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Domenico Gerhard Gorgoglione. So heißt der Mann mit bürgerlichem Namen, der am 18. Dezember 1963 in Karlsruhe das Licht der Welt erblickt und Anfang der 80er unter dem Künstlernamen NINO DE ANGELO die deutsche Musikszene erobert hat. Eine Komposition von Drafi Deutscher wurde 1983 zu seinem Durchbruch und machte ihn zum Star. Nach drei eher mittelprächtig erfolgreichen Singles, war "Jenseits von Eden", im Original "Guardian Angel" von der Gruppe MASQUERADE (Drafi Deutschers Projekt), seine erste und bis heute auch einzige Nummer Eins in den Charts. Von jetzt auf gleich kannte jeder den schwarzhaarigen Sänger mit dem südländischen Touch. Plötzlich war er Popstar der ersten Riege, sein Gesicht zierte zahlreiche Poster in der BRAVO, der Pop Rocky und anderen Jugendzeitschriften und sogar in der DDR wurde eine Platte mit seinen Songs veröffentlicht. NINO hatte drei stürmische und erfolgreiche Jahre mit einem kometenhaften Aufstieg an die Spitze der deutschen Musikszene. Vieles lief für ihn danach aber nicht mehr richtig rund. Manches warf ihn zurück oder auch ganz aus der Bahn. Dank einer völlig verkorksten und oberflächlichen Medienlandschaft waren es nicht mehr die guten Schlagzeilen über seine Musik und sein Talent, die man lesen konnte. Boulevardmedien sorgten dafür, dass das Privatleben des Künstlers immer wieder in den Fokus rückte. Die Musik trat in den Hintergrund. Sein Liebesleben, seine Finanzen und seine Gesundheit wurden stattdessen thematisiert und für jedermann öffentlich. Doch egal welche Steine ihm vom Schicksal in den Weg gelegt wurden, NINO DE ANGELO stand immer wieder auf und machte weiter. Das Ergebnis sind stolze 18 bis heute erschiene Alben. Dazu wurden diverse "Best Of"-Kopplungen und zahlreiche Singles veröffentlicht. Am 5. Dezember erscheint sein 19. Album bei Starwatch Entertainment.001 20141204 1328785130 Auch wenn sein bisher größter kommerzieller Erfolg schon 30 Jahre zurück liegt, so kann sich der Sänger auf eins zu 100% verlassen: Den Rückhalt seiner Fans! Diesen, aber auch denen, die vielleicht nicht mehr mit ihm als Künstler gerechnet haben, präsentiert er nun seine "Meisterwerke" (Rezension siehe HIER). Ein Album voller Songs, die eigentlich von anderen Künstlern stammen, die NINO DE ANGELO aber auf seine Art interpretiert. NINO DE ANGELO kehrt also wieder zurück ins Rampenlicht. Das neue Album haben wir zum Anlass genommen, den Künstler für ein Interview zu uns einzuladen ...
 



Du veröffentlichst mit "Meisterwerke - Lieder meines Lebens" im Dezember ein neues Album. Keine wirklich neuen Songs im Sinne von "eigens für dieses Album geschrieben", sondern Lieder anderer Interpreten, die Du auf Deine Art neu aufgenommen hast. Welche Idee steckt dahinter und hast Du die Titel, die darauf zu hören sind, selbst ausgewählt, um sie neu einzusingen?
Die Idee kam von meiner Plattenfirma Starwatch, die auf mich zukam und mir von ihrem Konzept mit Songs aus den letzten fünf Jahrzehnten erzählte und meinten, sie würden das super gerne mit mir machen. Ich fragte, "Warum ausgerechnet mit mir?", und sie antworteten, "Weil Du es vom gesanglichen Potential her gut hinbekommst und weil Du eben auch die Lebenserfahrung bzw. eine Vita hast, die man braucht, um solche Songs zu singen, damit es authentisch ist." Ich war von diesem Konzept eigentlich sofort begeistert, und zögerte auch nicht lange und sagte "Ja, ich möchte das gerne machen." Ich hatte ja wirklich lange gewartet seit dem letzten Album, schrieb immer neue Songs, aber sie überzeugten mich nicht wirklich so, dass ich sie unbedingt veröffentlichen müsste. Auch Konzepte und Ideen anderer Plattenfirmen lehnte ich in den vergangenen zwei Jahren fast alle ab. Dann kam Starwatch mit dieser Idee und die fand ich klasse. Es gab 30 Songs zur Auswahl und wir suchten 12 aus, von denen ich glaube, dass sie super zu mir passen und die vor allem auch - was ganz wichtig ist - mein Leben reflektieren.

