Inga Bachmann: "Das Aber der Dinge" (Album)

bachmann2020 20200430 2084353734VÖ: 01.04.2020; Label: QuiXote Music; Katalognummer: 0194660909541; Musiker: Inga Bachmann (Gesang, Gitarre, Ukulele), Tomi Luján (Schlagzeug, Gitarre), Pedro Luján (Gitarre, Bass), Stephan Weber (Keyboard); Produzent: Stephan Weber; Bemerkung: CD im aufklappbaren Digipak, inkl. Booklet mit Abdruck der Songtexte;

Titel:
Deine Farben • Supergut • Der Kapitaen • Wenn du lachst • Da sein • Der Laubblaeser • Irgendwann • Feindbild • Alles mit dir • Emotionen sind was Tolles • Eigentlich • Das Aber der Dinge • Wo immer • Sand aus der Sahara • Zeitenzirkel


Rezension:

Ein Hilferuf aus der Redaktion:
"Ich kann das nicht, mir schießt es die Lichter aus, ich werde aggressiv dabei!"

"Komm, gib schon her, ich hab Zeit"
... höre ich mich antworten.

Die Badische Zeitung immerhin lässt sich bereits vernehmen, Inga Bachmanns Album "Das Aber der Dinge" "erinnere in seinem ... Wortwitz an Busch und Erhardt". Die Messlatte ist gelegt! Nun, sollte der mit einem Glorienschein versehene, unvergessene Heinz Erhardt gemeint sein, vernehme man mein bis weit über badische Weinhügel hinaus schallendes NEIIIN! Soviel vorab.

Spätestens bei Sekunde 29 des ersten Liedes "Deine Farben" weiß ich, hier kommt kein spitzbübisch jonglierender Heinz Erhardt aus der Lautsprecherbox gehüpft. Bei Sekunde 29 singt Frau Bachmann bereits seit 14 Sekunden. Gewiss ist aber schon jetzt: Nein, kein Erhardt´scher Duktus! Es ist vielmehr meine Gitarre zupfende Hort-Erzieherin von einst, an die ich mich bislang nicht mehr erinnern konnte. Oder mochte. Egal, jedenfalls ist sie wieder da! Auch ihr konnte man nie absprechen, ihr Instrument spielen zu können, sogar Barré muss gehen, folgt man den akkordischen Wendungen. Auch Frau Meiermüller traf damals gesanglich durchaus den Ton in der Melodie, den sie hervorzubringen gedachte. Und doch schwang (und schwingt noch) da beinahe immer etwas mit, das mich schon als dummes Kind unbehaglich fühlen ließ.

Kann ich mich mit dem einleitenden Lied "Deine Farben" durchaus ambivalent empfindend arrangieren und bin durchaus bereit, mich auf das angenehm natürlich wirkende Timbre Inga Bachmanns einzulassen, schlägt Fräulein Meiermüller (ein lieber Gruß bei der Gelegenheit) beim zweiten Titel "Supergut" umso üppiger zu. Dieses betretene Gefühl, mich ihr gegenüber - zwangsweise still - zuhörend vorzustellen! Vergleichbar vielleicht mit einem zu engen, kratzigen Strickpulli in stickiger, schwülwarmer Kinderzimmerluft. Man windet sich ein bisschen, um diesem Juckreiz abzuhelfen. Oder man hält ganz still, hat man die Nerven und die Eigendisziplin dazu. Ich sitze still, erstarre förmlich ... und bin fest entschlossen, dies durchzustehen!

Bis Titel No 3. "Der Kapitaen". Eine bissig erdachte Gesellschaftskritik - durchaus herb im Nachgang - in Gestalt eines Lagerfeuer-Fahrtenliedes in wippendem Walzertakt, vorgetragen mit dieser sonderbar kraft- und hilflosen Grundschul-Lehrerinnen-Gesangsstimme (man möge mir bitte verzeihen und meine Kritik nicht auf den Berufsstand per se erweitern! Grundschul-Lehrer sind mindestens ebenso wichtig wie und sollten besser vergütet werden als: MinisterInnen!) - wo waren wir? Ach ja - diese Attitüde, die mich nun doch schwach werden lässt. Ich beschließe einen Kompromiss, denn trotz Stillhaltens ahne ich: hier muss etwas geschehen! Immerhin warten noch 12 weitere Lieder, die Frau Bachmann vorhat, mir zu präsentieren. Ich drehe meine Anlage etwas leiser, von elf auf etwas über drei. Der Nachbar muss nicht alles wissen.

