Stoppok: "Jubel" (Album)

lp30 20200206 1135450462VÖ: 07.02.2020; Label: GrundSound/Indigo; Katalognummer: CD183662; Musiker: Stefan Stoppok (Gesang, Gitarre, Banjo, Mandoline, Schlagzeug), Reggie Worthy (Bass, Gesang), Sebel (Hammond, Wurlitzer, Gesang), Wally Ingram (Percussion); Bemerkung: CD im aufklappbaren Digipak inkl. Booklet mit Abdruck der Songtexte. Dieses Album ist auch auf Schallplatte erschienen. Bei einem Online-Händler exklusiv in "clear vinyl" als limitierte Auflage;

Titel:
Verjubeln • Geld oder Leben • Pack mit an • 100 Mio Follower • Wenn 2 (Zueinander Passen) • Kein Update • Eine Annahme • Ein Sternehotel • Mal Dein Herz an • Lass Sie rein • Morgen kommt die Müllabfuhr


Rezension:
Am Freitag (7.2.) ist wieder so ein Tag, an dem es sich wie Weihnachten oder Geburtstag anfühlen könnte, denn der Multiinstrumentalist Stefan Stoppok wird ein neues Album veröffentlichen. Egal ob sarkastisch oder eher nachdenklich verpackt, weiß der Künstler seit vielen vielen Jahren immer wieder, die großen Geschichten der kleinen Leute zu erzählen. Es geht mal um Typen in einer Kneipe, von denen der eine des anderen Frau verführte, ein anderes Mal um den zwischenmenschlichen Bereich und um die Liebe, die "dumpf aus dem Beton dröhnt". Und immer wieder beschäftigt sich Stoppok auch mit den wichtigen Themen des Alltags, wie z.B. dem Müllproblem, Umweltverschmutzung und überhaupt mit Dingen, die aktuell unter den Nägel brennen. Und ab dem Moment, an dem das Erscheinen eines neuen Werks angekündigt wird, wächst die Vorfreude auf die zu erwartende Stoppok'sche Formulierungskunst und sein immer wieder überraschendes Geschick, die kleinen und großen Geschichten in appetitliche Musik zu hüllen, jeden Tag ein Stück mehr. Darum steht der kommende Freitag auch schon länger dick unterstrichen im Kalender seiner Anhänger.

Das Album ist noch gar nicht raus, da gibt es schon Ärger für den Musiker. Das Lied "Lass sie rein" hat er im Dezember als Single in Form eines Videos vorab veröffentlicht. In dem Stück geht es schlicht darum, sich der Pflicht zu stellen, Menschen, die in Not geraten sind, die richtige Hilfe zukommen zu lassen. Dabei sagt er gar nicht dazu, woher diese Hilfesuchenden kommen ... Stoppok selbst beschreibt das Lied in einem seiner Newsletter als "eine Ode an die Liebe und die Menschlichkeit". Es sei der Wunsch nach einem Miteinander von allen Menschen auf dieser Welt und keine Absage an eine geregelte Flüchtlingspolitik. Leider kommt der Fakt, dass dies "zwei Paar Schuhe" sind, bei manchen Zeitgenossen ebenso wenig an, wie die Botschaft an sich, was sich nach der Videopremiere in Form eines Shitstorms bei YouTube inkl. Morddrohungen entlud. Wie so ein wunderbares und ruhiges Lied, mit diesem unter die Haut gehenden Chorgesang, den leise weinenden Gitarren und dem Wunsch, Hilfesuchende in sein Herz zu lassen, so großen Hass auslösen kann, will sich mir nicht erschließen. Eigentlich müsste es die Seele streicheln und einem dieses von Herzen kommende aber bei vielen nur noch kurz vor Weihnachten auftauchende Gefühl vermitteln, dass man helfen MUSS wenn man kann. Aber so ist das heute wohl, wo jeder Baubudenrülps in der virtuellen Welt und über die dort jedem zur Verfügung stehenden asozialen Netzwerke seine einfach gestrickte Meinung anonym aber mit höchstem Ellbogeneinsatz raushauen und andere Meinungen vertretende Mitmenschen einschüchtern kann. Interessanterweise geht es um diese virtuelle Welt, seine Auswüchse, seine Tücken und dem manchmal falschen Umgang damit, auch ein paar Lieder später in "100 Millionen Follower" und ein Stück weit auch in "Kein Update".
In "Verjubeln", mit dem das Album eigentlich eröffnet wird, wird man dazu aufgefordert, den Rest vom Paradies auch noch platt zu machen, bevor wir uns Menschen auf Kurz oder Lang sowieso selbst endgültig den Garaus machen. Mit dem Fuß voll auf dem Gaspedal rasen wir schließlich alle weiter auf den Abgrund zu. Ein zu Musik gewordener Blick in die ferne Zukunft, in der sich unser Planet nach dem Menschen erst mal von all den von ihm verursachten Strapazen der letzten Jahrhunderte erholen muss und der Möglichkeit, dass nach uns vielleicht intelligentere Wesen kommen werden, die die Erde mehr zu schätzen wissen. Mit stampfendem Beat hämmert sich die Botschaft ins Gewissen und verbreitet eine Art Endzeitstimmung, die wir Menschen auch genauso verdient haben. Ein starkes Statement!
"Nimm den Stein, den Du gerade schmeißen wolltest, und leg ihn zu den anderen hin. Wir brauchen ihn um die Straße zu bau'n, auf der wir hier weiter wandern könn'", heißt es gleich zu Beginn des Stücks "Pack mit an", einem Lied darüber, sich auszusöhnen, zusammen zu rücken, gemeinsam an einer Welt zu bauen, in der man gerne lebt, wo "keiner abkassiert" und "keiner Kriege führt". Überhaupt ein Lied darüber, wie stark die Liebe ist und wie sie eine Gemeinschaft bilden könnte, wenn wir es denn zulassen würden. In einer Zeit, in der die Gesellschaft so tief gespalten ist, wie wir es vorher wohl alle noch nie erlebt haben, ein ganz wichtiges Lied, das mit Gospel-Chor und entspannt arrangiert dahin gleitend eins der ruhigeren Nummern auf "Jubel" ist. Dies mögen sich mal all die Leute anhören, die ihre Mitmenschen, die eine andere politische Meinung vertreten, beschimpfen, beleidigen, verunglimpfen und als Deppen hinstellen. Vielleicht bewirkt das ja ein Umdenken, was das eigene Verhalten betrifft.
Positive Töne bei Inhalt und Musik lässt Stoppok im Stück "Mal Dein Herz an" erklingen. Es ist eine Art Rezept dafür, ein sorgenfreies und auch sonst sehr freies Leben führen zu können, in dem man sich selbst nicht einengt oder gar einengen lässt. Herz bunt anmalen, auf einen Berg steigen und es der Welt von dort aus zeigen, wie man es gestaltet hat. Dazu ein Lied anstimmen, völlig egal, ob man dafür überhaupt eine Stimme hat oder nicht. Möge sich jeder selbst ausmalen, wie sich die von Stoppok hier beschriebene Einstellung auf das eigene Leben übertragen lässt. Eingekleidet ist diese Wegbeschreibung zum Glück in einen luftig und leicht klingenden Popmusik-Mantel, der sich ganz wunderbar jeder Körpergröße anpasst. Ein echter Ohrwurm!