003 20141204 1097955069Es ist ja unter anderem "Der goldene Reiter" von Joachim Witt auf der Platte zu finden und auch als Single ausgekoppelt, richtig?
Es gibt auf jeden Fall ein Video bei youtube (und in der Rezension zum Album auf dieser Seite: HIER; Anm. d. Verf.) und er ist einer der wichtigsten Songs auf diesem Album.

Der Song ist so umarrangiert, dass man ihn nur noch am Text erkennen kann. Bist Du am Entstehungsprozess der neuen Arrangements direkt beteiligt gewesen oder gab es jemanden, möglicherweise ein Team, welches die Songs neu auf Dich zugeschneidert hat?
Ja, es war auch ein ganz großes Stück Arbeit von meinem Artist- und Repertoire-Director bei der Plattenfirma, der eine ganz bestimmte Vorstellung hatte, wie das zu klingen hat. Er hatte schon diese Vision und beauftragte mehrere Teams, die Arrangements zu schreiben und Playbacks zu erstellen, auf die ich schon mal drauf singen konnte. Und danach wurden die Songs weiter entwickelt. Es war auch sehr wichtig, dass es vom Original weit genug entfernt ist.

Du sagtest gerade, es sind Lieder, die Du Dir selbst aussuchtest und die mit Dir zu tun haben. Welchen Einfluss hatte zum Beispiel ein Song wie "Der goldene Reiter" auf Dich, und was verbindest Du mit dem Stück?
Die ganze Thematik ist etwas, was ich auch am eigenen Leib erlebt habe. Dieses Auf und Ab, die Achterbahnfahrt im Leben kenne ich wirklich zur Genüge und dass sie nicht spurlos an einem vorbei geht, muss eigentlich jedem gesunden Menschenverstand auch klar werden. So etwas verkraftet man nicht einfach im Vorbeigehen, dass man auch in tiefe Löcher fällt, aus denen man nicht richtig herauskommt oder dass man sich auch Hilfe suchen muss, wie ich das auch tat, um weiter leben zu können, weil man es möchte. Es ist existenziell. Viele, die sich nicht behandeln lassen oder es irgendwie abtun, landen irgendwann irgendwo und haben nicht mehr die Chance, etwas gutzumachen, weil sie beispielsweise vor einen Zug springen.

Ein weiterer Song ist der "Schwanenkönig", im Original von der Gruppe KARAT. Warum hast Du ausgerechnet diesen Titel von KARAT ausgewählt?
Weil ich eine schöne Erinnerung hatte: Als ich diesen Song kennen lernte, wusste ich, dass ich ihn machen muss. Während der TABALUGA-Tour 1996 oder 1997 führte ich ein längeres Gespräch mit Herbert Dreilich von KARAT. Ich habe noch immer diese Autogrammkarte, auf die er mir seine Telefonnummer schrieb, weil wir miteinander telefonieren wollten, um musikalisch etwas zusammen zu machen. Leider verstarb er dann und es fand nie statt. Als ich den Song hörte - ich finde ihn ohnehin sehr schön, ein sehr trauriger Song, in dem es ja eigentlich um den Tod geht - dachte ich, "Siehst Du Herbert, nun machen wir doch etwas zusammen." Es ist auch eine Hommage an ihn und an KARAT. Ich bin sehr stolz und freue mich, dass wir diesen Song aufgenommen haben.

