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Es gibt Musiker in unserem Land, die kennt (fast) jedes Kind. Udo Lindenberg ist so einer. Peter Maffay und Xavier Naidoo auch. Und wer kennt Sebastian Krumbiegel nicht - den Träger des Bundesverdienstkreuzes aus Leipzig, der seit fast 30 Jahren solistisch und mit seinen Bands HERZBUBEN und DIE PRINZEN erfolgreich ist? Dabei hat er sein Handwerk (Gesang) mehr als andere Sänger gelernt, denn er war Mitglied des Thomanerchors.001 20140517 1243560594 Sebastian, sein Gesang und auch seine Kompositionen und Texte machten ihn und seine Bands berühmt und erfolgreich. Mit den PRINZEN hat er als Musiker bisher die längste Zeit verbracht, und ein Ende ist (zum Glück) nicht in Sicht. Seit 1999 und dem Album "Kamma mache nix" ist er außerdem auch als Solist unterwegs. Mit "Ein Mann, sein Klavier und Ihr" hat er im Frühjahr sein fünftes Studioalbum veröffentlicht (Wir berichteten: HIER). Damit ist er gerade auf Tour und präsentiert seine Lieder im kleinen und familiären Rahmen. Ein neues Album und die dazu passende Tour sind zwar Gesprächsstoff genug, aber der PRINZ hat eine ganze Menge mehr zu erzählen. Unser Kollege Christian hatte die Gelegenheit, mit dem bekennenden Lindenberg- und RB Leipzig-Fan zu plaudern ...


 
 
Vor knapp einem Monat erschien Dein fünftes Soloalbum. Gibt es schon Reaktionen von der Presse oder den Fans auf "Ein Mann, sein Klavier und Ihr"?
(lacht) Es gibt immer Reaktionen. Ich glaube sogar, dass die Reaktionen auf das Album bis jetzt ziemlich gut ausfallen. Natürlich ist das wie immer alles Geschmackssache. Ich bin mir auch darüber im Klaren, dass das keine kommerzielle Popmusik ist, was ich da gemacht habe, sondern eher eine Nische. Trotzdem bekomme ich bislang viele gute Kritiken und Reaktionen von Leuten, die sich richtig darüber gefreut haben.

Bei einigen Titeln hört man deutlich heraus, wo Du eigentlich herkommst, nämlich von den PRINZEN ...
Du kannst einerseits sagen, ich komme von den PRINZEN, aber Du könntest auch sagen, ich komme vom THOMANERCHOR. Das ist beides sehr ähnlich, denn was ich als Kind gelernt habe, schlägt sich in der Musik der PRINZEN nieder. Aber entschuldige, ich habe Dich unterbrochen ...

002 20140517 1102250594Meine Frage wäre gewesen: Lässt sich eine solche Handschrift, die man sich über die Jahre zugelegt hat, überhaupt ablegen, wenn man solistisch etwas auf die Beine stellt? Wohl eher nicht, oder?
Ich glaube, das ist auch gar nicht Sinn der Sache. Ich mache das, was ich am liebsten mache und was ich am besten kann. Wenn ich jetzt plötzlich eine Jazz-Platte machen würde, wäre das eine schlechte Jazz-Platte, weil ich so etwas einfach nicht kann. Ich mache also wirklich nur das, was ich als Kind mal gelernt habe und was ich auch heute noch am besten kann. Manchmal ertappe ich mich sogar dabei, dass ich mich selbst beklaue. Dann denke ich mir: "Oh weh, das hast Du doch schon irgendwann mal in ähnlicher Art gemacht". Genau so erwische ich mich hin und wieder dabei, wie ich auch bei anderen Leuten klaue, wenn ich diese Sachen gut finde. Egal, ob das jetzt LINDENBERG oder die BEATLES sind. Da muss ich manchmal wirklich aufpassen. Es ist natürlich sehr schwierig, denn es gibt schon so viel Musik und auch gute Musik. Am Ende kann ich mich wirklich nur von meinem Geschmack leiten lassen und nur das machen, was ich selbst gern höre und mag.

2012 hast Du das Album "Solo am Piano" veröffentlicht. Das ist ja mit dem neuen Werk eng verwandt oder kann zumindest als eine Art Vorgänger bezeichnet werden. Damit bist Du auf Tournee gegangen und hast jetzt schon wieder das nächste Album am Start. Sind alle diese neuen Lieder während der letzten Tour entstanden oder gab es ein Zeitfenster, in welchem Du ausschließlich die neuen Songs geschrieben und getextet hast?
Die letzte Platte ist ungefähr zwei Jahre her. Ja klar, da gibt es tatsächlich so ein Zeitfenster, wo Du mit offenen Augen durch die Gegend läufst, um neue Sachen zu schreiben. Das Schöne war, dass ich diesmal wirklich viele Konzerte in kleinen Clubs und Theatern gemacht habe und dadurch mit sehr vielen Menschen ins Gespräch kam. Natürlich habe ich diese Chance genutzt und versucht, nicht so viel zu trinken, dass ich gar nichts mehr mitkriege, sondern lieber hinterher im Hotel noch einen Text zu schreiben. So sind die Songs im Prinzip entstanden.

Kannst Du Dich noch an Situationen erinnern, in denen bestimmte Lieder entstanden sind oder ist Dir das schon so in Fleisch und Blut übergegangen, dass so was einfach passiert und Du keine speziellen Situationen dafür brauchst?
Das ist für mich hinterher immer schwer zu sagen, ob zuerst die Melodie da war oder erst der Text. Bei einigen Liedern kann ich mich aber genau daran erinnern, wie sie entstanden sind,003 20140517 1952090982 was mich dazu gebracht hat, diese Nummern zu schreiben. Da gibt es manche Songs, zu denen ich richtige Geschichten erzählen kann und genau das mache ich dann auch während der Konzerte.

Inhaltlich bewegst Du Dich ja auf verschiedenen Ebenen. Mal ernst, mal hintergründig-humorvoll und ein anderes Mal wieder ganz direkt und mit Witz versehen. Kann man an den Songs ablesen, in welcher Stimmung Du beim Schreiben warst?
Bei den Songs, die ich selbst geschrieben habe, auf jeden Fall. Das ist für mich sehr wichtig, denn ich versuche immer eine gewisse Authentizität rüber zu bringen. Ich bin nämlich nicht der Typ, der beim Singen in irgendwelche Rollen schlüpft und sagt, jetzt bin ich mal der und der oder habe dies und jenes erlebt. Sondern das, worüber ich singe, ist auch ziemlich 1:1 das, was ich wirklich erlebt habe. Oder auch die Songs, die ich nicht allein geschrieben habe. Nimm zum Beispiel "Für einen Blick von Dir". Da rief mich mein Cousin an und meinte, er hätte eine Idee für ein Lied, was er seiner Frau gerne zum Geburtstag schenken würde und ob ich ihm dabei helfen könnte. Und die Geschichte in dem Lied ist eben nicht meine Geschichte, sondern seine.

