Siegfried Walendy & PUHDYS: "Moskau '73" (Album)

walendy73 20190217 1360612991VÖ: 15.03.2019; Label: Melodija/Melamoud Records; Katalognummer: MEL-R004; Musiker: Siegfried Walendy (Gesang, Gitarre), Dieter Birr (Gitarre, Gesang), Dieter Hertrampf (Gitarre, Gesang), Harry Jeske (Bass, Gesang), Peter Meyer (Keyboard, Saxophon, Gesang), Gunther Wosylus (Schlagzeug, Percussion, Gesang); Bemerkung: CD im aufklappbaren Digipak, leider ohne Booklet und somit ohne Abdruck der Songtexte;

Titel:
Potpourri • Sono Tremendo • Capri C'est Fini • Pod Dugoj Kolokoltschik Pojot • He's Got The Whole World In His Hands/Jericho • Wiegenlied • Eine neue Liebe ist wie ein neues Leben • Nur bei Dir • Vor Dir liegt das Leben • Sa Togo Parnja • Papa Joe • Do Swidanja


Rezension:
Am 15. März erscheint bei uns in Deutschland ein Album, das sich vor über 40 Jahren in der damaligen Sowjetunion wie die viel zitierten "warmen Semmeln" verkaufte: Siegfried Walendys 1973 in Moskau produziertes Album "Зигфрид Валенди, Пудис". Die Schallplatte wechselte damals millionenfach den Besitzer und bestätigte damit eigentlich nur den Erfolg, den der Künstler bereits vorher schon mit seinen Tourneen in der UdSSR hatte. Auch wenn auf dem Werk letztlich eine Menge Coverversionen und nur zwei von Walendy selbst geschriebene Songs enthalten sind, darf man allein der Hintergründe und der Entstehungsgeschichte wegen einen genaueren Blick darauf werfen - bzw. ein spitzes Ohr rein halten.

Dieter "Quaster" Hertrampf von den PUHDYS, der mit seiner Kapelle damals im Jahre 1973 die Platte im Moskauer Studio mit einspielte, hat daran folgende Erinnerungen:
"Wir waren mit den PUHDYS damals im Jahre 1973 ziemlich populär. Das war die Zeit nach dem Erfolg mit "Türen öffnen sich zur Stadt" und kurz bevor der Film "Paul und Paula" mit unserer Musik in die Kinos kam. Wir haben uns damals gesagt, dass wir in der kleinen DDR jetzt nicht alle zwei Monate an den gleichen Orten aufkreuzen können. Wir mussten uns deshalb irgendwie rarmachen, aber trotzdem irgendwo spielen und Geld verdienen, um unsere Mieten und Unkosten zahlen zu können. Außerdem wollten wir auch am Ausbau unseres Equipments weiter arbeiten. Also mussten wir raus aus der DDR. In dieser Phase hat uns Siegfried Walendy angesprochen. Er wollte auf eine weitere große Tournee durch die Sowjetunion gehen und suchte dafür eine Begleitband. Die Tournee sollte am 1. Februar starten und am 1. April sollten wir wieder nach Hause kommen. Als wir dann dort am Flughafen ankamen, wurde uns eröffnet, dass die Tournee um einen ganzen Monat verlängert wurde. Für uns war diese Konzertreise richtig spannend, denn wir waren dort in Gegenden, in denen vor uns noch kein Deutscher war. Siegfried Walendy hatte vom sowjetischen Plattenlabel Melodija außerdem den Auftrag bekommen, ein Album aufzunehmen. Dies geschah zwischen den Konzerten in einem kleinen Zeitfenster. Man hatte uns PUHDYS dazu noch gesagt, dass wenn wir es schaffen, das Album in den dafür vorgesehenen drei Tagen aufzunehmen und noch etwas Zeit übrig bliebe, wir auch eine Single für uns hätten aufnehmen können. Wir sind daraufhin in Moskau in ein Aufnahmestudio gegangen. Dort hatten sie eine Technik die so neu war, dass die vor Ort damit noch gar nicht umgehen konnten. Das war Technik, die wir in der DDR z.B. noch gar nicht hatten. Wir haben die Songs für das Album dort alle live eingespielt und dabei während der Aufnahmen mit unseren Instrumenten in den Ecken rum gestanden: Der eine hier, der andere da ... Meyer ist dann sogar vom Keyboard in die andere Ecke des Raums gerannt, um dort dann das Saxophon zu spielen ... Wir haben die Lieder praktisch so eingespielt, als hätten wir live auf einer Bühne gestanden, natürlich entsprechend abgeschirmt, dass man das auch aufnehmen konnte. Uns persönlich hat die Musik gar nicht so gut gefallen, denn es war ja eher Schlagermusik, die wir da eingespielt haben und mit der hatten wir zu dieser Zeit überhaupt nichts zu tun. Wir kamen ja eher vom Rock'n'Roll. Wir als Band hatten auf den Sound und darauf, wie die Songs letztlich geworden sind, auch überhaupt keinen Einfluss. Wir haben unsere Parts nur eingespielt und später beim Mischen waren wir schon nicht mehr dabei."

