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Frank Viehweg

 

 

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Frank Viehweg ist Sänger, Liedermacher, Dichter, Nachdichter. Einer, der aus dem Osten ist, der dort seine Spuren in die Köpfe einiger furchte, manchmal zur Freude, manchmal zum Leide, die Partei schmiss ihn raus wegen seiner Worte. Streitbar war er immer. Eigenwillig in seiner Kunst, eigenwillig in seiner Art, sie zu vermitteln. Ernsthaft und doch nie ohne Humor, ein Kreativ-Arbeiter im Namen der Poesie, ein Denker, ein bemerkenswerter Mensch. Ich wusste schon lange von ihm, sehr lange nur von seinen Werken. Zufällig lernte ich ihn kennen in Berlin bei einem Auftritt der Heidelberger Kabarettistin Jane Zahn. Wir kamen ins Gespräch und es war ein gutes Gespräch. Das setzte sich fort bei einem seiner Auftritte, davor und danach. Ein Interview mit ihm zu führen, war mir ein inneres Bedürfnis. Wegen Frank Viehweg, aber auch deshalb, weil es hin und wieder vorkommen soll, dass Liedermacher, Sänger weniger besucht und gebucht werden hierzulande als manche Rockband. Und das völlig zu Unrecht. Aus meiner Sicht ist die Arbeit der Einen wie die Arbeit der Anderen gleichwertig, wenn sie qualitativ gleichwertig sind. Im April erschien die neue CD von Frank Viehweg "Fremdes Land" nach Gedichten seines Weggefährten und Freundes Henry-Martin Klemt, gemastert von Jürgen Ehle. Grund genug, ihn zu treffen...
 

 

Lieber Frank, ich möchte gleich mal "von hinten" anfangen. Seit Anfang April gibt es eine neue CD von Dir "Fremdes Land". Kannst Du mir etwas über deren Entstehungsgeschichte erzählen?
Dazu muss ich erst mal einführend sagen, dass die Texte auf dieser neuen CD mal ausnahmsweise nicht von mir sind - ich hoff mal, ausnahmsweise -, sondern von einem Freund aus Frankfurt/Oder: Henry-Martin Klemt. Wir beide kennen uns schon an die dreißig Jahre oder sogar genau dreißig Jahre, im Sommer.
 
 
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Ihr seid, wie ich weiß, sehr eng befreundet...
Das stimmt. Der Henry ist aber einfach ein toller Dichter. Ich habe schon immer mal einen Text vertont von ihm. Auf allen CDs von mir gab es immer einen Text von Henry. Und das, was es nun gibt, ist etwas, worüber ich immer wieder nachgedacht hatte. Nämlich dass ich mal eine ganze Platte mit Texten von Henry machen werde. Die Grundidee ist wohl so ca. zwei Jahre her. Es sind da zwei Sachen zusammengekommen. Einmal dieser Wunsch, das möchte ich mal machen und irgendwann wird es mal so werden und zum anderen der Umstand, dass ich schon längere Zeit selber keine Texte mehr geschrieben habe. Ich hab zwar sehr viele Nachdichtungen gemacht in den letzten Jahren, aber keine eigenen Sachen. Das ist eine recht schwierige Geschichte. Und so dachte ich, jetzt ist der Moment gekommen, in dem ich dieses Projekt mit Henrys Texten verwirklichen kann. Ein zwei Melodien von den Titeln auf der CD gab es bereits. Den Rest habe ich wohl vor knapp zwei Jahren fertiggestellt. Dann habe ich das komplett gemacht, die Lieder zusammengestellt, so dass sie zusammenpassen. Ich wusste, wie die CD aussehen wird, wie die Lieder geordnet sind und all diese wichtigen Dinge. Ungefähr eine Woche später hat mir Henry plötzlich einen neuen Text geschickt und ich wusste, dieser Text muss auf die Platte mit drauf. Andererseits wollte ich die Konzeption nicht mehr ändern. Also ist das dann der Bonus-Track geworden. Dadurch habe ich jetzt auch mal eine Platte mit einem Bonus-Track.

 

Aber ein Hidden-Song ist da nicht noch mit drauf?
Nee, nee, so was nicht. Das ist ein Lied, welches dann nach drei Minuten plötzlich losgeht, oder? Das habe ich nie richtig verstanden, was das soll. Der Bonus-Track bei mir ist einfach deshalb da, weil ich es als ein sehr wichtiges Lied empfinde. Sonst hätte ich das auch nicht gemacht.