KARAT haben die Messlatte mit ihrer Version ja schon sehr hoch gelegt. Man läuft dabei Gefahr, wenn man den Titel covert, in Kitsch zu versinken und sich an dem Titel schwer zu verheben. Der Grat zwischen ernstzunehmender Rockballade und klebrigem Schlagerpamp ist da sehr schmal, wie ich finde. War Dir das bewusst?
Ein Schlager ist es, wie ich finde - nicht geworden. Es wurde eher Country - so eine Mischung aus Country und Pop. Dort finde ich den Song auch sehr schön angesiedelt. Ich finde es sehr gut und wollte extra keine heftige Rockversion daraus machen. Ich stehe total auf Country-Pop, gab mir sehr viel Mühe beim Singen und versuchte, die kleinen Nuancen, dieses triolische "Wenn ein Schwan singt", rüber zu bringen. Ich hörte auch andere Versionen, bei denen im Gegensatz zum Original viele kleine Nuancen vom Timing her und beim Gesang nicht mehr vorhanden sind. Die griff ich wieder auf und habe es eigentlich so gesungen, wie Herbert Dreilich es sang, aber von der Rhythmik und vom Timing her auf meine Art und Weise.

Auch ein Song von Achim Reichel gehört zu den Liedern Deines Lebens, Du hast den "Spieler" mit auf Dein Album genommen, neben "Der goldene Reiter" ein weiterer Songs aus der Zeit, in der Du Deine ersten großen Erfolge gefeiert hast. Wie viel Nino de Angelo steckt denn in diesem Song? Bist Du auch ein Spieler?
Ja, leider habe ich mich auch mit diesem Thema in meinem Leben zu oft beschäftigt. Ich kenne genau dieses Gefühl, welches da beschrieben wird. Diesen Wahnsinn habe ich am eigenen Leib erlebt und es ist gefährlich, wenn man seine komplette Existenz auf's Spiel setzt. Aber dieser Song hat mich einfach fasziniert. Nicht, weil mich selbst dieses Glücksspiel auch reizt, ich sehe mir zum Beispiel gern Pokern an, es ist ein total geiles Glücksspiel. Ich weiß es nicht, Whisky trinken und pokern die ganze Nacht, das machte ich auch schon. Aber man kann natürlich sehr viel verlieren, es geht eigentlich mehr um den Reiz des Casinos, des Roulettes, den Reiz des großen Geldes. Der Kick, wenn du eine Zahl vollpflasterst und die kommt dann. Das hat etwas Faszinierendes, aber es ist auch Teufelswerk und kann dich ruinieren. Ich fand diesen Song immer faszinierend, wie intensiv er klingt und mit dem Background und meinen eigenen Erfahrungen wird er für mich natürlich noch interessanter.

Es gibt weitere Titel auf der Platte: Von ROSENSTOLZ, UDO JÜRGENS, SILBERMOND, ECHT und sogar von PHILIPP POISEL. Die Künstler und die Genres, die Du hier bearbeitet hast, sind sehr unterschiedlich, die Dekaden, in denen die Titel erschienen, ebenfalls. Bist Du als Musikhörer selbst so offen bzw. was holst Du Dir selbst heraus, wenn Du in einen Plattenschrank greifst?
Es kommt darauf an, denn ich bin keiner, der sagt: "Ich höre nur das oder das." Manchmal gefallen mir Dinge richtig gut. Wenn ich im Radio zum Beispiel Songs von "Meisterwerke" höre, dann höre ich wirklich zu. Ansonsten skippe ich weiter zum nächsten Sender. Das sind Nummern, die mich sehr fasziniert haben und die ich wunderschön fand. Wenn ich in den Plattenschrank greife, höre ich eigentlich ganz andere Musik. Bewusst höre ich mir zum Beispiel sehr oft ELTON JOHN, BRUCE SPRINGSTEEN, RAY CHARLES an. Von RAY CHARLES eine ganz besondere Platte, nämlich "My World". Ich liebe schöne Melodien und Ausdruck. Bei manchen ist es auch einfach der Ausdruck und die Art und Weise, wie Songs interpretiert werden.

Also kann man sagen, Du bist genau so - wie dieses Album geworden ist - sehr breit aufgestellt ...
Total. Mein Geschmack hat eine unheimliche Breite, ich finde alles gut, was gut ist. Vor allem Guten habe ich Respekt, Scheiße höre ich mir nicht an, aber musikalisch wertvolle Sachen höre ich mir gern an.

