keimzeitzus1 20140401 1584477621 Titel:
Interpret:
Label:
VÖ:

Titel:
"Zusammen"
Keimzeit & Filmorchester Babelsberg
comic helden/edel Records
25. April 2014

1. Leuchte, Leuchte, Leuchtturm
2. Maggie
3. Seltsamer Vogel
4. Singapur
5. Ein schöner Tag
6. Flugzeuge
7. Breit
8. Zweiundzwanzig
9. Rohfassung
10. Valentinstagsblumen
11. Picassos Tauben
12. Kling Klang
13. Gold für einen Ring
14. Der verkaufte Kasper
15. So





Viel zu schön ...
Die Frage, welche Rockband als erstes auf die Idee kam, sich mit einem klassischen Orchester zusammen zu tun und eine Mischung aus Rock und Klassik auf Vinyl oder die Bühne zu bringen, wurde schon oft gestellt. Vielleicht sagt dem einen oder anderen Leser das "Concerto for Group and Orchestra" noch etwas. Der klassisch ausgebildete Jon Lord hatte es komponiert, sein Bandkollege Ian Gillan schrieb die Texte dazu und gemeinsam mit ihrer Band DEEP PURPLE und dem Royal Philharmonic Orchestra unter der Leitung von Malcom Arnold in der Royal Albert Hall zu London aufgeführt. Der Mitschnitt dieses Konzerts wurde im Dezember '69 als Live-Album veröffentlicht. Zwar gab es schon vorher Bands, die in ihre Arrangements klassische Instrumente eingebaut haben, aber die eben erwähnte Aufführung und die Platte waren die erste Verbindung von Rockmusik mit einem kompletten Orchester überhaupt. Kennern muss man von der Faszination dieser Platte sicher nichts mehr vorschwärmen. Es ist ein Meilenstein der Musikgeschichte und gehört meiner Meinung nach in jeden Musikunterricht. Dem Beispiel von DEEP PURPLE folgten in den Jahren und Jahrzehnten drauf einige andere Kapellen. Viele große Namen, wie z.B. die Scorpions aus Hannover oder OMEGA aus Ungarn "crossoverten" ihre Songs munter mit Orchestern auf Bühnen und Tonträgern. Mit der Konzert-Reihe "Ostrock in Klassik" zog sogar fast eine komplette Musikszene über die Lande und präsentierten ihre Hits in einer Mischung aus Rock und Klassik. Nicht jede Umsetzung hat einen bleibenden Eindruck hinterlassen. Manche (z.B. OMEGA) bleiben einem aber im Gedächtnis, weil die Verschmelzung der Musikrichtungen einfach perfekt gelungen ist. Ein solches Unternehmen ist nun auch die aus Brandenburg stammende Gruppe KEIMZEIT angegangen, und hat zusammen mit dem Filmorchester Babelsberg das Album "Zusammen" aufgenommen.

Nun lässt sich KEIMZEIT ganz sicher nicht mit DEEP PURPLE vergleichen. Die Stilistiken des Rock sind ganz andere und auch der Vergleich mit OMEGA will nicht richtig passen. Aber wer die Musik der Gruppe KEIMZEIT kennt weiß, dass sich diese anderer Einflüsse des Rock bedient, um ihre Geschichten und Botschaften zu transportieren. Als ich von der Kooperation der Gruppe KEIMZEIT mit dem Deutschen Filmorchester Babelsberg und der gemeinsamen CD "zusammen" - so heißt das gute Stück nämlich - erfahren habe, wusste ich komischer Weise sofort, dass das nur gut gehen kann. KEIMZEIT steht für mich seit vielen Jahren für tief ins Innere gehende Musik, niemals ausgehende Ideen und den Anspruch an seine Hörer, der Musik aufmerksam zuzuhören und in sie einzutauchen. Wo sollte sowas besser harmonieren als bei KEIMZEIT? Schon beim ersten Hören dieser CD fiel mir auf, dass hier kein Streicher-Ensemble im Hintergrund vor sich hin fiedelt und vorne tobt sich eine Band aus, sondern hier ist eine Einheit zu hören, die dem Begriff "Crossover" eine völlig neue Bedeutung gibt. Bei den 15 Liedern der CD wird nichts "überkreuzt" oder gar "überfahren", sondern es wird gemeinsam Musik gemacht und gelebt. Die Elemente werden punktgenau miteinander verwoben und lassen so eine angenehme Mischung entstehen, die den einzelnen Liedern nicht nur einen neuen Glanz verleiht, sondern teilweise auch etwas ganz Neues wachsen lässt.

