Anna Loos: "Werkzeugkasten" (Album)

loos2019 20190307 1005202952VÖ: 08.03.2019; Label: BMG/Warner; Katalognummer: n.b.; Musiker: Anna Loos (Gesang), Jakob Nebel (Gitarre), Christian Adameit (Bass), Conrad Oleak (Keyboard), Sönke Reich (Schlagzeug); Bemerkung: Dieses Album ist als CD, Stream und auf Schallplatte erschienen;

Titel:
Startschuss • Hier • Mut von Helden • Deine Mitte • Ich will dass du weißt • Was ich dir noch sagen wollte • Werkzeugkasten • Paris • Wenn du mich suchst • Echt und für immer • Kaputt • Wie beim ersten Mal


Pro: Der Startschuss für einen neuen Weg
(Rezension von Sarah Müller)

Anna Loos kennen viele - entweder als Schauspielerin (beispielsweise als Helen Dorn im ZDF), als Ehefrau von Schauspieler Jan Josef Liefers oder als Frontfrau der Band SILLY. 2019 geht die gebürtige Brandenburgerin neue Wege und setzt mit ihrem ersten Album "Werkzeugkasten" einen Startschuss Richtung Solokarriere.

Als großer SILLY-Fan, der natürlich auch die vergangenen Wochen all die Schlagzeilen rund um SILLY und den zahlreichen Spekulationen um das weitere Bestehen der Band mitbekommen hat, war ich natürlich besonders gespannt, was Anna Loos allein auf die Beine stellt. Im Gegensatz zu wohl vielen anderen war mir von Anfang an klar, dass dieses Album nicht mit den SILLY-Alben zu vergleichen ist. Dieses Album trägt allein die Handschrift von Anna und so sollte dies auch betrachtet werden.

Vier Songs hat Anna Loos bereits veröffentlicht: "Startschuss", "Werkzeugkasten", "Kaputt" und "Hier". Anna ist der deutschen Sprache und ihren Texten treu geblieben. Sie hat sich starke Unterstützung gesucht, beispielsweise von Ulf Sommer, Peter Plate, Mic Schröder und Conrad Oleak, die zusammen mit ihr insgesamt 12 Stücke geschrieben und produziert haben. Annas Texte werden wohl auch auf ihrem Album die Geister scheiden. Es gibt die großen Skeptiker, die Annas Texte als "Teenager Poesie" bezeichnen würden und es gibt die anderen. Die nicht 14 Jahre alt sein mögen und denen dennoch ihr Stil gefällt. Ich gehöre zu letzterem. Ich mochte bereits ihre Texte bei den letzten SILLY-Alben sehr.

Fast schon selbstredend beginnt das Album mit "Startschuss" - eine der schnelleren Nummern vom "Werkzeugkasten". Ein Lied, das nicht passender ihren Weg als Solokünstlerin einläuten kann. Es ist der Beginn ihrer eigenen gesanglichen Reise und man merkt im Laufe des Albums: Anna Loos hat sich die vergangenen Jahre auf eine große Suche begeben und bietet dem Zuhörer einen kleinen Einblick in genau diese. Das Album bringt einen Blick auf sie selbst, auf ihre Vergangenheit und ihren Wunsch nach Harmonie. Schnell wird klar, dass dieses Album sehr persönlich ist. Besonders durch den steten Vergleich mit Tamara Danz, ihrer Vorgängerin bei SILLY, musste sie sich jahrelang kämpfen. "Will ich der sein oder mehr sein, als andere in mir sehen?" Immer wieder wurde betont, sie sei nicht wie Tamara und sie gehöre nicht in die Band. Nun hat sie sich entschieden, vorerst aus Tamaras Fußstapfen zu treten und zeigt neben "Wenn du mich suchst" auch mit "Kaputt" ihre zerbrechliche Seite. "Für tausend Steine war ich das ungeschützte Ziel. Bin fast zerbrochen, hab jeden einzelnen gespürt." Anna Loos präsentiert sich gerne als selbstbewusste und starke Frau. Doch auch sie bleibt von all den harten "Steinen" nicht unberührt. Doch auch dies hat sie in den letzten Jahren versucht zu verarbeiten und anzunehmen: "Vielleicht sind all meine Fehler auch am Ende ganz normal. Hat etwas Liebe ab und zu gefehlt, ist jetzt egal."