Neben den eigenen Songs hast Du auch drei Titel neu aufgenommen. Einer davon ist "Lady Whisky" von UDO LINDENBERG. Das ist ja ein sehr spezieller Song. Ist das auch gleichzeitig Dein persönlicher Favorit aus dem LINDENBERG-Repertoire oder warum hast Du ausgerechnet den ausgewählt?
Ach weißt Du, es gibt für mich unglaublich viele Favoriten aus dem LINDENBERG-Schaffen. Vor allem die alten Songs, aber gerade auch bei den ganz neuen sind großartige Nummern dabei. Natürlich ist "Lady Whisky" ein Lied, das ich schon seit meiner Kindheit kenne. Das muss ja dreißig Jahre oder noch älter sein. Als Jugendlicher habe ich begonnen, das auf dem Klavier nachzuspielen. Dass es jetzt mit auf der Platte ist, hat damit zu tun, dass ich in Leipzig gerade eine Aktion mit zwei Musikern gemacht habe, die sich "Vinyl Revue" nannte. Wir haben im Leipziger Zentraltheater deutschsprachige Musik vorgestellt, und da war einer dabei, der genauso ein LINDENBERG-Fan ist, wie ich. Der sagte zu mir: "Lass uns doch mal dieses Lied machen". Dadurch habe ich "Lady Whisky" wieder hervorgeholt und deshalb ist es mit auf der Platte.

Seit wann bist Du LINDENBERG-Fan?
Seit ich denken kann. Man muss dazu sagen, UDO LINDENBERG war im Osten immer ein Volksheld und er ist es immer noch. Im Juni gibt er ja zwei Konzerte in Leipzig, bei denen ich auch auf der Bühne sein und irgendwas mitsingen werde. Wir haben ihn mit den PRINZEN Anfang der 90er Jahre kennen gelernt, da war ich schon ein riesiger Fan von ihm. Wir waren damals in Hamburg im Studio. ANNETTE HUMPE war unsere Produzentin und sie hat immer ihre Freunde und Kollegen ins Studio eingeladen. Wir waren zu der Zeit halt so was, wie die "Ossi-Exoten". Eines Tages kam dann auch LINDENBERG ins Studio, hat sich unsere Sachen angehört und gefragt, ob wir ihm den Chor auf ein Lied raufsingen können. Das war für uns natürlich das Allergrößte! Die Freundschaft hält nach wie vor. In zwei Wochen sehe ich ihn, wenn wir für die Stadion-Tour proben, und da werde ich ihm meine neue Platte mitbringen. Mal sehen, wie er darauf reagiert.

War das 1991 der erste Kontakt zu UDO oder konntest Du ihn vorher schon mal live sehen?
Live gesehen hatte ich ihn 1990 bei seinem legendären Konzert in Leipzig. Ich schummelte mich irgendwie hinter die Bühne, konnte ihn auch ansprechen und ihm eine Demo-Kassette in die Hand drücken. Und kurz danach sahen wir uns bei ANNETTE HUMPE im Studio und er konnte sich sogar noch an unsere Begegnung in Leipzig erinnern.

Ein weiterer Titel aus fremder Feder ist SILLYs "Liebeswalzer", eines meiner Lieblingslieder. Im Original ist das ja ziemlich elektronisch und typisch 80er arrangiert. Du hast da für Dich einen ganz eigenen Song daraus gemacht. Wie kamst Du auf die Idee, gerade den "Liebeswalzer" neu zu interpretieren und für das Album auszuwählen?
Beim "Liebeswalzer" steckt dieselbe Situation dahinter, wie bei "Lady Whisky". Ralf Donis, der ehemalige Sänger von THINK ABOUT MUTATION, einer Leipziger Band aus den Neunzigern, Tim Thoelke, der ein bekannter Leipziger Szenetyp ist, und ich haben zu dritt diese "Vinyl Revue" gemacht.006 20140517 2061720185 Donis hatte dafür den "Liebeswalzer" rausgesucht und ich begleitete ihn am Klavier. Dabei kam mir in den Sinn: das ist so ein schönes Lied, da müsste man mal was ganz Eigenes draus machen. Ich finde sowieso, dass es total schwachsinnig ist, einen gecoverten Titel genauso zu spielen, wie das Original, sondern es ist wichtig, dabei eine eigene Note, eine eigene Handschrift zu finden. Und wenn ich einen Song mag, dann geht das auch von ganz alleine. Deshalb bin ich mit dem "Liebeswalzer" auch sehr glücklich. Zumal es dazu noch ein kleines Gimmick gibt: Als wir im Studio in der Nähe von Berlin waren, kam Uwe Hassbecker vorbei. Dem erzählte ich von meinem Vorhaben, ein SILLY-Lied zu covern. Uwe hörte sich das an und meinte dann, "Das hast Du echt gut gemacht. Tamara hätte sich darüber sehr gefreut!" Das werde ich nie vergessen. Dann fragte Uwe sogar noch, ob er mir einen Part mit der Dobro-Gitarre drauf spielen soll, was ich natürlich Klasse fand und mit einem "Bitte mach das!" dankend annahm. Das war für mich eine Art Ritterschlag vom Meister selbst, der das Lied mit seiner persönlichen Note noch versüßt hat. Und nicht nur deshalb ist der "Liebeswalzer" für mich eines der stärksten Lieder auf der Platte geworden.

Dann ist also Uwe Hassbeckers Mitwirken eher aus einem Zufall heraus entstanden ...
Auf jeden Fall. Das war wirklich überhaupt nicht geplant. Ich habe die ganze Platte an einem einzigen Tag aufgenommen. Am 14. Dezember waren wir im Studio. Ich hatte achtzehn oder neunzehn Songs im Gepäck und wollte versuchen, das an einem Tag zu schaffen. Unser Tonmeister Rainer Oleak fand das auch ganz schön sportlich, aber ich dachte mir: "No risk, no fun". Am Ende war es für mich, wie ein Konzert, welches ich dem Tonmeister und seinem Assistenten gegeben habe. Dass am nächsten Tag dann Uwe Hassbecker ins Studio kam, war wirklich purer Zufall.

Rainer Oleak ist ja nun auch kein Unbekannter. Er hat "Ostrock in Klassik" gemacht und er war auch selber Musiker. Hast Du ihn Dir als Produzent ausgesucht oder wie kam der Kontakt zustande?
Ja, ich habe ihn mir selber ausgesucht. Erstens hat Rainer Oleak ein wunderbares Instrument in seinem Studio stehen. Und zweitens sagt Oleak selber, dass er schon sein Leben lang nach dem perfekten Klavier- und Flügelsound sucht. Ich kannte ihn natürlich vorher schon, auch von seiner alten Band her. Eines der ersten Konzerte, die ich gesehen habe, war von NEUMIS ROCK CIRCUS.005 20140517 1907063430 Das war irgendwann in den 80ern und Oleak war nicht nur mit dabei, sondern er war sogar Gründungsmitglied. Danach spielte er bei DATZU und auch, wenn ich meinen Freund Toni Krahl bei "Ostrock in Klassik" besucht habe, hat Rainer Oleak mitgemischt. Da fällt mir übrigens gerade ein, als die PRINZEN noch HERZBUBEN hießen, hatten wir mit Oleak ein Projekt am Laufen, bei dem wir BEATLES-Songs gecovert haben. Die haben wir dann bei ihm zu Hause im Wohnzimmer aufgenommen. Das Wiedersehen anlässlich meiner neuen Platte war also eine Art "Coming home", ein schönes Wiedersehen mach so langen Jahren.

