puhdysheilige 20131030 1911655131 Titel:
Interpret:
Label:
VÖ:

Titel:
"Heilige Nächte"
Puhdys
Polydor/Universal
1. November 2013

1. Und er lauscht dem Melodien
2. All diese Jahre
3. Halleluja*
4. Am Ende aller Wege
5. Stolz
6. Mach Dir um mich keine Sorgen
7. Stille Heilige Nacht*
8. Dezembernächte*
9. Heimkehren
10. Ich seh Dich, hör Dich, fühl Dich
11. Weihnachten war damals spektakulär*
12. Dezembertage*
13. Öffne mein Herz
14. Morgendämmerung
15. Große Herzen*
16. Gemeinsam stark
 
* = Neue Version









Nein, ich bin kein Freund von saisonaler Musik. Bei Karnevalsmusik wünsche ich mir jedes Jahr im Februar, jemand würde von hinten kommen und mir einen Bleistift ins Ohr rammen, damit endlich Ruhe herrscht. Auch Fußball-Hymnen, die wir vor jeder EM und WM inflationär angeboten bekommen, bereiten mir grundsätzlich Schmerzen. Nicht nur, dass sie inhaltlich oft einfach nur peinlich sind, sie haben alle das gleiche Strickmuster - und das schon seit Jahrzehnten. Noch schlimmer, als diese Art Musik, ist nur noch die Weihnachtsmusik. Ich meine nicht die traditionellen Lieder, die wir alle in der Schule und in der Kirche selbst noch gesungen haben. Ich meine die der Pop- und Rockbands dieser Welt und die vom Ami-Land eingeschleppten Lieder. Wer bitteschön braucht denn die 427. Version von "Silent Night" oder die 318. von "Rudolph the red nosed Reindeer"? Gefühlt jeder, aber wirklich jeder BRAVO-Popstar und auch die "Stars" aus der Welt der Schlager- und Volksmusik haben diese und andere Nummern inzwischen schon aufgenommen, um sie pünktlich zur Adventszeit auf einem eigens für Weihnachten vorgesehenen Album zu präsentieren. Denken wir nur an dieses gruselige Werk von Andrea Jürgens aus den späten 70ern, für das man ihr noch heute gerne den Hosenboden strammziehen möchte. Oder diese unsägliche Jammerei von den New Kids On The Block, bei der man nicht weiß ob die Jungs da im Studio einer verhauen hat oder ob die Weihnachtslieder wirklich nur so "leidend" interpretieren können. Die Liste der Täter ist lang und diese Idee mit den Weihnachtsplatten ist auch keine Erfindung der letzten Jahre. Aber von einer Rockband brauche ich neu eingehustete Weihnachtslieder absolut nicht. Nicht jede Band bekommt das schließlich so gut hin, wie SLADE ("Merry Xmas Everybody", 1973), John Lennon ("Happy X-Mas (War is over", 1971) oder Frankie Goes To Hollywood ("Power of Love", 1984). Da finde ich die Idee von den PUHDYS, eine CD für eine bestimmte Phase im Jahr, nämlich die von Herbst bis zur Schneeschmelze, zu machen, wesentlich interessanter. Am kommenden Freitag (01.11.2013) erscheint bei Polydor/Universal ihr Album "Heilige Nächte".

