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Interview vom 24. August 2017



Wir Kinder der 80er haben da unsere Favoriten, die uns die Songs zum Soundtrack unserer Jugend beigesteuert haben. Ab Mitte der 80er kamen Kapellen auf, die wahre Hymnen und unkaputtbare Klassiker geschaffen haben, die noch heute zu den Filet-Stücken in der "Made in Germany"-Frischetheke gehören. Abseits des Kunststoff-Pops aus den Abfüllstationen "Bohlen" und "Stock-Aitken-Waterman" wurde noch handgemachte Musik erschaffen, die richtig viel Spaß machte und unsere Partys so richtig zum Kochen brachte. Die RAINBIRDS z.B. mit "Blueprint", THE JEREMY DAYS mit "Brand New Toy" oder eben auch FURY IN THE SLAUGHTERHOUSE mit "Time To Wonder", "Won't Forget These Days" und "When I'm Dead And Gone". Gerade die zuletzt genannte Kapelle hatte gleich mehrere dieser Hymnen erschaffen. Vor 30 Jahren ging das Hannoveraner Ensemble an den Start und begeisterte bis 2008 sein treues Publikum. Dann war Schluss und die Band zerbrach. Die Brüder Wingenfelder schufen neue Projekte und Bands, u.a. eben auch die hier schon einige Male in verschiedenen Beiträgen vorgestellten Duo WINGENFELDER und BALTIC SEA CHILD. Christof Stein-Schneider begegnete uns u.a. bei FINAL STAP und werkelte gemeinsam mit STOPPOK, Schlagzeuger Rainer Schumann hatte seine eigene Band und Bassmann Christian Decker betätigte sich als Produzent und arbeitete u.a. zusammen mit ALPHAVILLE, DIRK DARMSTÄDTER und FABIAN SCHULZ. Das Jahr 2017 steht aber - nach 2013 - einmal mehr für eine Wiederbelebung der Band FURY IN THE SLAUGHTERHOUSE und die Feier des 30. Bandgeburtstages.a 20170830 1006865244 Im Frühjahr gab es unter dem Titel "30 - The Ultimate Best of Collection" eine drei CDs umfassende Werksch, anschließend gab man drei komplett ausverkaufte Konzerte in Hannover, spielte über den Sommer mehrere Open Airs und veröffentlicht mit "Little Big World" nun ein Doppel-Album mit einem Mitschnitt eines Akustik-Konzerts in Hamburg. Im Herbst schließt sich dann noch eine dazu passende Tournee an. Unser Kollege Christian hatte in der vergangenen Woche (24.8.2017) Gelegenheit, mit Bandgründer und Sänger KAI WINGENFELDER einen seiner Favoriten aus den 80ern zu treffen, und mit ihm über ein ereignisreiches Jahr und Pläne für die Zukunft zu plaudern ...




