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Ein Beitrag von Christian Reder (Fotos: K&P Music GmbH



Wenn man längere Autofahrten zum Arbeitsplatz hinter sich bringen muss ist es immer gut, wenn man ausreichend Musik an Bord hat. Im Jahre 1997 war ich zur Weiterbildung vom Frühling bis in den Herbst für ein halbes Jahr an der Justizakademie im ostwestfälischen Brakel "stationiert" und hatte dort einen Zweitwohnsitz.002 20170902 1383441495 Zum Pendeln war die Strecke einfach zu weit. Montags morgens ging es in aller Herrgottsfrühe Richtung OWL (Ostwestfalen), mittwochs gegen Mittag zurück nach Hause, donnerstags am Morgen wieder hin und freitags gegen Mittag wieder heim. Auf diesen im Laufe der Zeit immer eintöniger werdenden Autofahrten haben mich ganz viele Musiker und Bands mit ihren Ergebnissen harter Studio-Arbeit begleitet und bei Laune gehalten. Sie sorgten überwiegend für gute Laune, denn die war zu der Zeit eher selten. Ich war nicht gerne in dieser "Kaserne", der Lehrstoff war auch alles andere als prickelnd und man stand auf den Fahrten nicht selten auch mal im Stau. Dankbar für echt gute Momente bin ich daher der Gruppe Karat, die damals das Album "Balance" rausbrachte, das sich direkt nach dem Einkauf im CD-Wechsler meines Autos wiederfand. Ebenso neu und pressfrisch landete dort das Album "Frei wie die Geier" von den PUHDYS, das mir ein Arbeitskollege damals von einer Tankstelle im Osten mitbrachte. Ich weiß noch, dass ich die Scheibe hier nirgendwo bekommen habe, weil sie das Ding zuerst über diese Tankstellenkette ausschließlich in den "neuen Bundesländern" vertrieben haben, bevor es in den Handel kam. Auch einige internationale Sachen landeten im Wechsler. Ein Album aber lief in der Zeit besonders häufig (und laut) in meinem Auto: "Rauchzeichen" von der Gruppe CITY.

Es war das erste Lebenszeichen der Band seit der Wende. Nicht ganz, man hatte '92 ja ein sehr erfolgreiches Best Of-Album auf den Markt gebracht, das später sogar Platinstatus erreicht hatte. Aber was neues Songmaterial betrifft, war "Rauchzeichen" damals eben tatsächlich ein erstes "Rauchzeichen". Einige Jahre vorher war CITY auch Stammgast in meinem Programm als Schallplattenunterhalter (DJ). Ihr Megahit "Am Fenster" wurde von einigen Griechen und Fußballspielern eines lokalen Clubs zur freitäglichen Wochenend-Einläutung gewünscht. Die Jungs kamen nach dem Fußballtraining in den Laden, in dem ich damals auflegte, und wollten feiern. Der Song gehörte zu ihrem Repertoire, nachdem sie das Feiern nach Feierabend am besten konnten. Angesteckt wurden sie aber von den eben erwähnten Griechen, die sich das Lied irgendwann mal wünschten. In ihrer Heimat war "Am Fenster" vor Jahren ein großer Hit - die Geschichte ist hinlänglich bekannt.003 20170902 1072675069 Man kann sich anhand dieser Reaktionskette ungefähr vorstellen, wie anderenorts Hits entstehen ... So lernte ich auch CITY näher kennen, legte mir ihre Alben zu, die ich als West- und Ost-Pressungen in einem Bochumer An- und Verkaufsladen für Platten und CDs fand und verguckte mich in so manchen Song, den die Berliner Band über die Jahre eingespielt hatte. Von daher war es selbstverständlich, dass auch Jahre später "Rauchzeichen" den Weg in mein heimisches Musikregal finden würde. Auf den schon erwähnten längeren Autofahrten im Jahre 1997 entwickelte sich "Rauchzeichen" zum beliebtesten Album und die darauf enthaltenen Lieder zu echten "Gute Laune"-Nummern. Vorher und nachher hatte ich noch nie einen Titel wie "Komm und trink aus" gehört. So wunderbar, wie dem "Gehörnten" da all die Vorteile der Trennung von seiner Partnerin und die Tatsache, dass sein Kumpel nun an dessen Stelle die Dame beglückt, beigebogen wird, dürfte einzigartig sein. Auch "Lieben und lieben lassen", das die Band 2012 nochmals auf ihrem Album "Für immer jung" neu veröffentlichte, konterte die Schwerkraft und ließ die Mundwinkel nach wenigen Takten von allein nach oben gehen. Das Album beginnt mit dem Titel "Mach was", bei dem es sofort nach dem Start rockmäßig voll eins auf die Zwölf gibt. Bass und Schlagzeug treiben die Gitarren wie der Wind vor sich her und liefern ein brummendes und hämmerndes Grundgerüst, das ein leises Hören gar nicht zulässt. Apropos Bass: Es war damals auch ein Wiederhören und Wiedersehen mit Joro Gogow, der die Band 1982 ja bekanntlich im Streit verließ und CITY ohne echten Bassisten zurückließ. Während er dann bei NO55 weiter als Musiker aktiv war, erledigte Manne Hennig den Job als CITY-Bassist mit Tönen vom Mikrochip. Beim Vorgänger-Album "Keine Angst" (1990) drückte Peter Rasym dann die tiefen Töne ins Arrangement, jetzt war aber Gogow wieder da. Und der Fan freut sich natürlich, wenn die Originalen zusammenspielen. Dem Opener folgt auf "Rauchzeichen" der gleichnamige Song, der ebenso treibend wie das erste Stück den Finger in die Wunde aller Fans rockmusikalischer Darbietungen legt. Und so reiht sich eine Perle an die andere, bringt dem Musikfreund neben den schon erwähnten Rock-Kloppern auch herrliche Instrumental-Stücke ("Tour d'amour", "Sehn-Sucht"), vom Folk angehauchte Popnummern ("Deutsch, russisch, englisch"), verträumte Hymnen ("Ganz leicht"), Anwärter für die nächste Klammerblues-Runde ("Lass mich in Deine Träume") und auch unerwartete Stücke wie z.B. "Sieben Söhne" mit seiner nie enden wollenden Geschichte zu Gehör. Zuletzt genannter Song schließt das Album auch ab. Diese angejazzte und dynamische Nummer steigert sich immer weiter und man kommt gar nicht drum herum, mit den Füßen zu wippen und mit den Händen den Takt zu klopfen. Ich überlasse es Eurer Fantasie, wie das beim Autofahren aussieht. Die Songs dieses Albums kann ich seitdem auch auswendig.