Und was ist auf dem Album zu hören? Die CD startet mit einem Medley, das kurz "Potpourri" benannt wurde, und in dem international erfolgreiche Titel aus dieser Zeit, wie z.B. "Mademoiselle Ninette", das 1970 im Original von Soulful Dynamics gesungen wurde, "Candida", im Original von der US-Band DAWN mit Tony Orlando als Sänger, und "Mendocino", das wohl viele von Michael Holm kennen dürften, untergebracht wurden. Die folgenden 11 Lieder zeigen dann, dass Walendy nicht nur im Schlager bzw. der damaligen Popmusik, zu Hause war, sondern auch über den berühmten Tellerrand hinaus tätig war. Er bedient hier gleich mehrere Geschmäcker, u.a. scheute er sich auch nicht, russische Volkslieder ("Pod dugoj kolokoltschik pojot") und Traditionals ("He's Got The Whole World In His Hands") neben einer eigenen Fassung von THE SWEETs "Papa Joe" und seiner Version von Jürgen Marcus' "Eine neue Liebe ist wie ein neues Leben" zu platzieren. Mittendrin befinden sich mit "Nur bei Dir" und "Vor Dir liegt das Leben" zwei äußerst charmante und von Walendy selbst komponierte und betextete Stücke, die wohl in die Kategorie "gehobener Schlager" zu verorten sein dürften. Da muss man sein Handwerk schon gut verstehen, um dem Hörer eine solche bunte Mischung anzubieten und diese auch glaubhaft rüber zu bringen. Und es funktionierte damals und tut es teilweise auch heute noch, auch wenn sein Englisch den blonden Sänger unüberhörbar und ganz klar als "Ausländer" outet.

Was eine Bewertung des Albums angeht, so muss man es aus verschiedenen Perspektiven betrachten. Natürlich erfüllt es weder vom Sound noch vom Inhalt irgendwelche heutigen Ansprüche. Aber das tun die Platten von Elvis Presley und "Über sieben Brücken" von KARAT auch nicht mehr. Dennoch kann man ihm das spezielle Etwas nicht absprechen. Allein, wie dieses Album entstanden ist und dass es eben nicht nur in den Bereich "Schlager" einzusortieren ist, machen aus ihm ein zeitgeschichtliches Dokument, das man sich durchaus heute nochmal reinziehen kann. Ich persönlich finde die deutsche Version von "Papa Joe" recht witzig und äußerst angenehm, dass man - auch wenn sie, wie Quaster erzählte, beim Sound nicht viel zu sagen hatten - die PUHDYS in der Musik durchaus heraushören kann. Dank dem kleinen Label aus Düsseldorf haben wir jetzt überhaupt die Chance, die Platte in voller Länge anhören zu können. Erstmals übrigens nicht nur in Deutschland, sondern auch auf CD. Danke dafür!
(Christian Reder)







   
   
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