakomy oder sogar Helga Hahnemann. Hattest Du die alleinige Entscheidungsgewalt über die Auswahl der Lieder und auch über die Arrangements?
Einige Lieder habe ich vorgeschlagen, um Schlimmeres zu verhindern. Wir haben gefeilscht, wie auf dem Fischmarkt. Die Arrangements hat Luis Rodriguez auf Mallorca gemacht. Da er die Lieder nicht kannte, finde ich die Arrangements ziemlich gelungen.

Wir hatten es anfangs schon erwähnt, am 11. Dezember begehst Du Deinen 75. Geburtstag. Wird es eine große Feier geben? Nein. Ich komme am 10. Dezember nachts von der Mugge und habe gleich am 12. Dezember im Dresdner Kultur Palast wieder eine große Veranstaltung. Die Weihnachtskonzerte gehen dann bis zum 23. Dezember jeden Tag weiter, da ist Disziplin gefragt.

In diesem Alter züchten viele andere längst Rosen oder machen eine Kreuzfahrt nach der anderen. Ich nehme aber an, Du hast noch längst nicht die Absicht, Dich zur Ruhe zu setzen, oder?
Im Moment nicht. Wenn doch, dann höre ich von einem auf den anderen Tag auf.

Du spielst ja in Deiner wenigen Freizeit sogar noch aktiv Fußball, und zwar -Achtung!- in der Ü70-Mannschaft von Eintracht Mahlsdorf! Seid Ihr eine reine Trainingstruppe oder stehen auch mal echte Spiele auf dem Plan?
Es gibt bei den 70ern leider keinen Spielbetrieb. Wir trainieren jeden Mittwoch zwei Stunden. Dann und wann gibt es aber auch mal Turniere.

Welche Pläne hat Frank Schöbel für das kommende Jahr und gerne auch für die weitere Zukunft? Ist vielleicht in absehbarer Zeit sogar mit einem neuen Album zu rechnen?
Ich müsste irgendwann 2018 ein neues Album machen. Ich werde mich im neuen Jahr hinsetzen. Dann gibt es ein größeres Projekt, welches ich jetzt noch nicht "rauslassen" werde. Ich möchte das in Ruhe angehen. Auf jeden Fall gibt es einen neuen Titel, der heißt "Wann wenn nicht jetzt".

Lieber Frank, ich danke Dir recht herzlich für Deine Zeit und dieses ausführliche Gespräch. Ich wünsche Dir alles Gute für Dein weiteres Leben und vor allem noch ein paar erfolgreiche Jahre im Musikgeschäft.
Ich bedanke mich bei Dir für das Interview und grüße ganz herzlich alle Leser von "Deutsche Mugge".




Interview: Torsten Meyer
Bearbeitung: cr
Fotos: Pressematerial (AMIGA, SONY), Archiv Frank Schöbel