Bevor wir zum Album und den nächsten Aktivitäten von FURY IN THE SLAUGHTERHOUSE kommen, machen wir einen kurzen Rückblick. Ihr habt an einem Wochenende im März den 30.Geburtstag der Band gefeiert. Zu diesem Anlass habt ihr drei Konzerte an drei aufeinanderfolgenden Tagen gespielt. Wenn wir mal den Zuspruch der Leute weglassen, was war dann für Euch das Besondere an diesem sicher nicht ganz stressfreien Wochenende?
Dass es überhaupt stattgefunden hat. Eigentlich sollte es dieses Wochenende nämlich gar nicht geben, denn wir wären erst 2018 wieder reif gewesen für ein kleines Klassentreffenkonzert, so wie wir es 2013 auch gemacht haben. Da ich dann aber festgestellt habe, dass wir als Band seit 2017 wieder aktiv sind und uns 1987 gründeten, dachte ich mir, es wäre sinnvoller, das Ganze bereits dieses Jahr zu veranstalten und bei der Gelegenheit gleich unseren 30. Geburtstag zu feiern. Wir rechneten damit, dass wir die Halle vielleicht zweimal vollkriegen würden. So wie beim letzten Mal, als wir ungefähr 23.000 Tickets verkaufen konnten. Dafür brauchten wir damals ein halbes Jahr, bis wir alle diese Tickets an den Mann bringen konnten.b 20170830 2036353705 Diesmal war es so: ich gab eines Morgens im Radio bekannt, dass wir ein Konzert spielen und am selben Abend hatte ich in Hannover im "Capitol" den Abschluss-Gig meiner Wingenfelder-Tour. Das Ding war ausverkauft, was mich sehr freute. Ich wollte also freudig gestimmt auf die Bühne in Hannover, als der Veranstalter zu mir kam und sagte: "Alter, es ist ausverkauft". Ich meinte zu ihm: "Klar, weiß ich doch, das ist schon seit drei Wochen ausverkauft". Daraufhin er: "Nein, das erste FURY IN THE SLAUGHTERHOUSE-Konzert ist ausverkauft!" Das hat insgesamt nur ganze sechs oder acht Stunden gedauert. Am nächsten Tag rief er mich Nachmittags wieder an, um mir mitzuteilen, dass auch das zweite FURY-Konzert ausverkauft sei. Spätestens da wussten wir, diesmal ist etwas ganz anders als sonst. Natürlich war das ein wunderschönes Gefühl, andererseits war aber plötzlich auch ein gewisser Druck da, denn wir wussten, es herrschte da draußen eine gewisse Erwartungshaltung. Wir überlegten, was wir tun könnten, damit wir dem Ganzen auch gerecht werden und entschieden, mit Holger Hübner den WACKEN-Chef mit ins Boot zu holen, der ja auch schon Wingenfelder managt und sich anbot, uns zu helfen. Und so kümmert sich Holger Hübner in diesem Jahr eben auch um FURY IN THE SLAUGHTERHOUSE. Erst jetzt konnten wir wirklich alles umsetzen, was wir wollten. Und zwar wollten wir eine Party schmeißen, die etwas ganz besonderes ist. Zum Beispiel haben wir so viel Ton reingehängt wie noch nie, damit auch jeder bis hoch in die letzte Reihe alles ganz genau hören kann. Ich habe mit unserem Lichtmann das gesamte Bühnendesign entworfen, also die 3D-Wände und was noch so dazu gehört. Das war alles in allem sehr viel Arbeit, aber wir wollten es genau so und nicht anders, denn die Leute, die dorthin kommen würden, sollten Spaß ohne Ende an dem Abend haben. Als es dann endlich los ging und bei der ersten Show alles funktioniert hat, da wussten wir, wir haben vernünftig geprobt und können alle Songs richtig gut spielen, wir sind dem ganzen Kram gewachsen. Das war wirklich ein tolles Gefühl der Erleichterung.

Wie lange habt Ihr gebraucht, um dieses Geburtstagsprogramm einzustudieren? Läuft denn das mit den Proben, mit den Texten, mit der Musik nach so langer Zeit noch flüssig genug von der Hand oder muss man sich zunächst für einige Zeit einschließen und hart ackern?
Wir haben ganz bewusst solche Nummern gespielt, die wir bei unserem letzten Konzert 2013 nicht dabei hatten. Dazu machte ich im Vorfeld bei facebook eine Umfrage, um herauszufinden, was die Leute hören wollen. Natürlich konnten wir nur bedingt darauf eingehen und nicht von vorn bis hinten all das spielen, was sich unsere Fans gewünscht haben. Letztlich ist es aber dann doch so, dass bis auf zwei oder drei Songs alles im Programm enthalten ist, was auch die Leute wollten. Dadurch, dass die Nummern andere sind als 2013 und außerdem auch etwas anders gespielt wurden als sonst, mussten wir schon manchmal etwas genauer gucken, wie wir das auf der Bühne hinbekommen.c 20170830 1581564823 Bei den Texten musste ich auch wieder ein bisschen gründlicher an die Sache herangehen, denn wenn Du über Jahre hinweg nur Wingenfelder machst, merkst Du schon, dass Dir irgendwas fehlt.

Inzwischen seid Ihr ja auch alle anderweitig beschäftigt und eingebunden. Du machst außer FURY IN THE SLAUGHTERHOUSE beispielsweise noch Wingenfelder und BALTIC SEA CHILD ...
Na ja, im Moment mache ich eigentlich nur FURY IN THE SLAUGHTERHOUSE. Nächstes Jahr kommt dann wieder Wingenfelder auf den Plan inklusive einem neuen Album. Und irgendwann später wird auch BALTIC SEA CHILD wieder aktiv sein.

