fendrich30jahrelive 20130103 2071069360 Titel:
Label:
VÖ:

Titel:

"30 Jahre Live"
Ariola
Juli 2009

s.u.

 

CD:
1. Über meinen Horizont
2. Es tuat so weh wenn ma verliert
3. Zwischen eins und vier
4. Blond
5. Frühling in Berlin
6. Frieda
7. Macho Macho
8. Zweierbeziehung
9. Es lebe der Sport
10. Ich wollte nie einer von denen sein
11. I Am From Austria
12. Weus'd a Herz hast wie a
     Bergwerk
13. Der Himmel würfelt leider nicht
14. Der Wind
15. Schlaf mit dein' Herzschlag ein
16. Manchmal denk i no an di
17. Löwin und Lamm
18. Rattenfänger
DVD:
1. Mama's Fenster
2. Tränen trocknen schnell
3. Strada del sole
4. Es lebe der Sport
5. Schickeria
6. Zweierbeziehung
7. Kane Noten
8. Das Feuer
9. Wien bei Nacht
10. Brüder
11. Manchmal denk i no an di
12. Engel
13. Malibu
14. Kein schöner Land
15. Macho Macho
16. Blond
17. Midlifecrises
18. Vü schöner is des G'fühl
19. Weus'd a Herz hast wie a Bergwerk
20. I Am From Austria
21. Griechenland
22. Ruaf mi net an
23. Vorstadtcasanova


Rezension:
1979 betrat der vorherige Jurastudent RAINHARD FENDRICH aus Wien erstmals die sprichwörtlichen Bretter, die die Welt bedeuten. Obwohl er sich zunächst auf klassisches Theater und Musical-Rollen konzentriert hatte, veröffentlichte er bereits ein Jahr später seine allererste LP "Ich wollte nie einer von denen sein", die in einem typischen, offenbar nur in Österreich möglichen Liedermacher/Chanson-Kontext gehalten war, aber zunächst nur in Eingeweihtenkreisen punkten konnte. Der bald darauf nachgeschobene Albumzweitling "Und alles is ganz anders word'n" allerdings, führte den begabten Singer/Songwriter in seiner Heimat sogleich auf Rang Eins der LP-Charts; auch hierzulande wurden Freunde von gehobenem, aber nicht allzu "abgedrifteten" Edelpop Made in Austria auf das 1956 geborene Nachwuchstalent aufmerksam. Hierfür trugen in erster Linie die beiden frechen Singles "Strada del Sole" (1981) und "Schickeria" (1982) die Hauptverantwortung. Die mal mehr filigran/abgeklärten ("Strada..."), mal eher spöttisch/zugespitzten, stets jedoch überaus anspruchsvollen Wortspiele, vorgetragen zu eingängigen, gitarrenorientierten Popmelodien, die in Schlagersendungen ebenso einen guten Eindruck hinterließen, wie im Pop- und Rockspektrum, gefielen auch und gerade dem bundesdeutschen Publikum immens. Da sich gutgemachte Popmusik aus den Gefilden unserer südlichen Nachbarn, später als Austropop apostrophiert und als eigenständige Stilistik in die Musikgeschichte eingegangen, Anfang der 80er Jahre eh in der BR Deutschland immer größerer Beliebtheit erfreute, war es nun auch Rainhard Fendrich vergönnt, konsequent durchzustarten und nicht wenige Klassiker ebenjenen "Austropops" vorzulegen - und ein Ende dieser nicht alltäglichen Erfolgsserie ist bis heute nicht absehbar.
Seit 30 Jahren steht der einstige Absolvent eines leistungsorientierten Eliteinternats nun also auf der Bühne und begeistert pausenlos seine Fans, jung, wie alt, im gesamten deutschen Sprachraum. Dieses Jubiläum veranlasste Rainhards Plattencompany Ariola/SONY kürzlich, eine proppevolle Kompilation namens "Rainhard Fendrich - 30 Jahre Live - Best of" zusammenzustellen, welche dieser Tage das Licht der Marktes erblickte.

