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Ein Nachruf von Christian Reder (Fotos: Familie Kotowski privat)



Wenn Dir einer was über die Anfangszeit der Beat- und Rockmusik in Deutschland erzählen konnte, dann war das Henry Kotowski. Er war schon früh dabei, startete in den 50er Jahren des letzten Jahrhunderts seine Karriere bei einer Dixieland-Band und wandelte danach auf den Spuren der Shadows, als er sich dem Franke Echo Quintett anschloss. Aus Musikern der Telstars gründete er dann 1964 die SPUTNIKS, die als "Beatles des Ostens" galten und die die Jugend der DDR begeisterte. Zwar wurde die Band nach nur zwei Jahren verboten, ist den Leuten aber über all die Jahre im Gedächtnis geblieben. Kotowski wechselte später die Bands und die Musikrichtungen, so trommelte er bei Klaus Lenz in dessen Jazz-Band, machte als Solist Popmusik und sang zusammen mit Peter Paulick als Duo Peter & Cott'n Country- und Folksongs. Nachdem er Mitte der 80er die DDR in Richtung BRD verließ, widmete er sich ausschließlich der Country-Musik. Aber Berlin, seine alte Heimat, und seine Wurzeln im Beat/Rock ließen ihn nie los. Die Mauer fiel, und ab 1994 zog es Cott'n dorthin zurück, wo für ihn alles begann. Seitdem gab es auch die SPUTNIKS wieder, die er wiederbelebte und mit denen er bis zuletzt auch live aufgetreten ist. Zum 50. Bandgeburtstag erschien 2014 bei Hansa/Amiga noch die Doppel-CD "50 Jahre Sputniks".

003 20190705 1940070044Henry "Cott'n'" Kotowski war mit fast 75 Jahren eben Zeuge einer Zeit, in der die Grundlagen für die heutige Musikszene gelegt wurden. Auch wenn diese Szene so gar nichts mehr mit der zu tun hat, die Cott'n einst mit gestaltet hat, so war er ohne Zweifel ein Wegbereiter für heutige Künstler und Bands. Er konnte darüber erzählen, wie man sich von kleinen Amateurbands langsam und Stück für Stück hocharbeiten, und sein Handwerk dafür noch richtig hart lernen musste. Es gab keine Computer, an denen man in "Wohnzimmer-Productions" mal eben ganze Alben füllen konnte, und auch keine Produzenten, die einem den passenden Sound auf den Leib schneiderten. Er gehörte der Generation an, die um überhaupt auftreten zu können erstmal ein Studium zu absolvieren hatten. Dieses Studium absolvierte er zwar nicht ganz freiwillig, es war ja immerhin eine Voraussetzung um als Musiker arbeiten zu können, aber er schloss es ab und nutzte das sich angeeignete Wissen für sich. Dass so eine Ausbildung nicht schaden kann, konnte man seiner Arbeit - egal wo er sie verrichtete - auch gut ablesen. Neben seinem Talent, seiner höchsten Professionalität und seiner Kreativität, bestach Henry Kotowski aber auch durch ein absolut freundliches Wesen. So wie ich ihn kennenlernen durfte, war "Cott'n" ein humorvoller Mann, der gerne lachte und der eben auch gerne über die alten Zeiten sprach. Dies tat er, ohne dabei in eine "früher war alles viel besser"-Stimmung zu verfallen, sondern um seine Zuhörer zu unterhalten und ohne auch nur ein böses Wort über "Saboteure" und "Steine-in-den-Weg-Legern" zu verlieren aufzuzeigen, wie groß die Unterschiede nicht nur in der Zeit lagen, sondern auch in beiden deutschen Staaten waren. Selbst bei all den Scherereien, die man ihm und seinen Mitmusikanten in den 60ern und auch danach noch bereitete, blickte er nicht zornig auf diese Zeit zurück, sondern empfand jede Unwegsamkeit als Chance für etwas Neues. Und diese Chancen nutzte er immer wieder, hinterließ seine Spuren in verschiedenen Bands und Projekten, und natürlich auch auf vielen Tonträgern.