Wurde das Jubiläumsjahr von langer Hand geplant, damit auch jeder der Bandmitglieder Zeit dafür hatte, oder kann man so etwas auch spontan bei einer Grillparty einen Sommer vorher aushecken?
Das kann man auch ganz spontan bei einer Grillparty einen Sommer vorher aushecken, denn wir haben es genau so gemacht. Wir wussten, wir wollten es machen. Wolfgang Besemer, der Chef von Hannover Concerts, hatte die Idee dazu 2013 aus der Taufe gehoben und wollte unbedingt, dass wir dort auftreten. Da wir mit ihm schon lange Zeit zusammengearbeitet hatten, stimmten wir zu. Wolfgang Besemer starb dann aber, was nicht nur für uns, sondern auch für die Stadt Hannover ein Riesenverlust war. Zum Glück wollte sein Nachfolger unser Projekt weiterführen, denn wir hatten ohnehin schon die Idee, alle fünf Jahre ein solches Klassentreffen zu veranstalten. Ungefähr ein Jahr vorher schickte er uns dann dieses Angebot. Wir schauten es uns an und sagten dann: "Okay, lasst es uns machen". Wir begannen also mit den Planungen. Als feststand, wir machen es an dem und dem Tag und wir verlegen es diesmal nach drinnen, ging es auch sofort los.

d 20170830 1980596900Jetzt kommen wir doch mal zum Zuspruch der Fans, obwohl ich das am Anfang unseres Interviews ausgeklammert habe. Dieser Zuspruch war ja doch ziemlich beachtlich. Habt Ihr auch nur ansatzweise mit einem solchen Interesse gerechnet, die der runde Geburtstag und diese drei Muggen ausgelöst haben?
Nö, überhaupt nicht. Wir waren uns darüber im Klaren, dass es zum Glück immer noch ein paar Menschen gibt, die gerne ein gutes Konzert sehen möchten. Dass es allerdings der erfolgreichste Ticketverkauf unserer Karriere wird, damit konnten wir natürlich nicht rechnen. Wir haben bis jetzt ca. 130.000 Tickets verkauft, was für uns eine ganze Menge ist.

Leute, die vor Ort waren, haben Euch eine saft- und kraftvolle Show bescheinigt. Alterserscheinungen oder Anzeichen von Abnutzung gleich null, dafür Spielfreude und Kraft wie bei jungen Burschen. Die Bandarbeit scheint also eine Art Jungbrunnen für Euch zu sein, richtig?
Ich glaube, es ist vor allem die Musik an sich, weil es genau das ist, was wir lieben. Heutzutage müssen wir uns nicht mehr über so unnötige Dinge und Kleinigkeiten streiten, wie es früher oft der Fall war. Damals waren wir einfach noch nicht so weit. Es gab viel zu viele Probleme, die oftmals auch von außen hereingetragen wurden und mit denen wir uns auseinandersetzen mussten, die uns leider auch ein bisschen entzweit haben. Diese Probleme gibt es jetzt nicht mehr, denn wir stecken nicht in so einer Plattenfirmenkiste drin, die uns zwingt, irgendwelche Sachen zu erfüllen, weil wir das mal irgendwann unterschrieben haben. Im Grunde genommen funktioniert das Ganze bei uns momentan nach dem sogenannten Swingerclub-Prinzip: Alles kann, nichts muss. Wir können also das machen, worauf wir Bock haben. Mein Bruder sagt immer, wir sind bewaffnet mit der Lässigkeit des Alters, womit er völlig Recht hat. Und das macht es so schön für uns. Wir sind alle relativ tiefentspannt und genießen den Moment, weshalb wir auch einen unglaublichen Spaß haben. Wir haben für die aktuellen Konzerte fleißig geprobt und verbinden mit dem, was wir tun, eine ganze Menge, denn das ist unser Leben. FURY war schon immer eine energetische Band, und diese Energie ist immer noch da, die spüren wir nach wie vor. Wir waren ja nie eine Band, die deshalb funktionierte, weil da sechs wahnwitzige Virtuosen auf ihren Instrumenten spielten, sondern immer dann, wenn diese sechs Leute auf der Bühne zusammenkamen, entstand eine Art chemische Reaktion und es machte BUMM! Dieser Spaß, den wir daran haben, überträgt sich sofort auf das Publikum und das ist doch herrlich.

