Bell Book & Candle: "Wie wir sind" (CD Album)

lp7 20180314 1053929274VÖ: 16.03.2018; Label: Airforce1/Universal; Katalognummer: 060255790078; Musiker: Jana Groß (Gesang), Andy Birr (Gitarre), Hendrik Röder (Bass); Produzent: Ingo Politz; Bemerkung: CD im Jewel-Case, inkl. Abdruck aller Texte im Booklet;

Titel:
Wie wir sind • Liebeslied • So nah • Deja Vu • Ich bin wie keine • Nullpunkt • So wie Du bist • Woran glauben wir? • Sieben Seen • Wartesaal • Wo willst Du hin? • Durch die Jahre • Junimond


Rezension:
Es gab eine Zeit, in der die Gruppe BELL BOOK & CANDLE fast ganz Europa und vor allen Dingen die deutsche Medienlandschaft beherrschte. Der Überhit "Rescue Me" war 1997 und 1998 überall zu hören. Bei MTV und VIVA, im Radio, auf den Discman (müsste es dann nicht "Discmen" heißen?) zahlreicher Teenager und an gefühlt jedem zweiten Karussell auf der Kirmes. Man kam an dem Song nicht vorbei, und obwohl die Nummer irgendwann hätte ausgeleiert sein müssen, erobert sie auch 20 Jahre danach noch die Ohren ihrer Hörer ohne Abnutzungserscheinungen aufzuweisen. Die Band traf damals den Geschmack der Leute, war im richtigen Moment am richtigen Ort, und die Single erreichte in Deutschland und Österreich Platin-Status. Viele Jahre sind seitdem vergangen. VIVA und auch andere Musikfernsehformate sind mittlerweile Geschichte, Jugendliche von heute wissen gar nicht, was ein Discman ist, und auch die Jahrmärkte werden in Zeiten eines inzwischen unterträglich gewordenen Schlagerbooms mit anderen Sachen beschallt. Aber BELL BOOK & CANDLE sind immer noch da. Oder soll man ob der langen Zeit ohne neues Studioalbum nicht lieber "wieder da" sagen? Wie auch immer: die drei Berliner Musiker melden sich mit einem neuen Album zurück und haben dabei auch gleich mal die Sprache gewechselt.

Musikalisch ist bei BBC alles beim Alten geblieben. Die Band operiert - auch wegen dem feinen Fingerspitzengefühl ihres Produzenten Ingo Politz - ganz dicht am Puls der Zeit, ohne dem Hörer dabei auf den Sack zu gehen. Man präsentiert sich - dem Trend folgend - soundtechnisch frisch und angesagt, bedient sich dabei aber nicht all der ausgelutschten Studiospielereien, über die man nicht nur im Dudelfunk jeden Tag stolpert, sondern die auch auf gefühlt jeder zweiten Position der Single-Charts zu hören sind. Die schönen, teils neuen - teils älteren ("Sieben Seen" kennt man schon länger) Melodie- und Song-Ideen stammen von Birr und Röder, den nötigen Sound steuerte Politz bei. Herausgekommen ist eine appetitliche Mischung aus Balladen und tanzbaren Nummern, die sich allesamt schonmal von anderen, derzeit im Umlauf befindlichen Produktionen abheben, und trotzdem die Masse der Hörer ansprechen dürfte. Anders als bisher sind aber die Inhalte und die Art und Weise, wie man diese zum Hörer transporiert. Man ist weg vom Englischen und da angekommen, wo man ja eigentlich auch her kommt: Beim Deutschen. "Wie wir sind" ist ein sehr erwachsenes Album, das Hörer anspricht, die schon über 30 oder gar 40 sind. Man trifft auf Themen, die von Jana Groß nicht nur in ihrer Muttersprache zu Papier und anschließend auf CD gebracht wurden, sondern die inhaltlich auch mal eine ganze Menge "moll" mitbringen. Es geht z.B. um das Abschiednehmen nach dem Tod ("Nullpunkt"), Alzheimer ("Wartesaal"), Obdachlosigkeit ("Durch die Jahre") oder die Gedanken die einer Mutter durch den Kopf gehen, wenn der eigene Nachwuchs flügge wird und auszieht ("Sieben Seen"). Auch Berthold Brecht ("So nah") und Rio Reiser ("Junimond") finden sich auf der Platte wieder. Insgesamt beschäftigen sich die Lieder damit, wie vergänglich und doch schön das Leben ist und welche Beobachtungen Jana Groß auf dieser Reise durch's Leben so gemacht hat. So ist es ganz natürlich, dass viele Dinge behandelt werden, die die Jugend von heute zum großen Teil sicher nicht interessiert oder zu denen sie (noch) keinen Zugang haben kann. Somit ist man zwar raus aus der BRAVO, aber trotz manch schwerem Inhalt noch lange nicht in der "Apotheken Rundschau". Man ist mit "Wie wir sind" mitten drin im Leben - erwachsen eben!

Mit dem ersten Album nach 13 Jahren lädt die Gruppe BELL BOOK & CANDLE seine mit ihr gereiften Hörer zum Neuentdecken einer alten Freundin, und frisch dazu gekommene Hörer zum Kennenlernen einer attraktiven neuen Bekanntschaft ein. Mal tut die Band dies mit ruhigen Tönen, mal kitzelt sie den Leuten mit ihren Songs am Tanzbein. Egal, ob es gerade laut oder leise zur Sache geht, man entdeckt viele neue Seiten an BELL BOOK & CANDLE und die Band zeigt sehr beeindruckend, dass nicht jede Straße im Bereich Popmusik in Belanglosigkeit und Eintönigkeit enden muss. Daumen hoch!
(Christian Reder)






Videoclips:










   
   
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