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Es war einer der letzten milden Abende des Jahres. Schon im September hatte es einige eiskalte Nächte gegeben, aber jetzt – Anfang Oktober – schien es, als wolle sich der Herbst noch einmal von seiner besten Seite zeigen und verwöhnte uns mit Tagestemperaturen von fast 20°C. Kein Wunder also, dass im Kiez von Friedrichshain die Straßencafés noch immer Hochkonjunktur hatten.
 
001 20131016 1230508013Es war kurz vor 20:00 Uhr. Die Straßen lagen im abendlichen Zwielicht und trotzdem wir einen ganz normalen Montag schrieben, pulsierte das Leben unbeirrbar durch die Metropole an der Spree. Vereinzelt sah man Liebespärchen verstohlen in den schattigen Ecken der Altbauten schmusen. Studenten oder Künstler standen wartend an Straßenkreuzungen, das gemeine Volk hastete mit seinen Einkäufen gen eigene Wohnung. Autos sah man kaum auf den engen Straßen. Um diese Zeit würde man im Friedrichshain eh keinen Parkplatz mehr finden. Das alles erinnerte an den Prenzlauer Berg Ende der Neunziger. An das legendäre Künstlermilieu, das von geldgeilen Immobilienhaien im Zuge der Renovierung aus seiner angestammten Umgebung vertrieben wurde. Die Preise am Kollwitzplatz konnte sich längst keiner mehr leisten. Auch wenn noch immer Pseudointellektuelle ahnungslosen Touristen den Prenzlauer Berg als die einzig wahre Kunstszene verkaufte, das Leben spielte sich längst hier, in und um der Simon-Dach-Straße ab.
 
Langsam schlenderte ich durch die Straßen, ließ mich von exotischen Düften aus den verschiedensten Restaurants und dem undefinierbaren Gewirr von Sprachen aus aller Herren Länder treiben. Ein Taxi rollte langsam an mir vorbei und beschleunigte sofort wieder, als ich der Fahrerin zu verstehen gab, dass ich kein Interesse an einer Fahrt hätte. Man konnte diese Stadt lieben oder auch hassen, eines aber konnte man ganz bestimmt nicht, sich der einzigartigen Faszination einer niemals schlafenden Großstadt entziehen.
 
Kein Wunder also, dass sich hier auch immer wieder Künstler trafen. An jenem Abend hatte ich ein Treffen mit Benni Cellini, Cello-Spieler der LETZTEN INSTANZ, vereinbart. Es ging um ein Interview zum bevorstehenden Jubiläumskonzert der Band in Dresden. Noch hatte ich ein paar Minuten Zeit. 
 
Das „Paules Metal Eck“ war im Vergleich zu den anderen Locations ringsum eher wenig besucht. Klar, hierher kam man nicht zum Essen, sondern eher um sein Bier bei Musik zu genießen.004 20131016 1114937497 Vorzugsweise bei Metal, wie der Name schon sagt. Ein paar vereinzelte Besucher verloren sich an der überdimensionalen Bar, der Billardtisch im verräucherten Nebenraum war auch schon besetzt, ansonsten aber herrschte noch gähnende Leere. Auf den Monitoren liefen Musikvideos, die Musik selbst war der frühen Stunde angemessen noch dezent. Leicht konnte man sich vorstellen, wie es hier zu späterer Stunde zugehen würde. Ein normales Gespräch wäre dann wohl kaum noch möglich.
 
Benni war schon da, saß allein in der Bar mit dem Rücken zum Eingang. Ich gesellte mich zu ihm, stellte mich vor und wir kamen schnell ins Gespräch. Mit einem leichten Dresdener Akzent erzählte er mir, dass er immer wenn er in Berlin ist hier vorbeischaut. Er mag die Kneipe. 
Es ist faszinierend, wenn man Musiker, die sonst vor tausenden Leute auf der Bühne stehen einmal privat kennenlernt. Und natürlich konnte ich mir die Frage nach seiner Frisur nicht verkneifen. „Nein, keine Hommage an den Reggea.“, sagt er mir. „Eigentlich mag er gar keinen Reggea. Von Klassik bis Metal, mit allem könne er sich anfreunden, aber Reggea ist nun mal so gar nicht sein Ding. „Eher ist es so“, erzählt er mit einem Augenzwinkern, „dass die Frisur einfach nur bequem ist. So wie man sich abends ins Bett legt, so steht man früh auch wieder auf. Kein Kamm, kein stundenlanges frisieren“.
 