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"30 Jahre Live - Best of" besteht zum einen aus einer prallgefüllten Audio-CD, die mit sage und schreibe 18 (!) Titeln aufwartet, die zwischen 1985 und 2008, ausschließlich in Österreich, mitgeschnitten wurden - Hits, Fan-Favoriten, Live-Klassiker und Geheimtips aus drei Dekaden, sämtlich natürlich im Konzertgewand, verschweißen zu einem imaginären "Live-Wunschkonzert" eines der bekanntesten und stilbildendsten Vertreter des "Austropop". Eine beigefügte Live-DVD, auf deren Hintergründe ihres Entstehens ich gleich noch eingehen werde, beinhaltet ein gesamtes Konzert Rainhard Fendrichs vom 23. Juli 2007 auf dem Wiener "Donauinselfest", im Rahmen dessen der Künstler 20 eigene Kreationen und drei, noch zu erläuternde Bonuslieder präsentierte.
Rainhard Fendrich brillierte Zeit seiner Karriere ein ums andere Mal mit entweder beißend ironischen, pointierten, gerne zugespitzten, überzeichneten, aber niemals platten oder womöglich gar vulgären Textinhalten, reziprok dazu mit stiller Nachdenklichkeit, ausufernd Philosophischem, ab und zu fraglos Abstraktem und selbstverständlich mit tollen, unter die Haut gehenden Liebesballaden - immer erzählte er Geschichten, die viele Menschen selbst erlebt haben, weshalb sich viele in Fendrichs Reimen häufig Eins zu Eins wieder finden.
Auf CD 1 hören wir somit fetzige Discorenner, Allzeithits und Tanzflächenfüller a la "Blond" (1997 - ein wochenlanger österreichischer Nummer-Eins-Hit, der musikalisch allerdings allzu sehr von der Discothekenhymne "Go West" ("Pet Shop Boys" bzw. "Village People") abgekupfert schien), "Macho, Macho" (1988 - DER deutschsprachige Sommerhit jenen Jahres und der endgültige Durchbruch für Rainhard in unseren Breitengraden), oder des Interpreten bitterböse Abrechnung mit der Sensationsgeilheit nicht weniger Zuschauer bei Sportveranstaltungen, "Es lebe der Sport" (1982 - hier in einer recht temporeichen, leicht funkigen, mit zickigen Synthibläsern ausgestatten Livefassung aus 1985).
Einige Wochen lang, täglich "Zwischen Eins und Vier" (Songtitel), hatte Rainhard Fendrich sein gleichnamiges 1982er-Opus eingespielt, weshalb er diesen Studiotagen bzw. -nächten mit ebenjener Gitarrenballade eine Klasse quer gedachte Hommage widmete, während "Es tut so weh, wenn ma verliert" (1983) und "Weus'd a Herz hast, wia a Bergwerk" (dto. als Single 1984 - 1992 mit großem Orchester und klassischem Chorgesang ‚live' in Wien aufgeführt) zu den prägnantsten, ehrlichsten und überzeugendsten Liebesliedern gezählt werden müssen, die die Ikone des "Austropop" jemals geschrieben und aufgenommen hat.
Mal wieder radikal ironisch, beinahe absurd, kommt die schillernde Ballade "Zweierbeziehung" herüber, einer der ersten selbstverfassten Titel aus dem Jahr 1979, der diffizil und augenzwinkernd über die hochemotionale, quasierotische ‚Beziehung' zwischen einem unverbesserlichen Autonarr und seinem hyperteuren Porsche erzählt - den der Protagonist eines Tages, so mir nichts Dir nichts im Vollrausch gegen einen Baum fährt, worüber er seelisch kaum hinwegkommt. Eingangs erwähnter Titelgeber von Rainhard Fendrichs LP-Debüt ertönt ‚live' 2008 als reinrassiges Pianochanson.
Gepfefferte Zeitgeistkritik, die zielgenaue Aufspießung des alltäglichen Wahnsinns, waren und sind gern gewählte Themen in Rainhards Lyrik. Aber nur äußerst selten gab sich der genialische Wortakrobat aus der Donaumetropole eindeutig politisch. So z.B. 1985 in der vertrackten, gänsehauterzeugenden Rockballade "Frühling in Berlin", die, ohne jegliche ideologische Scheuklappen, die unermessliche Sehnsucht der Deutschen "West" und der ihrer Landsleute im Osten nach einander, zu einander, sprachlich herausragend und einfühlsam skizzierte.