e 20170830 1952679818Ihr bekommt ja auch durchweg geile Kritiken. Was geht in Euch vor, wenn die Leute so begeistert über Euch und Eure Musik reden? Nimmst Du das überhaupt wahr?
Ja natürlich. Wir haben auch noch niemals vorher solche guten Kritiken bekommen wie dieses Mal. Das zieht sich durch die ganze Tour. Überall wo wir spielen, spüren wir den Jubel der Leute und hören immer wieder, wir sollen uns nicht auflösen. Das schreiben sogar die Tageszeitungen. Wenn dann noch ein Blatt wie "Die Welt" schreibt, wir wären eine Band, bei der man das Bier holen vergisst, dann ist das schon total geil. Es soll jetzt nicht arrogant klingen, aber ich finde das auch durchaus gerechtfertigt, denn wir gehen tatsächlich mit einer großen Spielfreude an die Auftritte, haben selber eine Menge Spaß. Wir spielen zweieinhalb Stunden am Stück, haben dreißig Songs im Programm, das Publikum ist super. Wir bieten eine tolle Show, wenn es machbar ist, bauen wir sogar eine riesige Videowall auf. Es kommen ganz viele kleine Bausteine zusammen, die am Ende etwas Großes ergeben. Selbst, wenn es in Strömen regnet, wie wir es auf zwei Konzerten hatten, selbst dann feiern die Leute. Das ist einfach nur schön.

Trotzdem ist das, was in diesem Jahr passiert, kein Comeback im eigentlichen Sinne. So etwas wollt Ihr nicht, hast Du gesagt. Was wäre denn prinzipiell an einem Comeback so verkehrt?
Ein Comeback ist ja meistens damit verbunden, dass man auch gleich ein ganzes Album aufnimmt. Wir hätten zwar im Moment überhaupt kein Problem damit, ein solches Album aufzunehmen, weil uns das Komponieren und Musizieren gerade richtig viel Spaß macht und wir im Studio eine gute Zeit miteinander haben würden. Aber das Problem dabei ist, Du unterschreibst dann wieder bei einer Plattenfirma, was wiederum zu Erwartungshaltungen führt, die dazu beitragen können, dass die Band sich zerstreitet. Beim letzten Mal sind wir auch nicht auseinander gegangen, weil uns auf der Bühne nicht mehr verstanden haben, sondern weil wir mit der Situation im Studio nicht klar kamen. Wir kriegten uns manchmal echt in die Wolle, was bei einigen von uns am Ende schon zu körperlichen Auswirkungen führte. Wenn man sich diesem Stress nicht aussetzt, sondern es so wie wir macht, also eine "Best Of" inklusive sechs neuer Titel rausbringt, dann gibt es diese Probleme nicht. Wir haben auch keine große Plattenfirma am Start, sondern machen alles gemeinsam mit Starwatch. Die wissen ganz genau, es gibt nur die beiden aktuellen Sachen von uns und das war es. Wir haben von Anfang an abgeklärt, was wir wollen und was nicht. Damit kommen wir wunderbar klar. Wir wissen also, danach kommt nichts mehr, es ist Ruhe. Wir brauchen nicht diese ganze Promotion- und Marketingschiene fahren, was uns ohnehin nicht so liegt, sondern wir spielen an den Wochenenden unsere Konzerte und gut ist es. Okay, ein kleines bisschen Promo machen wir jetzt doch gerade, aber wir wissen, am 31. Dezember ist es wieder vorbei. Dann haben wir ein Jahr Party hinter uns, wofür wir natürlich auch ein wenig arbeiten mussten,f 20170830 1635068109 aber das ist eben so, wenn Du Shows in Arenen spielen willst. Und auch für Akustikshows, wie wir es gemacht haben, musst Du vorher etwas Arbeit investieren, aber uns ging alles echt locker von der Hand. Und im Verbund mit dem ganzen Team, welches uns prima unterstützt hat, war es eine feine Sache.