Von den Arrangements her ist die Platte eher schlicht gehalten. Der Fokus ist auf den Gesang gerichtet. Kehrst Du mit dieser Art Musik zu Deinen eigenen Wurzeln zurück?
Die neue Scheibe unterscheidet sich ja vom Vorgänger "Solo am Klavier" dadurch, dass eben nicht nur das Klavier dabei ist, sondern dass ich auch ein paar Chöre drauf gesungen habe. Ich hatte auch den Ehrgeiz, innerhalb kürzester Zeit die grundlegenden Dinge aufzunehmen, also Klavier und Gesang an einem Tag einzuspielen, um dann zu Hause die Chöre fertig zu kriegen. Ob das nun meine Wurzeln sind, weiß ich nicht. Ich wollte auf jeden Fall, dass sich die beiden Alben voneinander unterscheiden. Und das ist mir gelungen.

Es kommt ja nicht selten vor, dass ein Musiker nach der Veröffentlichung seines Albums feststellt, dass er doch das Eine oder Andere noch anders hätte machen können. Ist das bei Dir auch so oder bist Du mit dem Produkt rundum zufrieden?
Das ist auch wieder eine schwierige Frage. Natürlich kann man jetzt anfangen, die Rosinen zu suchen und sich die kleinen Sachen herausfischen, die man tatsächlich hätte besser machen können. Die gibt es garantiert auch. Aber so bin ich eigentlich nicht gestrickt. Ich sehe jede Art von Musik, die ich mache, als Momentaufnahme. Und wenn ich diese Platte heute höre, dann höre und merke ich, dass ich eine gute Phase hatte, dass ich frei singe, dass ich mich gut anhöre. Es gibt auch Songs von früher, da höre ich deutlich, dass ich da halt nicht so gut drauf war. Bei "Ein Mann, sein Klavier und Ihr" kann ich dagegen sagen, dass alles gut ist und ich damit sehr zufrieden bin.

007 20140517 1778007941Die Frage habe ich deshalb gestellt, weil Du eben sagtest, Du hast das Album komplett an einem einzigen Tag eingespielt. Das ist ja eher selten. Stattdessen könnte man gerade deshalb hinterher vielleicht sagen, hier und da könnte man noch was verbessern. Aber das scheint ja bei Dir nicht so zu sein, Du bist also rundum zufrieden und würdest diese Aufnahme jederzeit wieder so machen ...
Na ja, Du sagst, ich wäre mit mir selbst zufrieden. Da steckt das Wort "Selbstzufriedenheit" drin und das wiederum ist gar nicht gut. Ich finde es schon wichtig, dass man kritisch bleibt demgegenüber, was man macht. Aber man muss das, was man macht, auch mögen. Und das habe ich getan. Ich bin ein großer Freund von diesen berühmten magischen Momenten, die manchmal im Studio vorkommen. Diese Momente kommen wirklich nur dann vor, wenn Du auch mal was Spontanes zulässt. Das Intro der Platte zum Beispiel, welches ich auch auf meinen Konzerten spiele, wollte ich eigentlich gar nicht mit auf die Scheibe nehmen. Dann sagte ich mir aber: Komm, probier es aus, vielleicht passt es ja doch mit drauf. Und am Ende hat sich der Song durchgesetzt. Deshalb finde ich es eben gut, wenn man sich spontan für etwas entscheidet, als wenn man ewig lange daran herum feilt. Natürlich stecken da bei jedem Künstler unterschiedliche Philosophien dahinter. Ich kenne Beispiele, da haben die Bands Monate oder gar Jahre an ihrer Platte gearbeitet, bis es am Ende das perfekte Pop-Album geworden ist. Aber diesen Anspruch hatte ich nicht.

Gibt es Songs auf dem Album, die Dir besonders am Herzen liegen oder die vielleicht eine besondere Geschichte haben?
Es gibt natürlich Favoriten, die ich persönlich sehr mag. "Freundschaft" ist für mich zum Beispiel eins der schönsten Lieder geworden, weil es so eine Art Liebeslied für eine Freundschaft ist. Es gibt so viele Liebeslieder, dass ich mir gedacht habe, mach doch mal ein Liebeslied, in dem es um eine Freundschaft geht. In meinen Konzerten stelle ich dem Publikum manchmal die Frage: "Wenn Ihr ein Ranking machen könntet, was Euch wichtiger ist: Liebe oder Freundschaft?", dann kommen darauf immer sehr unterschiedliche Reaktionen. Ich bin mittlerweile der Meinung, dass man Liebe und Freundschaft einfach nur in einem Atemzug nennen kann, weil diese beiden Dinge ebenbürtig sind. Wobei man dann natürlich Liebe nicht mit "verliebt sein" verwechseln darf, weil letzteres lediglich eine hormonelle Sache ist.

008 20140517 1143017415Du bist mit dem neuen Programm bereits auf Tour. Diese Tour geht ja bis in den Juni hinein. Was erwartet den Besucher, wenn er in eines Deiner Konzerte kommt? Das kann man nie so genau vorhersagen. Ich habe nämlich kein durchgestyltes Programm, sondern vor mir liegt immer ein Riesenzettel mit ganz vielen Songs. Dieser Zettel wird immer länger, weil immer mehr Songs dazu kommen und deshalb werden auch meine Konzerte immer länger. Ich will natürlich so viel wie möglich von den Liedern spielen. Außerdem neige ich dazu, viel zu erzählen. Es wird auf jeden Fall ein sehr intimer Abend, weil es ein kleiner Rahmen ist. Ich spiele meistens vor etwa dreihundert Leuten, weshalb Du natürlich immer einen sehr direkten Draht zum Publikum hast und viel Zwiesprache halten kannst. Man darf sich das nicht so vorstellen, dass da ein Typ auf die Bühne kommt und sein Programm runter spult, sondern ich befinde mich in einem ständigen Dialog mit meinen Zuschauern. Die Leute können sich auch Sachen wünschen und oftmals entscheiden wir zusammen, welches Lied als nächstes gespielt wird. Deshalb ist jedes Konzert etwas anders, als das vorherige. Wenn man es auf einen kurzen Punkt bringen müsste, dann könnte man sagen, es wird ein sehr intimer und sehr langer Abend. Dabei reicht die Songpalette von nachdenklichen Liedern bis hin zu "Wir heben jetzt mal alle ab". Diesen Spannungsbogen finde ich gut. Man bringt die Leute, um es mal etwas übertrieben zu sagen, zum Weinen, aber auch immer wieder zum Lachen.