 

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Was wird denn inhaltlich auf der CD zu finden sein?
Ich weiß nicht, ob ich das erklären kann. Das heißt, möglicherweise ist alles, was ich darin sehe, nur für mich so und für andere ist es wieder etwas ganz Anderes. Für mich hat die Reihenfolge der Titel auf meinen CDs immer einen Sinn. Ich weiß ganz genau, warum dieses Lied nach jenem Lied kommt oder wie die Beziehungen der Lieder untereinander sind. Ich weiß nicht, ob das jeder nachvollziehen kann oder will. Wahrscheinlich nicht. Du schreibst ja ein Lied und denkst dir etwas dabei. Ob derjenige, der das Lied dann hört, sich auch dasselbe dabei denkt, das weiß man im Prinzip ja nicht. Du bringst also das Lied dann raus auf einer Platte oder du singst es irgendwo. In dem Moment ist es nicht mehr deins. Die Leute machen damit, was sie wollen. Und du kannst das nicht verhindern. Du kannst ja da nicht hingehen und sagen: Moment mal, ich habe mir doch etwas ganz anderes dabei gedacht … Und so ist es mit dieser CD sicherlich auch. Für mich hat das alles einen Sinn, so wie die Lieder zusammengestellt sind, einen inhaltlichen, keinen vordergründig musikalischen. Ich gehöre nicht zu denen, die eine CD zum Beispiel nach solchen Kriterien aufbauen: mal ein langsames, mal ein schnelles Lied, mal ein langsames, mal ein schnelles Lied und so weiter. Mir geht es dabei immer nur um den Text, um den Inhalt.

 

Worum geht es in den Texten von Henry-Martin Klemt auf dieser neuen CD?
Das ist jetzt schwer. Das ist eine schwere Frage. Es ist immer schwer, über Texte zu reden. Das ist auch so, wenn manchmal Leute kommen und fragen, was machst du denn so für Lieder? Ja, was soll ich dazu sagen. Ich finde, das zu beschreiben ist ganz ganz schwer. Es gibt vielleicht eine Beschreibung. Ich bin mir gar nicht so sicher, ob ich die erfunden habe oder ob sie mal jemand so geschrieben hat. Das war auch so eine Frage, die auftauchte, als wir Texte basteln mussten für eine Website. Dabei gab es die Findung: "politische Liebeslieder". Das ist aber auch wieder eben nur so ein Begriff. Auch wieder schwierig. Im Endeffekt sollte jeder einfach selbst die Lieder hören oder die Texte lesen, um für sich zu finden, was darin gesagt wird. "Politische Liebeslieder" ist so eine Wortfindung, wenn ich sage, dass mich das am meisten interessiert und von dem ich denke, dass es zu einem großen Teil in Henrys Texten auch zu finden ist. Und deshalb habe ich sie ja auch gemacht. Ich habe diese Texte vertont und es sind Texte, von denen ich mir gewünscht habe, ich hätte sie selber geschrieben. Das ist auch eine Sache, die mir sehr wichtig ist, wenn es um Texte geht. Ob sie von Henry sind oder ob ich sie aus anderen Sprachen übertragen habe: es müssen irgendwie meine Lieder werden. Ich zieh sie mir also an. Ich denke, wenn ich auf der Bühne ein Lied singe oder eben auf einer Platte, dann muss es mein Lied sein. Das muss ich dann nicht unbedingt selber geschrieben haben. Es reicht mir also nicht, dass ich sage, das ist ein tolles Lied. Davon gibt es viele, sehr viele, die ich gut finde oder die mir gefallen. Aber ich würde sie nicht auf der Bühne singen, weil sie nicht meine Lieder sind. Weil es nicht mein Leben ist zum Beispiel. Jetzt bin ich aber wohl von der Frage abgekommen..

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Die Frage zielte auf den Inhalt der Texte ab.
Ja, klar. "Politische Liebeslieder". Das, was mich am meisten interessiert, auch bei den eigenen Texte, das habe ich mit der Zeit bemerkt, sind Inhalte, die irgendwo dazwischen liegen, um es mal so auszudrücken. Also zwischen dem Privaten und dem Gesellschaftlichen. Ich glaube, dass das viel miteinander zu tun hat.

