neigelneu 20121216 1769273419 Titel:
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Titel:

"Neigelneu"
Julia Neigel
Polydor / Universal
15. April 2011

1. Wir sind frei
2. Wärst Du bei mir
3. Ich fühl's nicht mehr
4. Freund
5. Wollen wir wetten?
6. Teufel
7. 3 Wünsche frei
8. Es kommt zurück
9. Wohin
10. Wer wagt gewinnt
11. Der perfekte Tag
12. Froh, dass es Dich gibt

Als Fan von Julia Neigel muss man schon gute Nerven und Geduld haben. Ganze 13 Jahre hat die Sängerin mit der Walle-Mähne gebraucht, um eine neue Platte vorzulegen. Gefühlte 20 mal wurde uns ein neues Werk von ihr angekündigt und dann doch immer wieder verschoben. Nach "Alles" (1998) ist "Neigelneu" das achte Studio-Album der in Sibirien geborenen Sängerin, das am 15.4. das Licht der Welt erblicken wird.

Nun sollte man meinen, dass 13 Jahre ohne neue Songs Spuren hinterlassen haben und sich musikalisch etwas verändert haben muss. Falsch! Im Westen nichts Neues möchte man sagen. Dass Frau Neigel gesanglich eine Ausnahmekünstlerin ist, hat sie auf zahlreichen Platten und Konzerten oft genug bewiesen. Das bringt sie natürlich auch wieder auf der neuen Scheibe zum Einsatz, allerdings in Deutschrock-Songs von der Stange verpackt. Musikalisch ist man hier größtenteils kein Risiko eingegangen, verließ sich vielmehr auf die erfolgreichen Produktionen früherer Jahre und deren Strickmuster. Lieder, die nach dem Hören sofort wieder aus dem Gedächtnis verschwinden, bekommt man bei den ersten vier Tracks zu hören. Sie haben weder Ecken noch Kanten, mit denen sie sich im Gehörgang verfangen könnten. Zu glatt produziert - eins wie das andere - und sie plätschern nur so dahin... Doch dann wird man hellhörig - zumindest kurzzeitig! "Wollen wir wetten?" knallt uns Frau Neigel da vor den Latz und läßt den Hörer erstmal mit offenem Mund dastehen. Warum nicht gleich so? Es knallen die Gitarren, der Basser knüppelt sich'n Wolf und Julia Neigel ist auf dem Höhepunkt ihrer Leistungsfähigkeit. Sie röhrt, sie schreit, sie singt voller Kraft und Leidenschaft. Beim Hören dieses Songs müssen die Piepselchen von DSDS doch mit einem Weinkrampf freiwillig ihren Ausstieg aus der samstäglichen Castingshow erklären. Eine Wohltat für die Ohren, eine Nummer, die richtig viel Spaß macht. Etwas nervend empfindet man den jodelnden Damen-Chor im Hintergrund, verzeiht deren Geträller aber schnell wenn man hört, wie die Kapelle samt Frontfrau hier alles aus sich herausholt. Diesen wirklich starken Eindruck kann der nachfolgende Songs schon nicht mehr halten. Es geht weiter mit "Teufel" und man meint, Andreas Vollenweider hätte sich im Studio verlaufen. Harfentöne leiten einen Song der Marke "Neue Deutsche Härte" bzw. Nu Metal ein. Ein Song, der auch aus dem Hause "Unheilig" oder "Evanescence" stammen könnte. Kennt man schon - eines weiteren Aufgusses hätte es nicht bedurft. Mit "3 Wünsche frei" gibt's dann einen Rückfall ins Jahr 2006 und zum Album "Stimme mit Flügeln". Dieses Album zählt nicht zu Neigels Studioalben, sondern war ein Konzeptalbum, bzw. ein Live-Album. Sie trat damals nur von Klavier begleitet und singend auf. Etwas für audiophile Freunde, darum auch beim Label "Zounds" erschienen. Nicht, dass die Leistung von Julia Neigel auf der CD schlecht zu bezeichnen wäre, aber man hatte danach doch die Hoffnung, Julia hätte sich mit dem Programm genug ausgetobt. Schon wieder getäuscht! In der gleichen Machart kommt uns hier die von Klavier begleitete Nummer zu Gehör. Auf einem regulären Album von Julia Neigel möchte man das eigentlich nicht haben... Schulterzuckend wartet man auf den nächsten Titel. Der heißt "Es kommt zurück" und ist von gleicher Qualität wie Song 1 bis 4. Erst Song Nummer neun, "Wohin", lässt einen wieder hellhörig werden. Ein Titel, der musikalisch wie inhaltlich überzeugt. Gutes Arrangement und eine Botschaft, die ins Heute so gut passt wie nie zuvor. Warum hat dieses Album von diesen Momenten bisher nur zwei gehabt? Das folgende "Wer wagt gewinnt" holt den Hörer umgehend in die Realität zurück. Erneut ein Deutschrock-Song der Marke 08/15. Man wird das Gefühl nicht los, das an anderer Stelle schonmal besser gehört zu haben. Leider fallen mir zu den letzten zwei Songs "Der perfekte Tag" und "Froh, dass es dich gibt" auch keine freundlicheren Worte ein. Der vorletzte Song versucht mit seiner luftig sommerlichen Spielart einen anderen Farbkleks zu liefern, was ihm aber durch die wirklich einfallslose Umsetzung so gar nicht gelingen will. Als Abschluss gibt uns Frau Neigel noch einen weiteren Titel mit Klavierbegleitung mit auf den Weg.

Ich erinnere mich noch an das Album "Aerial" von Kate Bush. Diese Platte erschien auch 11 Jahre nach dem letzten Album, haute aber nicht nur mich vom Hocker. Hier hörte man die geballte Kreativität, die sich über die Jahre angestaut hatte. Auf "Neigelneu" ist von aufgestauter Kreativität leider nur ansatzweise etwas zu hören bzw. spüren. Mehr als die Hälfte der Songs kommen einem irgendwie bekannt vor, obwohl sie allesamt neu sind. Andere Titel langweilen einen regelrecht und mit Ausnahme der beiden oben für wirklich gut befundenen Songs ist kein einziger nach dem Hören der CD im Ohr geblieben. Die Ausbeute "2 von 12" ist erschreckend gering. Ein neues "Schatten an der Wand" hat sicher keiner erwartet oder verlangt, aber großartige Perlen aus Frau Neigels Repertoire und würdige Nachfolger für Topsongs wie "Sphinx", "Bist Du bereit", "Tanz mit mir" oder "Die Seele brennt" sucht man hier auch vergeblich. "Wollen wir wetten?" und "Wohin" zeigen die Sängerin in Höchstform. Songidee und Umsetzung sind erstklassig, stellen die anderen Songs aber gleichzeitig komplett in den Schatten. Schade, ich hatte mich auf diese Platte eigentlich sehr gefreut...
(Christian Reder)

 


   
   
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