Peter Braukmann: "Am Ende der Nacht" (Album)

braukmann 20191031 1090542379VÖ: 16.09.2019; Label: Rillenschlange; Katalognummer: 091044551965; Musiker: Peter Braukmann (Gesang, Gitarre, Mundharmonika); Bemerkung: Uns lag das Album in Form eines Buches, dem eine CD beigelegt ist, vor. In dem Buch sind alle Songtexte sowie 14 Kurzgeschichten abgedruckt. Ansonsten ist das Album als Download erhältlich;

Titel:
Desperados • Jetzt • Am Ende der Nacht (Tequila Sunset) • Ade du mein Zuhaus • Wird mir ein Vergnu¨gen sein • Das Rabenlied • Ihr seid alles was ich hab • Winterhafen • Westkúste von Clare • Du bist allein • Du und ich • Rabenlied


Rezension:
Wenn eines Tages die Bezeichnung "Oldie" nicht mehr nur für ein älteres Lied steht, sondern für die Person des Vortragenden, ist es an der Zeit, sich zu erinnern. Oldie zu sein, ist ein Luxus. Man kann zurückschauen, aber trotzdem auch in die Zukunft denken. Man kann sich zieren und macht es trotzdem. Dies tut Peter Braukmann mit seiner neuen CD "Am Ende der Nacht". Das Wort von reiferen Jahrgängen hatte früher Gewicht. Ob das heute auch noch so ist? Jedenfalls hat Peter Braukmann, der seit kurz nach der Wende in Meißen lebt, bei seinem 12. Tonträger hier eine ganz innovative Idee.

Noch nie ist mir eine CD in die Hände gefallen, die kein Booklet, sondern ein ganzes Buch als Beigabe hat. Beigabe ist vielleicht nicht der richtige Begriff, für mich sind die Geschichten in dem Büchlein "Am Ende der Nacht" gleichwertig mit den Liedern der CD. Ich könnte nicht sagen, was von beiden mir besser gefällt. Das ist kein Wunder, Peter Baukmann fährt in seinem künstlerischen Schaffen auch zweigleisig. Er ist Folk-Sänger und Autor. Neben der Musik bestimmt das geschriebene Wort seine Message an die Welt. Er hat Sendungsbewusstsein und das ist gut so, auch wenn er das künstlerisch so schön verpacken kann, dass es nicht vordergründig wirkt.

Mit "Am Ende der Nacht" erzählt er sein Leben bis in die 90iger Jahre. Man könnte es so sehen, es ist sein "Westleben". Peter Braukmann hat als 68iger viel erlebt und kann es in seinen biografischen Kurzgeschichten anschaulich schildern. Der Peter aus Meißen hat auch noch ein "Ostleben". Das ist hier nicht Thema. Als der Folk-Zug im Westen im Jahre 1974 Bewegung aufnahm, war Peter Braukmann schon aufgesprungen. Er ist einer der Begründer der Folk-Szene in der BRD. In die DDR hat er es nicht geschafft, eine geplante Tournee wurde abgesagt. In Zeiten, als der Begriff "Desperados" noch kein Bier mit Tequilageschmack bedeutete, träumte Peter von einer besseren Welt. In seinem gleichnamigen Song aus dem Jahre 1980 meint er:

"Wir sind groß geworden mit den Beatles,
mit Bob Dylan und Bert Brecht.
Wir haben Karl Marx und Engels gelesen,
auch Hermann Hesse war nicht schlecht.
Wir waren die Ersten mit den ungeschornen Haaren,
die Revolte kam für uns grad erst in Gang.
Wir hatten Che Guevara im Herzen und riefen:
Links geht's lang.
Wo sind wir heute geblieben?
Waren wir früher nicht mal mehr?
Wenn das so weitergeht, werden unsere Kinder fragen:
Angela Davis, wer war das denn?"


Mit 40 Jahren Abstand kann man sagen, es ist so gekommen, nur schlimmer. Seine Lieder auf der CD haben fast alle biografischen Charakter, er erzählt sein Leben, spielt dazu Gitarre und Mundharmonika. Er ist ein Barde, der jenseits von "Ich und meine gestörten Beziehungen" etwas zu sagen hat und dafür in Kauf nimmt, als Gutmensch beschimpft zu werden. Ich freue mich auf die nächsten "Gutmenschenkonzerte", denn dort bringt er uns mit Lagerfeuerromantik all diese schönen Lieder zu Gehör.