Henry Kotowksi litt zuletzt an einer Immunschwäche. Eine Erkältung verlief so schwer, dass er Ende des letzten Jahres in ein Krankenhaus eingeliefert werden musste. Dort infizierte er sich dann auch noch mit einem Krankenhauskeim, der ihm massiv zusetzte. Die Nieren hörten auf zu arbeiten und auch die Lunge wurde in Mitleidenschaft gezogen. Praktisch ein halbes Jahr verbrachte Cott'n im Krankenhaus, lag auf der Intensivstation und kämpfte tapfer gegen das ihm zugedachte Schicksal. Man weiß nicht, wie es zuletzt in seinem Seelenleben aussah, aber ganz offenbar nahm er auch diese Situation mit einer gehörigen Portion Humor hin. Wenn er sich mal vom Krankenbett aus über sein Konto bei einem sozialen Netzwerk meldete, bedankte er sich bei den Freunden und Fans für ihre Unterstützung und dafür, dass sie an ihn denken. Von seinem Aufenthalt im Hospital schrieb er so, als habe er sich in einer Autowerkstatt befunden. Im April schrieb er z.B., dass die Wartungsarbeiten an ihm noch nicht abgeschlossen seien und "Motor, Pumpen, Kolben und Leitungen eine Generalüberholung" bräuchten. Im Mai schrieb er uns voller Zuversicht, dass er es schaffen würde und Anfang Juni ließ er uns wissen, dass er nach 126 Tagen endlich die Intensivstation verlassen habe und auf seine Reha warten würde. Aber all das Hoffen und Daumendrücken war umsonst, denn Cott'n hat am 4. Juli 2019 für immer seine Augen geschlossen. Der Körper hatte nichts mehr zuzusetzen und die Kraft verließ ihn. Wer so lange kämpft, nicht aufgibt und sowohl seiner Familie als auch dem Publikum noch einiges geben wollte, hätte ein anderes und vor allen Dingen noch weit in der Zukunft liegendes Ende verdient gehabt. Leider kann der Mensch aber nur wünschen, nicht aber in Verläufe eingreifen. So nehmen wir wieder einmal die Nachricht über das Ableben eines unserer Künstler, Freunde und Kollegen zur Kenntnis und werden nicht nur ihn, sondern auch seine Band SPUTNIKS vermissen, die wohl mit ihm gestorben sein dürfte.

Ein weiteres Kapitel schloss sich mit dem gestrigen Tag. Der, der uns so viel über eine Zeit der musikalischen Veränderungen erzählen konnte, kann dies nicht mehr tun. Einer, der uns ein Stück weit in eine andere Zeit versetzen und uns den besonderen Duft dieser Zeit in die Nase wehen lassen konnte, kann uns nun nicht mehr zu einer so besonderen Reise einladen. Und jemand, der den speziellen Sound in seiner Musik hatte, kann uns diesen nun nicht mehr spielen. Mehr noch: Er kann nicht mehr für seine geliebte Partnerin Juliane, seinen Hund Herrn Schmidt, den er so sehr liebte, und seine Kinder und Enkelkindern da sein, die ihm alle im Leben so wichtig waren und die bis gestern so sehr gehofft haben, ihn noch länger bei sich haben zu dürfen. Ihnen gilt mein tief empfundenes Beileid und die auf diesem Wege übermittelte Botschaft, dass es uns allen eine Ehre war, jemanden wie Henry "Cott'n" Kotowski gekannt zu haben, und ein Stück seines Weges mit ihm gemeinsam gegangen zu sein. Egal, wie lang diese Wegstrecke war ...



Bitte beachtet auch:
• Interview mit Henry Kotowski aus 08/2015: HIER






Videoclips:







   
   
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