Du sprichst von einem langen Abend. Von wie viel Zeit reden wir hier?
Mein Rekord waren drei Stunden 15 Minuten. Ich hatte mal ein Konzert in der Berliner UFA-Fabrik, was zu meiner Freude ausverkauft war. Da waren ungefähr dreihundert Leute im Saal. Als Gast hatte ich an dem Abend Toni Krahl eingeladen, der hinterher zu mir kam und meinte: "Es war sehr gut, aber zu lang". Wir haben dann lange darüber geredet und unsere Ansichten darüber ausgetauscht. Natürlich hat Toni irgendwo Recht. Man muss aufpassen, dass man nicht ausschließlich für sich Musik macht. Aber solange die Leute nicht aufstehen und gehen, spiele ich weiter und dann dauert es schon mal etwas länger.

Das ist ja sicherlich auch publikumsabhängig ...
Natürlich. Aber es gibt ja auch die alte Regel, dass das Publikum niemals Schuld ist. Das Publikum ist lediglich eine Art Indikator dessen, was Du als Künstler anbietest. Und wenn Du irgendwas auf der Bühne machst, reagiert das Publikum darauf. Du kannst ja mal eine große Heavy Metal Band vor ein Publikum setzen, welches ansonsten nur klassische Musik gewöhnt ist. Die Leute werden raus rennen und das nicht mögen. Deshalb muss man darauf achten, dass das Publikum auch wirklich zu dem passt, was Du machst. Andererseits weiß derjenige, der sich eine Karte für mein Konzert kauft, was ihn erwartet.

Ich nehme an, Du bist schon wieder fleißig beim Songs schreiben, obwohl Du gerade auf Tour bist?
Ja, richtig. Ich ärgere mich auch ein bisschen, dass die Platte relativ unpolitisch geworden ist, denn ich habe gerade einen frischen Titel gemacht, den ich auch schon live spiele, in dem es gegen diese ganzen derzeitigen Demonstrationen und um die Asylbewerberheime geht. Also letztlich um Rassismus und darum, wie wir die Menschen sehen, die aus fremden Ländern zu uns kommen. Dieses Lied ist leider erst fertig gewesen, nachdem die Platte fertig war. Aber die nächste Platte kommt bestimmt.

Kommen wir mal zur Geschichte des Sebastian Krumbiegel. Von 1976 bis 1985 gehörtest Du dem Thomanerchor an und besuchtest die Thomasschule in Leipzig, die Du auch mit dem Abitur abgeschlossen hast. Das klingt wie ein Fulltimejob für Heranwachsende. Gab es neben Chor und Schule überhaupt Freizeit und Zeit für andere Dinge?
Es gab durchaus Zeit für andere Dinge, aber es war natürlich ein hart durchgetimter Tagesablauf. Wir Kinder sahen das alles aber eher wie eine große Klassenfahrt, für uns war das einfach nur spannend. Wir wohnten alle zusammen im Internat, sind viel gereist, und das nicht nur in der DDR, sondern auch in der BRD und in ganz Europa. Als Zehnjähriger war ich zum Beispiel mit dem Thomanerchor in Japan, was einen durchaus prägt und bildet. Auch musikalisch gesehen. Wenn Du in dem Alter zwei Stunden täglich JOHANN SEBASTIAN BACH singst, dann wirst Du das nie wieder los. Und wenn ich mir heute alte BACH-Werke anhöre, dann finde ich phänomenal, dass ich das alles noch im Kopf habe. Was Du als Kind machst, singst und hörst, das vergisst und verlernst Du nie. Das ist wie Fahrrad fahren oder schwimmen. In letzter Zeit bin ich immer dankbarer dafür, dass ich eine solche Kindheit hatte. Man kann das natürlich auch immer von zwei Seiten betrachten. Du könntest also sagen, ich konnte dadurch weniger Fußball spielen, als es "ganz normale" Kids tun. Aber für mich war meine Kindheit schon eine privilegierte Kiste, wofür ich sehr dankbar bin. Ich kann deshalb jedem nur empfehlen, der sich für Musik interessiert: Fangt als Kinder damit an und versucht, das durchzuziehen.

War der Thomanerchor also sowas wie Deine erste "Band", mit der Du eine Platte aufgenommen hast? Oder gab es das nicht?
Doch, das gab es. Wir haben zum Beispiel das Weihnachtsoratorium und noch viele andere BACH-Sachen aufgenommen. Vieles davon in der Leipziger Paul-Gerhardt-Kirche, die in ein Tonstudio umgebaut wurde.

009 20140517 1436953353War das mit den Thomanern eigentlich Dein eigener Wunsch oder war es doch eher eine familiäre Verpflichtung? Immerhin war Deine Mama ja Opernsängerin ...
Nein, meine Großmutter war Opernsängerin. Meine Mutter ist Musikwissenschaftlerin. Musik zieht sich also wie ein roter Faden durch die Krumbiegel-Familie. Aber das ist doch auch eine sehr schöne Sache. Natürlich kannst du mit neun Jahren noch nicht selbst entscheiden, was du mal machen willst. Du kannst dich dafür interessieren und deine Eltern können dich dahin führen. Und letztlich fällen dann auch die Eltern die Entscheidung, das ist ja auch irgendwie logisch. Aber die endgültige Entscheidung, Thomaner zu bleiben und da mein Abitur zu machen, habe ich dann mit 15 oder 16 Jahren selber getroffen, auch wenn ich nicht immer und zu jeder Zeit gerne Thomaner war.

Hast Du in der Kindheit oder Jugend neben dem Gesang auch ein Instrument erlernt?
Gleich mehrere sogar. Ganz früher, von der ersten bis zur siebenten Klasse, habe ich Cello gespielt. Irgendwann hatte ich darauf keine Lust mehr und wollte stattdessen lieber Trompete lernen. Wir spielten nämlich immer mit einem Orchester zusammen, wo ich die hohen BACH-Trompeten hörte und das richtig genial fand. Also kauften mir meine Eltern eine Trompete und dazu hatte ich dann auch drei Jahre Unterricht. Auch damit war irgendwann Schluss, weil ich nun ein Schlagzeug haben wollte. Ich hatte nämlich inzwischen meine erste Band gegründet. Aber meine Eltern sagten: "Wir haben Dir ein Cello gekauft, wir haben Dir eine Trompete gekauft. Wenn Du das alles nicht mehr willst, stattdessen lieber Schlagzeug spielen möchtest, dann kümmere Dich selber darum". Also tat ich das auch. Ich verkaufte meine große QUEEN-Plattensammlung, was richtig viel Geld brachte. Für eine Westplatte hast Du ja in der DDR bis zu 100 Mark gekriegt. Ich hatte zwölf Platten im Angebot und habe mir von dem Erlös dieser Platten mein erstes Schlagzeug gekauft. Das habe ich übrigens heute noch und trommle auch noch gerne darauf. Später habe ich ja dann auch richtig Schlagzeug studiert. Aber eigentlich ist mein wahres Instrument das Klavier. Das klingt vielleicht ein bisschen komisch, denn ich hatte ja nie klassischen Klavierunterricht. Als dreizehnjähriger Junge wollte ich eben die Musik spielen, die ich gehört habe. Und das waren LINDENBERG und RIO REISER, das waren die BEATLES und QUEEN oder auch THE WHO. All das wollte ich selber am Klavier spielen. Im Internat gab es in der ersten Etage viele Zimmer, in denen ein Flügel stand. Und wenn man dann in der 7. oder 8.Klasse war und nicht schon um 20.00 Uhr ins Bett musste, hatte man abends noch etwas Zeit. Da habe ich mich dann wirklich ran gesetzt und mir beigebracht, was die schwarzen und die weißen Tasten machen, was C-Dur und was A-Dur ist, und ich habe mir die Sachen selber raus gehört, die ich nachspielen wollte. Auf die Art lernte ich Klavier spielen.