Und ein Interview haben wir natürlich auch gemacht …

 






Interview mit Benni Cellini:



Du bist zwar kein Gründungsmitglied aber bereits seit 1997 dabei, also fast die gesamte Zeit: Welches Fazit würdest Du aus den letzten 15 Jahren LETZTE INSTANZ ziehen?
In meinen 15 Jahren mit LETZTE INSTANZ ist unglaublich viel passiert. Da gab es große Höhen, Höhenflüge, geniale Konzerte, Reisen, Jahre und Augenblicke, aber auch Tiefen, Blut, Schweiß und Tränen.002 20131016 1986195182 LETZTE INSTANZ hat sich in den 15 Jahren zu einer feststehenden Größe in der deutschen Musiklandschaft etabliert. Und das ist doch ein sehr gutes Resultat und Fazit! Wenn wir jammern, dann auf hohem Niveau, aber wir jammern eigentlich nie, dazu bleibt viel zu wenig Zeit, weil wir immer nach vorn schauen und neue Ziele vor Augen haben!

Was würdest Du bisher als den absoluten Höhepunkt und was als den absoluten Tiefpunkt bezeichnen?
Höhepunkte gab es während der letzten Jahre eigentlich viele. Natürlich die Reise nach China, wo die LETZTE INSTANZ vor 20.000 Leuten spielte. Keiner kannte uns da. Und dann sind sie bei der Musik alle total ausgeflippt. In Deutschland sind die großen Festivals immer wieder Höhepunkte. Wacken Open Air zum Beispiel. Man kennt mit der Zeit viele Künstler, die dort regelmäßig spielen. Das ist dann auch immer so eine Art Familientreffen. Und ein absoluter Höhepunkt wird natürlich auch unser Jubiläumskonzert am 19. Oktober 2013 in Dresden sein. Wir haben schon über 2.000 Karten verkauft. Langsam werden die Plätze knapp.

... und die Tiefen?
Ach die liegen lange zurück. Schon über 10 Jahre. Wenn man nach einem Konzert im Backstage sich streitet und irgendwann steht die Aussage eines einzelnen im Raum - "Ich mache Schluss!" Dann läuft man den nächsten Tag die Straße entlang und denkt sich: "Okay, das war's also. Schade. Und was mach ich nun?" Glücklicherweise kann es nie so weit. Natürlich auch der Ausstieg unseres ehemaligen Sängers im Dezember 2003. Den Einstieg von Holly im Sommer 2005 kann man aber schon wieder als einen Höhepunkt in der Bandgeschichte werten.

Ihr habt selbst den Begriff Brachial-Romantik zelebriert. Wie würdest Du diese Wortkreation einem Außenstehenden erklären. Was sind die hauptsächlichen musikalischen Einflüsse eurer Musik?
Wir machen guten handgemachten harten Gothic-Rock und verbinden das mit Streichinstrumenten und romantischem Gesang. Da ist für jeden was dabei, ein Produkt für die ganze Familie! Entschuldigung, aber Werbung muss sein! Im Ernst: wir haben eine Rhythmusgruppe, die strotzt nur so vor Energie und könnte jeden Moment explodieren. Und davor stehen wir Streicher mit stellenweise klassischen Einflüssen, und Holly singt mit seiner tiefen Stimme deutsche Texte. Das ist Brachialromantik!