So z.B. beim Stück "Maggie". Ist das Original fast ein reiner Jazz-Song, ist das Arrangement der Version mit dem Filmorchester Babelsberg eine luftig-leichte, fast schon an Swing grenzende und mit Anflügen von südamerikanischen Einflüssen versehene Nummer, auf die auch Frank Sinatra hätte singen können. Man entdeckt den '91 Hit der Band völlig neu und in einem ganz anderen Sound. Nicht ganz so groß sind die Unterschiede bei "Seltsamer Vogel" vom 2009er Album "Stabile Währung Liebe". Hier könnte man eher von einer alternativen Version sprechen, denn von einem Komplettumbau. Man empfindet es aber trotzdem nicht als schlecht oder gar enttäuschend, denn es fügt sich an die anderen Lieder an und will gar nicht weiter verändert werden.
Die ganze Schönheit des inzwischen auch schon 23 Jahre alten Songs "Singapur" bekommen wir auf dieser CD ebenfalls geboten. Diese wunderbare Ballade - übrigens vom gleichen Album wie das zuvor gehörte und komplett anders klingende "Maggie" - klingt so tief und kraftvoll, dass es meinen Standard-Spruch, "Ein Original kann man nicht besser machen", komplett über den Haufen wirft und spielend leicht widerlegt. Anfangs nur mit Klavier gespielt, dazu der Gesang von Norbert Leisegang, schließen sich sacht die Streicher an. Im mittleren Teil des Stücks werden die Streicher lauter, Schlagzeug und E-Gitarre steigen mit ein. Spätestens hier sollte auch dem nur oberflächlich lauschenden Hörer die Gänsehaut wachsen. Ein absolutes Highlight dieser CD!
Neben den überraschenden neuen Ideen für KEIMZEIT-Lieder der vergangenen 30 Jahre, wird das Album durch die Songauswahl zum echten Abenteuer. Klassiker aus der Anfangszeit stehen gleichberechtigt und wie aus einem Guss neben Liedern aus der Zeit des Jahrtausendwechsels und der jüngeren Vergangenheit. Dazu passend hat die Band auch zwei Neue Lieder eingespielt, die sich harmonisch ins Gesamtwerk einfügen. Zum einen ist es das Lied "Rohfassung". Fast wie für einen James Bond-Film geschrieben und arrangiert kommt das Stück daher. Einzig der Gesang von Shirley Bassey fehlt, dafür ist aber der von Norbert Leisegang da, der diese Nummer auf seine unverwechselbare Weise interpretiert. Auch hier sind zuerst nur Klavier, Streicher und Norberts Gesang zu hören, und im Verlauf steigert sich das Ganze mit Schlagzeug, E-Gitarre und dem vollen Einsatz des Orchesters, hin zum bombastischen Ende. Der zweite neue Titel heißt "Der verkaufte Kasper" und dabei handelt es sich um ein komplett klassisch arrangiertes Stück. Wie in einem vertontem Märchen beginnt Leisegang vom schlauen Kasper zu erzählen, den er - weil er ihm zu nah war - verkauft hat. Streicher, Harfe, Oboen, Flöten und Akustikgitarre sind zu hören, die dem Sänger den passenden Klangteppich liefern.
Erwähnt werden sollten auf jeden Fall noch die beiden Stücke, für die sich KEIMZEIT gesangliche bzw. "sprechende" Verstärkung dazu geholt haben. "So" ist einer dieser Songs mit Gastvokalist. Die als Slow-Blues mit Orchester arrangierte Nummer wird in der neuen Fassung von Felix Meyer, dem Hamburger Sänger und Texter, der im Bereich Pop und Chanson zu Hause ist, gesungen.keimzeitzus2 20140401 1895247766 Der zweite Titel ist der in Jazz-Form arrangierte Titel "Gold für einen Ring", in dem Synchronsprecher Oliver Rohrbeck (Die drei ???, Synchronstimme u.a. für Ben Stiller) die Sprach-Teile und Norbert Leisegang die Gesangsparts übernommen haben. Beide überraschen den Hörer durch ihre Machart und das geschickte Händchen bei der Auswahl der musikalischen Gäste. Natürlich sind das nicht alle Songs, die auf der CD und der audiophilen Vinyl-Ausgabe enthalten sind, aber hier möge sich der Leser selbst überraschen lassen, was aus alten und neuen Liedern geworden ist, nachdem sie von der Band zusammen mit dem Orchester neu arrangiert wurden.

"Zusammen" ist ein Album, das genau das liefert, was auch drauf steht. Eine gemeinsame Arbeit. Eine Verschmelzung von verschiedenen Stilen zu einem neuen, spannenden und teilweise auch überraschenden Stil. Hier kämpfen nicht Orchester und Band um den Platz im Vordergrund, sondern gehen Hand in Hand auf Entdeckungsreise, was gemeinsam geht. Mehr noch ... es wird sich gegenseitig unterstützt. Das macht ein "Zusammen" aus, und hier wird es gelebt und erlebt. Das Album ist nichts für das "Tagesgeschäft". Man kann es ... nein ... man DARF es nicht nebenbei hören. "Zusammen" ist ein Album, das man sich in einer ruhigen Stunde - vielleicht zu einem Glas Wein - auflegen und genießen sollte. Es braucht Ruhe und Zeit. Es will entdeckt und erlebt werden und gibt erst dann seine Geheimnisse und seinen ganzen Reiz preis. Viel zu schön, um zwischen Tür und Angel laufen gelassen zu werden und ganz sicher kein Album, das heruntergeladen werden sollte! Ich empfehle auf jeden Fall die Schallplatten-Ausgabe, denn Plattenhören ist ein anderes Musikhören.
(Christian Reder)


 

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Videoclip:

Making of "Zusammen" von Ulle Sende




   
   
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