Nadine Fingerhut: "Karussell" (CD Album)

fingerhut2017 20170813 1489285457VÖ: 04.08.2017; Label: D7/Membran; Katalognummer: 4260437270421; Musiker: Nadine Fingerhut (Gesang), Erik Regul (Schlagzeug, Percussion, Bass, Piano, Keyboard), Frank Wesemann (Gitarren, Gesang); Musik & Texte Nadine Fingerhut, Frank Wesemann, Erik Regul; Produzent: Erik Regul, Frank Wesemann; Bemerkung: CD in Plastikhülle (Jewel-Case). Abdruck aller Texte im Booklet;

Titel:
So viel mehr • Der Sommer wär' • Magneten • Alte Platten • Karussell • Auf dem selben Planeten • So soll es sein • Schön • Zuhause • Woher, wohin • Tiefer als das Meer • Wo sind die Jahre hin • Der Sturm (Duett mit Frank Wesemann)


Rezension:
"Es gibt noch so viel mehr Schönes auf der Welt" ... Diese Textzeile aus Nadine Fingerhuts neuem Album "Karussell" unterschreibe ich sofort. Immer wieder entdeckt man etwas, was einem das Leben schöner macht und die schlechte Laune vertreibt. Besonders, wer im Bereich der Musik abseits der inzwischen ausgefahrenen Straßen am Wegesrand die Augen bzw. Ohren aufhält, der findet nach wie vor echte Überraschungen. Zwar klingt in den aktuellen Charts vieles gleich und Songtexte sind so platt, dass sie einen 9-jährigen Rolf-Zuckowski-Fan inhaltlich nicht überfordern würden, aber - wie gesagt - einen Blick abseits der Küchentisch-Lyrik und 08/15-Einheits-Sounds vom Reißbrett und man findet reichhaltige Alternativen. Nicht unbedingt gemacht für die Masse, die inzwischen nicht mehr so den Anspruch hat, und auch nicht für die Charts, obwohl man sich als Künstler sicher nicht dagegen wehren würde, wenn man mit seiner Musik hoch hinaus käme, aber auf alle Fälle für Leute, die das Besondere schätzen und gern eintauchen in wohllautende Kreationen aus Worten und Noten. Eine dieser Entdeckungen am Wegesrand, und eine auf die all die eben getroffenen Beschreibungen voll zutreffen, ist die eben genannte Künstlerin mit dem ungewöhnlichen Namen. Hinter diesem Namen mag man zuerst vielleicht eine Moderatorin vom Kinderkanal vermuten, aber er gehört zu einer jungen Musikerin, die mit "Charme, Stimme und zauberhafter Pop-Poesie" (wenn ich diese voll auf den Punkt gebrachte Beschreibung aus dem Pressetext einfach mal klauen darf) auf sich aufmerksam macht.