Du hast es schon angesprochen, dass Du eine ganze Menge mitgenommen hast aus Deiner Zeit bei den Thomanern. Wenn Du es in einen Satz packen müsstest: Was hast Du konkret aus dieser Zeit mitgenommen?
Puh ... Also ich denke, in erster Linie habe ich sehr viel Musik mitgenommen und eine musikalische Bildung, die großartig war. Zwei Stunden BACH am Tag, das prägt dich. Und dazu kommt natürlich noch der soziale Umgang. Man hat mit einer Meute von neunzig Jungs unter einem Dach gewohnt und musste lernen, wie man miteinander klar kommt. Das war eine gute Schule.

012 20140517 2087663625Du hast gerade Deine erste Band erwähnt, das war die Gruppe PHÖNIX, die Du 1981 gemeinsam mit Wolfgang Lenk gegründet hast. Was war das für eine Band, was habt Ihr für Musik gemacht?
PHÖNIX war eine Band, die eigentlich aus Zufall entstand. Der Vater von Wolfgang war Pfarrer in einer Kleinstadt in der Nähe von Leipzig. Dort fuhren wir am Wochenende manchmal hin, weil da im Gemeindehaus ein Schlagzeug rumstand. Dann gab es dort noch einen Gitarrenverstärker und eine Gitarre lag auch noch rum ... Da haben wir dann eben angefangen, Krach zu machen. Und die erste Musik, die wir gemeinsam spielten, war "My Generation" von THE WHO, was wiederum daran lag, dass THE WHO 1981 im "Rockpalast" gespielt hatten. Wir sahen das und fanden das total cool. Diese Musik wollten wir unbedingt nachspielen. Außerdem spielten wir dann auch noch LINDENBERG, STONES, KINKS und vieles andere, vor allem aus den Sechzigern. Irgendwann begannen wir dann aber eigene Songs zu schreiben. So fing das an.

Wie lange ging das mit PHÖNIX?
Das ging irgendwie alles nahtlos ineinander über. PHÖNIX gab es, so glaube ich, bis 1985. Im selben Jahr sind wir auch aus dem Thomanerchor raus. Danach musste ich für 18 Monate zur Armee - in dieser Zeit war tote Hose. Danach haben wir dann auch schon die HERZBUBEN gegründet, unsere erste A-Capella-Band. Und 1990 kamen dann auch schon DIE PRINZEN. Es war wie ein roter Faden, der sich durch die Jahre zog.

Die Gründung der HERZBUBEN war eine ganz wichtige Entwicklungsphase, denn aus ihnen entstanden ja später DIE PRINZEN. Wie kann man sich die Zeit der Gründung vorstellen und was habt Ihr anfangs mit den HERZBUBEN gemacht?
Zuerst waren wir ja eine richtige Rockband. Ich habe getrommelt und vom Schlagzeug aus gesungen, Wolfgang Lenk spielte Gitarre und mit Dirk Schrot hatten wir auch noch einen Bassgitarristen. Wir waren also zu dritt, bis dann 1987 Jens Sembdner dazu kam, weil wir einen Keyboarder gesucht hatten. Dirk, Wolfgang und ich, also wir drei Thomaner, haben immer sehr viel gesungen. Als Jens dann zu uns kam, stellte sich heraus, dass er eine ähnliche Vergangenheit hatte, denn er sang viele Jahre im Dresdner Kreuzchor. Also kannte auch er das Gefühl, zwei Stunden am Tag klassische Musik zu hören. Irgendwann kamen wir dadurch auf die Idee, wir vier könnten ja auch nur mit unseren Stimmen singen, ganz ohne Instrumente. Das wäre auch praktisch, denn wir konnten damit in kleine Clubs gehen, die so klein waren, dass wir wirklich ohne Mikrofon auftreten konnten. So haben wir dann unter anderem Songs von THE WHO a-capella gesungen, was man sich eigentlich überhaupt nicht vorstellen kann. Dazu kamen aber auch schon eine Menge eigene Lieder, die ich so ab 1984/85 geschrieben hatte.

Das alles lag in einer Zeit, in der es ja nicht immer einfach war zu sagen: "Ich mache jetzt Musik, gründe eine Band und verdiene damit mein Geld". Wie gestaltete sich das für Euch? Ihr musstet ja sicher eine Einstufung machen und noch die eine oder andere weitere Voraussetzung erfüllen.
Ja genau, das war schon ziemlich schräg. Es gab diese Einstufungskommission, in der irgendwelche Leute aus der städtischen oder bezirklichen Kulturabteilung saßen. Die hörten sich die Musik an und sagten dann: "Das finden wir gut", oder "Das finden wir nicht so gut". Dann gab es die verschiedenen Einstufungen, also Unterstufe, Mittelstufe, Oberstufe und Sonderstufe. Nach diesen Eingruppierungen wurden Deine Verträge als Musiker gemacht. Wenn Du zum Beispiel in der Oberstufe warst, konntest Du als Band wohl 7,50 Mark pro Stunde verlangen. Es klingt alles komisch, wenn man das aus heutiger Sicht betrachtet. Aber in Wahrheit war das alles gar nicht so fürchterlich und schrecklich, wenn man in der DDR groß geworden ist. Natürlich muss man hierbei immer aufpassen, dass man niemanden brüskiert, der unter der Stasi und dem ganzen Scheiß gelitten hat. Wir Kinder der Generation um 1966/67 haben zum Glück nicht so sehr schlechte Erfahrungen damit gemacht. Als Thomaner waren wir natürlich auch wohlbehütet und in gewisser Weise sogar privilegiert. Mit den HERZBUBEN hatten wir ja schon politische Texte, auch wenn wir nicht unbedingt Revolutionäre waren. Wir versuchten einfach nur das wiederzugeben, was uns bewegt hat. Wir machten zum Beispiel ein Lied über Gorbatschow und Perestroika. Oder wir hatten auch einen Song über Karl Eduard von Schnitzler im Programm, den wir darin verarschten. Wir fanden das aber nicht besonders mutig, sondern das war für uns normal. Wir hatten ja auch schon die Jahre 1987/88. Die ganz harten Zeiten, also die 60er und 70er Jahre kenne ich nicht.

