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Text: Reinhard Baer (25.01.2012) | Fotos: Reinhard Baer

 
 
Am 3. Dezember 2011 löste ein Sprengmeister die Detonation aus, welche das Dach der Deutschlandhalle in Berlin zum Einsturz brachte. Damit wurde aber nicht der Abriss dieses Gebäudes eingeleitet, denn der hatte schon eher begonnen. Als ich mich am 28. November in Richtung Wühlmäuse bewegte, um beim Clubkonzert von KARAT dabei zu sein, machte ich vorher, als es noch hell war, einen kleinen Abstecher zur Deutschlandhalle.
 
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Das Gebäude war von einem Bauzaun umgeben und Bauschuttcontainer standen auf dem Gelände, einige bereits mit Schutt gefüllt. Der Bauschuttverwerter hatte ein großes Werbebanner oben an der Eingangsseite angebracht und einige Teile des Gebäudes lagen schon in den Containern bzw. auf Schutthaufen. Ich habe noch einige Fotos geschossen, denn so würde ich die Deutschlandhalle sicherlich nicht mehr sehen können. Am 23. Januar 2012 besuchte ich die "Grüne Woche" und bevor ich mich in das Gedränge auf dem Messegelände stürzte, wurden nochmal einige Fotos geschossen, denn jetzt hatten die Abrissbagger schon ganze Arbeit geleisstet. Als ich auf eine Beetumrandung stieg, um bessere Sicht auf das zu haben, was da passiert, ging hinter mir eine ältere Frau vorbei und bemerkte: "Nun wird sie abgerissen, und was haben wir darin alles erlebt".

 

Vom Messegelände selbst konnte ich in das Innere der Halle blicken. Man sah das Oval und die Sitzreihen. Die Überkopflader und die Bagger brachen Stück für Stück ab und luden es auf Laster bzw. in Container. Um es vorneweg zu sagen: ich möchte jetzt nicht diesen Abriss kritisieren. Ich denke und hoffe, die entsprechenden Leute im Senat haben diese Entscheidung gut durchdacht. Es ist nicht die erste Halle, die abgerissen wurde und sicherlich auch nicht die letzte. Immerhin sind auch neue Veranstaltungsorte in Berlin gebaut worden. Als Nicht-Berliner steht mir wohl auch eine Kritik dieser Maßnahme nicht zu. Bis 1989 war dieser Veranstaltungsort ohnehin Niemandsland, es sei denn das (West)-Fernsehen hat aus der Deutschlandhalle irgendetwas übertragen, z.B. "Menschen - Tiere - Sensationen" oder Sportwettkämpfe. Ich möchte hier lediglich einen kleinen geschichtlichen Überblick über die Deutschlandhalle geben und kurz schildern, woran ich bei dem Namen Deutschlandhalle so denke.

 

Mit dem Bau der Deutschlandhalle wurde 1935 begonnen und die Einweihung fand 1936 im Beisein Hitlers statt. Damals galt die Deutschlandhalle als die größte Mehrzweckhalle der Welt, und das freitragende Dach war eine architektonische Meisterleistung. Zahlreiche Wettkämpfe der Olympiade 1936 wurden in dieser Halle ausgetragen (Ringen, Boxen, Gewichtheben u.v.a.m.) und die Nazis führten in der Halle Propagandaveranstaltungen durch. Bei einem Luftangriff auf Berlin 1943 wurde die Deutschlandhalle zerstört. Nach dem Krieg begann der Wiederaufbau und 1957 konnte der damalige Regierende Bürgermeister Willy Brand die wiederaufgebaute Deutschlandhalle eröffnen. Seitdem fanden hier wieder Sportveranstaltungen statt, und Weltstars gaben sich die Klinke in die Hand. Zu nennen wären hier z.B. die Rolling Stones, Jimi Hendrix, Frank Zappa, David Bowie, AC/DC, The WHO, Frank Sinatra u.v.a.m. Unbedingt erwähnt werden muss auch das unmittelbar nach dem Mauerfall kurzfristig organisierte Konzert von Künstlern aus Ost und West, welches am 12. November 1989 stattfand. Mit dabei waren Udo Lindenberg, die Puhdys, Silly, Nina Hagen, die Toten Hosen, BAP...

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1998 schloss man die Halle wegen baulicher Mängel. Zwischenzeitlich wurde sie aber wieder als Eislaufhalle genutzt, bis im April 1999 die endgültige Schließung erfolgte. Am 27. Mai 2008 beschloss dann der Senat den Abriss. Ist dieser beendet, wird die Messe Berlin an gleicher Stelle ein Gebäude errichten, allerdings keine neue Deutschlandhalle. Während ich vom Messegelände in das Oval der Resthalle schaue, überlege ich, wo ich denn mal gesessen habe. Um das rauszubekommen, müsste man wissen wo die Bühne war...
 

