kaq-mid 20130115 1597904526 Titel:
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Titel:

"Midtsommer"
Keimzeit Akustik Quintett
Comic Helden / edel
4. Januar 2013

1. Zweiundzwanzig
2. Sympathique
3. Amsterdam
4. Trauriges Kind
5. Picassos Tauben
6. Big Brother
7. Frischer Weisser Schnee
8. Liten øy Giske
9. Schmetterlinge
10. Yumeji's Theme
11. Breit
12. Streik
13. La Mer
14. Das Projektil

Keimzeit zählt sicher zu den bekanntesten Bands aus dem Osten und zumindest die Fans wissen, dass Keimzeit auch eine der fleißigsten Bands in der aktuellen Musikszene ist. Im Verlauf der Jahre erschien eine beachtliche Zahl von Alben die die musikalische Vielseitigkeit der Band ebenso widerspiegeln, wie die handwerkliche Klasse der Musiker um den charismatischen Frontmann und Mastermind der Band, Norbert Leisegang, der seit Jahr und Tag für die meisten der Texte verantwortlich zeichnet. Keimzeit ist personell gesehen eine überaus kontinuierliche Band, so dass die Zahl der Keimzeit-Musiker recht überschaubar blieb. Nichts desto trotz gab es immer mal wieder Sidesteps, bei denen die Keimzeitler mit anderen Musikern musizierten und beachtliche Dinge hervorbrachten. Nach der aus meiner Sicht sehr gelungenen Jubiläums CD "Kolumbus" haben jetzt Norbert und Hartmut Leisegang in einem solchen Sidestep bzw. Neben-Projekt, dem Keimzeit Akustik Quintett, ein Akustikalbum eingespielt, das die Keimzeitfreunde sicher in Verzückung geraten lassen wird. Das Album "MIDTSOMMER" kommt dann auch als echtes Keimzeit-Album daher, ist aber anders instrumentiert als das Album "Kolumbus".

Im vorliegenden Album ist vieles leiser und verhaltener, wenngleich die Percussions von Christian Schwechheimer nur selten zu überhören sind. Über die gesamte CD hinweg spielt Gabriele Kienast eine besondere Rolle. Ihre Geige prägt mehrere der Titel des Albums. Mal nimmt sie die Stimmungen und Gedanken, die Norbert Leisegang im Gesang formuliert oder andeutet, regelrecht auf und unterstreicht sie, mal ist sie Leisegangs Gegenpart, aus deren Spiel in den jeweiligen Stücken eine verblüffende musikalische Spannung erwächst. Ein zweites Instrument wird mehrfach auffällig und gekonnt eingesetzt. Eine Mandoline, gespielt von Hartmut Leisegang. Dass dazu eine gut gespielte Gitarre (Martin Weigel) kommt und Andreas "Spatz" Sperling als Gast in einigen Stücken Piano spielt, fällt gegen Geige, Mandoline und Percussion kaum noch ins Gewicht, ist eher selbstverständlich.

Waren bei "Kolumbus" die Arrangements geradezu genial und ungeheuer vielfältig, kommt die Akustik CD etwas bescheidener daher. Nach wie vor gibt es gerade bei den für das Album neu eingespielten älteren Keimzeit-Titeln überraschende Effekte, aus denen große musikalische Momente resultieren, doch ist das Album in dieser Hinsicht eher konservativ und verhalten, was wohl vor allem an der Zahl der eingesetzten Instrumente liegen dürfte. Was dabei entstanden ist, also das Album MIDTSOMMER, klingt in den allermeisten Fällen richtig gut, obwohl mir hier und da etwas weniger rasseln und scheppern ganz gut gefallen hätte. Gleich ob echter, neu aufgenommener Keimzeit-Titel, ob Covertitel, ob neues Stück oder Instrumental - die einzelnen Songs haben jeder für sich Klasse. Es macht Spaß zuzuhören, wobei zwei drei Titel Ohrwurmpotential haben, während man sich einige eher erhören sollte. Mir persönlich gefällt ein Titel auf dem Album eher weniger und bei einem zweiten ist mir nicht so Recht klar, warum er auf der CD gelandet ist. Der eine ist die Neuaufnahme des "Kolumbus"-Titels "Streik", der gegen die "Originalaufnahme" für mich deutlich abfällt, der andere ist "Sympathique", ein Cover des Edith Piaf / Pink Martini Chansons "Je Ne Veux Pas Travailler". Womöglich ist für meine Verstimmung bei diesem Titel die Textverständnis als Problem ausschlaggebend, da Leisegang den Titel französisch und musikalisch sehr nah am Original singt. Wenn ich diese beiden Titel hinten anstelle, dann will ich nicht verhehlen, dass mit "Amsterdam" und "Schmetterlinge" zwei wahre Juwelen auf dem Album zu finden sind, und eine Reihe weiterer Lieder mich wirklich begeistert. Das Album ist rundum eingängig und gut hörbar, wobei der wahre Genuss wohl erst entsteht, wenn man bewusst und gut auf Norbert Leisegangs Texte achtet. Denn einige der Titel regen geradezu zum mit- und weiterdenken an. Eben echt Keimzeit. Wer gute, handgemachte Musik mit Sinn und Verstand mag, wer sich nicht nur berieseln lassen möchte, dem kann ich ruhigen Gewissens das Akustikalbum von Keimzeit empfehlen. Es wird sicher eine der herausragenden Veröffentlichungen des Musikjahres 2013 sein und bleiben.