Ihr habt ziemlich schnell eigene Titel produziert, unter anderem "Der schönste Junge aus der DDR". Passierte das bei AMIGA oder war es beim Rundfunk?
Das war beim Rundfunk. AMIGA war ja in der DDR das einzige Plattenlabel. Die hatten also sozusagen das Monopol und die Macht, zu sagen, wer eine Platte machen darf und wer nicht. Wir durften demnach noch keine Platte machen. Wir lernten dann bei DT64 eine Produzentin kennen, nämlich Luise Mirsch. Das war eine sehr patente, aufgeschlossene und extrem musikalische Frau, die auch wirklich mit dem Ohr an der Wand geschlafen hat. Luise Mirsch hörte aus unserer Musik schon frühzeitig einen neuen Trend heraus, weshalb sie auch mit uns ins Studio ging und ein Lied aufnahm. Ich weiß noch wie heute, wie stolz ich war, als ich die Kassette in der Hand hielt mit unserer Musik drauf. Das war damals alles viel schwieriger, als heute, wo jeder seinen Computer zu Hause stehen hat und da seine Mugge selber aufnimmt. Ich klinge jetzt sicher gerade wie der alte Mann, der vom Krieg erzählt ... (lacht)

1991 wurden die HERZBUBEN dann in DIE PRINZEN umbenannt. Lag das daran, dass Ihr für Euch als Band keine Chance gesehen habt, auf dem gesamtdeutschen Markt angenommen zu werden, wenn Ihr die DDR-Altlasten mit Euch rumschleppt? Oder gab es noch andere Gründe dafür?
Nein, das lag ausschließlich daran, dass es damals auch noch die WILDECKER HERZBUBEN gab, die beiden dicken Volksmusiker, was immer wieder zu Verwechslungen führte. Wir hatten zum Beispiel mal ein Konzert im Dresdner Kulturpalast, wo in der ersten Reihe plötzlich ein paar Omas saßen, die definitiv nicht uns erwartet hatten. Die rannten dann auch tatsächlich beizeiten raus aus dem Konzert. Und da wussten wir, irgendwas muss jetzt passieren. Aber Du hast es schon richtig erkannt, dass wir mit den HERZBUBEN keine so genannte Altlast waren, die in der DDR schon gewisse Erfolge hatten, sondern wir waren eine Band, die neu anfing. Das half uns schon ein bisschen dabei, als erste Band gesamtdeutsch Erfolg zu haben.

Ich meine, mich zu erinnern, dass ich Euch während eines TV-Auftritts bei "Bios Bahnhof" kennen gelernt habe. Kann es sein, dass das Euer erster großer Auftritt war?
Nein, da haben wir ja schon "Küssen verboten" gespielt und das muss um 1992 herum gewesen sein.

Da muss ich Dir widersprechen, denn in dieser Sendung habt Ihr "Gabi und Klaus" gebracht.
Also unseren ersten wichtigen Fernsehauftritt hatten wir noch zu Ostzeiten und zwar bei "Sprungbrett". Moderiert wurde die Sendung damals von Hartmut Schulze-Gerlach, also von Muck. Und wir traten dort noch als HERZBUBEN auf.

015 20140517 1964432122Mir geht es jetzt aber um DIE PRINZEN. In dieser Folge von "Bios Bahnhof" habe ich Euch zum ersten Mal gesehen. Ich erinnere mich noch genau an "Gabi und Klaus", Eure erste Single. Die ging danach total steil nach oben. Ich habe mir auch gleich die Platte gekauft, weil ich die Nummer so geil fand.
Es waren ja immer diese Zufälle, die uns begleitet haben. Ob es nun das Zusammentreffen mit Annette Humpe war, oder dass wir UDO LINDENBERG getroffen haben, unsere Plattenfirma und so weiter ... Natürlich waren wir auch sehr fleißig, haben ganz viele Klinken geputzt und allen möglichen Leuten unsere Demotapes geschickt. Andererseits hatten wir aber auch verdammtes Glück, dass wir zur richtigen Zeit am richtigen Ort die richtigen Leute getroffen haben. Und wenn man einmal ein solches Millionenpublikum in einer Fernsehsendung erreicht, und wenn man dann so wie Du dieser Musik erliegt und sagt: "Ey cool, das ist ja mal was ganz Anderes!", dann ist das schon toll. Aber du kannst niemanden zwingen, deine Platte zu kaufen, sondern du musst Dich in die Herzen der Leute spielen.

Euer plötzlicher Erfolg - quasi über Nacht - geschah ja zu einer Zeit, als es nicht nur die DDR-Künstler schwer hatten, sondern die deutsche Musik überhaupt zu kämpfen hatte. Es sei denn, man hieß LINDENBERG oder MAFFAY. Alles andere dümpelte ja eher vor sich hin. Wie erklärst Du Dir, dass Ihr trotzdem den Nerv der Leute getroffen habt? War es Eure Andersartigkeit oder war es doch eher der Ost-Bonus?
Ich glaube, dass von beidem etwas dabei war. Wie gesagt, niemand kauft eine Platte, nur weil die Band aus dem Norden, Osten, Süden oder Westen kommt. Aber dennoch denke ich, dass dieser Ost-Gedanke eine gewisse Rolle gespielt hat, denn man hörte immer wieder: "Das sind Leute aus dem Osten und die machen etwas Neues, etwas ganz anderes". Die Sicht der Westdeutschen war zu der Zeit: "Guck mal an, wenn die sich aus dem Osten etwas Mühe geben, dann geht das doch!". Und wir aus dem Osten sagten halt: "Ach guck mal, das sind doch unsere Jungs! Toll, dass es auch mal einer von uns schafft". Aber am Ende geht es nicht darum, wo du herkommst, sondern es geht immer nur um die Musik, und was du wie erzählst und rüber bringst. Ich weiß jedenfalls nicht genau, wo unser Erfolg herkam. Auf keinen Fall saßen wir am Reißbrett und entwickelten Pläne, wie wir erfolgreich sein könnten, sondern wir machten das, was wir wollten und konnten. Wir hatten das Glück, ANNETTE HUMPE und UDO zu treffen und wir waren fleißig. Das alles zusammen war unser Erfolgsrezept und führte zu unserem Erfolg.

016 20140517 1221355384Die Zeit mit ANNETTE HUMPE war ja eine sehr erfolgreiche. Nicht nur das Debütalbum lief super, sondern auch das nächste und übernächste lief wie aus einem Guss. Hat ANNETTE sehr viel Einfluss auf Eure Arbeit genommen oder hattet Ihr das Zepter noch selbst in der Hand?
Ja, ANNETTE nahm sehr viel Einfluss auf die Platte und wir mussten uns mit ihr auch sehr viel streiten. Zum Beispiel bei "Gabi und Klaus", was ja eine reine A-capella-Nummer war. ANNETTE fragte uns irgendwann: "Wollt Ihr Kleinkunst machen, oder wollt Ihr Popmusik machen? Und wenn es Popmusik werden soll, müssen wir einiges anders machen". Von ihr kam dann auch die Grundidee, unseren A-capella-Gesang mit Schlagzeug-Grooves zu veredeln. Jeder kennt ja noch "Tom's Diner" von Suzan Vega. Da war ja dieser tolle Groove dabei, dieser klassische House-Groove. Den sampelte ANNETTE und legte ihn unter "Gabi und Klaus". Das haben wir also wirklich ANNETTE zu verdanken. Man muss sagen, sie hat uns zwar nicht vom Kopf auf die Füße gestellt, aber sie hat uns gezeigt, wo es lang geht, wofür wir ihr nach wie vor extrem dankbar sind.