Unter'm Strich fällt auf, dass alle Lieder auf dieser CD sehr balladesk ausgefallen sind, manche in tiefe Moll-Töne getaucht, andere fast schon besinnlich. Eine gewisse Fröhlichkeit, wenn man von Liedern seines Lebens spricht, fehlt hier aber unüberhörbar. Warum ist es so ruhig geworden, warum ist es diese teils düstere Schiene?
Du hast schon Recht, es ist keine Platte, die man morgens auflegt, um in die Gänge zu kommen. Sie ist eher etwas, die man sich am Abend gemütlich und entspannt bei einem Glas Rotwein anhört. Die Lieder meines Lebens sind ja ein Stück Biographie von mir und ich muss auch sagen, ich hatte mehr traurige als glückliche Momente in meinem Leben und vielleicht ist es deshalb so. Aber das ist nicht schlimm, manche Leben sind so und manche Leben sind so. Ich bin erst mal froh, dass ich am Leben bin und wie man sein Leben gestaltet, kann man ja eigentlich selbst bestimmen und das lernte ich für mein eigenes Leben auch. Es muss nicht traurig enden, das Ziel ist, dass man glücklich wird. Je älter, je glücklicher.

Vielleicht gibt es ja bald auch eine Fortsetzung mit fröhlicheren und flotteren Liedern, das ist ja auch möglich ...
Mit Sicherheit. Aber ich singe gerne Lieder, die eine gewisse Tiefe haben. Auch bei Uptempo-Liedern stehe ich dann doch eher auf die, die trotzdem Tiefe besitzen. Ich bin nicht der "Gute-Laune-Musikhörer". Okay, "Happy" von Pharrell Williams fand ich auch gut, aber ich würde es mir zu Hause nicht auflegen. Das, was ich mir auflege, muss verdammt noch mal richtig "Kawumm" haben, zum Beispiel die DIRE STRAITS mit "Brothers In Arms". Solche Stücke liebe ich, weil sie richtig Power haben.

Das Album ist nun fertig, die CD steht in den Startlöchern. Welche Erwartungen hast Du an die Platte, wo möchtest Du mit ihr hin und wen möchtest Du damit erreichen?
Also ich bin erst mal froh, dass ich mit dieser Platte ins Rennen gehen kann, denn ich bin sehr zufrieden mit ihr und habe ein sehr gutes Gefühl. Ich möchte mich musikalisch neu definieren und ich wünsche mir natürlich recht viel Erfolg, damit ich noch lange Musik machen kann.

Wird es dazu eine Tournee geben, willst Du die Songs auch live präsentieren?
Das ist auf jeden Fall geplant. In der kommenden Zeit steht einiges an Promotion an, auch im Fernsehen wird es Live-Präsentationen geben, dies aber zunächst eher unplugged-mäßig. Ich werde auf jeden Fall eine Band zusammenstellen, mit der ich das ganze Album auch konzertmäßig präsentieren kann.

Da ist jetzt aber noch nichts entschieden?
Es gibt noch keine festen Termine mit Live-Band. Ich schätze mal, frühestens ab Februar, im März kann ich da mehr sagen, bis dahin steht dann meine Band. Ich hatte jetzt auch schon fast 20 Jahre keine eigene Band mehr.

Wenn man mit Nino de Angelo ein Interview führt, muss man ja zwangsläufig auch ein wenig in die Zeit zurückreisen. Du hast 1980 mit 17 Jahren Deine ersten Platten aufgenommen, damals noch unter dem Namen NINO. Wie bist Du überhaupt zur Musik gekommen, es war ja keine Band, Du warst von Anfang an ein Solokünstler, wurdest Du entdeckt oder hast Du Dich bei Platten- und Produktionsfirmen beworben?
Eigentlich habe ich mich selbst entdeckt. Ich entdeckte, dass ich singen kann, ein außergewöhnliches Gesangstalent habe, meine Stimme ganz brauchbar klingt und dass ich sehr viel Spaß und Freude beim Singen verspürte. Ich hatte bis dahin keine Fähigkeiten, die irgendwie besonders waren und das Singen war das einzige, was ich besser konnte, als andere. Daraus entstand der Wunsch in mir, das Ganze voranzutreiben.002 20141204 1373476201 Ich habe dann mit 14, 15 Jahren angefangen, mir irgendwelche Playbacks zu besorgen und dazu zu singen. In Köln suchte ich mir dann Locations, in denen es Live-Musik gab, um dort live zu singen. Dort wurde ich nach kurzer Zeit entdeckt, nach ein oder zwei Auftritten hatte ich sofort Kontakte zur Musikbranche, so ging es los. Mit 15 hatte ich dann meinen ersten Plattenvertrag, den damals meine Mutter unterschrieb, da ich noch nicht volljährig war.