Bluesbetonte, pianolastige Couplets, irgendwo in der Nähe seines großen Landsmannes Helmut Qualtinger, hat Rainhard Fendrich ebenfalls häufig im Programm. So etwa den ‚Pubertätsboogie' "Frieda" (2001), der - klar - gleichsam auf "30 Jahre Live - Best of" zum Einsatz kommt; hier in einer überzeichnet schwülstigen Liveversion vom 24. Mai 2008.
Als 1989 das so sympathische, wie kritische Bekenntnis zu Rainhards Österreichischer Geburtsheimat, "I am from Austria", als erste Single aus der durchwachsenen LP "Von Zeit zu Zeit" ausgekoppelt wurde, erwies sich der liebenswerte Titel als ein veritabler Flop. Doch spätestens seit Rainhards Aufführung von "I am from Austria", 1992 ‚Open Air' auf dem Rathausplatz zu Wien, gilt das opulente Rockchanson, gerade bei jungen Menschen, als eine Art ‚inoffizielle Nationalhymne' Österreichs, besitzt heutzutage längst Legendenstatus und trägt ohne Zweifel etwas tiefgreifend Historisches in sich.
Auf seiner 1998er-Tournee wurden die philosophischen Gedanken "Über meinen Horizont" (1989 - eher schleichend, still) bzw. "Der Himmel würfelt leider nicht" (1991 - ungeahnt rockig, bluesig) aufgezeichnet, die nun für "30 Jahre Live - Best of" aus den Archiven gekramt wurden.
Während die soeben analysierten Beiträge von "30 Jahre Live - Best of" sämtlich Rainhards zig offiziellen Live-LPs/CDs entnommen wurden, koppelten die Kollegen bei Ariola an den Schluß von CD 1 fünf bislang unveröffentlichte Schmankerl in konzertärer Auslegung. Hierbei handelt es sich überwiegend um zwar qualitativ, wie gewohnt, hochwertige, ansonsten aber zumeist nur von Beinhart-Fans zutiefst verehrte bzw. goutierte Songs. So z.B. um "Der Wind", im Frühjahr 1988 erste Single aus Rainhards ewig unterschätztem Meisterwerk "Voller Mond", das lockere Liedeslied "Schlaf mit dein' Herzschlag ein" (2004), den ultimativen Fendrich-Favoriten des Verfassers dieser Zeilen, "Manchmal denk i no an Di" (1985), das semiklassisch inszenierte Klangdrama "Löwin und Lamm" (1991) oder die vom Wiener Dramatiker, Dichter und Satiriker Johann Nepomuk Nestroy inspirierte Ballade "Rattenfänger" (1985).
Die beigefügte, ca. 100-minütige DVD entstand eigentlich aus einem außerordentlich traurigen Anlaß. Am 23. Juli 2007 wollte der legendäre Wiener Liedermacher Georg Danzer mit einem Liveauftritt auf dem Donauinselfest der österreichischen Landeshauptstadt ein großes Konzert zu seinem 30jährigen Bühnenjubiläum zelebrieren. Da Georg aber schon in den Tagen zuvor arg von seiner Krebserkrankung gezeichnet war, bat er seinen Freund Rainhard, an seiner Stelle auf der Donauinsel aufzutreten - zwei Tage vor der geplanten Veranstaltung, verstarb einer der großartigsten und vielseitigen Künstler, den die Alpenrepublik jemals hervorgebracht hat.
200.000 Fans aus ganz Europa waren nun zu Rainhards Tribute-Konzert für seinen langjährigen Freund und Kollegen angereist - und der Interpret, mitsamt seiner fünfköpfigen Band, bot nun mit einem Best-of-Repertoire auf, das keine Wünsche offen ließ, ohne den ernsten Hintergrund dieses bis heute erfolgreichsten Konzerts, das jemals im Zuge der seit 1983 jährlich stattfindenden Donauinselfeste über die Bühne ging, zu vergessen.