In der Anfangszeit habt Ihr Eure Alben auch immer in zwei Versionen raus gebracht, nämlich einmal als reines A-capella und einmal mit Musik unterlegt.
Ja genau. Wir waren auch die einzige Band, die auf A-capella-Festivals einen Trommler dabei hatten, was dazu führte, dass die A-capella-Puristen vehement forderten: "Schmeißt den Trommler raus!" Diese Leute wollten wir halt mit den A-capella-Platten bedienen.

Eigentlich liest man ja immer und überall, dass DIE PRINZEN ein Quintett sind. Aber es zeichnete sich schon relativ früh ab, dass Tobias Künzel und Du die Frontleute seid. War das von Anfang an so festgelegt oder hat sich das erst im Laufe der Zeit so entwickelt, dass Ihr beide die Alphatiere wart, und der Rest der Band eher der Background?
Nein, so etwas kann man nicht künstlich erzeugen. Es geht einfach darum, wer schreibt die Songs, und wer ist das Sprachrohr nach draußen? Letztlich sind wir PRINZEN aber eine extrem demokratische Band. Wir sind nämlich nicht nur fünf Sänger, sondern wir haben auch noch einen Schlagzeuger und einen Bassgitarristen dabei, sind also insgesamt sieben Leute. Und alle Entscheidungen werden wirklich immer unter uns sieben getroffen, was zwar nicht immer leicht ist, sich aber sehr bewährt hat. Dass Tobias und ich nach außen hin wie die Chefs wirken, ist also nur bedingt der Fall. Wir wissen, dass das Mutterschiff DIE PRINZEN nur dann gut fahren kann, wenn alle Rädchen ineinander greifen.

Ich stelle mir das nicht einfach vor, über mittlerweile 23 Jahre eine solche Band zusammen zu halten. Es gab ja bei Euch niemals eine Veränderung im Line-Up, sondern Ihr seid immer noch in derselben Besetzung unterwegs, wie früher.
Es sind ja nicht nur die 23 Jahre, sondern noch eine viel längere Zeit. Jens ist ja der Letzte, der dazu gekommen ist. Er kam 1987 und ist immer noch "der Neue". Wir Anderen kennen uns noch viel länger, teilweise schon seit 1976. Das zusammen zu halten, ist natürlich schwierig, denn jeder Einzelne verändert sich mit der Zeit. Unser Geheimnis ist wahrscheinlich, dass wir uns diese Veränderungen auch zugestehen. Auch ist es bei uns nicht nur geduldet, sondern regelrecht erwünscht, dass man nebenbei noch andere Projekte macht, bei denen man sich austoben kann. Wenn wir uns diese lange Leine nicht gelassen hätten, wären wir uns bestimmt schon irgendwie aus dem Weg gegangen. Und so ist es gekommen, dass wir jedes Jahr eine große Tour machen, uns regelmäßig treffen, aber uns eben auch längere Zeit in Ruhe lassen. Wir versuchen wirklich, uns außerhalb der Tour aus dem Weg zu gehen, wo dann jeder sein eigenes Ding machen kann. Was ich jetzt gerade am Klavier gemacht habe, ist also auch so eine Art Therapie oder Egotrip, den ich mir leisten kann. Oder nimm Tobias, der schreibt nebenbei Musicals und trommelt in zwei anderen Bands. Und genau das halte ich für sehr wichtig, um sich nicht gegenseitig auf den Geist zu gehen.
Ich erinnere mich noch an einen Bruch ... Oder vielleicht kann man es nicht unbedingt als Bruch bezeichnen. Aber Ihr habt für das Album "Alles mit'm Mund" den Produzenten gewechselt. War die Zusammenarbeit mit ANNETTE HUMPE ausgelaufen?
Ich glaube, das war ein gegenseitiges Ding. ANNETTE hatte noch niemals vorher mit einer Band so lange zusammengearbeitet. Später dann nur noch mit ICH + ICH, wo sie auch vier Platten machte. Anfangs wollte sie nur eine Platte mit uns aufnehmen. Dann lief das aber alles sehr gut, wir verstanden uns auch prächtig und sagten, machen wir eben noch die zweite, die dritte und auch noch die vierte Platte. Irgendwann kam dann von beiden Seiten die Frage, ob wir uns nicht doch mal in irgendeiner Form verändern wollen. Es war also überhaupt nicht so, dass wir im Streit auseinander gingen. Es ist müßig, darüber nachzudenken, ob das nun gut oder schlecht, falsch oder richtig war. Wir haben immer noch einen sehr guten Draht zueinander, haben auch zwischendurch mal wieder ein paar Songs mit ihr produziert. Diese Beziehung lebt also noch und wir werden uns auch nie aus den Augen verlieren.

Ich hoffe, Du nimmst es mir jetzt nicht übel, aber ich fand dieses angesprochen Album damals überhaupt nicht gut. Ich werde auch heute nicht warm damit. Ich weiß nicht, ob es an STEFAN RAAB lag, der ja einen ganz eigenen Stil hat. Jedenfalls war das der Moment, als ich gesagt habe, das gefällt mir nicht mehr.
Tja, das ist schwer zu erklären. Zunächst einmal ist es ohnehin ein Phänomen, dass wir vier Platten am Stück gemacht hatten, die so erfolgreich gelaufen sind. Vielleicht waren wir damals ausgelutscht, vielleicht lag es wirklich an ANNETTE, vielleicht lag es auch daran, dass STEFAN RAAB eine andere Vorstellung davon hatte, wie wir klingen sollten. Man kann das wirklich nicht genau sagen. Es ist halt, wie es ist. Wir kamen ja zum "D"-Album noch mal mit ANNETTE zusammen und hatten wieder viel Erfolg. Musik ist für mich sowieso keine olympische Disziplin, wo es darum geht, Erster zu sein. Ich mag keine diesbezüglichen Rankings und ich mag auch keine Band-Wettbewerbe oder Contests. Niemand ist besser, sondern maximal anders, als die anderen. Natürlich hat STEFAN uns damals seinen Stempel und seine Handschrift verpasst. Aber er stand halt eher auf die amerikanische Musik, was man deutlich hört. Das jetzt aber als Flop zu bezeichnen, weil wir statt einer Million Platten nur eine halbe Million verkauft haben, finde ich dann doch etwas vermessen.