Viele Titel sind traditionelle Weisen oder Songs anderer Liederleute, auf die Peter neue deutsche Texte gemacht hat. Besonders liebe ich seine irischen oder schottischen Lieder in einer mir verständlichen Sprache. Nicht alles sind Nachdichtungen, die Texte kommen einfach aus seinem Herzen. Seine Kurzgeschichten dazu sind teils skurril und auf jeden Fall sehr witzig. Der Leser denkt: Genau so kann es gewesen sein. Halb totgelacht habe ich mich über sein Hotelerlebnis, als er halb nackt in einer Lobby stand und beichten musste, die Zimmertür sei zugefallen. Das waren Schilderungen aus der Zeit, in der Brauckmann als Sketcheschreiber für Privatsender tätig war. Zu seinen "Kunden" gehörten Dudenhöffer und Mike Krüger. Seine Verbundenheit mit dem Norden bringt Peter mit dem Lied "Mein Land am Meer" zum Ausdruck. Das ist für ihn Heimat und dieses Gefühl kann er musikalisch überzeugend rüber bringen. Zu dieser Sparte gehört auch "Winterhafen".

Einer der wichtigsten Titel war für Peter Braukmann das "Rabenlied". Es ist eines der meist gesungenen Lieder aus der Anti-AKW-Bewegung und wurde im Westen zum Volkslied. Auf der CD ist es in Originalfassung und dann noch als Neubearbeitung zu hören. Am Wandel des Textes kann man die Umbrüche in der Gesellschaft ablesen. Es wundert mich nicht, dass gerade im Jahre 2019 Peter einen neuen Text auf den alten Song geschrieben hat. Eine gewagte Balance zwischen Pessimismus und Optimismus, Spiegelbild und Reflexion in Einem. Für mich das schönste Zitat aus seinem Buch: "Die immer schneller auf uns zurasende Klimakatastrophe kann gewiss kein Lied aufhalten. Aber ein Lied kann helfen, den Willigen Kraft zu verleihen." Das kann er sich mal auf seinen Grabstein in Meißen meißeln lassen.

Ich möchte keine "Kritikerin" sein, dazu bin ich zu unbedeutend. Eine Anmerkung habe ich aber noch. Nicht so gefallen haben mir in dem Buch die ständigen englischen Einlassungen. Sicher, es soll authentisch sein, wenn Peter seine Erlebnisse seiner Tramptouren schildert. Aber einer seiner Verdienste ist es, viele Lieder aus anderen Sprachen mit genialen deutschen Texten versehen zu haben. Dieses Geplapper in Englisch fand ich dann irgendwie nervig. In der letzten Zeit verlegt sich Peter Braukmann mehr aufs Schreiben und das sehr erfolgreich. Er hat einige Sachsenkrims rausgebracht. Klasse finde ich "Liebesgrüße aus Meißen", sehr unterhaltsam geschrieben. Sein drittes Standbein ist schon mal klar. Er wird Hellseher. Als das Buch erschien, war die Rolle des Bürgermeisters von Meißen noch nicht absehbar. Aber Peter hat voll ins Schwarze getroffen. Kann ich euch jetzt hier nicht erklären, das müsst ihr einfach selber lesen und euch dazu an die Schmierenkomödie von Meißen bei der letzten Bürgermeisterwahl erinnern. Der CDU-Bürgermeister ließ sich bereitwillig von der AFD in den Sattel helfen.

Die hier besprochene CD und das Buch "An Ende der Nacht" gehen vom zeitlichen Bezug nur bis Anfang der 90iger Jahre. "So ein altes Schlitzohr", dachte ich mir, "jetzt lässt sich Peter aber ein Hintertürchen offen." Ich warte gespannt auf Fortsetzung. Einen Titelvorschlag habe ich schon mal: "Peterchen im wilden Osten".
(Petra Meißner)





Hörbeispiel:






   
   
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