 

Du meinst, das eine bedingt das andere?
Ja, weil ich denke, dass die privaten Beziehungen so sind wie sie sind, weil die gesellschaftlichen Beziehungen so sind. Ich glaube, der ganze Mist hat mit dem Privateigentum angefangen. Das hat die menschlichen Beziehungen verändert. Bis ins Privateste hinein. Bis ins Intime hinein. Diese Parallelen, diese Verbindungen, die da bestehen sind das, was mich am meisten interessiert. Sicherlich gibt es daneben auch mal ein reines Liebeslied oder ein reines politisches Lied.

 

Zum ersten Mal von der neuen CD habe ich gar nicht von dir gehört, sondern von Jürgen Ehle. In einem Interview, welches ich mit ihm führte, erwähnte er nebenbei, dass er noch die CD von Frank Viehweg fertig mastern muss. Arbeitet Ihr schon länger miteinander?
Ich kenne Scarlett länger als Jürgen. In Bezug auf CDs arbeiten Jürgen und ich schon seit 2003 zusammen. Das sind jetzt mittlerweile 3 CDs von mir, auf denen Jürgen mitspielt, Gitarre und Baß, und die er auch gemastert hat. Soweit ich ihn kenne, ist Jürgen ein sehr, sehr sensibler Mensch. Aber es gibt ja noch einen Grund, das Ganze passiert auch aus Freundschaft eben. Ich bin sehr glücklich darüber, dass Jürgen das macht. Bei dieser CD jetzt ist es auch ein klein wenig anders als bei den CDs zuvor. Es gibt da ein paar Stücke diesmal, bei denen ich ihn gebeten habe, von Grund auf Gitarre zu spielen. Also nicht einfach nur dazu. Und so ist das dann auch geworden.

 

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Du hast ja die CD am 4. April im Berliner "Zimmer 16" gemeinsam mit anderen Künstlern vorgestellt.
Gina Pietsch war mit dabei. Es ist ja ein Novum auf dieser CD, dass es darauf nicht nur Lieder, sondern auch einige Gedichte gibt. Henry ist ja ein Dichter und da hatte ich die Idee, zwischen die Lieder einige Gedichte einzufügen, die auch eine Funktion haben in der Verbindung zwischen den Texten. Gina Pietsch hat sie eingesprochen und hat das dann auch live gemacht bei der Premiere.

 

Wer war noch mit dabei?
Matthias Nitsche. Das ist jemand, mit dem ich auch schon lange zusammenarbeite und er ist auch ein langjähriger Freund. Er macht selber Musik mit der Gruppe "Cantaré". Die machen lateinamerikanische Musik. Ich muss mal sagen, wenn ich diese Freunde nicht hätte, würde es viele Sachen nicht geben. Wenn eben solche Menschen nicht da wären, die die Sachen mit mir machen aus Freundschaft oder weil sie das gut finden, was ich mache und mich dabei unterstützen. Matthias ist der, in dessen Studio auch die Aufnahmen entstehen. Der also immer zu tun hat und immer dabei ist. Der auch Instrumentales dazu beisteuert, hauptsächlich Percussion. Wie auf anderen CDs auch. Darüber hinaus gibt es einen Charango zu hören und zweite Stimmen natürlich

 

Was ist das?
Ein Charango? Eine indianische Gitarre. Der Charango ist erst nach 1492 entstanden. Den gab es vorher nicht. Das heißt, die Indianer haben sich ihre eigene Gitarre geschaffen. Das ist eine kleine Gitarre. Sie sieht etwas unproportional aus. Der Korpus ist original aus dem Panzer eines Gürteltiers.

 

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Die armen Gürteltiere...
Es gibt aber heute auch schon welche aus Holz. Und er ist mit fünf Doppelsaiten bespannt, also schon ein bißchen anders als andere Gitarren.

 

Zurück. Wer war noch dabei?
Dirk Müller, auch ein Mitglied der Gruppe "Cantaré", der bei mir meistens das Klavier spielt, und auch Akkordeon, was er bei "Cantaré" seltener macht, gut, Akkordeon schon, aber Klavier ja nicht. Das war jetzt die Komplettbesetzung der Premiere.

 

 

Wie kam es an? Was hast du für ein Gefühl?
Oh, was soll ich dazu jetzt sagen. Es war schön, es war gut gefüllt, wir haben nichts Negatives gehört.

 

Und wie geht es denn jetzt weiter?
Mit der Musik oder mit dem Leben?