1999 hast Du Dich erstmals solistisch betätigt. So was macht man aber nicht aus dem Bauch heraus, sondern das plant man vorher, oder?
Nein, nicht unbedingt. Vielleicht war es damals wirklich an der Zeit, dass wir uns sagten, wir haben jetzt sieben, acht Jahre durchgeheizt, jedes Jahr eine Platte gemacht, und irgendwann war dann der Akku alle. Deshalb sagten wir uns, wir halten den Ball jetzt mal etwas flacher und jeder schaut ein bisschen mehr auf sich selbst. Und wer weiß, ob es uns heute noch als Band geben würde, wenn wir das damals nicht genau so getan hätten. Ich glaube schon, dass das eine Art Geheimnis ist, wenn wir uns eine Zeit lang in Ruhe lassen, um danach wieder Bock aufeinander zu haben. Anfang März waren wir alle eine Woche auf Mallorca. Wir wollten das nicht in Leipzig machen, weil da jeder wieder irgendwelche Termine gehabt hätte. So haben wir uns auf Mallorca ein Haus gemietet, viele neue Songs geschrieben und gemerkt, da ist noch jede Menge zwischen uns. Für mich war das sehr wichtig, denn wenn du ernsthaft Musik machst und das als Job siehst, dann solltest du sehen, dass du etwas anderes machst. Deshalb musst du zwischendurch auch mal etwas Anderes machen, um dir dein Feuer und deine Kreativität zu bewahren.

019 20140517 1720937789Habe ich das jetzt richtig verstanden, dass es in diesem Jahr noch etwas Neues von den PRINZEN geben wird?
Ich denke, eher Anfang nächsten Jahres. Im Frühjahr 2015 wird eine neue Platte kommen. Vorher gehen wir ab 26. August bis in den Oktober hinein auf große Tour, danach ins Studio und dann gucken wir, was weiter passiert.

Was liegt bei Dir noch an in diesem Jahr, abgesehen von den Sachen mit den PRINZEN? Du bist ja nicht nur musikalisch aktiv, sondern Du machst ja noch ganz viele andere Sachen.
Wir haben gerade wieder unser "Courage"-Fest in Leipzig gemacht, was wir schon seit 1998 veranstalten, weil damals die Nazis mit ihren Flaggen vor dem Wahrzeichen unserer Stadt, dem Völkerschlachtdenkmal, demonstrieren wollten. Wir planten damals, den Platz zu besetzen und daraus entstand dieses Festival. Es gab dabei Höhen und Tiefen, aber dieses Jahr am 30. April hatten wir tatsächlich 8.000 Zuschauer zu unserem Konzert auf dem Marktplatz in Leipzig, worüber wir sehr froh waren. Auf diese Weise konnten wir auch zeigen, wo wir politisch stehen. Das ist für mich eine wichtige Sache, dass man sich zu einer Sache oder einer politischen Grundhaltung bekennt. Ich habe jedenfalls keine Lust, es jedermann Recht zu machen, denn wenn Du "everybody's darling" bist, bist Du eben auch "everybody's Arschloch". Mir sind die Künstler am liebsten, die genau zeigen, was sie machen und wo sie stehen. Im November habe ich dann noch eine Sache vor mir, die ich total cool finde. Fritz Pleitgen und Ruprecht Eser haben mich angesprochen, ob ich mit ihnen zusammen im November auf der "Queen Mary" - diesem riesigen Kreuzfahrtschiff - nach New York fahre und dort an den Abenden mit ihnen eine Art Talkshow mache über diverse Themen. Das finde ich natürlich ziemlich spannend, mit diesen beiden Urgesteinen etwas machen zu können. Aber auch die Fahrt mit dem Schiff nach New York, wie die Menschen es vor hundert Jahren gemacht haben ... Du kommst an, die Freiheitsstatue wird immer größer ...

Du bist nicht nur musikinteressiert, sondern Du interessierst Dich auch für Fußball. Leipzig hat jetzt ja wieder eine Profimannschaft.
Ja!!! Das finde ich großartig, aber ich weiß auch, dass die Meinungen dazu weit auseinander gehen. Manche sagen, das sei eine kommerzielle, künstlich gemachte Mannschaft, ein Verein, der gerade mal fünf Jahre alt und mit einem großen Sponsor ausgestattet ist. Das kann man alles drehen, wie man will. Ich war beim vorletzten Spiel dieser Saison im Stadion, wo wir den Aufstieg klar gemacht haben. Und Du merkst schon, ich rede von "wir". Ich sehe das ganz klar so, Leipzig braucht eine Mannschaft, die oben mitspielt und ich bin total froh, dass wir den Aufstieg geschafft haben. Am Samstag war es mit 42.000 Zuschauern fast ausverkauft. Und ich denke, wenn nächste Saison Teams wie St. Pauli, Kaiserslautern oder vielleicht sogar der HSV in Leipzig antreten, werden wir volle Hütte haben. Und auch ich werde dann oft im Stadion sein.

Das stimmt schon. Es stört Dich aber nicht, dass der Verein keine Vergangenheit oder Tradition hat, sondern Du bist einfach nur Lokalpatriot und freust Dich, dass Leipzig wieder da oben mitspielt.
Wenn man es anders hätte machen können, wäre es natürlich auch schön gewesen. Die Frage ist doch, was ist an Tradition eigentlich so positiv? Ich kenne jemanden, der war jetzt gerade in Rostock beim Spiel von Hansa Rostock gegen RB Leipzig. Da kam es auch wieder zu Ausschreitungen. Und bitte verstehe mich jetzt nicht falsch, denn ich weiß ja, man darf nicht alle über einen Kamm scheren. Aber gerade im Osten sind einige Vereine dafür bekannt, dass sie extrem aggressive Fans haben. Mein Bekannter sah diese Ausschreitungen und meinte danach zu mir: "Ist das jetzt Tradition? Ist das gut?" Man kann das also alles von verschiedenen Seiten sehen. Auch wenn ich mich bei vielen Leuten in die Nesseln setze: Ich bin bekennender RB Leipzig-Sympathisant. Unsere Fankultur funktioniert gut, wir haben keine gewalttätigen Leute dabei, was ich sehr wichtig finde. Und gucke Dir die anderen Vereine der Bundesliga an, da kommt keiner ohne Sponsor aus. Klar werden Vereine wie Bayern München oder Dortmund immer mehr haben, als Freiburg oder Mainz, aber am Ende geht es doch nur darum, guten Fußball zu spielen und den Verein so zu führen, dass er wirtschaftlich und sportlich bestehen kann. Da sind wir in Leipzig auf einem sehr guten Weg.

Dann wünsche ich Dir als Fan von RB Leipzig viel Spaß in der neuen Saison. Damit sind wir auch schon am Ende unseres Interviews. Ich hoffe, ich habe alle Bereiche abgedeckt. Hat man Dich als Musiker eigentlich schon alles gefragt, was Du mal gefragt werden wolltest? Oder gibt es immer noch eine Frage, auf die Du wartest?
Nein, ich warte auf keine spezielle Frage. Ich antworte auf die Sachen, auf die ich antworten will und versuche dabei, private Dinge rauszuhalten, weil das niemanden etwas angeht. Ansonsten kann man mich wirklich alles fragen, denn es gibt keine dummen Fragen, höchstens dumme Antworten.

Herzlichen Dank für das Gespräch. Ich wünsche Dir mit Deiner Tour noch viel Erfolg und hoffe, dass wir uns bald mal wieder unterhalten können.


Interview: Christian Reder
Bearbeitung: mb, tormey
Fotos: Archive Sebastian Krumbiegel + Deutsche Mugge, Große Freiheit Music, BMG/SONY, sonst. Pressematerial

 

 


   
   
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