Trotz zahlreicher Verpflichtungen als Sängerin und auch als Schauspielerin steht für die 48-Jährige ihre Familie (Anna Loos hat mit Jan Josef Liefers zwei gemeinsame Töchter) an erster Stelle. So widmet sie besonders ihren Töchtern "Ich will, dass du weißt". Ein ruhiges Stück, das anfangs nur mit Gitarre begleitet wird. "Es gibt keinen Wind, der sich nicht dreht. Kein Kreis, der sich nicht schließt. Ich will, dass du weißt, da ist jemand, der dich sieht". Ob "Werkzeugkasten" - der Titel, der auch dem Album seinen Namen schenkt - ein Geschenk an ihren Mann Jan ist, mit dem Versprechen, dass sie alle Probleme und Streitereien lösen können? Oder geht es hier auch um andere Beziehungen? Auf jeden Fall zeigt auch "Hier", dass ihr Lebensfokus bei ihrer Familie liegt. "Hier will ich sein, hier komm ich heim. Hier will ich bleiben, hier kann ich sein, wer ich bin." Und direkt am Anfang muss man doch gleich zweimal hinhören "In bunten Straßen, wo zwischen Häusern Blumen blühen. Wo ein "Hallo" so klingt, als hätte man mich ausgeschimpft." Das schnellere Tempo lässt einen doch hören: "... Loos so klingt als hätte man mich ausgeschimpft." Oder erging es nur mir so?

Ich muss zugeben, beim ersten Mal Hören, empfand ich das Album sehr eintönig und nicht spektakulär. Doch hört man mal genauer hin und setzt sich mit den Texten auseinander, findet man zahlreiche Themen, die Anna Loos aufgreift. Beispielsweise erinnert sie sich an einen jungen Mann, in den sie sich wohl verliebte, der aber selbst lieber eine Frau wäre. Nach der Sehnsucht nach Freiheit greift sie in der Ballade "Paris" und die Erinnerung an eine geliebte verstorbene Person lässt sie in "Was ich dir noch sagen wollte" wiederaufleben.

Wie anfangs schon erwähnt, ich mag Annas Schreibstil und ihre Wortspielereien. Anna greift auf, was sie bewegt und bewegt mich beim Zuhören. Man spürt die Anna-Note und wer besonders Annas sanfte Stimme mag, wird auch bei dem Album auf seine Kosten kommen. Auch musikalisch finde ich das Album mitreißend. Insgesamt hätte ich das Album wohl rockiger erwartet, aber ich durfte schon eine Live-Kostprobe erleben und da kann ich nur sagen: "Es fetzt!" Anna Loos wird von den vier Musikern Conrad Oleak (Keyboard), Christian Adameit (Bass), Sönke Reich (Schlagzeug) und Jakob Nebel (Gitarre) begleitet, es ist alles sehr stimmig und alles andere als ruhig und langweilig. Mit den vier Herren hat Anna Loos eine tolle Band um sich rum aufgebaut. Das hat auf jeden Fall Lust auf mehr gemacht und ich freue mich auf die Konzerte Ende März.
Kontra: Verrückte Ideen? Wo denn?
(Rezension von Christian Reder)