Wo kommt eigentlich der Name NINO DE ANGELO her, es ist ja nicht Dein bürgerlicher Name?
Nein, es ist nicht mein bürgerlicher Name. Es gab bei Polydor bzw. Grammophon die ersten beiden Singles unter dem Namen NINO und mit 16 bzw. 17 sagte ich, dass mir die Stilrichtung nicht gefiel. Ich wollte eine andere Musik machen. Damit verbunden wollte ich einen anderen Produzenten und ich fand, wir müssen den Namen verändern, denn NINO war mir irgendwie zu niedlich. Ich dachte, dass man mit NINO allein nicht genug auffallen würde. Mein richtiger Name war zu schwierig, "Gorgoglione" ist schwer auszusprechen und lässt sich auch nicht unbedingt leicht merken, und so wurde aus NINO zuerst NINO ANGELO. Das klang aber auch irgendwie blöd. Irgendjemand meinte, "Du siehst aus, wie ein Engel", und ich fragte, was Engel auf Italienisch heißen würde. So kamen wir auf die Idee "de Angelo" und na ja - so entstehen solche Dinge. Ich habe meine erste Platte unter dem Namen NINO DE ANGELO gemacht, und die hieß "Und ein Engel fliegt in die Nacht". Es war - wenn ich mich richtig erinnere - zuerst der Titel da und dann kam die Idee mit "Engel auf Italienisch" als Künstlername. So ist der Name eigentlich entstanden.

Die erste Single war die Deutsche Version eines OMD-Titels ...
Genau. ORCHESTRAL MANOEUVRES IN THE DARK, und der Song heißt "Souvenir".

Du sagtest gerade, dass Du mit Deinen ersten Sachen nicht zufrieden warst. Was hast Du denn vorher unter dem Namen NINO gemacht, in welche Richtung ging das?
Das waren ganz banale Texte mit Musik, und die klang wie Schlager. Eigentlich wie "Vollschlager". Die Art Schlager, die ich dann später machte, war doch schon bedeutend poppiger.

Mit Schlager hatte das aber nicht wirklich etwas zu tun, was Du dann als NINO DE ANGELO gemacht hast. Das war dann doch eher Pop, oder?
Stimmt, das war Pop ...

Deinen Aufstieg zum Popstar hattest Du mit Songs wie "Ich sterbe nicht nochmal" und "Engel und Teufel, Luisa", aber vor allem mit "Jenseits von Eden". Wie hast Du die 80er Jahre und Deinen Weg nach oben selbst wahrgenommen?
Es war für mich erstaunlich, denn ich war zu diesem Zeitpunkt ja umringt von der Neuen Deutschen Welle und ich fand toll, wie ich mich bei irgendwelchen Hitparaden gegenüber NENA und anderen Leuten behaupten konnte. Ich weiß noch ganz genau, es gab eine "Super-Hitparade", bei der sie alle dabei waren und die gewann ich auch noch. Das war toll und einfach gigantisch.

