ml-twl 20121110 2053727220 Titel:
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VÖ:

Titel:

"Three Words Later"
Michael Lehrmann
phonector
15. November 2012

1. Slow Ahead
2. Spurious Interruption
3. Keep It Under Your Hat
4. A Job To Build A Dream On
5. I Rest My Case
6. Pardise Pear
7. Three Words Later
8. Blood Runs Cold
9. Gimme Back My Hair
10. Roasting In The Sun
11. Jacob's Ladder

 

 

Einige unserer Leser kennen Michael "Leo" Lehrmann sicher als Gitarrist der ein oder anderen Band oder an der Seite des einen oder anderen Sängers. Zuletzt war er der kongeniale Mann an IC Falkenbergs Seite, der dessen Songs einen neuen bis dahin nicht immer erlebten Glanz verlieh. Wer ihn erlebt hat, gleich ob zum Beispiel bei der Schubert Band, bei Vroni Fischer, bei Stern Meißen oder eben bei IC, konnte eigentlich nur anerkennend feststellen: Michael Lehrmann ist ein Guter. Dass er dabei immer wieder zeigte, dass er nicht auf einen einzigen Stil festgelegt ist und E-Gitarre ebenso wie das Akustikinstrument zu spielen weiß, könnte hier und da etwas untergegangen sein. Nun hat er nach 30 Jahren als Begleiter anderer Künstler seine erste Solo CD eingespielt, die dem Gitarrenfreund (und nicht nur dem) mehr als nur ein anerkennendes Nicken entlocken sollte.

Lehrmanns erstes Soloalbum heißt "Three words later". Auf ihm sind 11 reine Instrumentalstücke enthalten, in denen Michael Lehrmann zeigt, wie vielseitig das Instrument Gitarre eingesetzt und gespielt werden kann, und wie er Gitarrenmusik versteht. Da sind Stücke zu erleben, bei denen die Gitarre überaus dominant ist, wo andere Instrumente nur begleitende Funktion haben, aber auch solche, wo sich die Gitarre in eine Band mehr oder weniger einordnet. Mal sind es Akustikgitarrenklänge die uns "Leo" Lehrmann präsentiert, mal den Sound einer oder auch mehrerer E-Gitarren. Zumindest bilde ich mir ein, hin und wieder eine Lead- neben einer Melodiegitarre zu hören. Das wäre insofern bemerkenswert, als Michael Lehrmann alle Gitarrenparts auf der CD selbst spielte. Demzufolge müssten verschiedene, gleichzeitig zu hörende Gitarren separat aufgenommen und dann im Nachhinein zu einer perfekt gemischten CD zusammengestellt worden sein. Denn soundtechnisch ist diese CD perfekt.

Es ist ein Hochgenuss dem virtuosen Spiel der Musiker zu lauschen und zu erleben, welche musikalischen Gedanken Michael Lehrmann kamen, als er über sich, seine Musik und das Leben und die Welt an sich sinnierte, um dann diese Gedanken als Musik auf seine erste CD zu pressen. Dass es um nicht mehr und nicht weniger als Lehrmanns Sicht der Dinge geht, spürt man immer wieder, und kann es ein Stück weit wohl auch an den bedauerlicherweise englischen Titelnamen erkennen. Musikalisch ist die CD ein Querschnitt über einige Stilrichtungen und dazu passenden Spielweisen. Man findet Rock, Pop, Blues und Jazz ebenso wie Country and Western. Mal schlägt Lehrmann die Gitarre, mal zupft er die Saiten. Mal spielt er Akustikgitarre, mal E-Gitarre. Und alles klingt lupenrein. Lehrmann präsentiert krachende Riffs neben balladesken Motiven. Mal startet er wilde Läufe um wenig später einzelne Töne sehr lange auszuhalten. Die musikalische Vielfalt in seinen Stücken ist beachtlich. Das grandiose Hörerlebnis wird durch einige Musiker und deren immer wieder zu hörenden Instrumente komplettiert. So spielt sein Sohn Felix in allen Stücken ein überragendes Schlagzeug. Henry "Cott'n" Kotowski steuert einige sensationelle Mundiparts bei und Thomas Strieger spielt Bass. In der Summe ist eine CD entstanden, die wohl nicht für Hitparaden gedacht war, und auf der es auch keinen Übertitel gibt, der in die Musikliteratur eingehen wird. Was die CD auszeichnet sind souverän und gradlinig, ehrlich von einem absoluten Könner dargebotene Gitarrenstücke in einer unglaublichen musikalischen Vielfalt. Dem Freund von richtig guter, im wahrsten Sinn des Wortes handgemachter Musik kann ich an dieser Stelle Michael Lehrmanns CD "Three words later" nur wärmstens empfehlen.