 

Mit der Musik.
Mein nächstes Projekt wird ein Buch mit einer beigelegten CD. Dabei geht es um die Lieder von Jaromir Nohavica.

 

Den fand ich ja toll. Ich habe ja nicht verstanden, was er gesungen hat, aber der hatte eine Ausstrahlung...
Du kannst einfach auf seine Homepage gehen, da findest du dann meine Nachdichtungen seiner Lieder auf Deutsch. Im Oktober wird die Premiere sein. Das Buch umfasst 42 Texte von Jaromir Nohavica in meiner Übertragung. Die Lieder auf der CD dazu sind einfach mit Gitarre und Stimme live im Studio aufgenommen. Also keine große Produktion...

 

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Machst du das mit ihm zusammen oder alleine?
Das mach ich alleine. Zwanzig Lieder werden das sein, ausgewählt aus den 42, die auch im Buch sind. Das ist eine sehr interessante Geschichte. Du weißt ja, dass ich so etwas schon seit vielen Jahren mache, diese Übertragungen aus anderen Sprachen...

 

Wie lange machst du das schon?
25 Jahre sind es jetzt. 2004 hatte ich ein Buch zusammengestellt mit Übertragungen, die ich bis dahin gemacht hatte. Das waren dann zwanzig Jahre. Und das war der äußere Anlass für dieses Buch mit Texten von den unterschiedlichsten Liedermachern aus den verschiedensten Weltgegenden. Lateinamerikanische Lieder, englische, osteuropäische, griechische … Das habe ich alles sozusagen im eigenen Auftrag gemacht. Es gab einen einzigen Anstoß, der von außen kam: Vor ein paar Jahren hat Gina Pietsch ein Theodorakis-Programm gemacht anlässlich seines 80. Geburtstages und hat mich dann gefragt, ob ich nicht einige Nachdichtungen dafür machen könnte. Da waren sehr viele Lieder dabei, von denen es noch keine deutschen Übertragungen gab. Ich glaube, das waren zwölf Lieder, die ich neu übertragen habe. Aber auch da haben sich Sachen gefunden, von denen ich der Meinung war, das könnten auch meine Lieder sein. Die ich mir dann später ausgeliehen habe. Das ist immer eine wichtige Sache für mich gewesen. Ich find´s ganz normal. Ich mache selber Lieder, also interessiert mich auch, was andere machen, auch über die Landesgrenzen hinaus.

 

Ich halte das auch für eine normale Haltung.
Es gibt viele, die finden das nicht so normal, habe ich oft bemerkt. Mich hat das immer interessiert. Vor allem hat mich immer interessiert, so eine Art von Verwandtschaften in den Liedern zu finden. Ich fand es spannend, dass Menschen, die scheinbar weit von mir entfernt leben, Lieder schreiben, mit denen sie meine Intentionen sehr genau treffen. Und so etwas finde ich im Prinzip überall. Und in der letzten Zeit habe ich mich intensiv mit den Liedern von Jaromír Nohavica beschäftigt. Ich kannte ihn auch nicht.

 

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Gut, das beruhigt mich ein bisschen...
Es ist merkwürdig. Wir leben in einer sehr vernetzten Welt, Tschechien ist ein Nachbarland von uns und er ist ein sehr populärer Liedermacher dort und wir wissen das nicht. Ich war im Jahr 2000 in Tschechien. Im Urlaub. Und da gab es offensichtlich eine neue CD von ihm, die überall auf Plakaten beworben wurde. Dann bin ich tatsächlich am letzten Tag meines Aufenthaltes in einen Laden gegangen und habe gefragt: Was ist denn das für ein Typ da, der immer von den Plakaten schaut. Die Verkäuferin hat seine neue CD eingelegt und ich fand sie von Anfang an total schön. Das war unsere erste Begegnung.

