Titel:
Interpret:
Label:
VÖ:
Titel:
"Himmel auf"
Silbermond
Columbia
23. März 2012
1. Unter der Oberfläche
2. Gegen
3. Himmel auf
4. Wofür
5. Ja
6. Teil von mir
7. Irgendwo in der Mitte
8. Für dich schlägt mein Herz
9. Weiße Fahnen
10. Ans Meer
11. Es geht weiter
12. Waffen
13. Du fehlst hier
14. Das Gute gewinnt
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Silbermond hat (bereits im März) nach einer längeren Pause ein neues Album auf den Markt gebracht. "Himmel auf" heißt es und ist mit der Auskopplung des Titelsongs bereits in aller Munde. Zu Recht! Das sei an dieser Stelle ausdrücklich betont.
 
Silbermond hat mit "Himmel auf" ein wirklich buntes Album vorgelegt, das musikalisch überaus vielschichtig ist, große Texte bietet und sicher einem breiten Publikum gefallen wird. Zudem überzeugt Stefanie Kloß mehrfach mit einem unglaublich einfühlsamen Gesangspart. Trotzdem sehe ich das Album nicht frei von Kritik. Man merkt ihm im positiven wie im negativen Sinne an, dass Silbermond zu den aktuellen Topacts der deutschen Musikszene gehört. Diesem Ruf verpflichtet und eine große Plattenfirma im Rücken, stellenweise vielleicht auch im Nacken, hört man durchaus Anklänge populärer Massenware in einzelnen Titeln heraus. Damit bedient Silbermond das Klischee, das sich lange bei mir festgesetzt hat, mittlerweile mitunter eine wenig beliebig, verwechsel- und ersetzbare Popband geworden zu sein. Doch gerade mit dem neuen Album widerlegt die Band dieses Klischee eindrucksvoll und nachhaltig. Denn neben den seichten Mainstream-Passagen, die man wohl für den kommerziellen Erfolg und die Verwertbarkeit des Albums in der Radiolandschaft auf die CD hat pressen müssen, finden sich auch reichlich überragende Momente. Bei diesen Titeln stimmen dann Texte, musikalische Begleitung und beeindruckender Gesang perfekt überein und machen das neue Silbermond-Album "Himmel auf" zu einer großen Platte. Diese großen Momente sind dabei nicht einmal die Ausnahme. Ganz im Gegenteil! Ich behaupte, dass sie überwiegen.
 
Musikalisch merkt man die Möglichkeit einer großen Plattenfirma und deren Wunsch nach verkäuflicher, leichter und gefälliger Musik. Da gibt es unüberhörbar Kompromisse. Da werden mehrfach große Streicherparts in die Lieder eingebaut und entfalten durchaus Wirkung. Besonders bei Herz-Schmerz-Titeln, die es wohl auf einer Platte geben muss, die an die Spitze der Charts will. Solche Titel sind es denn auch, die mir den Gefallen an Silbermond lange verleidet haben und auf die ich getrost verzichten könnte, obwohl die Band auch in diesen Titeln immer wieder musikalische Finessen einbaut.
Wenig raffiniert, im Gegenteil erschreckend schlicht sind dann auch einige Textpassagen besonders deren vielfache Wiederholung. Die zig-fache Wiederholung einiger Textzeilen wie beim Titel "Himmel auf" ist zwar gefällig, hämmert einem die Titel gleichsam ins Gehirn, aber gerade wenn man andere Spitzentexte der Band auf dem gleichen Album hört, ist das eine Verschwendung von Potential. Ich sage vor allem deshalb Kompromisse, weil die Band in einigen Songs - wie angedeutet - ganz anders loslegt. Das sind Titel, die mich eines besseren belehrt haben, was meine Einstellung zu Silbermond angeht.
 
