SILLY - Frei von Angst (Kinofilm)

kino2016Premiere: beim 13. Festival des deutschen Films am 10.09.2017; Kinostart: 16.11.2017; Art: Dokumentarfilm; Lauflänge: 113 Minuten; Regie: Sven Halfar; Drehbuch: Peter Henning; Produktion: Stefan Paul, Torsten Bönnhoff


Rezension:
"Die ganze Show nochmal", so sagt es Ritchie im Trailer zum Film. Genau das denke ich mir jedes Mal nach den Silly-Konzerten und so geht es mir auch nach diesem Film. Regisseur Sven Halfar hat die Band im letzten Jahr nicht einfach ein Stück ihres Weges begleitet. Vor und während der Tour zum Album "Wutfänger" ist er Anna Loos, Uwe Hassbecker, Ritchie Barton und Jäcki Reznicek quasi nicht von der Seite gewichen. Kein Wunder, dass sich die Musiker - wie sie selbst sagen - irgendwann so an die Kamera und die ständige Verkabelung gewöhnt hatten, dass sie das Filmteam gar nicht mehr bewusst wahrgenommen haben.

Entstanden sind auf diese Weise etwa 200 Stunden Filmmaterial und es war ganz sicher eine Herausforderung, daraus einen Film von "nur" 113 Minuten Länge zusammenzustellen. Das Ergebnis ist mehr als eine Dokumentation zur bloßen Wissensvermittlung. Es ist eine emotionale Reise, die die Zuschauer in den Bandalltag und zu den Konzerten mitnimmt. Die Wutfänger-Tour bildet den filmischen Rahmen, der - ganz im Stil der Band - frei, natürlich und kreativ gestaltet wird. So bietet der Film aufschlussreiche Einblicke in den kreativen Prozess zur Entstehung des Albums sowie die Umsetzung vor und hinter den Kulissen.

Schon nach kurzer Zeit habe ich das Gefühl, Anna, Uwe, Ritchie und Jäcki direkt über die Schulter zu sehen - ob in der Produktionsphase, bei der Studioarbeit, beim Fotoshooting, im Probenraum, bei der Tourvorbereitung, beim Soundcheck, bei den Ritualen vor dem Konzert oder der Kritik danach. Die Musiker steigen auch dann nicht aus, wenn es ans Eingemachte geht. In einigen Momenten ist durchaus spürbar, dass sie lieber allein gewesen wären und manchmal klinken sie sich tatsächlich aus. Bei dem reichlich vorhandenen Rohmaterial wäre es ein Leichtes gewesen, solche Sequenzen auszusparen. Dass sie genau das nicht getan haben, macht für mich den Charakter des Films aus - persönlich, ehrlich und ungeschminkt, im wörtlichen wie im übertragenen Sinne. Genau so, wie ich die Musiker selbst kennengelernt habe.

"Frei von Angst" zu sein ist durchaus hilfreich, wenn man sich wie Silly inzwischen fast vierzig Jahre im Musikgeschäft bewegt und dort eigene Spuren hinterlassen will. Wobei "Frei von Angst" nicht meint, keine Manschetten mehr zu haben oder nicht mehr aufgeregt zu sein. Es geht vielmehr darum, weiter nach vorne zu gucken und Neues auszuprobieren. Genau das war schon immer typisch für Silly, wie Jäcki in einer der Interviewsequenzen erzählt. Und Ritchie setzt noch einen drauf, als er sagt, dass Silly früher wie heute provoziert haben, immer wieder etwas anderes zu machen. Selbst auf die Gefahr hin, dass es möglicherweise floppt. Auch wenn es nicht immer leicht war oder ist - das Risiko, dass ihre Songs nicht allen gefallen, nehmen sie in Kauf. Wichtiger ist ihnen, das zu tun, was ihnen selbst am meisten entspricht und sie als Band weiterbringt.

Der Zusammenschnitt aus Konzerterlebnissen, Gesprächen im Probenraum und auf Tour, Erlebnissen und Erzählungen aus der Bandgeschichte ist für mich wunderbar gelungen. So zeichnet der Film ein hautnahes, lebendiges Porträt der Band, zeigt die musikalische und die persönliche Seite. Selbstverständlich ist auch die Bandgeschichte mit Tamara Danz Bestandteil des Films. Schließlich war sie nicht nur wesentlicher sondern vor allem auch prägender Charakter für Silly. Die gemeinsamen musikalischen und persönlichen Erfahrungen haben sie zusammengeschweißt und zu der Band gemacht, die sie heute sind. Die Erinnerungen und Momentaufnahmen berühren noch immer - sei es Tamaras spezielle Art, ihr Gesang oder die Bilder von ihrem weißen Sarg. So wie es in den Gesprächen mit Uwe, Ritchie und Jäcki zu spüren ist, empfinde ich es auch selbst. Doch der Fokus des Films liegt klar auf dem Hier und Heute der Band. Da gibt es kein "was wäre wenn" oder "was hätte sein können". Eine andere Option gibt es auch nicht - als genau das zu tun, was der Überzeugung der Vier entspricht.

"Frei von Angst" ist für mich ein Film, der berührt, ohne rührselig zu sein. Ein Film, der informativ und unterhaltsam ist, ohne banal zu sein. Eine gelungene Kombination aus lauten und leisen Momenten, aus Adrenalin und Zweifeln, aus Freude und Nachdenklichkeit. Ein Film, bei dem ich gelacht und geweint, gelauscht und mitgesungen, Neues erfahren und mich an Erlebtes erinnert habe. Für mich eine prima Gelegenheit, meine eigene "Silly-Geschichte" zu feiern und einmal mehr dem Freund zu danken, der mir im Oktober 1987 die Band und ihr damaliges Album "Bataillon d'Amour" ans Herz gelegt hat. Den Freund habe ich inzwischen aus den Augen verloren, die Musik und die Band hingegen nicht.
(Grit Bugasch)






Trailer:







   
   
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