Modern Soul Band: "Himmel & Hölle" (Album)

lp13 20180531 1656534120VÖ: 31.05.2018; Label: Mara Recordings; Katalognummer: 626748; Musiker: Gerhard "Hugo" Laartz (key, voc), Dirk Lorenz (voc), Wolfgang "Nick" Nicklisch (g), Jörg Dobersch (bg), Ferry Grott (tromp), Stephan Bohm (pos), D.-Mercedes Wendler (sax), Mathias Fuhrmann (dr); Gäste: Regine Dobberschütz (voc), André Siodla (voc), Henry Kotowski (voc), Peter Pabst (g, voc), Christian Müller (voc), Michael Barakowski (voc), Uschi Brüning (voc), Roger Heinrich (dr), Carsten Muttschall (bg), Gisbert Piatkowski (g), Frank Frisch (as), Andreas Ockert (as), André Erdmann (ts), Dagobert Darsow (tb); Produzent: Hugo Laartz, Ferry Grott; Bemerkung: CD Album im Jewel-Case mit Booklet (ohne Abdruck der Songtexte). Ausschließlich auf CD erschienen;

Titel:
Soultime • Alles auf Start • Himmel und Hölle • Schlafen gehen • Eiserner Turm • Hallo, alter Junge • Liebestraum • Sommer in Berlin • November-Blues • Nur ein Moment • Zeit, die nie vergeht • Partyfront • Chicago • Bye Bye • Zeit vergeht • Medley (Live)


Rezension:
Eine weitere Band hat die 50er Marke geknackt: Nach den Lords, OMEGA und der Stern-Combo Meißen aus unserem "Einzugsgebiet" feiert nun auch die MODERN SOUL BAND das 50-jährige Bestehen. Im Jahre 1968 aus den MUSIC STROMERS hervorgegangen und anfangs als MODERN SEPTETT unterwegs, spielt Bandchef Hugo Laartz als letztes verbliebenes Gründungsmitglied seit nunmehr einem halben Jahrhundert ohne Pause mit seiner MODERN SOUL BAND Konzerte. Natürlich erlebt man in einer so langen Zeit Höhen und Tiefen, darum ist es auch logisch, ein Album zu so einem Jubiläum "Himmel & Hölle" zu nennen, denn beide Pole hat die Formation zwischen 1968 und 2018 gesehen. Sie erlebte die Höhen in den 70ern und die Tiefen - wie fast jede deutsche Band - direkt nach der Wende. Und mit einem Album, das nach dieser Berg- und Talfahrt - und nach dem gleichnamigen Song - getauft wurde, begeht die MSB jetzt ihren runden Geburtstag.

Neben Hugo Laartz ist Ferry Grott der am längsten bei der MSB spielende Musikant. Er ist seit 1986 festes Mitglied und hat zusammen mit seinem Chef die Lieder für die neue CD produziert. Unter den 16 Songs auf dem Silberling befinden sich 10 Titel, die man von der MSB (oder ihren Gästen) schon mal gehört hat, die aber von Hugo und Ferry komplett neu abgemischt, neu arrangiert und mit der Band neu eingespielt wurden, sowie ein acht-minütiges Live-Medley mit weiteren Klassikern der Kapelle. Außerdem sind fünf brandneue und extra für dieses Album entstandene Lieder auf "Himmel & Hölle" zu finden. Ganze zwei Jahre haben die Macher an dem Werk gearbeitet und die CD kam erst wenige Tage vor dem Jubiläumskonzert im Berliner Kesselhaus aus dem Presswerk. Zwei Jahre? Beim Blick auf die Liste aller beteiligten Musiker und den damit verbundenen Aufwand bei den Aufnahmen ist das nicht weiter verwunderlich. Die gleich bei den ersten Tönen des Albums ins Ohr springende hohe Qualität der Lieder erklärt dann den Rest, warum sich der Entstehungsprozess so lange hinzog. "Es war keine leichte Produktion", berichtet Ferry Grott. Trotzdem sind ihm und Hugo wunderbare Aufnahmen gelungen. Hier wurde mit viel Hingabe und Detailverliebtheit ans Werk gegangen und das hört man aus jedem der 16 Tracks heraus. "Allein beim Song 'Chicago' hatte ich im Studio 64 Spuren offen ...", ergänzt Ferry auf Nachfrage und unterstreicht damit, wie viel Arbeit in einem einzigen Song steckt.