001 20170902 1275605704Das Plattenlabel AMIGA versetzte mich jetzt wieder zurück in diese Zeit, denn das hier so ausführlich beschriebene Album wurde nun erstmals auf Schallplatte veröffentlicht. Es steckt, zusammen mit den 80er Klassikern "Casablanca" und "Unter der Haut", in der Box "CITY Vinyl Edition". Damit schließt sich übrigens auch ein Kreis, denn mit "Das Blut so laut" kam einen Monat zuvor (April 2017) das aktuelle Studioalbum der Band auch auf Vinyl heraus. Und das knüpft ja bekanntlich an die Scheibe "Unter der Haut" an. Auf jeden Fall ist diese Vinyl-Box, genau wie die von mir schon vorgestellte SILLY- und die ebenfalls erschienenen PUHDYS- und KARAT-Boxen (siehe unten), etwas für den Genießer. Anders als die CD, die man sich "mal eben" in den Player schiebt, wird man diese Schallplatten anders hören. Die Platten kommen in einer großen Hochglanz-Box. Jedes Album im 12" Cover mit bedruckter Innentasche, auf der jeder einzelne Text der darauf befindlichen Lieder zu finden ist. Für den Sammler besonders interessant sind die beiden West-Plattencover, das "Stecknadel"-Cover der "Unter der Haut"-LP und das "Kleiderständer"-Cover der "Casablanca"-Platte, denn auch diese sind in der Form erstmals so zu haben. Diese beiden Cover erschienen damals nämlich in der BRD beim Label Teldec/Pool und bei dieser Wiederauflage tragen sie nun das AMIGA-Logo. Quasi eine "Wiedervereinigung" auf Plattencover-Ebene. Wer sich noch Zeit für die Musik nimmt, den warmen Klang einer Schallplatte zu schätzen weiß und beim Hören gern die Texte mitliest, ist mit dieser Box bestens bedient. Nur für längere Autofahrten sind die großen schwarzen Scheiben nicht geeignet. Sie wollen eher in den eigenen vier Wänden, in passenden Momenten und in Ruhe genossen werden. Ich wünsche viel Spaß dabei, ich hatte ihn schon mehrfach.



Alle Vinyl-Editionen auf einen Blick:
Zum Vergrößern der Cover bitte anklicken

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CITY:
• LP "Unter der Haut"
• LP "Casablanca"
• LP "Rauchzeichen"

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KARAT:
• LP "Albatros"
• LP "Schwanenkönig"
• LP "Der blaue Planet"

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PUHDYS:
• LP "Puhdys 1"
• LP "Perlenfischer"
• LP "Computer-Karriere"
• LP "Neue Helden"
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SILLY:
• LP "Bataillon d'Amour"
• LP "Hurensöhne"
• LP "Paradies"



 
 

   
   
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