In den Jahren zwischen 2005 und 2018 hat Anna Loos bei der Gruppe SILLY eine gute Arbeit abgeliefert. Sie hat TAMARA DANZ am Mikro vertreten und zusätzlich zu den Klassikern der Band auch neue Lieder interpretiert, darunter so tolle Nummern wie "Alles rot" oder "Vaterland". Nun konnte man Ende des letzten Jahres ja so allerlei Unschönes in der Presse lesen und es klang so, als stünden die Zeichen bei Sängerin und Band auf Trennung. Diese Anzeichen verdichteten sich, als zuerst Anna Loos ein Soloprojekt ankündigte und anschließend die Band SILLY mit der Nachricht nachzog, 2019 mit den Gastsängerinnen AnNa R. und Julia Neigel auf "analog-Tour" gehen zu wollen. Bei allem Zurückrudern und Bestreiten der beteiligten Personen klingt das nicht nach Harmonie und enger familiärer Bindung. Aber das hat den Fan erstmal nicht zu interessieren, was da so hinter den Kulissen abgeht. Etwas komisch und wenig souverän wirkt es dann schon, wenn munter "Gegendarstellungen" von Zeitungen gefordert werden. Wer sich ein bisschen mit der Lesart solcher juristischen Schachzüge auskennt, wird ironisch verschmitzt in sich hinein lächeln. Wie dem auch sei ... Inzwischen liegt das Solo-Album von Anna Loos vor, das sie "Werkzeugkasten" getauft hat, und das am 8. März 2019 in den Handel kommen wird.

Schon im vergangenen Jahr veröffentlichte die singende Schauspielerin ein paar Clips mit Liedern aus dem Album: "Startschuss", "Werkzeugkasten" und "Kaputt" waren die Vorboten ihres ersten Solo-Albums, das unserer Redaktion nun als Stream vorliegt. Schade und auch ein bisschen ärgerlich, wenn man gewohnt ist, Platten und CDs für eine Rezension aufgrund des Klangs und zum Erhören der Feinheiten ausschließlich über die Anlage anzuhören und nun gezwungen ist, dies am Rechner und mit bescheidenem Sound tun zu müssen. Doch schauen wir mal, was man da so hören kann. Ebenso wie meine Kollegin Sarah habe auch ich mir das Album mehrfach angehört, komme aber zu einem anderen Ergebnis:
Leicht und mit dem Titel "Startschuss" beginnt die Abenteuerreise in die Solo-Welt der Anna Loos. Die Nummer erinnert nicht nur von der Musik her ein wenig an SILLY, dies aber auch nur in zarten Ansätzen. Es handelt sich hier um eine Aufbruch-Hymne im flotten Takt, die trotzig davon handelt, dass man seinen eigenen Weg gehen will. Von der Musik her kann man mit dem Song als Hintergrundbeschallung auf der gepflegten Kellerparty mit Mettigel und Käseplatte nicht viel falsch machen. Auf den Inhalt muss man nämlich nicht so sehr achten. Mir schoss sofort ein Satz aus der Zeitung wieder in den Kopf, wo es hieß, die Band wolle die Texte von Anna Loos nicht vertonen. Dazu würde dann auch die Textzeile, "Meine Leichtigkeit | meine verrückten Ideen | werden für andere zum Problem", passen. Schade nur, dass ich weder in Musik noch in Text irgendwo eine "verrückte Idee" finden kann, aber das mit der Leichtigkeit stimmt. Sowas von leicht ... Und so geht es auch weiter.
Das mit schwülstigen Streichern angereicherte "Werkzeugkasten" hinterlässt beim Hören dann auch gleich die meisten Fragezeichen. Was will uns die Künstlerin mit dieser Nummer mitteilen? Dass ein Streit in der Beziehung schnell in eine Depression führen kann? Oder hat der Text gar keine in sich schlummernde Botschaft und es geht einzig und allein um die Stimmung, die da gerade vorherrscht? Anna Loos' Stimme trägt dieses melodisch uninteressante Stück, dabei sollte die Musik eigentlich ihre Stimme tragen. Das Arrangement dieses Liedes ist dermaßen schwach, dass es ohne Probleme die Pflegestufe 3 bekommen dürfte. Dem steht der Text auch in nichts nach ... Textzeilen wie "Wir beide wissen | wenn Wortfetzen fliegen | bringen Scherben kein Glück" wirken wie Küchentischlyrik - irgendwo zwischen der ersten Tasse Kaffee und dem Frühstücksei als Gedankenblitz auf ein Stück Papier notiert, und hinterher mit dem Rest des Textes ummantelt.
Eine Ausreißer-Ballade wird uns mit "Paris" präsentiert. Zumindest thematisch wird hier mal etwas anderes angeboten als in den anderen Liedern dieser Platte (z.B. das überall lauernde Thema Liebeskummer). Doch der gute Ansatz, ein haltbares und zeitloses Lied über Fernweh und das Suchen nach Glück und Liebe zu erschaffen, wird wie mit dem Thermomix in eine für das Mainstream-Publikum gut schluckbare Mischung aus Schlager und Teenie-Pop verflüssigt.
Wie auch "Deine Mitte" und "Kaputt" beginnt "Wenn Du mich suchst" mit einem schweren Klavierlauf, der zum Inhalt des Stücks passt. Einmal mehr liegt der Schwermut im Raum, dem man nunmehr gern medikamentös begegnen möchte um ihn zu ertragen. Die hier besungene Endzeitstimmung nach dem offenbar noch frischen Aus der Beziehung ist zu einer chloroformierenden Musik geworden, bei der man richtig Mühe hat, nicht wegzunicken.
Der Song, der mir von den 12 Stücken auf "Werkzeugkastesn" noch am besten gefällt, ist "Hier". Die Nummer hat eine tolle Hookline, eine schöne Dramaturgie im Arrangement und sie fing mir auch wirklich an zu gefallen. Dass solch ein zarter Keim dann durch einen schwachen Text und dem nicht abschüttelbaren Verdacht, das irgendwo schonmal anders und besser gehört zu haben, zertrampelt wird, ist dann doch sehr ärgerlich.