Musikalisch bietet "Jubel" genau das, was man von Stoppok erwartet. Es ist diese Mischung aus Roots Rock, Folk, Deutschrock und natürlich auch Pop, zu der noch Blues- und Weltmusik-Elemente hinzugefügt wurden. Mit dieser Mischung hat sich der Musiker mit seiner Band eine eigene kleine Nische in der deutschen Musiklandschaft erschaffen. Sowas gibt es kein zweites Mal und jede verwendete Zutat passt einfach hervorragend ins Rezept. Die Musik lebt durch den großzügig-verspielten Einsatz unterschiedlichster Saiteninstrumente, abwechslungsreicher Keyboard- bzw. Orgel-Sounds und einem von der knackigen Rhythmus-Abteilung bereit gestellten Wumms, die dem Hörer ordentlich was anbieten. Dazu kommen Stoppoks Stimme und die oben schon hoch gelobte Textschmiedekunst. Zwar haben auch bei Stoppok längst die technischen Möglichkeiten und Hilfsmittel Einzug gehalten, die man im Studio für das Zusammenschrauben von Liedern nutzen kann, aber der Sound klingt immer noch ehrlich, die Musik echt und handgemacht. Da darf das Schlagzeug bei diesem oder jenem Lied auch mal wie für den Dancefloor einer Diskothek gemacht klingen. Selbst das passt. Inhaltlich bleibt sich Stoppok - wie beschrieben - ebenfalls treu. Wieder legt er den Finger in offene Wunden, schaut auf das Verhalten des kleinen Mannes und wirft einen Blick über den Tellerrand hinaus. Sozialkritik ohne den erhobenen Zeigefinger, Zustandsbeschreibungen der Gefühlswelt frisch Verliebter und freundschaftlich gemeinte Ratschläge fürs Leben finden auf ein und demselben Album Platz. Keine verschwurbelten Textmonster, keine PURen Kalenderblatt-Tageslosungen und auch keine als hintergründig verpackte Belanglosigkeiten, über die man in der deutschen Musiklandschaft derzeit zu Hauf stolpert. Direkt auf den Punkt und trotzdem für eigene Interpretationsversuche großzügig und farbenfroh ausfallend. Kein Wunder also, dass VÖ-Termine wie der kommende Freitag so gefeiert und sehnlichst herbei gewünscht werden. Ich hatte dieses zu Beginn beschriebene Weihnachts-Geburtstags-Gefühl schon, denn ich durfte vor dem offiziellen Erscheinen in diese Produktion hinein hören und sie tief in mich aufsaugen. CD einlegen, den Lautstärkeregler nach oben schieben und laufen lassen. Zu hören ist ein weiteres großes Werk des in Hamburg geborenen und im Ruhrgebiet aufgewachsenen Rock-Liedermachers, das es nicht nur auf CD, sondern auch auf Schallplatte für die Genießer unter uns geben wird.
(Christian Reder)





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