Ja, Deine Platten verkauften sich wie geschnitten Brot, es ging von einem Erfolg zum anderen und es ging ja auch über die Neue Deutsche Welle hinaus. Wie siehst Du das selbst, bist Du bewusst gegen den Strom geschwommen und hast etwas anderes gemacht oder war da jemand, der Dir sagte, Du musst in diese Richtung gehen?
Nein, bewusst nicht. Es ging mit meiner Karriere immer weiter bergauf. Der Song "Und ein Engel fliegt in die Nacht" verkaufte sich 50.000 Mal, der nächste, von meinem Produzenten komponierte Titel, verkaufte sich ganz schlecht. Und dann kam "Ich sterbe nicht noch mal" mit einer Komposition von Drafi Deutscher und einem Text von meinem Produzenten Joachim Horn, der sich 200.000 Mal verkaufte. Daraufhin schrieb mein Produzent einen weiteren Titel ... er hätte sich besser auf's Texten konzentrieren sollen, das konnte er super, denn mit diesem Titel wurde es wieder eng. Und dann kam "Jenseits von Eden" bzw. "Guardian Angel", damals noch als Demo, auf den Tisch. Das Projekt MASQUERADE gab es noch gar nicht und ich sagte, "Diesen Song mache ich in allen Sprachen, die wir zur Verfügung haben!", also in deutsch, englisch und italienisch. Letztlich wurde die Nummer nur in zwei Sprachen gemacht. Auf Englisch nicht, weil Drafi Deutscher sich entschied, "Guardian Angel" selbst auf Englisch zu machen, mit quasi zwei Figuren, die er dafür auf die Bühne stellte und die dann MASQUERADE hießen. Es war mehr oder weniger Zufall, ich bekam diesen Song und sagte sofort, "Das ist der Song". Ich entschied mich sofort, machte mich stark für ihn, den wollte ich singen und er sollte die nächste Platte werden.

Ende der 80er hast Du mit "Flieger" am Grand-Prix de la Chanson teilgenommen, ein Song, den Du gemeinsam mit Dieter Bohlen aufgenommen hast. Wie war damals die Arbeit mit ihm und wie hast Du den Grand Prix dann erlebt?
Vom Grand-Prix war ich eigentlich ein wenig enttäuscht, denn Dieter machte ja auch gleichzeitig noch für Österreich mit und das fand ich doch ein wenig merkwürdig. Ich war dann auch etwas eingeschnappt und wir haben uns dann während der Veranstaltung auch gar nicht gut verstanden. Das ist alles irgendwie auf die Stimmung geschlagen. Wir wurden als Favorit gehandelt und belegten dann nur Platz 14. Danach beendeten wir unsere Zusammenarbeit auch.

Vielleicht auch besser ...
Möglich. Bestimmt sogar ... (lacht)

In den 90er'n hast Du dann ja so einiges ausprobiert, unter anderem sogar ein Album, auf dem es wirklich richtig rockig zur Sache ging. Auch an einem Projekt mit Dance-Music warst Du beteiligt, Stichwort MR. PRESIDENT. War es die Lust auf das Ausprobieren oder suchtest Du zu dieser Zeit eher Deinen Platz in der Musikwelt? Denn die 90er waren ja ziemlich durcheinander und aufgewühlt ...
Ich fand es einfach interessant, verschiedene Projekte zu machen und ich dachte damals, "Mensch, mach' es, es kann ja nicht schaden." MR. PRESIDENT war sehr erfolgreich, die Nummer gefiel mir sehr gut und es hagelte dafür ja auch Gold und Platin. Ich glaube, es gab 15 Platten davon. Es machte unheimlich Spaß, obwohl wir den Song nirgendwo je live präsentierten. Und meine Rockalben waren eine sehr interessante Arbeit. Ich produzierte sie teilweise ganz allein und spielte sie mit der fast kompletten MAFFAY-Band ein. Somit war klar, dass es auch ein bisschen härter klingt, aber leider funktionierte die Umsetzung nicht und es brachte keinen wirklichen Erfolg.

Ich glaube aber, das lag mehr am Markt, als an der Musik ...
Das glaube ich auch, ja.

Ich weiß nicht, ob Du darüber sprechen möchtest, eines der dunkelsten Kapitel Deiner Vita ist die Zeit Mitte/Ende der 90er, in der Du mit dem Krebs zu kämpfen hattest. Wann und wie hast Du bemerkt, dass etwas nicht mit Dir stimmt und wie wurdest Du behandelt?
Ich bemerkte es kurz nach der TABALUGA-Tour 1997 und es war natürlich ein Schock für mich, der erst mal zu verkraften war. Dann ging es seinen üblichen Weg: Operation, Therapie und dann die Rehabilitation. Das zog sich lange hin, nach 1993 hatte ich keine Platte mehr gemacht oder einen Vertrag unterschrieben. Das heißt, sieben Jahre kein Album, das setzte mir schon zu. Das einzige, was ich in diesen sieben Jahr gemacht habe, war diese TABALUGA-Tour.

