DDR Musikfan erinnert sich
Interview: Hartmut Helms erzählt von seinem "Lebensgefühl Rockmusik"

(aus "Freie Presse" vom 16. Februar 2013 - Autor: Andreas Weihs / Fotos: Rüdiger Lübeck)

 


 

Wie kam es zu dem Buch? Sein Name ist weitgehend unbekannt, doch in Insiderkreisen ist Hartmut Helms der sprichwörtliche "bunte Hund". Jahrgang '49 und aufgewachsen in der DDR, hat er sich früh mit der Musik seines Landes beschäftigt, organisierte selbst Konzerte. Jetzt hat er sich aufgerafft, seine Erlebnisse im Buch "Mein Lebensgefühl Rockmusik" zusammenzufassen. Andreas Weihs sprach mit ihm über seine Dokumentation.

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Als ich auf die 60 zugegangen bin, habe ich erleben müssen, wie links und rechts von mir die Leute umgekippt sind. Da kam mir die Idee, die Konzerte der 1970er, die ich damals organisiert habe, für mich selbst aufzuschreiben. Ich wollte das festhalten und im Internet veröffentlichen. Anhand von Fotos und meiner Erinnerungen habe ich begonnen, Konzerte von Prinzip, Brot und Salz, electra aufzuschreiben, die ich 30 Jahre zuvor besuchte. Die veröffentlichte ich u.a. bei der "Deutschen Mugge", einer Seite, die viele Musiker frequentieren. Dort wurde das Feedback auf meine Berichte sehr massiv und meine Frau sagte mir: Du musst da ein Buch draus machen.

Woher kam das Interesse an der Musik?
Ich hatte eine sehr engagierte Musiklehrerin und einen Vater, der mein Interesse an der Musik nicht gebremst hat. Seit 1971 habe ich einen Briefpartner in Schottland, der mir regelmäßig Schallplatten geschickt hat, so dass ich schon zu DDR-Zeiten eine relativ große Plattensammlung besaß. Das alles führte dazu, dass ich mehr als 20 Jahre in der Kultur gearbeitet und Konzerte organisiert habe. In unserem Klub, der "Stube", hat alles gespielt, was in der Liedermacherszene einen Namen hatte, von Krawczyk bis Demmler.

Warum haben Sie sich 1989 aus der Kultur verabschiedet?
Es war eine schöne Zeit, aber ich konnte mir nicht vorstellen, dass nach 1989 Kultur noch einmal schön wird. Denn: Kultur ist ab sofort ein Geschäft, wo es nur noch um die Knete geht und nicht um den Spaß. Ich habe erkannt: Das war nicht mehr meins. Danach habe ich mich nur noch privat mit Musik beschäftigt.
2002 ist Klaus Renft gestorben. Den kannte ich persönlich. Klar, dass ich zum Gedenkkonzert gefahren bin, um emotional Abschied zu nehmen. Das war so etwas wie eine Initialzündung, noch einmal Cäsar auf der Bühne zu sehen. Später bin ich dann zum Fanclubtreffen gereist und so hat eins das andere ergeben. Ab 2007 ging ich wieder zu Konzerten und fing an, regelmäßig Berichte darüber zu schreiben. Dabei kamen alte Freundschaften wieder hoch, wie zu Paule Fuchs von Pond. Irgendwann merkte ich: Ich bin wieder mittendrin.

Was fasziniert Sie an diesen Erinnerungen, dieser Musik?
Rockmusik ist immer auch ein Spiegel der Zeit. Es ist mein selbst gelebtes Leben und darüber hinaus ist es heute auch wieder ein bisschen Oppositionshaltung. Ich erfuhr, dass vieles heute nicht so wiedergegeben wird, wie ich es damals erlebte - sowohl emotional als auch sachlich. Vieles wird heute auf die Stasi reduziert, aber die Leute, die Spaß an der Musik hatten, die einfach nur zum Tanzen oder auch zum Saufen ausgegangen sind, die finden nicht statt. Ich möchte gern, dass auch die andere Seite des Lebens in der DDR gezeigt wird, die Freundschaften, die sozialen Beziehungen, die Familie. Wir hatten ja auch viel Spaß und es ist nicht so, dass wir alle am Morgen im FDJ Hemd aufgewacht sind. Kuno von Renft hat in Dresden eine Lesung gemacht. Da ging es um Musik und Nischen in der DDR. Er hat das genau so erzählt, wie ich es erlebt habe...

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Welches Konzert aus DDR Zeiten ist ihnen am meisten in Erinnerung geblieben?
Czeslaw Niemen im Kulturpalast Dresden zusammen mit dem Collegium Musicum, Sok und Locomotive GT. Das war irre. Wir kannten ja Niemen von seinen polnischen Platten, und dann kommt er auf die Bühne und keiner im Publikum hatte eine Ahnung davon, dass er gerade eine Platte bei CBS gemacht hatte. Niemen hat dann die Songs von "Ode To Venus" in Englisch gebracht und das war seinerzeit mindestens 15 Jahre voraus. Das hätten Blood Sweat & Tears oder Deep Purple musikalisch nicht bieten können. Das war ein völlig anderes Universum, ein brachiales Erlebnis.

Und Ihr schönstes Erlebnis nach der Wende?
Dazu gehört sicherlich Pink Floyd auf dem Maifeld. Aber auch Bayon auf Gut Geisendorf am Rand des Tagebaus, einen riesengroßen Abraumbagger im Hintergrund, und so manches kleinere Konzert. Ich habe zum Beispiel Tiny Vipers im Thalia Kino in Dresden gehört, toll.

Die Lesung im Uniklinikum werde ich zusammen mit H.C. Schmidt machen, der dem Ganzen einen musikalischen Rahmen gibt. Dazwischen werde ich aus meiner Vita erzählen und vielleicht hier und da auch ein Stück aus dem Buch lesen. Die Erfahrung zeigt aber, dass Erzählen lebendiger ist als Vorlesen. Ich werde einfach erzählen, wie das alles passiert ist, ein paar Episoden zum Besten geben. Vorlesen ist für mich auch dahin gehend schwierig, weil dann schnell all die Emotionen kommen, die dazu geführt haben, dass ich es so formuliert habe, wie es im Buch steht. Da steckt so viel dahinter, dass ich dann kaum noch lesen kann.

Am Donnerstag, 21. Februar 2013, präsentiert Hartmut Helms im Ökumenischen Seelsorgezentrum im Universitätsklinikum sein Buch "Mein Lebensgefühl Rockmusik" - Lesung mit Musik. Musikalischer Gast: H.C. Schmidt (Zwei Wege) sowie Mila Georgiewa (piano); Verlag edition bodoni, ISBN-13: 978-3940781246.

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