Gäste auf "Himmel & Hölle" sind einige zu hören. Viele Wegbegleiter trafen sich im Studio wieder, so z.B. Uschi Brüning, die sich bei der Nummer "Zeit vergeht" gesanglich verewigt hat. Ruhig, nur von Hugo am Klavier und Ferry am Flügelhorn begleitet steuert Uschi ihre wunderbare Stimme zu Hugos Komposition bei. Übrigens eine der fünf neuen Songs, die auf "Himmel & Hölle" ihre Premiere feiern. Weitere Gäste sind Regine Dobberschütz, die selbst in den 70ern zur Band gehörte und die man beim Song "Schlafen gehen" hören kann, André Siodla, der bis vor kurzem noch den Posten am "Modern-Soul-Mikro" fest inne hatte und der "Eiserner Turm" singt, Henry Kotowski, der zusammen mit Hugo Laartz das Stück "Hallo, alter Junge" im Duett vorträgt, sowie Peter Pabst ("November-Blues"), Christian Müller ("Nur ein Moment") und Michael Barakowski. Michael Barakowski, der am 19. Januar d.J. verstorben ist, sollte eigentlich einen anderen Titel für das Album einsingen. Leider machte ihm und der Band das Schicksal einen dicken Strich durch die Rechnung, denn dazu kam es nicht mehr. Um Micha trotzdem mit auf dem Album zu haben, hat sich sein Freund Ferry etwas einfallen lassen. Vor knapp zwei Jahren hatte er mit ihm in seinem Studio eine weitere Version des PERL-Klassikers "Zeit die nie vergeht" produziert. Die Gesangsspur dieser Produktion nahm Ferry her und arrangierte darum das, was man nun auf dieser CD hören kann: Eine rockig-soulige Fassung inkl. Bläser-Sektion. Micha hat diese Version nicht mehr hören können, hält von oben aber ganz sicher den Daumen für Ferry hoch. Im Medley ist mit Christian Schmidt ein weiterer Kollege zu hören, der leider nicht mehr unter uns weilt, den die Band aber mit auf ihre CD genommen hat. Die anderen Songs werden vom derzeit aktuellen MSB-Sänger Dirk Lorenz gesanglich formvollendet dargeboten. Eine insgesamt recht farbenfrohe Mischung, die allein auf dem Papier schon reichlich Abwechslung verspricht.

Musikalisch liefert die MODERN SOUL BAND das ab, was man von ihr erwartet und wofür sie bekannt ist. Über all die Jahre besonders geprägt hat die Musik der Band ihr Einsatz von Saxophon, Posaune und Trompete. Dies kommt natürlich auch auf dieser Scheibe zum Tragen und spiegelt sich in den neuen und extra für dieses Album neu komponierten Liedern wieder. Gleich an zweiter Stelle kann man dies beim flott arrangierten "Alles auf Start", später auch beim eher poppig-ruhigen "Liebestraum", beim treibenden und von Ferry Grott mit Rap-Part versehenen "Partyfront", beim schon erwähnten und in Joe-Cocker-Manier gesungenen "Chicago", sowie dem ebenfalls schon genannten und ruhig arrangierten "Zeit vergeht", hören. Die MSB spielt eine ganz eigene Form von SOUL. Seit eh und je. In ihre Musik lassen sie Elemente des Blues, des Jazz und des Pop einfließen und verleihen ihr mit dem Einsatz einer rockigen E-Gitarre den ganz besonderen Sound, den man nur bei dieser Band erleben kann. Egal ob flott und ordentlich abgehend oder in ruhigen Fahrwassern dahin gleitend ... die Handschrift ist in jedem der Lieder deutlich heraus lesbar.

Hugo, Ferry und alle im Studio beteiligten Musiker und Sänger haben mit "Himmel & Hölle" eine schöne Zeitreise erschaffen. Treibende Soul-Klopper wechseln sich mit leiseren Tönen ab, alte Klassiker wie "Himmel und Hölle", "Schlafen geh'n" (beide vom 1976er Album "Modern Soul Band"), "Hallo alter Junge", "Mr. Wonder" (im Medley) oder "Sommer in Berlin" (vom 2008er Album "Highway Rock") mischen sich mit neu entstandenen Stücken, und alles klingt zeitlos und zueinander passend. Der Bogen von den Anfängen bis zur heutigen Zeit wird gekonnt geschlagen, in dem man sich älterer Stücke bedient, diese aufpoliert und dem Publikum daneben neues Material stellt. U.a. den Song "Chicago", der dem Hörer die Geschichte bzw. die Wurzeln der MSB nochmals näher bringt. Aus einigen Liedern klingt jedoch eine gehörige Portion Abschied heraus. "Bye Bye" und "Zeit vergeht", die sicher nicht zufällig ans Ende des Albums gesetzt wurden, erinnern den Hörer daran, dass nichts für die Ewigkeit bleibt. Besonders die letztgenannte Nummer klingt wie das "My Way" der MODERN SOUL BAND. Möge ich mich bei diesem Gefühl irren und die Kapelle bleibt uns noch eine Weile erhalten, denn dass in ihr noch das Leben pulsiert und sie voller Saft und Kraft steckt, kann man der hier vorliegenden CD entnehmen. 50 ist schließlich das neue 30 ...
(Christian Reder)