Aber Ihr könnt sicherlich nachvollziehen, wenn die Leute es schade finden und für reine Verschwendung halten, dass Ihr nach dem 31.12. wieder in alle Himmelsrichtungen auseinander strömt, oder?
Na klar. Es wird mir auch fehlen, das gebe ich ehrlich zu. Es ist ja auch nicht so, dass man als Künstler etwas gegen Erfolg hat. Denn was wir hier gerade erleben, ist für uns als Band schon ein großer Erfolg. Wenn Du mit einer "Best Of"-Platte kommst und sofort in den Charts von Null auf Drei schießt, ist das wirklich ein Riesending. Jetzt kommt in Kürze das zweite Album, mit dem wir uns selber einen kleinen Traum erfüllen. Dieses Akustikset war ja eigentlich nur für uns selbst gedacht. Wenn man einmal eine solche Akustiktour gespielt hat, also sozusagen mit gebremstem Schaum unterwegs war, dann weiß man, wie schön das ist. Man ist nah am Publikum dran, Du kannst Dich mit denen unterhalten, erzählst Geschichten, musizierst viel ruhiger als sonst, das ist toll. Auch das Singen war für mich wie eine Granate. Wir haben uns drei gute Freunde eingeladen und die Platte genauso aufgenommen, wie wir das wollten. Wenn man alles selber in der Hand hat und entscheiden kann, wie man dies und jenes macht, die Plattenfirma einem nicht reinredet, dann macht das einen unglaublichen Spaß und man ist echt entspannt.

"Little Big World" heißt das Doppelalbum. Wo ist dieses Album entstanden?
Im "Grünspan" in Hamburg. Wir haben dort zwei Konzerte gespielt und dafür den Club umgebaut. Eigentlich war gar kein Publikum eingeladen, sondern wir arbeiteten mit einer großen Media-Kette zusammen, die für die beiden Konzerte ihre Leute einladen durfte. Dafür haben sie uns finanziell etwas geholfen, denn wir haben den Laden wirklich total umgebaut. Auf der Bühne saßen auf verschiedenen Sofas eine Menge Menschen, dazu stand mitten auf der Bühne ein riesengroßer Baum, an dem ebenso riesige Glühbirnen hingen. Und dort, wo eigentlich das Publikum steht, hatten wir uns mit Rollrasen und verschiedenen Gebüschen eine Art Auenlandschaft aufgebaut.g 20170830 2024221403 Wir haben uns dann alle in einen Kreis gesetzt, um uns herum wurden Schienen für die Kameras verlegt und wir spielten einfach unser Ding. Die Leute, die zu Gast waren, wussten überhaupt nicht, was sie erwartet, denn sie hatten die Teilnahme gewonnen. Okay, dass FURY spielt, wussten sie schon, aber was im Einzelnen abgeht, davon hatten sie vorher keine Ahnung. Die Leute kamen in den Saal, hörten anfangs nur seltsame Geräusche und standen quasi in einer Landschaft wie im Vogelpark Walsrode oder so. Wir haben dann zwei Nächte hintereinander unser Akustikset gespielt, wofür wir vorher gründlich und lange geprobt hatten. Geholfen hat uns dabei ein guter Freund, nämlich Jan Löchel. Der hat die künstlerische Leitung übernommen und wir haben mit ihm zusammen viele Stücke grundlegend umgebaut, um Sachen auszuprobieren, die wir vorher noch nie gemacht haben. Zum Beispiel haben wir eine Trompete oder ein Saxophon eingebaut. Wir hatten auch ein paar musikalische Gäste dabei, wie z.B. Martin Huch, der die Slide- und Pedalsteel-Gitarren oder auch mal eine Bouzouki spielt. Und auch die allseits beliebte Allzweckwaffe Anne de Wolf ist mit von der Partie, die schon bei Wingenfelder auf dem "Selbstauslöser"-Album mitgemacht hat und eigentlich alles von Posaune über Harfe bis Geige, Cello, Vibraphon, Gitarre und Mandoline spielt und sogar noch singt. Wir haben mit acht Mann musiziert und das war richtig super.

