haase2013 20130809 1727997685 Titel:
Interpret:
Label:
VÖ:

Titel:
"Alles was gut ist"
Christian Haase
SPV
30. August 2013

1. Verlieben macht blöde
2. Sag nichts
3. Mit anderen Augen
4. Die Irren
5. Kompass nach Süden
6. Alles was gut ist
7. Nicht das Wahre
8. Hey mein Engel
9. Herzbruch
10. Tomatensaft
11. Wieso und weswegen
12. Schwarzer Mann
13. Wenn man liebt





"Alles was gut ist hier und jetzt ..."
Völlig überraschend kommt für mich die Frage nach einer CD-Rezension und schon aus Neugier sage ich ziemlich spontan zu. Ich bin wieder einmal gespannt wie ein Flitzebogen. Zum Glück verkürzt sich auf diese Weise völlig unerwartet meine Wartezeit, denn bei mir funktioniert das Geschäft mit der Neugier immer noch bestens.

"Alles was gut ist", heißt das neueste Werk von Christian Haase, das ab dem 30. August offiziell erhältlich sein wird. Der Albumtitel klingt schon mal sehr vielversprechend. Und irgendwie auch ganz schön selbstbewusst. Natürlich kann ich es nicht abwarten und muss, obwohl ich eigentlich gar keine Zeit habe, gleich nebenbei reinhören in die brandneuen Songs. Und ... und ... ? Hm ... Bei den ersten zwei oder drei Hörversuchen fühlt es sich eher unspektakulär an, wie ich etwas enttäuscht feststelle. Die Songs klingen freundlich und unaufgeregt. Vorgetragen in der Haase-typischen Art - mit einem leicht lakonischen Unterton und ein bisschen schelmisch, als ob man ihn nur nicht so verdammt ernst nehmen solle. Aber es dabei zu belassen, hieße ihm und seinen Songs nicht gerecht zu werden. Außerdem kenne ich mich selbst und weiß, dass sich mich in neue CDs immer erst tiefer rein hören muss. Und dann nehmen sie mich irgendwann gefangen - oder auch nicht.

Ich höre die CD also in verschiedenen Stimmungen und Situationen. Auf jeden Fall bewusster als am Anfang. Und siehe da, so nach und nach schleichen sich die Songs in mein Bewusstsein - unaufdringlich, aber nachdrücklich. Irgendwann fällt mir auf, dass sich einige Textzeilen schon in meinem Hirn eingenistet haben. Ganz von selbst kommen sie an den passenden Stellen zum Vorschein und ich singe fast automatisch mit. Auch die Melodien und Arrangements offenbaren mehr und mehr ihre Feinheiten und Unterschiede. Bereits bei den ersten Takten erkenne ich die Songs und meine Favoriten kristallisieren sich nach und nach heraus.

"Ich müsste wissen, wo es langgeht und wie mein Lebensmotto heißt. Wie das Getriebe funktioniert, in dessen Magen ich ein Rädchen bin, das um sich selber kreist. Ich müsste wissen, was ich wert bin und wissen, wie der Ha(a)se läuft. Wie muss ich die Motoren schmieren, dass mein Atemzug nicht stillsteht und mein Schiffchen nicht absäuft ..." Der Stil und die Songs von Christian Haase sind schon mit verschiedenen Sängern verglichen worden. "Gundermann-Nachfolger" ist eines der Attribute, das mir immer wieder über den Weg gelaufen ist. Sicher kann man in den Haase-Songs Querverbindungen zur wunderbaren Alltagspoesie in den Texten von Gerhard Gundermann entdecken. Man kann sogar noch einige mehr finden, wenn man denn danach suchen will. Und das scheint mir irgendwie auch logisch. Musiker sind wie jeder Mensch mehr oder weniger geprägt durch ihre Vorbilder und Idole, durch Erlebtes und Erträumtes, durch Wünsche und Vorstellungen. Und mir fällt tatsächlich kein Thema ein, das noch nicht in irgendeiner Form musikalisch verarbeitet wurde. Und doch ist Haase eben Haase.

"Ich seh zwar die Sonne und ich seh das Meer und ich sehe dich. Doch sag mir, ist das denn alles wirklich so wichtig? ... Wer führt Regie in meinem Leben und gibt's noch 'ne Zweitbesetzung, wenn die Hauptrolle abdankt? ... Warum bin ich so unendlich durch dich verzückt? Warum, wieso nur, weshalb und weswegen bist du mein Leben? ... Du bist nicht das Wahre, bist nicht der Mittelpunkt der Welt. Nicht der Nabel der Erde, nicht das Einzige was zählt ..." In seinen Texten stellt er die Fragen, die uns irgendwie alle beschäftigen. Er spricht die Dinge an, die uns tagtäglich bewegen und die uns - je nach persönlicher Neigung und Gemütszustand - entweder ganz profan oder auch weltbewegend scheinen. Er spricht simple Wahrheiten freimütig und direkt aus. Er eröffnet uns Wünsche und Ideen, die uns auf den ersten Blick abwegig vorkommen mögen und doch einen ganz besonderen Sinn haben. Und er tut das alles auf seine ganz persönliche Art und Weise. Manchmal verwendet er sehr klare und deutliche Worte, die keine Fragen offen lassen. Und manchmal verpackt er seine Botschaften in wunderbare musikalische und poetische Bilder.