Die Mannen um Stefanie Kloß können und machen richtig gute Musik, wenn man sie machen lässt. Dann haben die Texte Inhalt, berühren teilweise ganz tief, und dann ist Silbermond auch musikalisch alles andere als billige Massenware. Ich sprach schon die musikalische Breite des Albums an. Das musikalische Spektrum reicht vom benannten, einfachen Popsong über rockige Titel zu ganz großen Balladen und einem Stück, das am Hip Hop ausgerichtet ist. Was die Band musikalisch vorgibt, unterstreicht Stefanie Kloß gesanglich teils brillant. Klingt sie in den Popsongs verwechselbar, zeigt sie in den anspruchsvolleren Titeln, warum sie zur Spitze der deutschen Sängerinnen gezählt werden kann. Sie beeindruckt immer wieder mit einer sehr variablen, facettenreichen, aber immer sicheren und vollen Sopranstimme.
 
Für mich ist gleich der erste Titel "Unter der Oberfläche" ein Highlight. Das Stück hat sicher das Zeug zum Nummer 1 Hit. Eine gefällige Popnummer die wirklich raffiniert gemacht ist. Auch wenn das "...woohooo, woohooo..." zum Ende noch einmal arg am Kitsch nagt. Der zweite Titel, das recht poppige, modern angehauchte "Gegen", erinnert mich irgendwie an Frida Gold. Das Schlagzeug hat einige gute Passagen, aber insgesamt ist der Titel musikalisch nicht besonders anspruchsvoll, behaupte ich. Dennoch wird er ganz sicher unter der jüngeren Zuhörerschaft zu den Toptiteln des Albums zählen. Das dritte Lied ist der Titelsong "Himmel auf", den es ja auch als Singleauskopplung gibt. Die Melodie ist sagenhaft eingängig. Die x-fache Wiederholung der Textphrase "...wann reißt der Himmel auf?" wirkt nachhaltig, nervt aber auch ein wenig. Bei dem, was die Band eigentlich zu sagen hat, ist er ab Minute 3 irgendwie verschwendete Zeit und Geld. Dennoch radiotauglich - ohne Frage - aber ganz gewiss nicht der beste Titel des Albums. Der vierte Song "Wofür" ist für mich der Tiefpunkt des Albums. Das ist Silbermond wie ich sie nicht mag und nicht brauche, auch wenn das Lied ein paar gute Gitarrenparts zu bieten hat und nach und nach ein wenig Dynamik entwickelt. Es lohnt kaum, viele Worte darüber zu verlieren, besonders weil der fünfte Titel das genaue Gegenteil von "Wofür" ist. Ab hier beginnt der Geniestreich der Band. Ab hier wird das Album "Himmel auf" großartig.
 