Wer etwas mehr über die einzelnen Titel erfahren möchte oder meine Eindrücke beim ersten Hören nachvollziehen möchte, dem empfehle ich weiterzulesen. Die CD beginnt mit einem sehr verhaltenen Stück, das geradezu zum Sinnieren einlädt, bei dem man geradezu ins Träumen gerät. Das hat was von transzendentaler, spährischer Musik und erinnert ein wenig an Klänge, wie man sie hin und wieder bei Mike Oldfield hören konnte. Nur Lehrmanns Gitarre, wenige Töne, unglaublich gefühlvoll und präzise gespielt, mitunter gehalten, immer wieder das Eingangsmotiv aufgenommen und etwas erweitert oder verändert... Das lässt das Herz des Gitarrenfans höher schlagen. So einfach und berührend kann eine Gitarre klingen, wenn man weiß, was man damit machen will und kann. Dieses kurze Stück als Intro macht Lust auf mehr. Doch wer nun meint es ginge einfach so weiter in diesem ruhigem Stil, wird enttäuscht.
Schon mit dem zweiten Stück wechselt der Meister die Spielart. War das Intro ein reines, verhaltenes Gitarrenstück, ist das zweite deutlich schneller. Zudem ist die Gitarre dabei nur ein Instrument einer Band, wenngleich in gewisser Weise das dominante. Das Stück beginnt mit einer Akustikgitarre, deren Rhythmus ein Schlagzeug aufnimmt, dessen Beat wiederum zum Motiv einer in gewisser Weise "heulenden" E-Gitarre wird. Das Schlagzeug, brillant gespielt von Michael Lehrmanns Sohn Felix, treibt die Gitarren immer wieder zu neuen Umsetzungen des eigentlichen Motivs dieses Stücks, so dass sich ein ungeheuer dynamischer und gleichzeitig gefälliger Song entwickelt, bei dem man mal an Pink Floyd, mal an Oldfield oder nicht zuletzt auch an Dire Straits erinnert wird. Das ist einfach Klasse gemachte, durchaus anspruchsvolle Musik, die Popelemente nicht verleugnet. Was mir an diesem Stück weniger gefiel, und was damit mein einziger kleiner, ganz persönlich empfundener Minuspunkt für die gesamte CD ist, ist der abrupte Tempowechsel zum Ende des Titels. Allerdings wird dabei deutlich, dass Lehrmann seinem Publikum keine seichte Popkost oder derartiges vorzusetzen gedenkt. Zudem ist vielleicht genau in diesem Wechsel der Titel "Spurious interruption" (übersetzt "Falsche Unterbrechung") begründet.

Der sich anschließende dritte Titel ist ein fulminantes, jazzorientiertes Stück. Präzises Picking in Verbindung mit dem tollen Schlagzeug von Felix Lehrmann runden zusammen den sehr eingängigen Soundteppich des Keyboards ab. Ganz hohe Schule! Das Lehrmann hier am Ende des Titels ganz deutlich zu hören umgreift bzw. hörbar über die Saiten gleitet ohne sie wirklich zu spielen, ist ein rein stilistisches Mittel, keine handwerkliche Unzulänglichkeit. Es hört sich ein wenig wie Pfeifen an, wenn Lehrmann seine Fingerspitzen nicht auf die einzelnen Saiten setzt, sondern, sehr stimmig zur Melodie des Stücks, über den Gitarrenhals gleiten lässt.
An dieses virtuos gespielte Stück schließt sich "A job to build a dream on" an, bei dem ich erneut an große Namen wie Paco de Lucia oder Al Di Meola denken muss. Das ist einfach Gitarrenkunst auf höchstem Niveau. Nicht geeignet für die Pophitparaden, wenngleich zeitlos und richtig, richtig gut gemacht. Besonders auch die super kurz und rasend schnell gespielten Takte zum Ende des Stücks, würden einem sicher noch eine Weile in den Ohren klingen, würde im Stück "I rest my case" nicht erneut ein großer Stilwechsel vollzogen.

