AMI: "Momentan" (Album)

ami2019 20190726 2078905543VÖ: 16.08.2019; Label: Blankomusik/Sony; Katalognummer: 190759690727; Musiker: Amina Warning (Gesang, E- und A-Gitarre, Kompositionen, Texte), Wally Warning (Bass), Martin Kelly (E-Gitarre, Chor), Andreas Haslacher (Keyboard); Bemerkung: CD im aufklappbaren Digipak, inkl. Booklet mit Abdruck der Songtexte;

Titel:
Vielleicht lieber morgen • Karussell • Gegenwind • Hausdach • Fliegen • Chaos • Schubidu • Momentan • Einfach sein • Mann und Frau


Rezension:
"Momentan" heißt das am 16. August 2019 in den Handel kommende Album der Sängerin und Songschreiberin AMIRA WARNING (kurz AMI). Es ist nach zwei englischsprachigen Alben - "Part of Me" (2014) und "Seasons" (2016) - sowie Auftritten im Vorprogramm u.a. von Suzanne Vega und Xavier Naidoo das dritte Studio-Werk der Tochter von Wally Warning (Gruppen Snowball, Tax) und vielleicht auch ein Versuch, den Fuß in die deutsche Musikszene zu bekommen, die derzeit ja mit allerlei Füllmaterial in deutscher Sprache gerade ein jüngeres Publikum anzusprechen versucht. In den folgenden Abschnitten erfahrt Ihr, ob sich AMI hier von der Masse absetzen und mit ihrer Musik überzeugen kann.

Einen sommerlichen Schleicher namens "Vielleicht lieber morgen" hat die Künstlerin ihrem Album voran gestellt. Einen Clip dazu gibt es auch schon (siehe unten). Entspannt zieht die Nummer ihre Bahnen inkl. weiblichem "Uhuhuh"-Chor und angenehm blubberndem Bert Kaempfert-Bass. Eine optimistische Sicht auf die Dinge im zwischenmenschlichen Bereich kann man im Text entdecken - ja, auch der überzeugt und macht gute Laune. Es könnte ein Teil des diesjährigen Sommer-Soundtracks werden und ein Stück, das uns allen zeigt, was hier möglich gewesen wäre. Konjunktiv, ja ...
Schon im zweiten Song bemerkt man einen Rückgang der Glückshormone und einen Dämpfer im Freudenzentrum. Zwar lässt einen "Karussell" immer noch wohlgesonnen mit dem Kopf nicken, jedoch beginnt der künstlich erzeugte Beat langsam aber sicher an zu nerven. Keine Ahnung, wieso man bei Plattenproduktionen heute kaum noch auf echte Schlagzeuger zurückgreift, aber ich befürchte, dass uns allen diese Plöpp-Plöpp-Sounds spätestens in 10 Jahren so dermaßen auf den Keks gehen werden wie der Plastik-Bass bei den End-80er-Popproduktionen aus der Stock-Aitken-Waterman-Eintopfküche.
Den gefühlten Höhepunkt dieser temporären Tonstörung erfährt der Hörgenuss dann spätestens bei "Hausdach", das irgendwie an die gelungene Songidee von "Vielleicht lieber morgen" anzuknüpfen versucht, sich mit platten Textzeilen wie, "… und ich wünsch mir, dass Du glücklich bist | aber ich weiß auch, dass es oft nicht so einfach ist", aber ruck zuck in nichtssagender Gefühlsduselei verliert. Das klingt wie gewollt und am Ende doch gescheitert. Keine Ahnung, wie sich das am Ende doch auf das Album retten konnte.
Ist das Tempo in der Musik ohnehin überwiegend im gemütlichen Bereich angesiedelt, versucht uns "Fliegen" dann aber doch mit aller Gewalt zu narkotisieren. Wahrscheinlich aber nur, damit wir Textzeilen wie, "… denn es kann Dich keiner mehr kriegen | wenn Du erstmal anfängst zu fliegen", nicht so direkt wahrnehmen. Immerhin soll doch wohl die Mehrheit der Hörer damit nicht so feste am Kopf getroffen werden wie ich, der da trotz Angriff auf die Vigilität aufmerksam zugehört hat. Ne, Mädel … das ist keine Kunst, das ist vom bunt bestickten Sofa-Kissen bei Omma abgeschrieben in der Hoffnung, keiner vom Zielpublikum merkts.
Nun könnte ich noch etwas über "Schubidu" sagen … oder über "Gegenwind" und "Chaos" schreiben, aber … Nö, das lassen wir lieber. Einzig "Momentan" möchte ich noch lobend heraus heben, denn der Song macht ähnlich wie der Opener wirklich Spaß. Ein Bar-Piano, sowas wie ein Tuba-Sound vom Chip und ein (Achtung) Schlagzeugsound, der laut Credits im Booklet zwar auch nicht echt zu sein scheint, aber immerhin nah an was Natürliches heran kommt … mehr braucht es gar nicht, um ein tolles Arrangement und somit einen wirklich gut klingenden Song abzuliefern. Keiner wird erschreckt, keiner schläft ein, aber die Ohren vieler, die schon längst nicht mehr mit neuen Ideen rechnen, richten sich plötzlich auf. Zwar bringt der Inhalt dieses Stücks keine neuen Erkenntnisse zum scheinbar nicht so gut ausgeprägten Talent der Künstlerin, was die Texterei betrifft, aber die Idee zum Stück entschädigt für so manches "Schubidu", das man sich vorher anhören musste.

Die im Pressetext zu Amis Platte so vollmundig angekündigte Beschreibung, ihre Songinhalte würden ungefiltert, unverbogen und direkt wirken, kann bestätigt werden. Hier hätte man vor den Aufnahmen ruhig nochmal feucht durchwischen dürfen und an manch einer Stelle die Ungelenkigkeit und die "Hau-ruck-die-Waschfrau-Reimkunst" mit ansprechenden Flicken übernähen dürfen. Auch musikalisch trifft man kaum auf etwas, das einen überraschen könnte. Zwar hebt sich mancher Song von denen unserer Riege Singer-Songwriter, bei der einer wie der andere klingt, leicht ab, im Großen und Ganzen ist AMI aber nur eine weitere nAMIka, von der wir nun wirklich keine weitere Version gebraucht hätten. Es sagte mal ein ganz schlauer Mann (Gott hab ihn selig), dass man heute kulturell leider fast nur noch unterfordert wird, dabei sei der Reiz in der Kunst doch, immer wieder aufs Neue überfordert zu werden, um Neues zu entdecken und das Hirn zu trainieren. "Momentan" und AMI liefern zum Überfordert sein leider keinen Beitrag und reihen sich eher in die Masse derer ein, die nur auf leichtem Level unterhalten und für Fernsehgarten-Niveau sorgen wollen. Und so darf der Nachname der Sängerin durchaus auch als "Warnung" verstanden werden …
(Christian Reder)





Videoclips:








   
   
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