Nach den eher getragenen, gemächlichen, dem Anlaß jederzeit gerecht werdenden Balladen "Mamas Fenster" (2006) und "Tränen trocknen schnell" (1986), öffnete der Star des Abends sogleich seine Greatest-Hits-Schatulle. Unter lautstarker gesanglicher Unterstützung durch das hingerissene Publikum, folgten nun betont rockige Versionen der Evergreens "Strada del Sole" (1981), "Es lebe der Sport" (1982), "Schickeria" (dto.) und "Zweierbeziehung" (1980) - wobei darauf hingewiesen werden muß, daß Rainhard, auch im Live-Kontext, hier mehrheitlich auf diejenigen Neuarrangements zurückgriff, die er bereits für seine kongeniale 2005er-CD "So weit, so gut - Die größten Hits aus 25 Jahren" kreiert hatte. Es folgen das melodisch doch seeehr (!) an Chuck Berrys Rock'n'Roll-Standard "Johnny B. Good" erinnernde Blues-Couplet "Ich kenn kane Noten" (1995), "Das Feuer", wiederum ein Beitrag aus Rainhards verkanntem Meilenstein "Voller Mond" (1988), eine überzeugend aufgemotzte Fassung des 1985er-Hits "Wien bei Nacht" - im Frühjahr jenen Jahres einer DER persönlichen Lieblingslieder des Rezensenten -, sowie die 1993er-Stellungnahme gegen die damals besonders stark grassierende Ausländerfeindlichkeit, "Brüder", die aber niemals unnötig "betroffen" oder "Zeigefinger schwenkend" wirkt, denn vielmehr verständnis- und liebevoll, durchaus einwenig lakonisch, letztlich direkt aus dem Leben. Mit der schier traumhaften Liebeserklärung "Manchmal denk i no an Di", geht es umjubelt weiter, woraufhin die 2004er-Ballade "Engel", die prickelnde Weltflucht-Ode "Malibu" (1993) und der oft missverstandene Titeltrack von Rainhards 1986er-Ariola-Einstand, "Kein schöner Land", erklangen.
Nun war endgültig und unwiderruflich Partystimmung pur angesagt: "Macho, Macho" (1988 - hier in einer zurückhaltend arrangierten, deutsch/spanisch intonierten Darbietung) oder der fundamentale Tanzflächenfüller "Blond" (1997) ließen die anwesenden Fans aus dem sprichwörtlichen ‚Häuschen' geraten, bevor ein ausgiebiges, feuriges Schlagzeug- bzw. Perscussion-Solo in den 1993er-Gassenhauer "Midlife Crisis" überleitete. Die drei unverbrüchlichen Balladenklassiker "Vü schöner is des G'fühl" (1985), "Weus'd a Herz hast..." (1984) und "I am from Austria" (1989) beendeten ein wahrhaftig phantastisches Konzertprogramm, ohne auch nur einen Durchhänger, das dem hiermit geehrten Georg Danzer in aller Form absolut gerecht wurde.
Als Bonustracks fungieren drei spezielle Titel des Verstorbenen, die Rainhard Fendrich voller Ehrfurcht und Ehrerbietung ebenfalls an jenem Abend sang, und die alle künstlerischen Momente Georg Danzers auf den Punkt bringen. Er war ein sehnsüchtiger, verträumter, so sensibler, wie anarchischer Melancholiker ("Griechenland"), der genaue, penible, positiv pedantische Beobachter skurriler Alltagssituationen ("Ruaf mi ned an"), sowie der bissige Ironiker, Satiriker, gerne Sarkast ("Vorstadtcasanova") - diese drei wundervollen Titel trug Rainhard bei jenem hier festgehaltenen Gedächtniskonzert voller Inbrunst und mit Tränen in den Augen vor, worüber sich Georg auf seiner Wolke bestimmt wesentlich mehr gefreut hatte, als wenn man seiner mit unnötiger "Wut & Betroffenheit" gedacht hätte.
Auf diese Weise stellt "Rainhard Fendrich - 30 Jahre Live - Best of" nicht nur eine grandiose Sammlung der besten und wichtigsten Klassiker des Hauptprotagonisten dar, sondern zugleich ein hoch emotionales Gedenken an den unschlagbaren Georg Danzer. Vorliegendes Set ist in erster Linie etwas für die unverbesserlichen Beinhart-Fans, die Sammler, die Chronisten, die Historiker unter uns. Gleichsam bietet hier vorgestellte Liedersammlung allerdings auch Fendrich-Neulingen und Nachgeborenen einen Super Einstieg in die so eigene, wie sympathische Welt des "Austropop", so daß den Kollegen bei Ariola an dieser Stelle nochmals ganz, ganz herzlich dafür gedankt sei, dieses Geschichte schreibende Projekt nun in bester Ton- und Bildqualität aufbereitet und für den Konsumenten realisiert zu haben! Gesamtnote: Bestwertung!
(Holger Stürbenburg)

 


   
   
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