pkf-fudwnh 20130214 1584546538 Titel:
Interpret:
Label:
VÖ:

Inhalt:

"Für uns, die wir noch hoffen"
Pannach Kuhnert & Fuchs
Marktkram
01. Februar 2013

CD 1: Sendung vom RIAS Berlin vom 11.12.1976, Aufnahmen von Fuchs Pannach & Kuhnert aus Leipzig vom 16. und 17.10.1976

CD 2: Vollständiger Mitschnitt vom ersten Konzert von Pannach & Kuhnert nach ihrer Ausbürgerung aus der DDR (31.10.1977)

CD 3: Fortsetzung des Konzerts auf CD 2 + Bonusmaterial im CD-Rom Bereich

Am 21. November 1976 wurden Gerulf Pannach und Christian Kunert auf dem Berliner Alexanderplatz verhaftet. Beide teilten Ihr Schicksal mit dem Autor Jürgen Fuchs, dem es bereits zwei Tage zuvor ebenso erging. Man verbrachte alle in die Stasi-Untersuchungshaftanstalt Hohenschönhausen, welche sie für die folgenden neun Monate nicht wieder verlassen sollten. Was dann folgte, war keine wirkliche Wahl: Abschiebung. Die Alternative, die man nachdrücklich in Aussicht stellte, wäre ein Strafverfahren wegen "staatsfeindlicher Hetze" mit bis zu zehn Jahren Haft gewesen. In Westberlin noch nicht richtig angekommen, durften die Künstler sodann alsbald erkennen, dass auch hier nicht alles Gold ist, was glänzt:

"Ob im Osten oder Westen - wo man ist, ist's nie am besten - suche, Seele suche - fluche, Seele, fluche!"

Diese Zeit war dennoch - insbesondere auch in kreativer Hinsicht - eine wichtige für Pannach & Kunert: Sie konnten endlich wieder auftreten; auftreten mit einem Repertoire, dass auf der anderen Seite der Mauer unmittelbar zuvor noch offiziell als Denunzierung und Provokation des "real existierenden Sozialismus" interpretiert, vor allem von Pannach seinerzeit aber immer wieder als Bagatelle abgetan wurde. Natürlich war es das objektiv nicht, aber man mag bisweilen nicht recht glauben, dass sich die beiden über die naheliegenden Folgen ihres Tuns nicht im Klaren gewesen wären.

"Du, woran glaubt der - der in`n Kahn geht - und den Hintern quer - zu der Fahn' dreht?"

Wie auch immer - letztlich haben wir dieser turbulenten Zeit einen umfangreichen musikalischen Nachlass von erheblicher Güte zu verdanken! Das Label Marktkram hat sich einmal mehr ins Zeug gelegt und einen wichtigen Schatz aus jenen Tagen gehoben. Mit "Für uns, die wir noch hoffen" liegt nunmehr dessen Konzentrat in Gestalt eines 3er-CD-Package vor. CD 1 enthält zunächst einen Ausschnitt aus der Pressekonferenz des "Schutzkomitees Freiheit und Sozialismus" in der Akademie der Künste Berlin (West) vom 10.12.1976, auf der sich u.a. auch Wolf Biermann in seiner typisch abgehackten Betonung über Pannach & Kunert auslässt. In der Folge dann Aufnahmen aus einem heimlich im Oktober 1976 in Leipzig produzierten Tonband mit Liedern von Pannach & Kunert und der Prosa von Jürgen Fuchs, welches auf abenteuerlichen Wegen in den Westen fand. Auf CD 2 und 3 indes finden wir den vollständigen Mitschnitt des ersten Konzertes des Duos nach ihrer Ausbürgerung aus der DDR - abermals in der Akademie der Künste - vom 31.10.1977. Zudem umfangreiches Bonus-Material im CD-ROM-Format, u.a. etwa die Erklärung von Fuchs, Pannach & Kunert nach ihrer Abschiebung in den Westen, seinerzeit ausgestrahlt in der ZDF-heute-Sendung vom 03.09.1977, oder einen Beitrag aus der ZDF-Sendung "Kennzeichen D" inklusive Interviews und visuellen Ausschnitten aus vorstehend bereits erwähnter Konzertpremiere.