Alles in allem bestätigt das Album meinen Verdacht, der in mir aufkam, als ich eingangs erwähnte drei Videoclips bei Youtube erstmals gesehen hatte. "Werkzeugkasten" ist leider eine Enttäuschung. Erschreckend ist vor allen Dingen, wie schwach die Texte sind. Manch eine Zeile erinnert einen an Omas Kalender, auf dem jeden Tag irgendein Sinnspruch stand, der einen in den angebrochenen Morgen begleiten sollte. "Wir rauschen durch die Zeit | wie seit 'ner Ewigkeit" (Song "Wie beim ersten Mal"), "Hier will ich sein | Hier komm' ich heim" (Song "Hier") oder "Lass uns den Mut von Helden borgen | Komm wir reißen aus bis morgen" ("Mut von Helden") sind nur drei Beispiele dafür, dass man sich von Frau Loos' texterischer Kunst nur wenig bis gar nicht ernährt fühlt. Auch musikalisch kratzt jeder Song nur an der Oberfläche. Da kommt wenig Überraschendes und einiges wirkt auf den ersten und auch den zweiten Blick wie nicht zu Ende gedacht. Den Hörer erwarten überwiegend balladeske Lieder mit manchmal deplatziert wirkenden Effekten und immer wieder mal verzerrten Gitarren, die wie ein Alibi wirken um nicht in die Schlagerecke geschoben zu werden. Dieser Mix aus dem Hightech-Studio-Labor wickelt die stellenweise erschütternd banalen Texte ein, die genau wie die Musik nicht im Ohr und Gedächtnis hängen bleiben. Es gibt wirklich kein Lied auf dem Album, das nicht wie mit voller Absicht und auf Biegen und Brechen für das Formatradio gemacht zu sein scheint. Es gibt keine Ecken, keine Kanten und beim Anhören des Stream hatte ich echt Mühe, aufmerksam am Ball zu bleiben und mir das Album auch bis zum Ende anzuhören. "Werkzeugkasten" schwimmt irgendwo mit zwischen "Die Reise" von Max Giesinger und "Alles ist jetzt" von Bosse. Die Platte tut niemandem weh, rüttelt aber auch an keinem Thron. Wäre dies als neues SILLY-Album erschienen, wäre die Enttäuschung doppelt so groß gewesen. Von daher: Danke, Anna Loos, dass "Werkzeugkasten" nur als Solo-Projekt in Umlauf geraten ist.



Videoclips:
















   
   
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