War Lehrmann gerade noch im Jazz, bewegt er sich jetzt im amerikanischen Country and Western Sound. Mit dem ersten Takt geht die Post ab. Genauergesagt, der Zug nimmt Fahrt auf. Denn an eine Zugfahrt erinnert das Stück. Er spielt Mal um Mal das gleiche Thema, mal höher, mal tiefer, mal schneller, mal langsamer, je nachdem, wo sich der "Zug" gerade befindet, dessen Stampfen vom Schlagzeug nachempfunden wird. Kaum zu glauben, wie schnell und dennoch hörbar sauber "Leo" Lehrmann Saite für Saite seines Instrumentes kurz anzupft, um diesen richtig schnellen Titel zu spielen. Als ob das nicht genügte, setzt dann noch eine Mundi ein und macht aus dem ohnehin interessanten Titel mein Lieblingsstück auf der CD. Nicht nur der sirenenhafte Einsatz der Harp, die von der Bluesikone Henry "Cott'n" Kotowski gespielt wird, sondern vor allem die Harmonie des Instruments mit dem Gitarrensound Lehrmanns machen den Titel so eingängig, fast hitparadentauglich. Damit ist jedoch noch immer nicht genug, und so lässt Lehrmann noch gekonnt den Sound einer Steelguitar erklingen. Wie er den Sound erzeugt oder ob er wirklich ein entsprechendes Instrument eingesetzt hat, weiß ich nicht. Aber es klingt großartig und erzeugt genau die gewünschte Wirkung.

Warum das folgende Stück "Paradise Pear" ("Paradisbirne") heißt, weiß ich nicht. Doch das ist mir auch nicht wichtig. Viel entscheidender ist für mich, dass das sechste Stück der CD das bisher rockigste ist, und für das Lehrmann ein richtig schönes Gitarrenriff als Grundlage erdacht hat. Den richtigen Kick bekommt das Stück allerdings durch das eingesetzte Keyboard und die Art und Weise, wie Lehrmann zum Ende des Stücks den Keyboardsound mit seiner verzerrten Gitarre erweitert. Das ist ein Sound, der mich an frühe große Titel der Schubert Band erinnert, in der Lehrmann vor 30 Jahren als Profi begann.
Rockig und dennoch verspiel geht es im Titelssong des Albums "Three words later" weiter, bei dem der Meister sein Instrument einmal richtig singen lässt. Hier finden sich immer wieder geslidete und hallende Passagen, die natürlich richtig gut klingen. Mittlerweile ist der Zuhörer aber sicher gespannt darauf, was Lehrmann noch anbietet, ahnt man doch, dass ein erneuter stilwechsel anstehen könnte.
Dem ist dann auch so. Im folgenden Titel wird der Zuhörer mit einem richtig gut gemachtem Blues konfrontiert. Dabei kommt erneut viel Steelguitarfeeling auf. Dazu kommen ein paar richtig große Läufe die das Stück zu etwas Besonderem machen. Unglaublich, welche Tonfolgen Lehrmann hier seinem Instrument entlockt.
Fast wie um zu zeigen, dass Blues nicht gleich Blues ist, schließt sich ein traditioneller Blues an. Dieses Mal stampft es, dass es nur so eine Freude ist. Die Bluesline im Hintergrund, dazu die Akustikgitarre Lehrmanns und das gleichmäßige Schlagzeug - bester schwarzer Blues. "Gimme back my hair" nennt Lehrmann das Stück, bei dem man meinen könnte, ihn geradezu flehen zu hören.
Warum mich "Rosting in the sun" so besonders angesprochen hat, kann ich nicht wirklich erklären. Für mich ist es im Bezug auf das verwendete Motiv und seine Verarbeitung das gelungenste Stück der CD. Das erinnert ein wenig an Mike Oldfield, wie er höchste Töne aus der Gitarre zu Tage fördert und immer wieder zu schnellsten Läufen über den Hals seiner Gitarre ansetzt, um wenig später hallende, fast sonore Töne zu erzeugen. Einfach ein schönes Lied. Genau wie das letzte Stück der CD "Jacob's ladder", bei dem ich mich noch einmal an Dire Straits erinnert fühle. Dominiert wird das Stück von zwei, fast gegenläufig gespielten Gitarren. Die E-Gitarre singt noch einmal, hallend und nachklingend in fast sonoren Tönen, während dazu von einer Akustikgitarre ein einfacher Rhythmus in recht hohen Tönen hinterlegt wird. Zusammen mit dem geradezu dezenten Schlagzeug entsteht so zum Abschluss der CD ein überaus hörenswerter Titel.

Insgesamt ist die CD sehr kurzweilig und in vielerlei Hinsicht sehr abwechslungsreich. Sie brilliert mit einer wahren Flut großartiger Motive und einer großartigen handwerklichen Umsetzung. Michael Lehmann ist mit "Three words later" aus meiner Sicht eine sehr überzeugende CD gelungen die zeigt, dass er zu den Großen seines Faches gehört und den geneigten Hörern viel Freude bereiten wird.
(Fred Heiduk)

 


 

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