Nach den "Dezembertagen" (2001) und "Dezembernächten" (2006) nun also die "Heiligen Nächte". Das Cover kommt als Fortsetzung von "Es war schön" daher. Die vom Grün überwucherte Gitarre, die beim Vorgängeralbum auf der Rückseite zu sehen ist, ist jetzt vorn in eingeschneiter Form drauf. Insgesamt hat das Artwork mit seinem Sternchenhimmel und dem Schnee ein bisschen was von Rolf Zuckowski und ich muss zugeben, dass ich beim ersten Blick auch ein bisschen Angst bekommen habe, dass uns die PUHDYS hier womöglich was über die "Weihnachtsbäckerei" vorsingen würden. Tun sie erfreulicher Weise aber nicht, das Cover ist eine "Mogelpackung". Die "Heiligen Nächte" starten mit dem Stück "Und er lauscht den Melodien". Quaster singt uns ein Lied darüber, dass es zu Weihnachten um das besondere Gefühl geht und dass man dieses auch haben kann, wenn man nicht so viel Reichtum hat. Es geht um einen Mann, der am Weihnachtsabend "den Melodien lauscht" und sich über die weihnachtlichen Abläufe und Traditionen freut, wie zum Beispiel, dass die jährliche Messe abgehalten wird und aus der Kirche die Chöre klingen, dass die Straßen wie leergefegt sind, weil alle bei ihren Familien sind. Er erfreut sich an Kleinigkeiten, die wir in unserem Konsumwahn und der Hatz durchs Leben oft übersehen oder gar nicht mehr wahrnehmen. Schönes Thema, schöne Botschaft, schöne Umsetzung.
Die Single "All diese Jahre" ist ja schon eine Weile auf dem Markt. Der Song selbst hinterlässt nach dem Hören bei mir nicht wirklich einen bleibenden Eindruck. Den hätten beispielsweise auch der Graf von UNHEILIG oder Helene Fischer prima singen können. Er ist beliebig und hat nicht wirklich was mit den PUHDYS zu tun. Im Gegenteil, auf einem PUHDYS-Album wirkt er eher wie ein Fremdkörper, weshalb mir ja für das komplette Album schon angst und bange wurde. Dafür hat das Gesangs-Duo Quaster & Tochter Kimberly einen dicken Pluspunkt verdient. Quasters unverwechselbare Stimme wird in dem Stück durch die seiner Tochter ergänzt. Und Kimberly erinnert stimmlich sehr an Melanie C. von den SPICE GIRLS. Das ist mir beim ersten Hören gar nicht aufgefallen, aber jetzt, nachdem ich die CD über Kopfhörer gehört habe, macht sie mir Spaß. Sie hat diesen Wiedererkennungsfaktor in sich und bildet zusammen mit der Stimme vom Herrn Papa eine gut harmonierende Einheit. Eigentlich haben die beiden den Song mit ihrem geleisteten Beitrag gerettet, denn musikalisch ist er alles andere, als überzeugend.
Es folgt mit "Halleluja" ein Song vom 2001er Album "Dezembertage". Musikalisch überarbeitet und neu eingespielt kommt er daher, hat aber all das, was schon beim Original überzeugt hat. Es ist einer der Songs, die so typisch für die PUHDYS sind. Maschine als Sänger, das Arrangement mit dem PUHDYS-eigenen Sound, den man nicht beschreiben, aber irgendwie fühlen kann, dazu ein flotter Beat und ein gelungener Refrain. So einfach ist es, einen tollen (PUHDYS-)Song zu machen. Neben "Halleluja" haben es auch noch die überarbeiteten Versionen der Lieder "Weihnachten war damals spektakulär" und "Dezembertage" (alle von "Dezembertage", 2001) sowie "Dezembernächte", "Große Herzen" und "Stille heilige Nacht" (alle "Dezembernächte", 2006) auf das neue Album geschafft, die allesamt von Maschine gesungen werden. Dazu muss man nicht mehr viel schreiben, denn der Fan kennt und liebt diese Lieder. Bleiben wir darum mal bei den neuen Songs, die eigens für diese Scheibe geschrieben wurden und die man daher noch nicht kennt. Immerhin sind es 11 an der Zahl.
"Am Ende aller Wege" ist eines davon. Eine sehr gelungene und besinnliche Ballade, deren Interpretation ich doch lieber den Hörern überlassen möchte, denn er lässt so einige Möglichkeiten zu. Glaubt mir, es wird Euch gefallen!
Ebenso berührend ist das Stück "Stolz". Es sind die Worte eines Vaters an seinen Sohn, die von Quaster gesungen in Lied-Form verwandelt wurden. "Es geht der Tag so geht das Jahr / So geht ein Leben hin / Und ich will Dir heut nur sagen / wie stolz ich auf Dich bin", lautet die Refrain-Zeile und das Lied dürfte den einen oder anderen Vater im Land vielleicht auch mal wieder dazu bringen, diese Worte an den eigenen Nachwuchs zu richten. Das kann man ja schließlich nicht oft genug tun, auch wenn man es im Alltag wahrscheinlich vergisst. Die nun kommende Zeit, besonders Weihnachten, gibt dazu aber wieder reichlich Gelegenheiten.
Mindestens genauso berührend ist das Lied "Heimkehren", dessen musikalische Umsetzung und der Text beim Hören eine unbeschreibliche Wirkung auslösen. Allein die Textzeile "... wenn ein Sturm aufzieht, Deine Welt in Trümmern liegt / Kann ich nichts dafür, doch ich steh direkt hinter Dir" hält in Verbindung mit der Musik für den Hörer einen von vielen Gänsehautmomenten bereit. Unbeschreiblich gut gemacht!
"Ich seh Dich, hör Dich, Fühl Dich" ist dann ein weiterer Song, der etwas flotter zur Sache geht, ohne es zu übertreiben. Und halt ... stopp ... ist das nicht Klaus Scharfschwerdt, der da singt? Jawoll, das ist er. 30 Jahre nach der "TV-Show" klettert Klaus von seinem Schlagzeug-Schemel und stellt sich wieder ans Mikro. Wenn man das Stück hört, fragt man sich: Warum hat er das nicht schon öfter gemacht? Ein echt gelungenes Lied, bei dem nicht nur das Wiederhören mit Klaus Spaß macht, sondern bei dem auch der Song und der Text auf ganzer Linie überzeugen.
Ebenso einen Hauch von Deutschrock versprüht das Stück "Öffne mein Herz", mit seiner wunderschönen, Bilder vor das innere Auge zaubernden, Poesie aus der Feder von Michael Sellin ("Ich seh wie der Schneewind die Straße fegt / Zwei kleine Flocken sind wir / Zwei kleine Tänzer auf einem Weg / Der sich im Dunkeln verliert"). Für mich eins der Highlights auf der neuen CD.
Mit "Morgendämmerung" gibt es noch eine weitere Ballade und "Gemeinsam Stark" als letzter Song der CD könnte zu einer Hymne werden. Es wird die Frage gestellt, ob man zu Weihnachten eigentlich guten Gewissens noch Glück empfinden kann, wenn man sich das Leid vieler Menschen in der Welt anschaut. Diesen Moment hat sicher jeder von uns irgendwann an den Adventstagen oder den drei Weihnachtstagen. Man wird ja bei der medialen Flut und immer näher ans Geschehen herangehender Berichterstattungen auch irgendwie den Eindruck nicht los, dass es im Laufe der Zeit schlimmer, statt besser wird. Der Refrain wird von einer Schar Sängerinnen und Sänger gesungen, u. a. hören wir neben Quaster nochmals Kimberly "Melanie C." Hertrampf, Jocelyn B. Smith und viele andere, die den Chor mit der Botschaft "Gemeinsam Stark" bilden. Die PUHDYS haben mit diesem Lied einen Aufruf zum Umdenken geschaffen, der sicher nicht nur zur Weihnachtszeit an uns alle gerichtet werden kann.

