Kleinstadt-Blues 1982

mit Stefan Diestelmann

Autor Hartmut Helms, Fotos: Hartmut Helms

 

Kleinstadt-Blues am 26. Juni 1982 – damals war’s...
Da, wo heute hinter der Elsterwerdaer Sparkassenfiliale ein großer zubetonierter Parkplatz Kunden- und Firmenautos sortiert, dort, wo sich Apotheke, Buchhandlung und diverse Shops aneinanderreihen und gegenüber die Post, ein Blumenladen, eine Krankenkasse ihren Sitz haben – also unter den Betonplatten all dieser Neuwendegesteinsmonumente – dort war vor 1989 einfach nur eine große Gras- und Sandfläche.

An der Ecke befindet sich noch heute ein großes Klinkergebäude, in dem sich bis zur Wende die örtliche Zentrale der Deutschen Post befand. Das weite Areal war demzufolge auch der Postplatz. Hier traf man sich, wenn der Zirkus in der Stadt gastierte oder manchmal auch, wenn jemand Lust hatte, mit einem Fußball in der Gegend rumzubolzen oder mit seinen Kindern mitten in der Stadt einen Herbstdrachen in die Lüfte zu schicken. Alltag eben - damals.
 

Ein übereifriger Bürgermeister, der Kunst und Künstler fördern und sich selbst profilieren wollte, hatte schon Ende der 70er dafür gesorgt, daß an der Stirnseite des Postplatzes in Richtung Bahnhof eine Betonfläche mit gemauerter Rückwand plus einem „künstlerischem Putz“ entstanden war. Dieses Betonpodium wollten wir nutzen und den Postplatz mit der Bluesmusik von Stefan Diestelmann live beschallen. Der Blues erlebte damals in der DDR ein stilles und geduldetes Revival und Diestelmann hatte es verstanden, sich dabei gut in Szene zu setzen. Die Fans und die „Kunden“ liebten ihn und wir wollten das für unsere Musikleidenschaft nutzen.

Es war der 26. Juni 1982 und das Wetter für das Vorhaben bestens geeignet. Wir mußten den Postplatz nicht absperren, wir brauchten keine FDJ-Ordner (das konnten wir selbst und besser) und das Klavier auf der Betonbühne war auch gestimmt. Warum wir problemlos eine Veranstaltungsnehmigung bekamen, kann ich mir bis heute nicht erklären.
Als Stefan Diestelmann in Begleitung von Alexander Blume kam, hatten sich auch die ersten Fans eingefunden und sich in Tramper-Manier auf dem Rasen gut eingerichtet, so wie es üblich war – damals.

 

Was dann folgte, war ein fröhlicher Blues-Nachmittag inmitten eines kleinen Provinzstädtchen am Rande des damaligen Bezirkes Cottbus. Diestelmann spielte sich durch das Repertoire seiner beiden Amiga-LP’s und zelebrierte den einen oder anderen Blues von der „Reichsbahn“ oder der „Guten Erziehung“ schon mal mit ziemlich süffisanten Zwischentexten. Die „Kunden“ und die Fans klebten beim „Alten und der Kneipe“ an seinen Lippen oder tanzten auch schon mal bei „Caldonia“ barfuß im Staub und Gras. Jugendleben a la DDR – wie es damals auch war.

 

Das alles, die alten Häuser im Hintergrund und der stampfende Blues auf einer Betonplattform, hatte etwas besonderes und, wie ich heute weiß, auch etwas einmaliges. Das war zwar kein Baumwollfeld im Süden Amerikas, aber so dreckig und staubig war der Postplatz damals allemal. Der langhaarige Blueser und Sänger mit seiner Gitarre dort oben und der Mann am Klavier daneben, das hatte auch etwas unwirkliches. Für eine reichliche Stunde, wie in einer fremden Welt, machte der Fortschritt des Sozialismus in Elsterwerda eine kleine Verschnaufpause – das kam oft vor, damals.

Das Konzert lief in guter Stimmung aber ganz stinknormal ab und erschreckend gesittet auch. Als Diestelmann und Blume sich verabschiedeten, war der Postplatz auch ziemlich schnell wieder leer. Nur die leeren Flaschen blieben zurück – wie heute.
Meine eigentlichen Erinnerungen sind die unvergeßlichen Stunden danach. Wir sind anschließend mit den beiden Musikern zu unserem Klub „DIE STUBE“ gefahren. Der war ein von uns umgebauter kleiner Laden, in dem wir regelmäßig Veranstaltungen durchführten konnten und uns trafen. Dort hat sich dann Stefan Diestelmann seine Klampfe auf’s Knie gelegt und Alexander Blume hat sich ans Klavier gesetzt. Bis spät in die Nacht (oder war es schon morgens?) wurde gesungen, geredet, diskutiert und endlos lange Blues & Boogie Woogie gespielt und gehört.

 

Dort, wo auch Hans „Die Geige“, Gundermann, Keimzeit, Gerhard Schöne, „Mampe“ Ludewig und viele andere mit uns gefeiert hatten und Erinnerungen mitnahmen, dort klang dieses Blues-Happening im kleinen Kreise und mit Freunden aus.
Dort, in der Elsterwerdaer „STUBE“ gegenüber meiner Wohnung in der Breitscheidstraße habe ich viele schöne Momente meines Lebens gemeinsam mit Freunden erleben dürfen – damals. Manchmal, wenn ich Ralf, Witto, Manu, Hannes, Rossi, Steffen oder „Mäuschen“ in der Stadt treffe, halten wir inne und wir schwelgen für einen Moment in Erinnerungen und wahrscheinlich ist uns dann immer ein kleines Lächeln in die Gesichter gemalt – heute noch!


 

Foto-Impressionen:


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