 

Irgendwie erinnerte er mich auch ein bisschen an Wyssozki...
Na ja... aber man muss dazu sagen, er hat tatsächlich auch Übertragungen gemacht von Wyssozki ins Tschechische. Daran erkennst du ja, was ich meinte, mit dem Auffinden von Verwandtschaften überall …Ein paar Jahre später habe ich mir von Jaromír noch mehr CDs gekauft in Prag. Und zur direkten Begegnung kam es dadurch, dass ich auf einer CD von mir im Jahr 2003 eine Melodie von ihm verwendet habe. Nicht mit einer Nachdichtung, sondern es war ein neuer eigener Text. Ich hab das auch ordentlich angemeldet und dachte, es wäre alles in Ordnung, aber dann hat mir die GEMA einen Brief geschrieben, in dem stand, ich bräuchte aber dafür ganz dringend die Einwilligung des Herrn Komponisten wegen der Urheberrechte. Weil ich mit dem deutschen Text darauf eine Veränderung am Werk vorgenommen habe. Und dann habe ich einen Brief geschrieben an die OSA, das ist die tschechische Partnerorganisation der GEMA. Die haben das dann an ihn weiter geleitet. Ich habe die CD hin geschickt, die war schon fertig und gepresst. Dann hat er mir geantwortet und geschrieben, dass er sich sehr gefreut hat. Das war der erste direkte Kontakt.

 

Und aus dieser Entwicklung ergibt sich nun ein Buch mit CD...
Am 9. Oktober wird es ein Konzert mit Jaromír geben und am 10. Oktober wird es die Premiere des Buches geben. Jaromir wird da natürlich auch da sein.

 

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Du bist schon ein politisch interessierter Mensch, auch als Sänger?
Für mich ist das ganz normal. Weil ich mich in dieser Gesellschaft bewege, weil ich hier lebe. Das hat alles miteinander zu tun.

 

Ist das so, dass man auch ein wenig versucht, etwas in den Menschen zu bewegen oder zu verändern, ihre Sichtweisen auf die Dinge zum Beispiel?
Ich weiß nicht, ob das geht oder ob das funktioniert. Jeder kann nur das machen, was er machen kann. Das heißt, ich mache Lieder und erzähle von mir. Das mit dem Verändern ist eine schwierige Sache. Ich glaube, heute ist das nicht viel anders als damals in der DDR, wenn ich daran zurück denke. Ich hatte damals und hab auch heute so das Gefühl, es hat etwas von der Bekehrung von Gläubigen. Denen, denen man das erzählt, die glauben sowieso schon dran. Vielleicht nicht so hundertprozentig, aber wir befinden uns auf einer Welle. Und die anderen kriegt man eigentlich nicht. An die kommt man nicht ran. Ich denke also, wenn es so etwas geben könnte, dass man etwas verändert, dann ist das sehr schwer. Damit will ich nicht sagen, dass der andere Teil davon, das Mutmachen der Gleichgesinnten oder das Bestärken, nicht wichtig wäre. Doch, das ist auch sehr wichtig. Es ist aber eben ein Teil vielleicht, der andere ist wohl eher unwahrscheinlich.

 

Ich finde ja bei Dir besonders schön, dass Du vieles mit einem Augenzwinkern betrachtest und auch nicht irgendwelche überernsten Messages versuchst anzubieten...
Das ist ja mal schön zu hören. Natürlich glaube ich, dass ich was zu sagen habe und auch etwas sagen will. Messages … nein, das ist, glaube ich, nicht so meine Sache. Eher die Poesie. Das andere finde ich aber trotzdem interessant, was du da sagst, weil das etwas ist, was mir gar nicht mal so selten vorgeworfen wird: dass der Humor einfach zu kurz kommt bei mir. Vielleicht stimmt das ja auch. Wenn du das jetzt aber so sagst, gibt es vielleicht einfach verschiedene Betrachtungsweisen oder verschiedene Empfindungen oder verschiedene Arten von Humor.

 

Du hast sicherlich einen sehr leisen Humor, aber er steckt in den Zeilen drin …es taugt sicherlich nicht zum Schenkelkopfen.
Das ist richtig. Das weiß ich auch. Und ich freu mich sehr, dass du das so wahrnimmst, denn ich hoffe schon, dass es so ist. Das hatten wir ja schon mal kurz besprochen. Du schreibst etwas und du denkst dir etwas dabei, aber ob es so funktioniert für die anderen, das kann man nicht vorher wissen.

 

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Gibt es bald auch wieder eigene Texte?
In letzter Zeit war es eine etwas schwierige Phase, persönliche Situation oder wie auch immer man das nennen kann … Ich weiß nicht … Und ich war in den letzten Jahren ganz froh darüber, dass es die andere Seite meiner Arbeit auch gibt, die es ja auch schon sehr lange Zeit gab und ich hab mich wohl auch aus dem Grunde da ein bisschen reingekniet. Ich war ganz glücklich, dass ich das hatte und immer noch machen kann. Ich hab auch ganz verschiedene Sachen gemacht. 2007 gab es dann ein Buch mit Texten von Juri Schewtschuk ("Verschwunden ohne Spur"). Das ist ein Russe.

