dreidamen16 20161017 2078866044 Titel:
Interpret:
Label:
VÖ:

Inhalt:
"Träum weiter"
Die drei Damen
enja
14. Oktober 2016

1. Wunsch
2. I dad di scho meng
3. Liebeslied an die Cote d'Azur
4. So samma im Sommer
5. Stückerl vom Paradies
6. Männer
7. Sternenhimmel
8. S' Leben
9. Wenn ich reich wär
10. Warten
11. Unbekannte
12. D'Sunn
13. Gehst du mit mir





Wenn eine CD auf dem renommierten unabhängigen Jazzlabel enja erscheint, darf man zu Recht eine Produktion erwarten, die auf dessen Anspruchsskala ganz oben steht. Nach ihrem Debütalbum aus dem Jahr 2014 legten Lisa Wahlandt, Andrea Hermenau und Christiane Öttl nach und träumen weiter. Ob sich die Träume erfüllen werden, lassen wir zunächst mal dahingestellt.

Wer sind die drei Grazien, die ihre Texte in perlenden Jazz mit vielen Facetten und tollen Melodien einbetten? Lisa Wahlandt kommt aus dem bayerischen Rottal und genoss ihre Gesangsausbildung am Bruckner Konservatorium in Linz/Österreich. Dazu noch ausgerüstet mit einem Stipendium für die "Manhattan School of Music" in New York. Sie gründete die Formation und holte die Münchner Pianistin und Sängerin Andrea Hermenau mit ihrem Improvisationstalent ins Boot. Auch hier wurde ein beeindruckendes musikalisches Fundament am "Richard-Strauss-Konservatorium" gelegt. Die dritte im Bunde wurde die Bassistin, Sängerin und Dozentin Christiane Öttl aus Passau, die auch auf europäischen Konzertbühnen nicht nur mit ihrem swingenden Bassspiel, sondern auch mit anderen Instrumenten absolut überzeugt. Natürlich fragt man sich: Funktioniert das – Bayerisch, jazzig und weiblich? Eine Aussage von Lisa Wahlandt, was den Reiz der Band ausmacht, präzisiert einige Punkte. Sie schreibt:
„Der Reiz unserer Musik liegt in der Kombination der vielfältigen Einflüsse. Stilistische Grenzen setzen wir uns beim Komponieren nicht. Wichtig ist nur die Aussagekraft und das Gefühl eines Songs. Wir lieben die Herausforderung, auch ohne komplexe Instrumentierung dichte Atmosphäre und Stimmung zu entwickeln“.

Alle Texte, ob hochdeutsch oder im Dialekt, kann man im Booklet mitlesen. Bis auf zwei sehr bekannte Coversongs. Die ersten drei Songs („Wunsch“, „I dad scho meng“ = „Ich täte schon mögen“ und „Liebeslied an die Cote d’Azur“) sind in Ichform gehalten. Warum? Weil sich die drei Damen im Sommer 2015 auf eine Südfrankreich-Reise begaben und im Flair der Fünfziger Jahre an der Cote d’Azur hängenblieben, wie es im Booklet nachzulesen ist. Und so entstand auch die Idee zu diesem Album. Wünsche werden im ersten Song mit Bass- und Klavierbegleitung zahlreich geäußert. Nicht gerade bescheiden, wenn man z.B. ein Superstar wie Lady Gaga sein oder sich einen reichen Mann angeln möchte. Die Einsicht kommt später, dass Wünsche schon realistisch sein müssen. Jedenfalls ist es ein netter Einstieg mit viel Sprachwitz.
Nach dem hochdeutsch gesungenem Intro folgt mit „I dad di scho meng“ (Ich täte dich schon mögen) eine flotte Dialekt-Nummer. Herrlich phrasierende, oft vielfach wiederholte Lautmalereien („I dad di“) vermitteln den Eindruck, als handele es sich um eine eigene Sprache. Natürlich kommt jetzt ein weiterer Teil des Südfrankreich-Urlaubs zum musikalischen Aufarbeiten. „Liebeslied an die Cote d’Azur“, das vom Genießen am „Boulevard der Träume“ handelt, mit Chansons von Charles Aznavour als Hintergrundmusik. Eine Hommage im Calypso-Stil.
„So samma im Sommer“ handelt ganz banal vom Chillen und Grillen und spielt wieder gekonnt mit den lautmalerischen Möglichkeiten des bayerischen Dialektes.
Einfach zauberhaft wird das innige, sehnsuchtsvolle Liebeslied „Stückerl vom Paradies“ zelebriert, das ein glücklichen Paar beschreibt, deren Herzen im Gleichtakt schlagen.
Dann folgen zwei Coversongs, zu denen ich eine sehr gespaltene Meinung habe. Herbert Grönemeyer beschrieb ja die Männerwelt in „Männer“ aus seiner Sicht mit allen ihnen anhaftenden Schwächen. Seine eigene Interpretation im stets ungewöhnlichen Gesangsstil bekommt man nicht mehr aus dem Kopf, so dass die Version der Damen zwar jazzig perfekt in die Gehörgänge fließt, aber ebenso schnell wieder hinaus flüchtet. Authentizität verbinde ich genau so mit dem „Sternenhimmel“ von Hubert Kah. Dieser Song der Neuen Deutschen Welle aus dem Jahr 1982 hat sich ebenfalls im Original so tief eingegraben, dass jede auch noch so gut gemeinte Coverversion entbehrlich ist. Klar, handwerklich ist alles vom Feinsten.
Dreigesang leitet das „Warten“ ein. Mit einem wahrlich atemberaubend schönen Text. Eine sehnsuchtsvolle, melancholische Jazzballade um einen verloren geglaubten Freund und dem vagen Hoffnungsschimmer, dass er zurückkehren möge. „Ach könnte ich Momente doch in Gläser sperrn/damit sie dann für immer endlich mir gehörn/und nicht nur aus geliehner Zeit bestehen“. Zur Komposition „Unbekannte (Für Rebekka“). Hier fehlen mir fast die Worte. Poesie pur. Für mich DER Song mit Gänsehautcharakter: „Im Licht der Welt anders ergriffen/sehe ich glühende Sonnen/an Deinen Lippen klangblitzen“.
„Gehst du mit mir“. Solche oder ähnlich gehaltvolle Songs muss man andernorts mit der Lupe suchen. Der letzte Song „Gehst Du mit mir“ passt ideal in dieses Schema.

Eine Scheibe mit vielen lyrischen Elementen, die zum Träumen einlädt und die man auch mit geschlossenen Augen genießen sollte – schon alleine wegen des Kopfkinos, das sich garantiert meldet. Edle Klangqualität unterstreicht noch dieses Erlebnis.
(Gerd Müller)