Du hast es erwähnt, Eure Gäste sind wirkliche Freunde und nicht irgendwelche zusammengewürfelten Musiker. Wolfgang Niedecken war auch dabei. Was verbindet Euch mit ihm?
Wir sind privat befreundet. Aber natürlich haben wir auch schon musikalisch miteinander zu tun gehabt. Christof und ich haben zu Wolfgangs 60. Geburtstag in Köln aus reinem Spaß ein Set mit ihm zusammen gespielt. Wir kennen ihn eigentlich seit unserem "Hook-a-Hey"-Album. Das ist ewig lange her, denn das Album erschien bereits 1991. Das hörte Wolfgang Niedecken und daraufhin lud er uns das erste Mal ein, um mit BAP unzählige gemeinsame Konzerte und Festivalblocks zu spielen. Ich war jetzt mit Wolfgang auch bei Daniel Wirtz in der Sendung, wir haben also irgendwie immer mal wieder Kontakt miteinander und besuchen uns gegenseitig recht oft. Daraus ergab sich aber nicht nur eine Freundschaft, sondern Wolfgang war auch eine Art Mentor für unsere Band. Das war damals in der Anfangszeit von FURY sehr wichtig, denn er stand uns bei vielen Sachen mit Rat und Tat zur Seite.

i 20170830 1210654789Mousse T. ist auch mit auf der Platte zu hören.
Das ist richtig. Übrigens hat Mousse T's Karriere mit uns begonnen. Sein allererster Remix war der FURY-Song "Radio Orchid". Dieser Remix ging sofort durch die Decke. Das muss so 1992/93 gewesen sein. Kurz danach kamen dann gleich Quincy Jones und Madonna. So fing es mit Mousse T. und uns an, so lange kennen wir uns schon.

Auf der neuen Platte sind sechs neue Songs, unter anderem auch "30 (It's Not Easy)". Die Nummer kam bereits auf verschiedenen Radiostationen zum Einsatz. Wo kommen diese neuen Stücke her? Sind die eigens für das Best-Of-Album, das im März erschienen ist, entstanden oder schlummerten die noch in irgendwelchen Schubladen?
Bei "30" ist es so, dass es dieses Riff von Christof und mir gab, welches eigentlich nur für einen Werbefilm anlässlich unserer drei Arenen-Konzerte gedacht war. Allerdings brauchten wir den Film dann nicht mehr, denn in dem Moment, als die Termine für unsere Konzerte rauskamen, waren wir auch schon ausverkauft. Christof und ich dachten uns, es ist ja schön, dass wir den Song mit dem Riff jetzt übrig haben und wir könnten eigentlich gleich noch einen weiteren hinterher schieben. Am Ende kamen dann noch fünf neue Lieder dazu. Anfang des Jahres nahmen wir die insgesamt sechs neuen Lieder dann auf.

Wie würdest Du das neue Album "Little Big World" inhaltlich und von der Umsetzung her beschreiben?
Das wichtigste ist, es ist ein Akustikalbum. Bis auf zwei Nummern, bei denen nichts Entscheidendes verändert wurde, wurden alle anderen Songs komplett umgebaut. Wobei sich die Veränderung nicht nur auf die rein musikalische Umsetzung bezieht, sondern auch das Instrumentarium wurde angepasst. Es ist wirklich ein spannendes Werk geworden. Wichtig auch, dass wir diesmal nicht den Fehler gemacht haben, die Ansagen wegzulassen, sondern die sind diesmal mit drauf. Auf der DVD sind übrigens noch mehr Ansagen drauf als auf der CD, weil manche Lieder wirklich nur mit Bild funktionieren, denn erst dann kriegt man den ganzen Blödsinn mit, den wir da getrieben haben. Wenn man es durchhört, ist es ein relativ zusammenhängendes Konzert, welches ich persönlich als musikalisch sehr gelungen und wertvoll empfinde. Wer die FURY-Lieder eh mag, für den ist dieses neue Gewand eine tolle Sache. Bei der Aufnahme haben wir uns wahnsinnig viel Mühe gegeben, hatten einen richtig guten Recording Engineer und viele gute Mikrofone im Einsatz.