Wer sich jetzt fragt, was ihn im Einzelnen erwartet, dem seien die nachfolgenden Betrachtungen der einzelnen Titel empfohlen. Das Album enthält 13 Titel, bei denen ich folgendes durch den Kopf ging:
1. "Zweiundzwanzig" - der mich sofort an die tolle "Kolumbus" CD aus dem Jahr 2012 erinnert. Das ist unverkennbar Keimzeit. Unkonventionell und doch sehr routiniert. Ein Text zum zuhören, musikalisch vielfältig und handwerklich perfekt. "Zweiundzwanzig" ist an südamerikanische Musik angelehnt. Man wird mit Rumba oder Cha Cha musikalisch in die Karibik versetzt. Dazu die Mandoline und die Percussion, das alles vermittelt karibisches Flair.
2. "Sympathique" - ein Cover des Edith Piaf / Pink Martini Chansons "Je Ne Veux Pas Travailler" ist ein klassischer Chanson. Leisegang kann das richtig gut. Zudem ist stellenweise ein schöner Satzgesang zu hören, bei dem sich die Stimmen von Leisegang und Kienast brillant ergänzen. Leider ist der Text mir nicht verständlich. Lustig ist der Sprach- und Stilwechsel am Ende des Titels.
3. "Amsterdam" - ein altes Keimzeit-Lied mit großen Wortbildern, grandioser Melodie und einem starken, mitreißenden Motiv. Die Geigenmelodie steht zum Teil im Gegensatz zum schnellen Rhythmus des Liedes. Das wirkt hörbar. Ein sehr gelungenes, tolles Stück. Einer von meinen Favoriten auf dem Album.
4. "Trauriges Kind" - hier zeigen die Musiker, dass man Keimzeit nicht in Schubladen einordnen kann. Das Stück ist ein Stilmix par Exzellenz in einem Stück. Dazu gibt es einmal mehr tolle Wortgebilde, die zum zuhören und mitdenken anregen.
5. "Picassos Tauben" - erinnert mich an "Kettenhund", einen der "Kolumbus"-Titel. Einfach nur Klasse. Keimzeit-Lieder mit einer Spur Melancholie sind einfach nur schön. Die "Tauben" ist so einer.
6. - "Big Brother" - ein Instrumentaltitel. Hier stören mich anfangs die Percussionsinstrumenten ein wenig. Die wirken gegen die gut gespielte Gitarre irritierend. Es dauert etwas, bis sich da ein Tango- oder Flamenco-Rhythmus herausbildet. Dann wirkt alles richtig pfiffig und stimmig. Mir kommt es vor wie eine Kombination der Flamenco-Gitarre mit einer Zigeunergeige.
7. "Frischer weißer Schnee" - beginnt als große Ballade vergangener Zeiten. Das hat was psychodelisches. Hier passt jeder Ton, jede Pause. Ein toller Titel.
8. "Liten oy Giske" - ist ein weiterer Instrumentaltitel, bei dem ich denke: So einfach und schön kann Musik sein. Den Titel als Endlosschleife auf einem Player und man vergisst alle Sorgen. Bestens geeignet zum Relaxen und träumen.
9. "Schmetterlinge" - wieder ein alter Keimzeit-Song, haut mich fast aus den Schuhen. Die Art, wie die Musiker hier spielen, erinnert ein klein wenig an "Riders on the storm" von den Doors. Musik, wie sie sich heute kaum noch jemand traut zu machen. Unglaublich stimmig.
10. "Jumeji's theme" - Ein Stück im 3/4 Takt, das in gewisser Weise den Flug der Schmetterlinge darstellen könnte. Zumindest finde ich, wird die zuvor erzeugte Stimmung sehr interessant aufgelöst.
11. "Breit" - fiel mir vor allem durch den damit verbundenen Rhythmuswechsel auf. Ein schöner Keimzeit-Song mit gutem Satzgesang und groß in Szene gesetzten Musikern.
12. "Streik" - hierfindet sich ein Titel von der "Kolumbus" CD auf dem neuen Album MIDTSOMMER wieder. Die Instrumentierung ist jedoch eher gewöhnungsbedürftig, vor allem wenn man die "Kolumbus"-Version kennt. Ich hab die Intention hinter der neuen Instrumentierung nicht verstanden.
13. "La mer" - ein zweiter Covertitel. Mir gefällt Leisegangs Fassung sogar besser als das Original von Charles Trénet, auch wenn ich mit einigen Instrumentenpassagen meine Probleme habe. Was mit dem zum Schluss geradezu disharmonischen Schlagzeug bezweckt wird, verstehe ich nicht wirklich, doch das trübt den guten Gesamteindruck der Interpretation durch Norbert Leisegang nicht ernsthaft. Leisegang und Chonson, das passt.
14. "Projektil" - dieses Stück als Abschlusssong versöhnt dann wieder. Die melodietragende Geige wirkt nocheinmal. Der Text ist sehr hintergründig. Der Titel ist ein schöner Abschluss, wenngleich die letzte Textzeile "Es ist seine Geschichte, nicht meine..." doch leicht irritiert. Wenden wir die also nicht auf die CD an, sondern nur auf diesen letzten Song, der wirklich etwas surreal daher kommt.
(Fred Heiduk)


Videoclip:
 

 


   
   
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