 

Das sind wirklich starke Texte.
Das ist für mich auch eine sehr große Entdeckung gewesen. Ein Rocksänger, von der Band DDT. Unvorstellbar für mich hier ist, dass ein Rockmusiker solche Texte machen kann und dass eine Rockband solche Texte auf die Bühne bringt. Ein großer Dichter, möchte ich sagen. Das habe ich gemacht. Dann die Übertragungen der Texte von Jaromir Nohavica. Und dann kommt noch etwas hinzu, das habe ich schon 2001 angefangen. Nämlich Sonette von Shakespeare zu übertragen, was vor mir schon tausend Leute gemacht haben. Aber alle nicht so gut wie ich. Na ja, das war Spaß. Der Anfang war ein ganz anderer. Shakespeare ist ein großer Dichter. Und ich hab immer mal wieder reingeguckt in die Sachen, die es von ihm gab, also in die Nachdichtungen. Dabei hatte ich oft das Gefühl, ich verstehe manche Sachen gar nicht richtig. Irgendwann habe ich meinen Freund Dirk Heiland gebeten, der des Englischen mächtiger ist als ich, von einigen Sonetten mal ein paar Rohübersetzungen zu machen. Vielleicht war es ein glücklicher Zufall, aber ich hatte das Gefühl, dass es mir mit den ersten Sachen ganz gut ging. So fing das an. Und dann machte ich noch ein paar und noch ein paar … Durch diese Arbeit habe ich dann auch festgestellt, das Problem oder mein Problem mit dem Verständnis der Sonette lag nicht an den Originalen, sondern an den Nachdichtungen.

 

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Die Originale sind auch wesentlich erotischer als man glaubt.
Ja. Und sie sind vor allem nicht kompliziert. So ging das alles immer weiter. Ich habe als Erstes einen Zyklus von 24 Sonetten gemacht. Unabhängig von der Reihenfolge der Zusammenstellung von Shakespeare - es gibt auch davon verschiedene, wie ich mit der Zeit herausbekommen habe -, habe ich sie dann zu einem eigenen Zyklus zusammengestellt ("Ich rief Dich oft"). 2005 habe ich einen zweiten Zyklus mit weiteren 24 Sonetten gebastelt ("Nimm alles was ich liebe"). Der ist etwas traurig geraten, aus verschiedensten Gründen. Ich hatte dann das Gefühl, es muss noch einen dritten Zyklus geben. Der sollte dann so ein vermittelnder oder ausgleichender Zyklus sein zwischen dem ersten jubelnden und dem zweiten tieftraurigen. Ich denke, das habe ich jetzt geschafft, Anfang des Jahres. Also gibt es noch einen dritten Zyklus von 24 Sonetten. Und irgendwann wird es ein Buch geben mit allen drei Zyklen. Das war noch eine Sache, die mich in den letzten Jahren sehr beschäftigt hat und... ja... ich hoffe, es wird irgendwann auch wieder ganz, ganz eigene Lieder geben. Was aber schwer zu sagen ist. Ich bin so einer, der sich so etwas schlecht vornehmen kann. Einer, der immer darauf gewartet hat, dass es passiert. Andere haben vielleicht andere Arbeitsweisen, aber ich kann das nicht sagen. Es muss irgend etwas passieren, es muss irgend etwas plötzlich da sein. Und dann ist es anders. Ich habe Lieder immer in einer bestimmten Art und Weise geschrieben. Und die hatte immer sehr mit konkreten Menschen zu tun. Dabei war es nicht wichtig, ob es ein Liebeslied ist oder ein politisches Lied oder ein politisches Liebeslied wurde. Das war nicht so wichtig, aber es hatte immer sehr mit Menschen zu tun. Und das ist mir ein bisschen abhanden gekommen in den letzten Jahren. Jetzt ist die Frage: Gibt es noch einmal solche Menschen oder finde ich irgendwann eine andere Art des Zugangs.

 

Vielen Dank, Frank Viehweg, für dieses sehr interessante Gespräch!

 

Interview: Andreas Hähle
Bearbeitung: cr
Fotos: Patricia Heidrich

 


   
   
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