Oh, Titel 4 lässt mich prompt aufhorchen! In "Wenn Du lachst" kann mich Inga Bachmann plötzlich erreichen. Ein geschmeidiger Bossa Nova, gepaart mit dem naturgegebenem Timbre Frau Bachmanns, schleicht sich deutlich harmonischer in meinen Sinn. Ein angenehmes Liebeslied, frei von überflüssigen Bemühungen, dem Zuhörer das Gesagte auch noch sicherheitshalber ausdrucksgestisch klar machen zu wollen. Es wird auch später einer von zwei Favoriten auf "Das Aber der Dinge", was die Tonmischung betrifft! Inga Bachmanns Stimme wirkt vergleichsweise angenehm eingebettet. Ohne konkreter werden zu können oder zu wollen, fällt mir der Name Cristin Claas oder sekundenweise der von Kitty Hoff ins Gemüt. Mir scheint, hier gab man sich mehr Mühe bei Arrangement und Mix als bei anderen Titeln.

In "Da Sein" finde ich durchaus Gefallen am Sinngemälde ihrer Worte. Noch schöner wäre es gewesen, die Gitarre zu stimmen. Es scheint sich mir ein recht zentraler Gedanke beim Hören des restlichen Albums zu formulieren und so verlasse ich die Lied für Lied Strategie: Da sind durchaus wertvolle, hier und da angenehm doppelbödige Gedanken gedacht worden von Inga Bachmann! Was mich aber allzu oft stört, ist die Art der Umsetzung. Die Stimme ist ausgesprochen vordergründig gemischt (aber soo unique, so einzigartig, dass es mir gerechtfertigt schiene, ist sie halt einfach nicht, pardon!). Die Art der Arrangements lassen in mir Szenen einer hübschen, privaten Land-Musikschule, vielleicht malerisch eingebettet zwischen traumhaften Weinbergen, durchs innere Kino huschen. Noch dazu begleiten sie allzu oft den sozialkritischen und durchaus sarkastischen Charakter der Texte ... leider nicht! Nun könnte man anführen, darin bestünde ja gerade der reizvolle Kontrast: krasse Botschaft im harmlosen Gewand. Ja. Schon. Könnte man! Aber da gibt es noch eine Menge weiterer Variablen, die durchdacht und bewusster geformt werden wollen, soll am Ende eine zweifelsfreie Einheit aus Kontext und Erscheinungsbild beim Publikum ankommen. Was ich damit meine? Nun, ein Beispiel (für vielleicht Kommendes): Wenn ein Lied rocken soll, müssen energisch geschlagene Drums, rotzige Gitarren und eben auch die Stimme in einem gemeinsamen Bild stehen. Wenn das aufgrund der natürlichen Veranlagung oder der nicht erfolgten Ausbildung einfach nicht glaubhaft gelingen kann und nur mittels drastisch geregeltem Lautstärke-Knopf realisiert wird, sollte man es von vornherein lassen und besser nach anderen arrangiertechnischen Möglichkeiten suchen. Warum nicht mehr á la "Wo immer"? Das ist doch hübsch! Das ist ehrlich und herrlich pur, das gewinnt meine Gunst. Warum also solch schlimme Ausrutscher wie "Der Laubbläser"?

Dass wir uns bitte richtig verstehen; Inga Bachmanns Ernsthaftigkeit und geistige Regsamkeit ist nicht in den leisesten Zweifel zu ziehen. Meine Kritik zielt also nicht auf das, WAS sie sagt. Das ist zumeist gut, manches sogar sehr groß! Nichts von dem, was sie durchdenkt, ist oberflächlich oder gar dumm. Es geht ums WIE. Also wozu die oftmals bemüht wirkenden Puzzlesteinchen aus gestalterischen Viel(st)fältigkeiten? Aus Angst, dann verkäme das Album zur Flachheit? Keineswegs! Dann käme ein ernsthafterer, ein ernster zu nehmender Gesamteindruck zustande. "Eigentlich" ist eigentlich ganz schön schlimm. Oder sagen wir kontextgerecht: ziemlich nett! Da passt mir so gar nichts aneinander. Solche Eindrücke verhageln mir das eventuelle zukünftige Hören von "Das Aber der Dinge" in seiner Gänze. Dabei bin ich doch ein erklärter Fan des vollständigen Hörens von Musik-Alben. Ich brauche also dringend eine Titelliste mit Aussparungen. Welche Titel das betrifft, bleibe mein quasi gelüftetes Geheimnis.

Fazit: Wenn Inga Bachmann ihrer Stimme wohlgefällig arrangiert, wenn Sie ihrem Organ keine kleinkabarettistisch gefärbte Gewalt antut und wenn der Gesamtmix nicht allzu hölzern und sperrig daherkommt, gibt es hier ein paar schöne Lieder und nachdenkenswerte Texte zu erleben. Man sollte halt kratzig-wollenen Strick und auch die längst vergessen geglaubten Erinnerungen an sein jeweiliges Fräulein Meiermüller zu ertragen bereit sein.
(Robert Brenner)





Videoclip:



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