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Ein Beitrag von Christian Reder. Fotos: Herbert Schulze
 

Am Mittwoch, den 20. November 1991, ist das Wetter genauso, wie man sich einen November vorstellt: Nass, kalt und grau. Das passt zum Gefühl, das Millionen Menschen nach den Nachrichten des Tages beschleicht: "Helga Hahnemann ist heute im Alter von 54 Jahren gestorben."

Als die "Henne" im Jahre 1959 ihr erstes Engagement beim Leipziger Kabarett "Pfeffermühle" hatte, war sie gerade mal 21 Jahre alt und kein Mensch hätte damals gedacht, dass sie einen dermaßen großen Kult-Status schon zu Lebzeiten erreichen würde. Ehrgeizig sei sie gewesen, so eine Kollegin von damals. 
Das Ziel vor Augen wurde konsequent am Erfolg gearbeitet. Beruflich auf sich selbst bedacht, und ohne Blick nach links oder rechts, privat ein Kumpel, mit dem man um die Häuser ziehen konnte. Im Jahre 1961 ging es beruflich von Sachsen zurück in ihre Heimatstadt Berlin. Es folgte der Frontalangriff auf die Spitze der Unterhaltungsprogramme und Hitparaden. Sie eroberte zuerst die Theaterbühnen, dann das DDR-Fernsehen und zuletzt auch die Aufnahmestudios und Wertungssendungen der DDR. Mal frech ("Jetzt kommt dein Süßer", "Wo is mein Jeld"), mal mit viel Gefühl ("100 Mal Berlin", "Een kleenet Menschenkind") sang sie Lieder, die ihr Arndt Bause auf den von ihr selbst oft thematisierten fülligen Leib textete. Sie sind aber nur ein Teil des Gesamtkunstwerks Hahnemann. In stets hintergründigen und intelligenten Sketchen griff sie an die Lachmuskeln des TV-Publikums und sprach damit auch ihre Köpfe an. Manchmal so saukomisch, dass selbst sie dabei nicht ernst bleiben konnte. Die Hahnemann war schnell so bekannt, wie der berühmte "bunte Hund". Sie trat im Berliner Friedrichstadt-Palast auf, hatte mit "Helgas-To(p)-Musike" eine eigene Radioshow, moderierte die beliebte TV-Sendung "Ein Kessel Buntes" und lieh ihre Stimme als Synchronsprecherin der aufgescheuchten Figur Yvonne Jensen, Kjelds Frau, aus den "Olsenbande"-Filmen. Mit einer unglaublichen Leichtigkeit, die man ihr aber ohne Weiteres abnahm, erreichte die "Henne" ihr Publikum und war eben diese Kultfigur ... eine Legende zu Lebzeiten. All diese Erfolge, die in ihrer Vita zu finden sind, verdecken allerdings ein bisschen die Tatsache, dass sie Ende der 80er, als die DDR schon im Sterben lag, das Missfallen der Obrigkeit zu spüren bekam. Die Hahnemann nahm nie ein Blatt vor den Mund, sagte stets ihre Meinung über die ihrer Meinung nach verfehlte Politik ihres Landes laut und äußerte diese gern mal direkt oder auch versteckt öffentlich auf der Bühne. Ihre Auftritte wurden ab 1989 weniger ... und das war vermutlich gesteuert. An Silvester 1991, als die DDR und die BRD schon wieder ein Land waren, und keiner ihr mehr den Mund verbieten konnte, sollte sie einen großen Auftritt als Gastgeberin einer großen Show haben. Die Planungen liefen bereits, da starb die "Henne" im November des Jahres ...

Das ist heute auf den Tag genau 25 Jahre her. Die Hahnemann hinterließ eine große Lücke auf dem Gebiet der Unterhaltungskunst. Ihre alten Sketche laufen noch heute in der einen oder anderen Rückblick-Sendung. Ab und an verliert sich auch nochmal eines ihrer Lieder im Radioprogramm. Auch eine Straße wurde nach ihr benannt. Sie liegt im Zentrum von Berlin und war lange Jahre eher ein Trampelpfad mit Bauzäunen als eine Straße. Ob sie inzwischen fertiggestellt ist, entzieht sich meiner Kenntnis. Seit 1995 wird zudem jedes Jahr ein Medienpreis an Personen aus den Bereichen Politik, Kultur, Sport und Massenmedien vergeben. Was anfangs eine gute Idee war, weil es an "die Henne" erinnerte, ist heute von der Hahnemann so weit entfernt wie die Erde vom Mond. Aber wen stört das in der heutigen Gesellschaft schon, wo Glanz, Glamour und Oberflächlichkeit das Fehlen von Talent, Qualität, Kreativität und handwerklichem Können überstrahlen. Es gibt Künstler aus der Szene, 
die der Henne sehr nah standen, aber bis heute nie einen der Auszeichnungen erhalten haben. Die Geschichte mit der "Henne für Reinhard Fißler" dürfte unseren Lesern ja noch bekannt sein. Pikantes Detail am Rande: Helga Hahnemann hat selbst auch nie eine "Henne" bekommen, obwohl man ja schon mehr als 20 Mal die Gelegenheit hatte, ihr posthum eine zu verleihen. Dafür haben andere, die nichts mit ihr zu tun hatten, schon so viele von den Dingern zu Hause, dass sie damit einen Handel aufmachen könnten. Dass dies alles nicht im Sinne von Helga Hahnemann sein kann, erklärt sich von selbst.

Der 20. November 2016 ist ein Sonntag - Totensonntag. Das Wetter ist ebenso nass, kalt und grau wie damals und man hofft nach diesem seltsamen Jahr, dass heute nicht wieder eine dieser Meldungen in den Nachrichten kommt. Im nächsten Jahre wäre Helga Hahnemann 80 Jahre alt geworden. Was wäre wohl, wenn sie 1991 nicht ... und heute immer noch ... ach ... diese Frage darf sich jeder selbst stellen und der Phantasie freien Lauf lassen. So hat jeder Leser die Gelegenheit, heute an ihrem 25. Todestag mal wieder intensiv an die Hahnemann zu denken, die vielen Leute frohe Stunden und Muskelkater am Zwerchfell beschert hat. Henne, es gibt noch immer Leute, die an Dich denken und Dich auch vermissen. Bei denen Du noch immer allgegenwärtig bist und die Dich nie vergessen werden. Dafür braucht es keinen goldlackierten Bronzeklotz und großes TammTamm!



 
Videoclip:

Ausnahmsweise mal keine Musik ...






   
   
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