Die Brachial Romantik ist ja nicht vom Himmel gefallen. In der Anfangszeit war die LETZTE INSTANZ stilistisch überhaupt nicht einzuordnen. Erst ca. 2001 habt Ihr euch hauptsächlich auf Gothic konzentriert um dann in den letzten Jahren euren eigenen Stil zu finden. Wie muss man sich so einen Prozess vorstellen? Ihr seid immerhin sieben Musiker, da ist es schwer vorstellbar, dass ihr immer einer Meinung seid.
Eben das ist es ja. Sieben Musiker haben sieben verschiedene Meinungen. Wir waren und sind schon immer eine sehr experimentierfreudige Band und werden es auch immer bleiben, das ist unser Stil. Aber je länger man zusammenspielt, umso besser lernt man sich auch kennen und weiß, wie der andere tickt und wie er musikalisch drauf ist. Das ist manchmal schwer aber es kommt immer was Gutes bei raus!

006 20131016 1275547286Holly Loose sagte einmal in einem Interview: "Unser Benni Cellini spielt das lauteste und schrillste Cello der deutschen Gothic/Mittelalter/Alternative-Rockszene". Dein Statement dazu ...
Echt? Hat er das gesagt? (lächelt verlegen) Da muss ich bescheiden wie ich bin sagen: das kann ich nicht ganz glauben. Es gibt so viele Cellisten, die ich favorisiere, da bin ich einer von vielen. Jeder hat seinen Stil und Cello ist ja ein szeneübergreifendes Instrument. Schau dir z.B. b.deutung (Anmerkung der Redaktion: spielt u.a. bei DEINE LAKAIEN und SUBWAY TO SALLY) an. Ich bin stolz auf mein Instrument, spiele es gern und expressiv und wenn das Leute antörnt, finde ich das gut! Wer der lauteste ist, interessiert mich nicht!

Das Cello gehört ja nicht unbedingt zu den klassischen Instrumenten einer Rock-/Gothic-Band. Wie bist Du zum Cello gekommen?
Da haben wir es. Ich hab zu Beginn meiner Schulzeit angefangen, meine Eltern haben einfach gesagt, ich solle mir ein Instrument wählen. 29 Jahre ... puh, ist das lang. Das Cello hat mich immer begleitet, mehr oder weniger, als Teenager hab ich angefangen, mich mit Delays und Loops selbst zu begleiten, damit ich nicht so alleine bin. Und schon in der Schulzeit kamen die ersten Bands und fragten, ob ich mal mit dem Cello vorbeikommen könnte. In der Zeit meines Abiturs kam die LETZTE INSTANZ und dabei ist es geblieben. Das ich einmal Cellist werden würde, war eigentlich nicht mein Plan. Schlagersänger eher ...

Viele Bandmitglieder arbeiten außer bei der LETZTEN INSTANZ noch an anderen musikalischen/künstlerischen Projekten. Wie bekommt man das alles unter einen Hut?
Durch gutes Zeitmanagement. Wir arbeiten alle sehr viel und auch hart, aber da es Spaß macht, fällt das gar nicht so auf.

007 20131016 1565273537Mit "Schuldig", "Heilig" und "Ewig" hat die LETZTE INSTANZ eine Trilogie abgeschlossen. Dazu gab es im August noch das Album "15 Jahre Brachialromantik". Arbeitet ihr jetzt an einem neuen Album? Was ist in der nächsten Zeit von der Band zu erwarten?
Wer LETZTE INSTANZ kennt weiß, dass wir schon wieder 'nen Braten in der Röhre haben. Die Trilogie ist abgeschlossen. Das stimmt. Und mit der 'Best of' haben wir mal eine Bilanz gezogen. Trotzdem fließen schon wieder Ideen und wir sitzen an neuen Liedern! Vorwärts immer ...

Gibt es musikalische Vorbilder die Dich persönlich oder auch die ganze Band inspiriert haben?
Vorbilder gibt es immer, anders geht's ja gar nicht. Für mich persönlich - logisch - Apocalyptica. Aber z.B. Wolfram Huschke hat mich dazu gebracht, elektronische Effekte am Instrument auszuprobieren. Die Band war in Anfangszeiten schon sehr geprägt vom Einfluss der INCHTABOKATABLES oder SUBWAY TO SALLY. Es wurden mehr und mehr Einflüsse, und jetzt sind wir hier!