Zum ersten Mal machte ich mit der Deutschlandhalle Bekanntschaft am 22. April 1992. Mein damals 12-jähriger Sohn war großer Fan der Boygroup NEW KIDS ON THE BLOCK. Eigentlich könnte ich jetzt fragen, ob die noch jemand kennt, aber liest man die Programmvorschau der O²-World erfährt man, dass NKOTB im Mai zusammen mit den Backstreet Boys hier gastieren werden. Bei den NKOTB handelte es sich damals um 5 nett aussehende junge Männer, die ihre Songs zu einer genau einstudierten Choreografie vortrugen, begleitet von einer eher mittelmäßigen, aber lauten Band. Wir saßen zuerst auf einem der Ränge. Da aber die Akustik hier sehr schlecht war, gingen wir runter in das Oval. Auf dem Weg dorthin machte ich interessante Beobachtungen. Mädchen etwa im Alter meines Sohnes weinten vor Freude, die Tränen liefen ihnen nur so über die Wangen. Ich sah auch Sanitäter, die gerade jemanden auf einer Trage raustrugen. Ich habe es nicht selbst erlebt, aber ähnlich muss es damals bei den Beatles auch gewesen sein. Zwischen all den Kids sah ich weniger interessiert schauende Erwachsene, die wohl oder übel ihre Kids hierher begleiten durften. Am Ende der Show sprang einer der Sänger auf eine Lautsprecherbox und von dort aus auf weitere Boxen. Dieser junge Mann hieß Donnie und wie ich später erfuhr, ist das der Bruder des Schauspielers Mark Wahlberg. Das war meine erste Begegnung mit der Deutschlandhalle und es sollten noch einige folgen.

Der Musikgeschmack meines Sohnes wandelte sich schlagartig und einen Monat später gingen wir zu den Toten Hosen. An deren Musik fand ich auch etwas Gefallen. Die Vorgruppe allerdings war tierisch laut. Bei einem Titel kletterte Campino an dem Gerüst, an welchem die Spots befestigt waren nach oben, und hing dann mit dem Kopf nach unten, nur in den Kniekehlen an dem Gerüst hängend, und sang dabei. Ganz schön gefährlich das Ganze.

Irgendwann war ich dann mit meiner Frau auch zu einem Konzert von Udo Jürgens in der Deutschlandhalle. Auch wenn mein Musikgeschmack mehr zu härteren Tönen tendiert, diesen großartigen Sänger mal zu erleben sollte man sich nicht entgehen lassen. Hier habe ich allerdings etwas ungünstig gesessen. Hatte einen Pfeiler im Blickfeld, an den ich irgendwie vorbeisehen musste (sowas hat man in der O²-World nicht).

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Mein persönliches Highligth war allerdings das Konzert von DEEP PURPLE am 07. Oktober 1993. Die Band spielte damals noch oder wieder in der sogenannten Mark II-Besetzung mit Jon Lord (key), Ritchie Blackmore (git), Roger Glover (bass), Ian Gillan (voc) und Ian Paice (drums). Bekanntlich hat ja Ritchie Blackmore nach dieser Tour die Band verlassen. Ich stand damals im Oval und konnte die Musik nicht nur hören. Besonders die Bässe fahren irgendwie durch den ganzen Körper. Für ca. zwei Stunden ist das ein irres Gefühl. Der erste Titel "Highway Star" wurde begleitet von einer Lasershow. An der Bühnenrückwand war das DEEP PURPLE-Symbol zu sehen, durch welches sich ein Drache schlängelt. Ganz toll war auch die Lasershow zum Titel "Perfect Strangers". Laserblitze schossen durch den ganzen Saal und über dem Publikum breitete sich ein Fächer aus Laserstrahlen aus. Die Band schüttete ihr Repertoire aus sämtlichen in dieser Besetzung eingespielten Alben aus, sowohl aus "In Rock" und "Mashine Head" bis hin zu "Perfect Strangers" und "The Battle Rages On". Vom Album "Fireball" spielte die Band den Titel "Anyone's Doughter". Ein Stück, das ansonsten wohl noch nicht live gespielt wurde. Höhepunkte des Konzertes waren auch "Child In Time" und die Instrumentaldarbietungen des Stücks "Beethoven's Ninth" von Ritchie Blackmore (ebenfalls mit einer Laser- Performance) und Jon Lord's "The Hall Of The Mountain King". Jon Lord, der mir in Erinnerung war mit langen, vollen Haaren und wulstigen Oberlippenbart, war inzwischen ergraut. Seine Haare trug er als Pferdeschwanz und der Bart war auf 3-Tage-Länge gestutzt. Dass es zwischen Ritchie Blackmore und dem Rest der Band Diskrepanzen gab, merkte man irgendwie. Ziemlich oft drehte er seinen Kollegen einfach den Rücken zu und kein Lächeln, keine freundliche Geste war zu bemerken. Als Zugabe gab es eine etwas in die Länge gezogene Fassung von "Smoke On The Water". Ritchie Blackmore nahm seinen Umhang ab und warf diesen ins Publikum, wo ihn irgendjemand aufnahm...

So habe ich die Deutschlandhalle in Erinnerung. Es wird sicherlich nicht mehr lange dauern, bis der letzte Betonbrocken abgebrochen und der letzte Container Schutt abgefahren und recyclet ist. Das Recyclingmaterial wird dann vielleicht in den Unterbau von Straßen oder Autobahnen eingebracht, ähnlich wie es mit dem Palast der Republik geschehen ist. Dann fährt man irgendwann, ohne es zu wissen, über den Beton der Deutschlandhalle, die in seiner langen Geschichte den ganz Großen des Sport und der Kultur eine Plattform bot...

 

Die letzten Bilder einer Kultstätte...
 

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