"Überholen, ohne einzuholen - dass ist DDR konkret. - Idioten macht man zu Idolen - wenn sie loben, was besteht."

Ob sich Gerulf & Kuno mit der Anrede "die beiden Genossen" bei den einleitenden Worten zum Konzert von Hannes Schwenger wirklich noch angesprochen gefühlt haben, ist nicht überliefert. Ja, die sog. "Linke" war zusammengekommen, die seinerzeit noch bei der Sozialdemokratie anfing und bei der KPdSU aufhörte. Aber für einen Sozialismus ohne Freiheit lohnt es sich, keine Hand zu rühren. Freiheit im Sinne von Meinungsfreiheit, im Sinne von Reisefreiheit, wozu damals - aus gegebenem Anlass - auch die Freiheit der Wiedereinreise zählte. Pannach resümiert nicht ohne Stolz, dass die Stasi ihr Ziel trotz aller Anstrengungen nicht erreicht hat. Man hat sie nicht kaputt machen können, und auch nicht zu Anti-Kommunisten, was dasselbe sei.

"Revolution - Ist das Morgen schon im heute - Ist kein Bett und kein Thron - Für den Arsch zufriedner Leute"

Wir hören wundervolle Fassungen von "Zwischen Lieb und Zorn", "Sonne wie ein Clown" und "Glaubensfragen", sämtlich bereits zu gemeinsamen Renft-Zeiten auf dem Zettel, und ganz nebenbei wird dabei Thomas "Monster" Schoppe gedacht, der zu dieser Zeit bereits seit zwei Jahren mit einem Berufsverbot (ein damals auch im Westen sehr populärer Begriff) belegt war. "Der eine macht die Arbeit, und der andere baut sich sein Häuschen. Das war schon immer so und wird nicht so bleiben..." - Kunos Intro zur "Sonne..." findet reichlich spontanen Zuspruch im Publikum. Aber ohne die freundlicherweise beim "Vertrauensmann, der kein Vertrauen hat" vorab gelieferten Begriffserklärungen wie der "BGLer" (= BetriebsGewerkschaftsLeitung) oder dem "EK" (= Entlassungskandidat der NVA) hätte manch Neuzuschauer wohl passen müssen. Und Gerulfs Anekdote zu einem Auftritt vom 3. März 1975 im Metropol-Theater, gemeinsam mit der Hansi-Biebl-Blues-Band, beschreibt die Zäsur, die er seinerzeit erfuhr. "Hau ab, Du Singeklub-Tarzan!"-Rufe wogen da weitaus weniger schwer als das nachfolgende Auftrittsverbot. Staatsfeindliche Hetze, klarer Fall:

"Aus Rundfunkgeräten klingt Kampfgeschrei - Denn morgen feiern wir den ersten Mai. - Mit Blasmusik, Alkohol und Hipp Hurra - Die Revolution ist wieder da!"

Musikalisch sind die Interpretationen nicht immer leicht zu fassen. Insbesondere Pannachs nachhaltige Prägung durch die (in der DDR wenig beliebte) Singeklub-Bewegung dominiert die Arrangements durchweg und dürfte auch heute noch nicht Jedermanns Sache sein. Wenn man sich dem Werk jedoch mit der Bereitschaft nähert, es im Lichte und Kontext der damaligen Zeit zu erfassen, kann es eine sehr wertvolle Erfahrung werden, die man da macht. Ein zeitgeschichtliches Dokument, um dessen Neuauflage wir froh sein dürfen!

Der im Bonus-Material enthaltene Beitrag aus der ZDF-Sendung "Kennzeichen D" resümiert das Dilemma aller Beteiligten denn auch mit trefflichen Worten des Moderators, derer sich diese Rezension abschließend gerne bedient: "Schade! Wenn diese jungen Leute Konzerte als offizielle Vertreter der DDR-Kulturszene bei uns geben könnten, sie hätten manches westliche Zerrbild über diesen zweiten deutschen Staat infrage gestellt ... Wer sie stattdessen verbietet, einsperrt und abschiebt, der darf sich nicht darüber wundern, dass er bei solchem Verhalten so aussieht, wie viele ihn hier sehen. Guten Abend!"
(Rüdiger Lübeck)


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