Dein Cello. Marke Eigenbau? Spezialanfertigung? Bestimmt gibt es das Instrument, so wie du es spielst, doch nicht im Laden von der Stange, oder?
Ich glaub, Du meinst mein altes Cello? Das war extra angefertigt von einem Freund und wirklich sehr speziell mit Lasertonabnehmern und so weiter. Bei LETZTE INSTANZ spiel' ich jetzt ein Cello von der Stange. Aber ich hab es noch ein bisschen modifizieren lassen, es zum Beispiel abgebrannt, weil mir der Lack nicht gefiel ... Jetzt gefällt's mir.

008 20131016 1290753239Rico und Du - Ihr springt bei (fast) jedem Konzert von der Bühne und lasst euch von den Fans auf Händen durch die Location tragen. Ist schon mal ein Unfall passiert? Hast Du so etwas wie Angst, dass Mal etwas passieren könnte?
Angst? Nein, Angst habe ich keine. Rico und ich machen das nun schon so lange und wirklich passiert ist noch nie etwas dabei. Natürlich bin ich auch schon mal "abgestürzt" und auf dem Fußboden gelandet, aber die Fans haben mich ja abgefangen und es ging glimpflich ab. Bevor man springt schaut man natürlich, winkt im Zweifelsfall die Fans heran, dass die Menge auch dicht genug ist. Wirklich aus dem Weg geht ja auch dann keiner von den Leuten vor der Bühne. Also relativ gefahrlos. Und ... demnächst wird es (vielleicht) auch mal Holly versuchen. Lassen wir uns überraschen.

Am 19. Oktober 13 steigt in Dresden - Du hast es eingangs schon erwähnt - das große Bandjubiläum. Auf was dürfen sich die Fans freuen?
Zum Jubiläumskonzert kann man sich auf zahlreiche Gäste und auf ein echt großes Konzert freuen. Ich bin selber schon ganz aufgeregt, weil es am 19. Oktober eine Zusammenfassung von LETZTE INSTANZ um die Ohren gibt, mit Liedern, die zum Teil noch nie so gespielt wurden und auch nicht so schnell wieder so zu hören sein werden. Von Zart bis Hart - wie man uns kennt. Noch dazu wird das ganze ja höchstwahrscheinlich auf DVD aufgezeichnet. Dafür kann man ja gerade noch seinen Teil dazutun (siehe HIER). Also ein großes Erlebnis mit Aftershowparty und bandeigener Pipeband ...

009 20131016 1251698364Was würdest Du den Fans von LETZTE INSTANZ abschließend mit auf den Weg geben. Hast du selbst auch ein Lebensmotto?
Bleibt uns gewogen! Über ein Lebensmotto nachzudenken, hab ich eigentlich keine Zeit, es ist immer zu viel los ... Weiter geht's, oder vorwärts immer. Hat mich gefreut!

Danke ...


 

Zum Schluss haben wir uns dann noch auf eine Zigarette und ein Bier in die Raucherlounge zurückgezogen. Aufgeregt vor einem Konzert mit der LETZTEN INSTANZ war Benni eigentlich noch nie. Dazu ist die Band einfach zu professionell. Musiker, FOH, Techniker, alles passt perfekt zusammen. Aber diesmal, vor dem Konzert in Dresden, spürt er schon so etwas wie Aufregung. "Schließlich soll es ja was ganz besonderes werden", sagt er, nimmt seinen Rucksack und verlässt mit einem Abschiedsgruß und einem Lächeln das "Paules Metal Eck". Na dann hoffentlich bis zum 19.10. in Dresden.

 

Interview: Jens Lorenz
Bearbeitung: jl, cr
Fotos: Jens Lorenz, Michaela Proksch, Pressematerial

 


 

 

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