Ich habe ja eingangs schon zugegeben, dass ich nach dem ersten Hören der Single "All diese Jahre" nicht mit einem so guten Album gerechnet habe. "Heilige Nächte" ist anders, als alles, was man bisher von den PUHDYS kannte. Fast alle neuen Titel tragen eine deutliche Handschrift ihrer kreativen Schöpfer. Das sind hauptsächlich Rainer Oleak als Komponist und Michael Sellin als Texter, die für sechs Songs eine bemerkenswerte Teamarbeit abgeliefert haben. Diesen Songs fehlt zwar der eingangs schon erwähnte, typische PUHDYS-Sound, aber das macht die Musik nicht weniger attraktiv. Es zeigt die Band mal auf eine ganz andere Art und auch diese steht ihnen nicht schlecht. Meine Befürchtung war, dass man mit der neuen Platte womöglich eine Bewerbung für Florian Silbereisens volkstümliche Horrorshow oder vergleichbar seichte Formate abliefern würde. Aber weit gefehlt! Auch wenn "Heilige Nächte" kein richtiges Rockalbum ist, und das wohlgemerkt mit Absicht, so ist es aber trotzdem auch weit weg vom Kitsch oder von klebrigen Schlager-Ergüssen. Balladen mit richtig guten Texten sind zu hören, dazu flott arrangierte Nummern, die ein weiteres Element zu einer abwechslungsreichen CD liefern. Sie stehen gemeinsam nebeneinander und erlauben es sogar, ein paar der älteren Lieder von den "Dezember"-Alben neben sich zu stellen, ohne wie Gegensätze zu wirken. Trotz all dieser durchaus positiven Dinge, glaube ich in dieser Platte einen Riss entdeckt zu haben. Quaster leiht allen neuen Songs seine Stimme. Ich kann mich nicht erinnern, dass es ein anderes PUHDYS-Album gibt, auf dem die Verteilung so in Richtung Quaster geht, als hier. Maschine ist lediglich bei seinen eigenen Kompositionen, die hier als Remakes bzw. Neuaufnahmen zu hören sind, als Sänger aktiv. Es scheint unübersehbar, dass er sich mit den Liedern aus fremder Feder nicht hat anfreunden können. Wie sonst ist es zu erklären, dass er davon nicht ein einziges singt? Birr scheint der Rocker bei den PUHDYS zu sein, der es unter einem gewissen Prozentsatz Strom-Gitarren-Sound wohl nicht machen will. Ist das der Grund, warum für das Frühjahr 2014 ein Soloalbum von ihm angekündigt ist? Wie dem auch sei: Das Album ist eine positive Überraschung, weil es die PUHDYS eben mal anders zeigt. Gerade Sellin und Oleak haben die Band mit ihren Ideen auf einen neuen Weg geführt, der für manche vielleicht zu glatt scheint, der bei genauerem Hinhören aber richtig Spaß machen kann. Ob die Band im Anschluss an dieses Album und die Tour diesen Weg weiter gehen wird, oder ob die nächsten Songs wieder allesamt aus der Kreativgemeinschaft Birr/Meyer stammen werden, wird uns die Zeit beantworten.
(Christian Reder)




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