"Ja", so heißt das fünfte Stück, ist eine ganz, ganz große Ballade. Sagenhaft einfühlsam von Stefanie gesungen, ein sehr schöner lyrischer Text, gekonnter harmonischer Satzgesang, dazu eine schöne zum Refrain aufsteigende Melodie, ein paar gut gesetzte Pausen, die akustischen Gitarren und das hallende Piano - Musik kann einfach gut sein. Ein wunderschönes, ganz großes Liebeslied. Auch wenn es die Balalaika-Klänge nicht wirklich gebraucht hätte. Die klingen zwar kitschig, können aber den guten Gesamteindruck nicht zerstören. "Teil von mir" fällt allerdings noch einmal deutlich ab. Ein belangloser Text, finde ich, recht einfache musikalische Muster und gesanglich meilenweit vom zuvor gehörten "Ja" entfernt. Auch der folgende "Irgendwo in der Mitte" übertrifft ihn um Längen. Er ist vielleicht der erste Song, bei dem die gesamte Band gleichermaßen brillieren kann. Der Gitarrenpart ist sehr schön, besonders der Nachhall am Ende wirkt sehr stark. Das Schlagzeug überzeugt erneut und Stefanie Kloß singt sehr einfühlsam. Fast so stark wie bei "Ja". Den folgenden Titel "Für dich schlägt mein Herz" hätte man auch nach Baku schicken können, und wäre damit sicher in die Top Ten gekommen. Der ist einfach stark gemacht. Den werden wir noch ein paar Mal wiederhören. Zu Recht! Viel besser kann man hohen musikalischen Anspruch und kommerzielle Notwendigkeiten kaum verbinden. Ein erstklassiger Popsong.
Dann kommt das, was aus meiner Sicht Silbermond unsterblich machen muss. Auch wenn man den Titel bei fast 5 Minuten nicht in den Charts hören wird, "Weiße Fahnen" ist ein Lied, wie man es nur ganz selten schaffen kann. Ich würde es ohne Zögern in die Reihe der größten deutschsprachigen Titel die es je gab stellen (Zum Inhalt: Es geht um Kindersoldaten. Man muss das Stück einfach gehört haben).
Nach so einem Überlied, ist es superschwer noch weitere Titel zu stellen, die zum einen den Eindruck nicht verwischen und zugleich standhalten können. Silbermond schafft es mit "Ans Meer". Ob man es glaubt oder nicht, der Titel rundet das Album nach der sagenhaft schweren Kost von "Weiße Fahnen" geradezu ab. Der Titel schafft das Zurück zu normaler Musik, zu normalen Themen. Mit "Es geht weiter", geht es wirklich weiter. Und wie. Ein super Song. Wieder mit einer fantastischen Bandleistung. Die singenden Gitarren, das treibende Schlagzeug und Stefanies Stimme, die ungeheuer facettenreich ist. Dazu ein tiefsinniger Text - eine echtes Hitpaket.
Wie vielfältig Silbermond ist, wenn man sie lässt zeigen sie im Titel "Waffen". Da geht musikalisch die Post ab. Ein toller Text und Stefanie als Rockröhre. Sensationell! Ich wünsche mir ein Album mit Titeln dieses Kalibers. Ganz großer Rock allerbester Güte. "Du fehlst hier" schafft einen perfekten Anschluss. Die kurzen 5 Trommelschläge, die dazu passend gespielte Gitarre - da passiert was. Das hat Groove. Ich würde auf den "wohooo aaah"-Chor im Hintergrund durchaus verzichten können, aber er ist nun mal da. Es soll Produzenten geben die meinen, das wäre toll. Für mich beeinträchtigt es einen Titel eher, der aber ansonsten zu den Perlen auf der Platte zählt - schon wegen der Thematik um die es im Lied geht. Und dann ist da noch ein sehr ambivalenter Titel. Musikalisch arbeitet man bei "Das gute gewinnt" immer wieder mit einfachen Stilmitteln. Der Schubidoo-Chor kommt noch einmal groß zum Einsatz. Dazu alles was das Orchester zu bieten hat. Das ist exzelente Pop-Produktion. Und doch genau das Gegenteil. Ähnlich ist es mit Stefanies Gesang. Der ist supersolide, aber nicht außergewöhnlich, und dennoch exquisit, geradezu brillant. Auch der Satzgesang ist sehr stimmig. Dazu ein paar sehr eingängige Melodieteile, speziell der Gitarrenpart kann überzeugen. So wurde aus "Das Gute gewinnt" ein echtes Finale, bei dem man sich nicht vom schlichten, positiven Titel leiten lassen, sondern am Besten genau auf Stefanies Worte hören sollte. Ein außergewöhnlich klarer, verständlicher und ergreifender Text in einer sehr harmonischen Verpackung. Ein tolles Lied, das das Album "Himmel auf" perfekt, wie ich finde mit berechtigtem Optimismus, abschließt.
 
Zusammengenommen ist das Album überaus überzeugend, selbst wenn man das aktuelle Popallerlei nicht mag. Dort werden zwar immer wieder Anleihen genommen, doch schafft es die Band sich in den meisten Titeln davon elegant zu lösen, und "Himmel auf" zu einem wirklich überdurchschnittlichen Album zu machen, das für ein breites Publikum durchaus hörenswert sein dürfte und für so ziemlich jeden, der sich schon mal mit aktueller Musik befasst hat, mindestens einen echten Höhepunkt bietet. Mich hat das Album überzeugt und ich bin sehr gespannt, wohin sich Silbermond damit entwickeln werden, und wie es bei ihnen musikalisch weitergeht.
(Fred Heiduk)
 

 
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