h 20170830 1426003311Wie wird das Liveprogramm der "Little Big World"-Tour aussehen? Wird es sich von der CD-Version unterscheiden?
Es wird sich schon allein deshalb unterscheiden, weil wir die Gäste von der CD-Produktion natürlich nicht dabei haben. Einen Song mussten wir umbauen, nämlich "Protection", den wir auf der CD mit dem ehemaligen FISHER Z.-Sänger John Watts eingespielt haben. Während des Recordings kam John mit der Version nicht so ganz klar, so dass wir die Nummer auf eine Zweier-Kiste runter geschraubt haben. Live werden wir "Protection" dann aber so spielen, wie es ursprünglich gedacht war. Das ist dann auch der Moment, wo Christof Trompete spielt und da freut er sich schon richtig drauf.

Das klingt alles so, als seien die Konzerte im Herbst Selbstläufer. Wenn Du die Leute jetzt aber erst überzeugen müsstest, in Eure Konzerte zu kommen, wie würdest Du das machen?
Gar nicht. Das ist nicht mein Job, ich singe lieber. Ich glaube, wer zu uns kommt, weiß auch, worauf er sich einlässt. Und wenn es klein und akustisch wird, kommen die erst recht gerne zu uns, weil das eine sehr intime Geschichte ist. "Kapelle zum Anfassen" klingt sicher falsch, aber die Locations, in denen wir spielen, wie z.B. Circus Krone oder der Kuppelsaal in Hannover sind alles altehrwürdige Häuser. Also keine stinknormalen Konzerthallen, sondern das sind alles richtig alte Konzertsäle, wo wir spielen. Jede Veranstaltung ist außerdem bestuhlt. Insgesamt ist jeder Abend ein hochwertiges Event aus Unterhaltung, Geschichten und Musik. Und wer uns kennt, der weiß, dass es sich definitiv lohnt zu kommen, denn es gibt viel zu erzählen und auch zu lachen, aber auch musikalisch wird es viele schöne Momente geben. Aber das allergrößte Argument ist: danach wird es FURY IN THE SLAUGHTERHOUSE wieder fünf Jahre lang nicht geben. Inzwischen sind auch schon über fünfzig Prozente der Konzerte ausverkauft, ich muss mir also keine Sorgen machen, dass gar keiner kommt.

j 20170830 1852253806Da war also die Bezeichnung "Selbstläufer" eben doch nicht so falsch gewählt.
Nein, überhaupt nicht. Wir können einfach nur Danke sagen. Dass es so ist, wie es ist, ist ohnehin ein Geschenk. Und dass wir überhaupt von und mit der Musik leben können, ist das größte Ziel, was wir jemals hatten. Aber was in diesem Jahr passiert, ist nochmal etwas ganz Besonderes und dafür sind wir sehr, sehr dankbar.

Worauf freust Du Dich bei dieser Tour, die Euch ja wirklich von Ost nach West und von Nord nach Süd führt, besonders? Gibt es spezielle Orte, auf die Du richtig Bock hast?
Ich glaube, diesmal freue ich mich auf alle Orte, weil es einfach so wunderschöne Venues sind, in denen wir spielen. Ich liebe ja diese altehrwürdigen Locations. Ich habe z.B. noch nie im Circus Krone gespielt, das wollte ich schon immer mal. Auch die Säle in Düsseldorf oder Wuppertal sind so schöne alte Dinger mit Logen und Säulen, da steckt richtig Geschichte drin. Das wird ein sehr erhabenes Gefühl für uns sein, da drin spielen zu dürfen.

