Markus Pfeffer: "All die Jahre" (Album)

pfeffer2018 20180606 2034377539VÖ: 20.07.2018; Label: RecordJet/Soul Food; Katalognummer: 4050215372030; Musiker: Markus Pfeffer (Gesang, Gitarre, Bass, Synth), Brian F. Daniels (Schlagzeug); Bemerkung: Dieses Album ist ausschließlich auf CD erschienen. CD Album im Jewel-Case mit 2-seitigem Booklet. Kein Abdruck der Texte;

Titel:
Irgendwann • All die Jahre • Lass mich in Ruh' • Zeit zu träumen • Inspiration • Viel zu heiß • Entleide Dich • Lasst Gitarren reden • Bereit • Neubeginn


Rezension:
Knapp ein Jahr nach der letzten WINTERLAND-Scheibe "Angekommen", beschreitet deren Gitarrist Markus Pfeffer nach 22 Jahren Bandarbeit und 30 Jahren Karriere (dieses Jubiläum feiert Pfeffer 2018 nämlich) erstmals Solopfade. Im Juli erscheint das erste Studioalbum des Kaiserslauterers. Erstmals ist er darauf auch als Lead-Sänger zu hören, wird dieser Posten am Mikro bei der Gruppe WINTERLAND bekanntlich ja anderweitig besetzt. "All die Jahre" heißt das Werk und erscheint am 20. Juli 2018 bei recordJet/Soulfood.

Die zu Texten zusammengeschraubten Phrasen zur Beschreibung von zwischenmenschlichen Ereignissen, mit denen uns Vertreter textlicher Belanglosigkeiten wie Max Giesinger, Mark Forster und Wincent Weiss regelmäßig versorgen, sucht man auf "All die Jahre" zum Glück vergeblich. Noch ein Album dieser Art hätte ich wirklich nicht mehr vertragen. Wenn Musik so ereignisarm wie die Castrop-Rauxeler Frühjahrskirmes am Samstagabend und so vorhersehbar wie das Erscheinen des Linienbusses nach dem Studium des Fahrplans ist, dann läuft richtig was falsch. Darüber singt und spielt uns Pfeffer mit der treibenden Rocknummer "Lasst Gitarren reden" auch ein Lied, denn darin prangert er diesen "Sing-Sang-Dreck" an und erinnert an die Zeit, als "Musik noch Kunst, und kein Junk und MP3" war. Für mich persönlich auch das stärkste Stück auf dem Album, weil er gerade inhaltlich damit bei mir offene Türen einrennt. Brettharte Gitarren reden hier nämlich zusätzlich eine deutliche Sprache, und der Name des Songs verspricht wahrlich nicht zu viel. Darum eröffne ich damit auch diese Rezension.
Im Opener "Irgendwann" verbindet der Musiker elektronische Sounds mit Rockmusik, ohne dabei als nächster ausgelatschte Pfade zu betreten. Hymnisch kommt der Song daher - hart und hämmernd knallen einem die Gitarren um die Ohren. Ein ansprechend arrangiertes Stück mit einem schönen Zwischenspiel im Mittelteil und über den Inhalt Aufbruchsstimmung verbreitend.
Wie man im Singer-Songwriter-Bereich operieren kann, ohne beim Hörer ob der sich immer wiederholenden Inhalte und standardisierten musikalischen Umsetzungen auf gähnende Langeweile zu stoßen, zeigt das Stück "All die Jahre". Hier wirft man - nach 30 Jahren Arbeit auf der Bühne auch völlig zurecht - einen Blick zurück und stellt die Frage, die sich sicher viele von uns schon mal gestellt haben, nämlich die, wo die Zeit geblieben ist. Verpackt hat der Musiker es in einem zwar für das Radio geeigneten, trotzdem aber mit vielen Details versehenen und ideenreichen Popsong mit Ohrwurmcharakter.
Eher rotzig und mit einer ordentlichen Kelle Punk klatscht uns Markus Pfeffer im Stück "Lass mich in Ruh'" die Aufforderung, mit dem "Scheiß in Ruhe gelassen" werden zu wollen, auf den Teller und bittet zu Tisch. Retro trifft auf Zeitgeist und beide heizen sich gegenseitig an. Ein Punk-Rock-Fetzer, der die müden Knochen zur Bewegung auffordert.
Eine Reise zurück in die 80er unternimmt man mit dem eher ruhig arrangierten "Zeit zu träumen", dem der markante Sound einer "edg'igen" U2-Gitarre innewohnt und mit dem der Hörer aufgefordert wird, wieder etwas mehr zu träumen und zu hoffen. Pfeffers Sprechgesang erinnert leider allzu sehr an Olli P. und weniger an Smudo und nimmt der Nummer so ein wenig den Reiz. Aber das ist eine Geschmacksfrage.
Erwähnen möchte ich noch die Instrumental-Nummer "Inspiration", die den Hörer ohne Inhalt und nur über die Musik dann wirklich sein eigenes Szenario im Kopf entwickeln lässt, sowie das ebenfalls komplett instrumental angelegte "Neubeginn", aus dem der Frühling förmlich in den Raum hinaus fließt. Sie liefern zu all der eh schon vorhandenen Abwechslung dann noch die ganz besondere(n) Note(n).

An die Stimme von Markus Pfeffer muss man sich stellenweise erst gewöhnen. Es gibt Songs auf der CD, die man mehrfach hören muss, bis man damit warm geworden ist. Hat man die Betriebstemperatur aber erstmal erreicht und einen Zugang gefunden, macht "All die Jahre" eine ganze Menge Spaß. Eben weil Markus Pfeffer abseits des sogenannten Mainstream seinen Koffer öffnet und eine musikalische wie inhaltliche Überraschung nach der anderen auspackt. Dabei wird sich herrlich erfrischend ein Ei darauf gepellt, dass man unfallfreien Radio-Pop abliefern muss, um damit ins Tagesprogramm der deutschen Stationen zu gelangen. Glatt und schmierig ist auf "All die Jahre" nämlich gar nix, und es rappelt und scheppert in schöner Regelmäßigkeit. Das ist Rock'n'Roll, das ist ehrlich, das ist ungeschönte Kunst im populär-musikalischen Bereich. Erwähnt werden sollte auf alle Fälle noch, dass bis auf den Text zum Song "Viel zu heiß" alle Kompositionen und Texte aus seiner Feder stammen und auch die Musik im Studio von ihm eingespielt wurde. Alle Instrumente hat er selbst gespielt, lediglich das Schlagzeug wurde von Brian F. Daniels bedient.
(Christian Reder)