Schon beim ersten Song "So viel mehr", aus dem ich gerade zitiert habe, fällt auf, dass die junge Frau aus Korbach/Vöhl keinesfalls darauf aus ist, sich in die Reihe der Glanzlosigkeit inszenierenden Vertreter eben dieser deutschen Charts zu stellen, wo eine/r wie der/die andere klingt. Dabei hat Nadine Fingerhut nicht die Art von Stimme, die man aus vielen heraushören würde. Im Gegenteil! Sie hat eine gute, ja sehr gute Stimme, aber eben eine ohne diese markanten Merkmale, wie sie eine Julia Neigel, Veronika Fischer oder die legendäre Tamara Danz hat(te). Aber sie hat in ihrer Stimme diesen Optimismus und diese unbeschreibliche Schwingung, die einen gleich erreichen. Und das tut sie schon mit den ersten Tönen. "So viel mehr" ist eine gelungene Midtempo-Nummer, die den Hörer sofort abholt, gleich im Ohr bleibt und schon beim ersten Hören den Wunsch erweckt, in den Refrain einzusteigen und das Mädel, das im Leben offenbar so viel Pech zu haben scheint, beim Singen zu unterstützen. Nach ihrer Optimismus verbreitenden Mutmacher-Hymne geht es inhaltlich quer durch das Leben. Im Song "Der Sommer wär'" macht sie zum Thema, dass im Leben zum Weiß auch das Schwarz, und zum Kalt auch das Heiß gehört. Darum, dass es dem einen nicht so toll gehen kann, während es zeitgleich für den anderen richtig gut läuft, geht es in "Karussell". "Im Schlachthaus dieser Stadt stirbt gerade Nummer 568 / Und der Mann im weißen Hemd hat seinen Fernseher angemacht / Sitzt gemütlich auf der Couch, isst 'nen Burger mit Pommes Frites", ist eine Textzeile darin, die sofort auffällt, aber nur eine der Lebensrealitäten ist, die hier gegenübergestellt werden. "Auf dem selben Planeten" ist Nadine Fingerhuts Statement zur Völkerverständigung und ihr Verständnis von Weltoffenheit. In dem Lied wird das Anderssein einer Person von weit her entdeckt und gleichzeitig die Neugier auf den Menschen, seine Art zu Leben und seine Gedanken. Keine Ablehnung, sondern reines Interesse am Menschen, der auf einem anderen Fleck dieser Erde geboren wurde. Die emotionale Heimatlosigkeit behandelt der Song "Zuhause" und eine endlose und unzerstörbare Liebe wird in "Tiefer als das Meer" beschrieben. Vom Gegenteil davon, nämlich über den Verlust und das Ende einer Liebe, wird in "Magneten" erzählt. Ebenfalls verloren ist die Zeit der Jugend, als vieles noch unbeschwert und leicht war, die im Stück "Wo sind die Jahre hin" behandelt wird. Inhaltlich deckt Frau Fingerhut also gleich mehrere Themen ab, ist nicht nur auf "Liebelei" in allen möglichen Aggregatzuständen fokussiert. Sie hat auch einen Blick für die Gesellschaft und die Themen, die über die Landesgrenzen hinaus gehen, übrig.

Neben ein bisschen Folk, einer Prise Country und einer Menge klassischer Rockmusik bieten Nadine Fingerhut noch viele Mosaikteilchen mehr den Boden, auf dem sie ihre gesanglichen Kunststücke vorführen kann. Dies tut sie ohne Ausnahme sehr souverän und gleichzeitig unverbraucht und voller Energie. Mal schnell, mal langsam sind die Lieder arrangiert, aber immer exakt so auf den Punkt gebracht, dass es den Inhalt unterstreicht. Jeder Song ist handgemacht, auf neckische Spielchen mit der Computer-Technik wurde verzichtet. Die Instrumente sind von Menschen gespielt, das alles klingt echt und authentisch. Es ist zudem sehr glaubhaft und zeitlos geworden, was da vom Silberling wohltönend in die Wohnstuben dringt. Nummern mit Kuschelfaktor reihen sich an tanzbare Popsongs, die alle Voraussetzungen für einen Hit mitbringen. Das Album beinhaltet nicht nur 13 Lieder, sondern auch das Versprechen, seine Hörer abzuholen und zu unterhalten. Es befindet sich nicht ein einziger Titel auf "Karussell", den man als Füllstoff bezeichnen könnte. Jeder einzelne Song ist ein Kunstwerk für sich. Qualitativ in Punkto Musik und Text auf einem ganz hohen Niveau. Alles Hits, wenn man so will.

Wer sich die CD gönnt und in einer ruhigen Minute mal zu Gemüte führt, wird durch sie mit positiver Energie ernährt und für viele Verbrechen einfallsloser Producer und Retortenmusiker der letzten Zeit entschädigt. Die Lieder versetzen den Hörer in dieses besonders warme Gefühl, das alles sehr gut nachvollziehen und sich in die Gedanken der Künstlerin hinein versetzen zu können. Man findet sowas also auch heute noch, und es gibt tatsächlich "noch so viel Schönes auf der Welt". Man muss es nur suchen, abseits der "Hauptstraßen" ...
(Christian Reder)






Videoclips:





 
 
 
 
 
 
 

   
   
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