In Memoriam - Gerhard Zachar

und Henry Pacholski, LIFT  

Autor Hartmut Helms

 

Diese Nacht des 15. November 1978 irgendwo auf einer Landstraße in Polen war nicht nur diesig und dunkel, sie war schwarz. Sie war eine rabenschwarze Unglücksnacht für die Dresdner Gruppe LIFT und die Rockszene der DDR ebenso.
In dieser Nacht verloren der Bandleader und Bassist, Gerhard Zachar, sowie der begnadete Texter und einfühlsame Sänger, Henry Pacholski, ihr Leben. Irgendwo da draußen vor 30 Jahren zerbarst die Hoffnung auf eine großartige Bandkarriere.
Der brutale Riss ging seither mitten durch die Gruppe, Einzelinteressen ließen sich kaum noch miteinander verschmelzen, fehlte doch mit Gerhard Zachar der Integrationscharakter, der die musikalischen Individualisten hätte einen können. Auch durch die Familien der Musiker ging der Riß. Dennoch raufte sich die Band um den Kern Patzer, Scheffler und Lohse zunächst wieder zusammen und spielte unter diesen widrigen Umständen die nächste Platte ein. Beim Entstehen selbiger konnte sich Wolfgang Scheffler als Komponist profilieren und konsequenter Weise trägt die LP "Spiegelbild" auch seine musikalische Handschrift. Man hört den Versuch, die Grenzen und Spielräume in Richtung Jazz auszuweiten, den Sound zu schärfen und so ein komplexeres Klangbild entstehen zu lassen. Mit "Am Abend mancher Tage" enthält diese Scheibe einen Allzeit-Klassiker, mit dem die Band das tragische Geschehen musikalisch verarbeitet und den Blick nach vorn zu richten versucht.
Wenn Dirk Michaelis "Als ich fort ging" sein "Yesterday" nennt, kann Wolfgang Scheffler für "Am Abend mancher Tage" sicher eine ähnlich Formulierung beanspruchen. Dennoch war der Verlust zweier stilprägender Musiker, des Bandleaders und des Sängers, auf Dauer nicht zu kompensieren und folgerichtig kam es 1984 zum Bruch in der Gruppe. Zwar wurde noch als Quartett mit Hans "Die Geige" Wintoch die Single "Sage mir alles/Immerfort" veröffentlicht, aber die Entwicklung war nicht mehr aufzuhalten. Wolfgang Scheffler, der vorher schon solistisch unterwegs war, verließ die Band, um eigene Ambitionen zu verwirklichen. Auch Till Patzer, das letzte verbliebene Gründungsmitglied von LIFT, war der bandinternen Rangeleien überdrüssig und ging. Eine neue Mannschaft um Werther Lohse, der Letzte aus der Originalbesetzung und von nun an nur noch Sänger, spielte 1987 noch die LP "Nach Hause" ein. Damals schien mir die Platte ein halbherziges Zugeständnis an den Zeitgeist zu sein und ein Versuch, mit neuen Musikern neue Räume zu erschließen. Spätestens im Wendeherbst 1989 war aber auch dieser Versuch Geschichte.
Heute, 30 Jahre weiter, kann man höchstens vermuten, was hätte sein können: Möglicherweise hätten Heubach und Scheffler an den Tasten für Pachoslkis Texte Melodien gefunden, die schlicht schöne und ergreifende Rockpoesie hätten sein können. Ohne den Unfall, so Till Patzer in einem persönlichen Gespräch, wäre unter Gerhard Zachars Leitung noch genug Potential für weitere Projekte gewesen. LIFT steht für mich persönlich heute noch immer synonym für eine ungemein intensive Zeit des Schöpfertums sowie des kreativen Suchens vieler Bands und Künstler im damaligen Land. Gerhard Zachar und Henry Pacholski, sowie viele andere "Gundermänner- und Frauen" stehen stellvertretend für viele kulturelle und künstlerische Leistungen, auf die wir noch heute, trotz der Widrig- und Widersprüchlichkeiten unserer Biografien, unheimlich stolz sein dürfen, denn es war unsere Zeit, unser Leben und unsere Liebe zu einer Musik und Kunst in unserem gemeinsamen Lebensumfeld.
Die Jubiläumsaktivitäten zum 35. Jahrestag der Bandgründung haben diesen Gedanken für meine Begriffe, wenn überhaupt, dann nur ungenügend Rechnung getragen. Dies zu bewerten, steht mir nicht zu, aber auszudrücken, was mich bewegt, kann ich mir als Fan nicht verkneifen. Heute, 35 Jahre nach Bandgründung und des öfteren für den stillen Hauch eines LIFT-Konzertes, hangeln sich die Gefühle und Sehnsüchte vieler Besucher noch manchmal an ihren Erinnerungen und den wunderschönen Melodien entlang und manch einer denkt dabei auch an die großartigen Menschen, die einst den Sound der Band geformt und geprägt haben: Gerhard Zachar und Henry Pacholski. In diesen Tagen, Mitte November, und 30 Jahre später sollten wir Ihrer gedenken und glücklich sein, eine solche Zeit miterlebt zu haben.
 
 
 
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