Es gibt ja mehrere Arten von Lymphknotenkrebs, von aggressiv bis "kann man mit alt werden". Bist Du heute geheilt?
Ja, ich bin geheilt. Wenn fünf Jahre danach nichts mehr kommt, dann ist es auch erledigt. Aber es zog sich ja weiter mit der Gesundheit, einige Jahre später ...

Es gab ja dann auch noch die seelischen Probleme. Wie hast Du diese schwere Zeit für Dich verarbeitet, mit Musik, mit Familie oder wie geht man damit um?
Ich weiß es nicht ... Es ist mehr ein Überlebenskampf. Wie geht man damit um? Man muss es akzeptieren, muss den Kampf annehmen, hoffen, dass man Glück hat und noch mal eine Chance bekommt. Bei dem einen läuft es schief und ich frage mich auch oft, "Warum ist nun jemand daran gestorben und warum ich nicht?" 2008 hatte ich ja noch diese Blutkrankheit - eine Gerinnungsstörung - da dachte ich auch "Mensch, mein Gott ... schon wieder"

Das Schicksal war nicht sparsam bei Dir ...
Nein, das war alles nicht einfach und dazu noch das wirtschaftliche Desaster. Irgendwann dachte ich, "Jetzt kommst du nicht mehr hoch", aber man rappelt sich doch wieder auf und versucht es. Gott sei Dank blieb ich die letzten Jahre verschont von diesen Krankheiten und mir geht es privat ganz gut. Ich bin glücklich und habe jetzt ein neues Album am Start, welches mir auch eine Menge Lebenskraft und Energie gibt, denn man nimmt wieder teil, ich bin wieder im Rennen und jetzt schauen wir mal, wie weit wir kommen werden.

Ich drücke Dir auf jeden Fall für alles die Daumen!
Danke!

Wenn ich an die Anfänge Deiner Karriere zurückdenke, erinnere ich mich an eine positive Berichterstattung über Nino de Angelo. Über seine Musik und über ihn als Musiker wurde geschrieben. Im Laufe der Zeit änderten sich die Schlagzeilen und es ging überwiegend nur noch um das Privatleben, die Gesundheit und andere Dinge, die außer Deinem engen Kreis, Familie und Freunde eigentlich niemanden etwas angehen. Wann genau ist es gekippt, dass die Musik und die negativen Geschichten um herum Dich immer mehr in den Vordergrund rückten?
Das kippte eigentlich, als es nichts über die Musik zu berichten gab, weil man nicht erfolgreich war. Dann macht man mit anderen Dingen Schlagzeilen, aber ich habe das nicht forciert. Man hat natürlich gerne den Absturz bei mir verkauft. So lange du genügend Geld auf dem Konto hast, kannst Du auch so eine Zeit ohne Erfolg ganz gut überstehen, aber wenn der dann ausbleibt, wird es auch wirtschaftlich schwierig. Irgendwie denken dann manche auch "Ha ha ha, siehst Du, von ganz oben abgeschmiert ..." Man erntet nur noch Hohn und Spott. Das kann passieren, da muss man durch.

Mit der Pop-Musik, die Du in den ersten Jahren Deiner Karriere gemacht hast, hast Du Erfolge ohne Ende gefeiert, die Leute liebten Dich und Deine Musik, Du warst ein Popstar mit Postern in der BRAVO, in der Pop Rocky und in anderen Magazinen. Heute wirst Du mit Deiner Musik in die Schlagerecke verortet. So war es zumindest in den 90er und frühen 2000er Jahren. Ein Genre, dem eigentlich der Makel anhaftet, seichte Kost für die gelangweilte Hausfrau und das trinkfeste Klientel vom Ballermann zu liefern. Wie siehst Du Dich heute selbst als Künstler, warst Du jemals ein Schlagerstar oder warst Du immer ein Pop- oder gar Rockstar?
Ich war nie ein Schlagerstar, ich war immer Popmusiker. Meine ganze Lebensweise, meine ganze Art und mein Gesang passen schon nicht zum Schlager. Ich glaube, meine Art zu interpretieren hat mit Schlager einfach nichts zu tun. Natürlich hat man dieses Image. Das ist schade, man wollte mich einfach nicht in der Rock- oder Pop-Schublade sehen und steckte mich stattdessen in die Schlager-Schublade. Das tat mir weh, aber vielleicht war ich auch selbst schuld, weil ich meine Musik nicht konsequent genug durchgezogen habe bzw. nicht das musikalisch gemacht habe, was für mich am besten gewesen wäre. Ich habe mich oft überreden lassen, so kommerziell zu werden, wie ich es eigentlich gar nicht wollte.