Wenn ein Titel "Die Irren" heißt, gehört er für mich schon deshalb unbedingt zum Favoritenkreis. "Die Irren sind nicht die, die sich irren. Die Irren, das sind die, die in den Wirren nie die Fahne dreh'n ..." Wunderbar, diese Wortspielereien sind genau das Richtige für mich. "Ich höre sie noch lachen und erklären, dass die Welt nicht Kopf steht, wie wir's glauben. Dass wir sie ins Gegenteil verkehren, denn wir verdrehen beim Hinsehen unsere Augen. Und so sind die Ersten, die hier jammern, stets die, die sich schon nicht mehr bewegen. Weil volle Bäuche und Vorratskammern zum Schlafen anregen, zum Hinlegen ..." Vielleicht sollten wir heutzutage viel öfter in Frage stellen, wer oder was irre ist oder eben auch nicht ...

Die Texte stammen alle aus der Feder von Christian Haase. Die Kompositionen sind ein Gemeinschaftswerk mit René Schostak, der auch hinter Arrangement und Produktion steht. Natürlich hat sich Haase für die Studioaufnahmen Unterstützung von diversen Freunden und Musikerkollegen geholt. Das tut dem Sound gut - neben seinen Akkustikgitarren sorgen vor allem in den rockigen Songs die E-Gitarren von René Schostak für vollen Klang. Dazu Daniela Schwabe an Bass und Percussions, Chris Lastelle an Keyboards und Percussions und natürlich die unverwechselbare Tina Powileit an Drums und Percussions. Herrlich dynamisch und satt klingt das Schlagzeug in "Mit anderen Augen". Schon beim Hören der CD entstehen Bilder vor meinem inneren Auge und ich freue mich auf die Live-Umsetzung.

"Ich würde gerne mit den Augen eines Blinden sehen und dann noch mal erzählen, wofür ich lebe ..." Guter Tipp, lieber Christian Haase. Es würde uns nur allzu gut tun, weniger auf Äußerlichkeiten und stattdessen mehr auf individuelle Begabungen zu achten. Wir sollten uns viel öfter trauen, mit dem Herzen zu sehen - schließlich ist es unser Leben, das wir leben. Nicht auf Probe, sondern alles in Echtzeit. Dass Emotionen zum Leben gehören, unterstreichen die Songs des Haase-Albums auf ganz unterschiedliche Weise. Da bleibt jedem selbst überlassen, wie weit er oder sie sich darauf einlässt. "Und jetzt steh ich hier und weiß nicht weiter. Habe Höhenangst auf der Karriereleiter. Unser Baby ist tot, meine Frau ist leer. Das Programm so flach, wie der Fernseher. Wenn die Welt nicht schlecht ist, was ist es dann ... Mir fehlt kein Cent zum Glücklichsein. Mir fehlt das Glück zum glücklich Reichsein ..." Glück und Freude gehören zum Leben, genauso wie Trauer und Leid. Ironie und Ernst. Phantasie und Realismus. Romantik und Herzeleid. "Wenn man liebt bleibt doch die Zeit einen Moment stehen. Wellen werden Spiegel und die Flüsse werden Seen. Die Toten tanzen Polka und die Alten werden Kind. Ein Gefühl, wenn man's verloren hat, man nie mehr wieder find't ..."

"Alles was gut ist" - diese CD gehört für mich zu den guten, gefühlvollen. Eine gelungene Mischung aus Balladen und Rocksongs, aus nachdenklich und heiter, aus Traum und Wirklichkeit, aus himmelhoch jauchzend und betrübt, aus Liebe und Alltag, aus verträumt und bewegend. Es ist eines der stilleren Alben. Es kommt nicht mit großem Trara und nicht mit einem lauten Knall. Stattdessen schleichen sich die Songs behutsam, aber durchaus nachhaltig in Kopf und Herz ein - sofern sie die Chance dazu bekommen. Es ist keines der typischen Chart-Alben, keines zum mal eben nebenbei Hören. Es ist eher eines der introvertierten Alben, das sich Stück für Stück öffnet und seine vielfältigen Facetten erst nach mehrfachem intensiven Hören preisgibt. Letztlich bleibt es jedem selbst überlassen, was er oder sie daraus mitnimmt und daraus macht. Ein bisschen Herz und Hirn kann dabei nicht schaden. "Alles was gut ist, hier und jetzt. Ob du's glaubst oder unterschätzt. Alles was gut ist, kommt aus dir ..." - man muss sich nur selbst vertrauen, wie dieses Album zeigt.
(Grit Bugasch)




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