Wenn man über Jahre immer wieder die gleichen Songs spielt, geht einem dann das eine oder andere Lied schon mal auf den Keks?
Die Frage habe ich inzwischen hundertmal gehört, aber selbst wenn ich noch mal gründlich darüber nachdenke, sage ich immer noch: Nein, eigentlich nicht. Ich finde unsere Songs nach wie vor gut und freue mich, dass die Leute ebenso empfinden. Man interpretiert die Lieder ja auch immer wieder neu. Mal hat man einen guten Tag, mal einen schlechten. Ich habe Versionen von "Time To Wonder" gespielt, die waren fürchterlich, weil wir mit uns nicht zufrieden waren oder schlecht zusammengespielt haben oder sonst was nicht passte. Aber ich habe auch nach dreißig Jahren noch Versionen des Songs gespielt, die einfach nur hervorragend waren. Und auf der jetzigen Tour ist es ja eh anders, weil alles umarrangiert ist. "Every Generation" in der "Little Big World"-Version hat beispielsweise nichts mit dem "Every Generation" zu tun, das wir als Rocknummer spielen. Das fängt anders an und hat insgesamt eine ganz andere Dynamik. Deswegen ist es ja so spannend, denn es ist für uns eine ganz andere Art des Musizierens. Man muss also einerseits trotzdem rocken, aber gleichzeitig auch richtig schöne Balladen spielen können. Das ist diesmal die Herausforderung.

Die Gegenfrage zu eben lautet dann: Gibt es auch Songs, die Du für Dein Leben gerne live spielst?
Ja, die gibt es mit Sicherheit.

k 20170830 1405337655Als Ihr die Band 1986 gegründet und 1987 mit ihr an den Start gegangen seid, mit welchen Zielen und Träumen wart Ihr damals ausgestattet? Und was davon hat sich erfüllt und was nicht?
Die Träume haben sich eigentlich alle erfüllt. Der erste Traum war der, eine Platte zu machen. Das hatten wir irgendwann geschafft. Das nächste war der Wunsch nach einem Plattenvertrag, den wir auch bekamen. Wir wollten von unserer Musik leben können, was wir ja auch schafften. Ein weiterer Wunsch war der, mal nach Amerika zu kommen und in großen Hallen zu spielen - auch das haben wir alles gepackt. Somit haben wir alles erreicht, was wir uns erträumt hatten plus einige Dinge mehr. Natürlich haben wir auch eine Menge Mist gebaut, aber am Ende des Tages kann man sagen, wir haben wahnsinnig viel für den Erfolg gearbeitet und haben auch viel Glück gehabt.

Ohne dass Deine Antwort jetzt arrogant klingt, aber ich glaube, Ihr habt alles richtig gemacht.
Ja, indem wir eine Menge Fehler gemacht haben, haben wir auch alles richtig gemacht. Das gehört aber unbedingt dazu, denn man lernt bekanntlich nur aus seinen Fehlern. Wir sind auch froh, dass unser erstes Album nicht gleich durch die Decke ging, denn dadurch hatte die Band Zeit zum Wachsen. Wir haben es ja immerhin ohne Break geschafft, über zwanzig Jahre lang zusammen zu bleiben. Dann kam der Break und jetzt machen wir eben dieses eine Jahr so, wie wir es gerne möchten. Ohne den Break hätten wir dieses Jahr aber definitiv nicht geschafft, deshalb bin ich heute stolz und glücklich, dass wir uns damals getrennt haben, obwohl wir an einem Punkt waren, wo wir durchaus noch weitermachen hätten können.

l 20170830 1022271720Kurz vor dem Ende unseres Gespräches wechseln wir nochmal die Sportart. Stimmt es, dass Du und Deine Kollegen Fans von Hannover 96 seid?
Ja, das stimmt. Außer Gero, der sich überhaupt nicht für Fußball interessiert.

Was glaubst Du, wo wir am Ende der Saison landen?
Im Mittelfeld. Wenn sie Glück haben. Also sagen wir's mal so: Wenn sich die Fans nicht so bescheuert anstellen wie jetzt und auf so dämliche Ideen kommen wie, "Wir müssen jetzt mal die Mannschaft dafür bestrafen, was uns an Herrn Kind (dem Präsidenten des Clubs, Anm. d. Red.) nicht gefällt", dann haben wir eine ganz gute Chance. Wenn die Stimmung stimmt, kann das Team auch befreit nach vorne spielen.

Ich danke Dir für die Antworten auf meine Fragen und wünsche Dir und der Band viel Erfolg für das Doppelalbum und die anstehende Tournee.
Herzlichen Dank.



Interview: Christian Reder
Bearbeitung: tormey, cr
Fotos: Pressematerial, Starwatch Entertainment, Martin Huch






 

 


   
   
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