Du hast in einem kürzlich mit Dir geführten Interview auf die Frage, ob Du Dich musikalisch nur am Publikum orientierst, den Satz gesagt: "Von zu viel Idealismus halte ich nichts, denn immerhin lebe ich von der Musik." Bedeutet das, dass Du ein reiner Berufsmusiker bist, der vieles macht, was er eigentlich gar nicht machen möchte?
Nein, ich sagte ja gerade schon, dass es manchmal schlaue Menschen gibt, die sagen, "Du musst das machen, was die Leute von Dir hören wollen." Ich finde, wenn man eine Stimme wie ich hat, dann hat man schon eine gewisse Verantwortung sich selbst gegenüber und kann nicht einfach jeden Mist singen. Ich muss wirklich das tun, was mir selbst musikalisch gut tut, sonst tu ich mir damit weh, das geht nicht gut auf lange Sicht und wird sich rächen. Diesen Fehler möchte ich auch nicht mehr machen. Ich muss etwas, was ich mache, fühlen oder ich mache es nicht. Entweder ich mache es mit Liebe und aus ganzem Herzen oder ich lasse es sein. Sonst ist es nur Bullshit.

Also ist dieser Satz falsch interpretiert ...
Er ist falsch interpretiert. Wenn ich ein Konzert gebe und die Leute wollen "Jenseits von Eden", "Ich sterbe nicht noch mal" oder "Samurai" hören, dann gebe ich ihnen diese Songs - und es sind auch schöne Songs. Ich habe mindestens 200 Songs aufgenommen und davon sind 20 oder 30 richtig klasse, die ich auch gern singe. 50 von den 200 Songs, die ich aufnahm, sind richtig gut, ein paar sind der Marke "geht so" und 100 sind Schrott. Die hätte man sich sparen können ...

Diese Einsicht kommt ja dann später. In dem Moment, wo man sie macht, selten ...
Hinterher ist man schlauer ... (lacht)

Ich las irgendwo, Du hättest ein Album mit der Michael Jackson-Band aufgenommen. Stimmt das?
Nein, kein ganzes Album. Ich nahm zwei Songs mit ihnen auf. Ein Album hätte mich wahrscheinlich fast eine Million gekostet, das wäre mir zu viel gewesen. Ich habe zwei Songs mit der kompletten Band von Michael Jackson aufgenommen - mit seinen Musikern, seinen Chören, selbst mit Bruce Swedien, der die Songs in New York abmischte. Das war eine superschöne Erfahrung. Das waren übrigens zwei von mir geschriebene Songs, die ich irgendwann noch mal aufnehmen möchte. Ich weiß, dass diese Lieder richtig klasse sind, und dann machen wir Welthits daraus.

Sind die Songs veröffentlicht worden?
Ja, aber "unter ferner liefen". Sie wurden nicht richtig vermarktet. "I Cant' See The Light" wird irgendwann noch mal ein Welthit ... (lacht)

Gibt es schon Pläne über das Album "Meisterwerke" hinaus, was ist in der nächsten Zeit von NINO DE ANGELO noch zu erwarten?
Im Mittelpunkt steht, meine Live-Band zusammenzustellen und zuzusehen, dass wir auf die Straße kommen. Das ist das Wichtigste! Wir werden das Album promoten bis der Arzt kommt, und es dann "On the road" mit Band live spielen.

Dafür wünsche ich Dir, auch im Namen meiner Kollegen, alles Gute und viel Erfolg!
Herzlichen Dank, ich bedanke mich!


Interview: Christian Reder
Bearbeitung: mb, cr
Fotos: Pressematerial der Plattenfirma



 


   
   
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